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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1511
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Frettag, den 22. October

1852

N“ 129.

Köln, 14. Oetbr. Aſſiſenverhand-
lungen gegen Dr. Hermann Beder und
Genbſſen in Köln. Wir beginnen un-
ſern heutigen Bericht mit Anführung ei-
niger öffentlichen Urtheile über die ſich bis
jetzt herausſtellenden Ergebniſſe der Ver-
handiungen, Die „Weſ. Ztg.“ glaubt, dem
Hauptangeklagten könne ſchwerlich mehr
bewiefen werden, als daß er (was er ſelbſt
icht läugne) ein arger Demokrat ſei.
Naͤchdem ſie die, Übrigens nicht auf den
richierlichen Behörden , ſondern auf der
Verwaltung des Axreſthauſes laſtende ſtrenge
Behandlung der Gefangenen getadelt, fährt
ſie fort: Aber auch den Demokraten flicht
dieſe merkwürdige Unterfuchung keinen Glo-
rienſchein ums Haupt. Ihre Führer bewer-
fen ſich in den aufgefundenen und vorge-
fundenen Briefen um die Wette mit Koth,
wie denn Marr ſeine Londoner Genoſſen
zur Unterſcheidung eintheilt in die einen
Eſel und in die andern Sfel, und von


Bild entwirft, wie es der Zuſchauer der
„Neuen Preuß. Zeitung“ nur irgend ver-
moͤchte! Die Zeit! aus Norddeutſchland
ſchreibt; der ſogenannte Communiſtenproceß
in Köln, nacddem er ein paar Tage mehr
oder weniger die öffentliche Aufmerkſamkeit
in Anſpruch genommen hat, ſchleppt ſich
nun ſchon müde ſeinem Ende zu. Selbſt in
der nächſten Nähe des Gerichtsſaales würde
uian faum ahnen, daß in demſelben ein
Proceß verhandelt werde, dem man An-
fangs eine Art welthiſtoriſcher Bedeutung
zu „geben fuchte. Als Ergebniß des Pro-
ceſſes, fo weit er bis jetzt fortgeſchritten iſt,
erſcheint/ daß wirklich in London eine com-
uuuiftiſche Berbindung ſchon vor 1848 he-
ftanden haͤbe; daß diefe Berbindung, nach
dem Verunglücken der Verſuche einer Re-
prganifation Qeutſchlands von 1848, durch
ein früheres Mitglied der Londoner Com-
muniſtenverbindung (Schapper) in Löln
wieder herzuſtellen verſucht wurde. Die Ver-
bindung follte dann anders wohin weiter


Wurzel gefaßt Hatie, entſtanden ſchon Zwiſte
in der leitenden Behörde derſelben zu Lon-
don! Dieſe Behörde brach in zwei Theile
zuſammen; und ſo gab es ſchon von Au-
fang an zwei Koͤpfe für Ein Ding, das
noch keinen Leib hatie. Vor den Aſſifen zu
Köln wiederholt ſich etwas Aehnliches. Ein
Theil der Angeklagten gehört augenſchein-
lich und eingeſtändlich dem Communismus
an, und ein aͤnderer wehrt die Anſchuldigung
des Communismus in einer Weiſe ab, die
nicht zweideutig iſt, im Gegentheil den Haß
und die Hochderachtung der arteibruch-
theilchen bekundet. Der Angeklagte Bür-
gers erklaͤrt ſich offen als Lommuniſt, und
Dr. Becker machte ſich in ſeiner Rede mit
einer waͤhren Herzenslub über den Lommu-
nismus und über alle Theoretiker her, in-
dem er ſich als den rein praktiſchen Jour-
naliſten der Demokratie darzuſtellen ſucht.
er gehören ganz

vor Gerxicht zuſammengeſtellt ſind. Die po-
litiſche Bedeutung des Proceſſes iſt mit je-
dem Tage immer geringer, je mehr es Mar
geworden, wie hier nicht von einer großen
maͤchtigen Berbindung, die ſich unter den
Füßen der ganzen Geſellſchaft herzieht, die
Rede iſt, ſondern höchſtens von einem Du-
tzend Leute, die entweder von ihrem Ehr-
geize oder ihrem Wahne angeſtoßen, ſich

für berufene Weltrelter halten, oder von
armen Verführten, die ſich von dem Ehr-
geize und dem Wahne Anderer treiben lie-
ßen und in ihrer Eitelkeit aglaubten , daß
ſie felbſt die Welt aus den Angeln zu rei-
ßen berufen ſeien.“

