Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Wochenblätter (33) — 1839

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.29903#0237
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heidelöerger Wvchenblätter.

58. Samstag, Der 23. März 1839.

E r e L g tt i s s e.

Gondcrshavsen, 12. März. Unser Fürst
hat untcrm 23. Febr. eine V,rordnung folgenden
JnhaltS crlassen: ^ Da dre persönlichen Eigenschaf-
ten einer guten HauSfrau etnen grügeren und blei-
benderen Werth haben und in den meisten Fällen
eine Familie mehr vor der Gefahr der Verarmung
stchern als Geld und Gut, so habe ich beschlossen,
daß vom t. Bpril d. I. an die Lrlaubniß, stch an
einem andern Heimathsorte zu verheirathelt und ss
daS Hrimathsrccht deö künftigen Ehcgatten zu er-
wecben, in Bezug auf die Braut nicht fcrner von
Lem Rachwerse eineS von rhr einzubringenden Ver-
mögenS abhSngrg zu machrn ist."

Paris, 17. März. Die Neorganisation des
Ministerrums steht fest; die ErnennungSordonnan-
zen werden iedsch nicht vor der Ankunft deS Hrn-
Humann iri Paris, welche täglich erwe.rter wird,
erscheinen. FolgcndeS rst die Zusammenschung deS
INeuen KabinetS: Marschall Eorrlt Prästdent und
AriegSminister; Admiral Duyerrv Seeministcr;
Humann Frnanzminister; Villemain Minister deS
offentlichen Unterrichts; ThieeS Minister deö AuS-
wälticen; Dupin Justizmirnster; Passy Minister
Les ^anern; Dusaikre Handelsminürec; Sauzer
Minlster der offcntlichen Arbcnen. Dte beiden letz-
ten Mimsterien waren biSher vereinrgt; man wvüte
AnfangS auch, dcn CultuS von der Justiz trennen,
aver der Gall-küner Dupin licß srch denielben nicht
entreißen. V.