Unſere Leſer werden e& uns daͤher dan-
ken, wenn wir die Verhandlungen nicht
mehr in der bisherigen Auefuͤhrlichteit mit-
theilen, ſondern nur das Weſentlichere da-
raus hervorheben, — Die heutige Bernehmung
des Angeklagten Dremed Daͤniels, der
ein Mitalied der Centralbehörde geweſen
zu ſein flandhaft leugnet, jedoch auf wmeh-
rere Anſchuldigungen ketue überzeugende
Rechtfertigung beibringen kann, bietet wenig
Intereſſe Daſſelbe gilt von der Verneh-
mung des Angeklagten Otto, Chemikers an
der hieſigen Mineralwaſſeranſtalt. Er ges-
ſteht, den demokratiſchen Verein beſucht und
Mitglied. des Arbeitervereins geweſen zu
fein, In den gegen ihn zeugenden Schrif-
ten regnet e6, wie überhaupt in dieſem
Proceß, von Phraſen über Souveraͤnität
und Bedrüdung , denen wir in den letzten
Jahren zum Ueberdruß oft begegnet ſind.

*Köln, 16. Oet. In den Aſſiſenver-
handlungen gegen Dr. Hermann Becker u.
Genoſſen wurden geſtern und heute Jacobi,
Or. Klein, Handlungseommis Erhard und
Schreinergeſelle Laſſner vernommen, welch
letzterer ſich mit einem nicht ihm angehöri-
gen Wanderbuch verfehen längere Zeit un-
ler dem Namen Karſtner herumtrieb, und ein
eifriger Colporteur revolutionärer Schrif-
ten geweſen zu ſein ſcheint. Auch die Ver-
nehmung dieſer Angeklagten ſtellte die in-
neve Zerfahrenheit des Bundes in immer
klareres Licht, obgleich ſämmtliche Ange-
klagte eompromittirt und revolutionärer
Tendenzen ziemlich überfuͤhrt erſcheinen.

Feuilletvu.

Zur Kenntuiß Auſtraliens.

Unterm 4, Mat ſchteibt ein Engländer, der
lange anı Mittelrheine als Oekonom lebte und
Mitglied des rhein landwirthſchaftlichen Vereins
ift, aus Süd-Adelatde in Auftralien :


man e8 nur wünfchen kann! Fruchtbare Ebenen
und laͤchende Hügel wechſeln. Der Boden
beſteht aus ſchwarzem Mergel und rothem Thon,
wie bei Bingen, und eignet ſich vorzüglich zum
Weinban! Von 20,000 Setzlingen rheinifcher
Reben die er mitgenommen , erfreuen ſich zwei
Orittel des kräftigſten Wachsthums! Früchte
und Gartengewächſe ſind {o üppig, wie nirgend
auf der Welt! Aepfel vom Umfange eines
gewöhnlichen Deſſerttellers und 10 Pfund ſchwere
Trauben ſind nicht ſelten! Einmal gepflügt,
bringt der engliſche Acre (oder 1 Morgen 105
Ruthen 29 Juß preußiſch) 32 bis 36 Bufhel
des beſten Weizens oder 22 bis 24 Scheffel
preußiſch, das ſind 7 Coblenzer Malter, und
dies Jahr um Jahr! Der Preis des Landes
iſt duͤrchſchnittlich 1 Bf. St. der Acre; wer
jedoch 50 Acres Fauft, hat 3 Frei-Ueberfahrt-
Plätze von der engliſchen Emigrant Soctety.
Die Reiſe beträgt gewöhnlich 100 Tage, kann
aber auch bei günſtigen Winden in zehn Wo:
chen gemacht werden und iſt ſicherer al8 die
nach America. Jedem Landwirthe, der ein
Capital von 2000 bis 3000 Thlen! zur Ver-
fügung hat, wird gerathen, binüber zu gehen,


zu machen , fo: mie-jedem , der eine ſtarke Fa-
milie hat, indem die Arbeiter äußerſt felten
ſind und ſehr gut bezahlt werden, nämlich ein
Handwerker 10 Sh! oder 3 Thlr. 10 Sarı
täglich, und ein Taglöhner mit 7 Sh., wobei
bemerkt wird, daß die gewöhnlicken Auggaben:
nicht viel größer ſind, als in Deutſchland! Der

geringſte Preis der Ueberfahrt iſt etmwa 20 Pfd.
oder 140 Thir. von einer Stadt des Nieder-
rheins auß, Doetoren, Advocaten und Mufik-
lehrer werden, als unbrauchbar nicht verlangt;
aber werktüchtige Hände? Dier dort angefiedel-
ten Deutſchen ſſchildert der Schreiber als ſehr
fleißig und in jeder Beziehung gedeihend; man
höre nie, daß ein Deutſcher etwas mit der Po-
lizet zu ſchaffen habe! Junge Leute , welche
den Tabakbau und die Tabakfabrication kennen,
würden dort glänzende Geſchäfte madjen , da
viel Tabak wächft, man aber die Behandlung
deſſelben, die Fabrieation nicht verſteht! Am
A, Mai trafen alg Ergehniß der Goldwäſchereien
des Monats April in Süd-Adelaide von den
Minen des Mount Alexander 2200 Pfde Gold
ein, was, die Unze zu 3 Pfd. St. 10 Sh.,
85,000 Bfo. St, oder 588,666 Ihlr. preuß.
Courant ergibt! So viel liefert jeder Monat,
und bei Weitem mehr, wenn Waſſer genug
vorhanden iſt! Mount Alexander iſt 380 engl,
Meilen oder 76 deutſche von Süd-Adelaide,
und kann man über Land die Reiſe in 6 Zas!
gen dahin machen. Wir dürfen dieſen An-
deutungen wohl Glauben ſchenken, ‚Da der
Schreiber in der Umgegend von Coblenz, wo
er lange Landwirthſchaft teibend, lebte, alg
ein ehrenwerther, zuverläſſiger Mann bekannt
und geachtet iſt.

Anna Sibylla Münch.
Ein Franenbild aus Göthes Jugendzeit
(Fortſetzung)

Goethe berichtet, Dbet der Beſchteibung
5e8 Verhältniffes zu Uilt (Br 22. 304), er
haͤbe die früheſten Mourgenftunden der Dih-
tung geweibt; der wachfende ag aber habe
den weltlichen Geſchaͤften gehört, mas freilich
nicht im (trengen Sinn genommen werden Darf,
da bder junge, von Schaffungsdrang und Le-
bensluſt glühende Dichter oft ganze Tage den
Geſchäften fremd blieb. Der Vater, fährt er
fort, der gründlich und füchtig, aber von lang-
ſamer Conception und Ausführung gewefen,
habe die Acten als geheimer Referendar fiudirt,*)
und wenn ſte zuſammengetreten, ihm die Sache
vorgelegt, worauf er ſelbſt die Ausfertigung
mit ſolcher Leichtigkeit vollbracht hHabe, daß es
vem Vater zur höchſten Freude gediehen. Naͤ—
türlich waren dem Dichter des „Götz“ dieſeni-
gen Sachen am liebſten in welchen er ſich als
Redner ergehen konnte, beſondets wenn es
galt, die neuen Ideen des überall ſich verbretz
tenden Humanismus zur Geltung zu bringen.
„Gefängniſſe wurden gebeffert,“ ſchreibt Goethe
ſelbſt,Verbrechen entfhuldigt, Strafen ge-
lindert! die Legitimationen erleichtert, Schet


unſerer vorzüglichen Sachwalter ermarb ſich
den höchſten Ruhm, als er einem Scharfrichter-
foͤhne den Cingang in das Collegium der

*) Abweichend hierven berichtet Goethe Bo. _ 22,
143 von bvder Zeit naͤch der Ruͤckkehr von, Weßlar
Gerbſt 1772), er ſelbſt habe die Acten gelefen,
mit denen ſich dann auch der Vaͤter bekannt gemacht
abe.
 
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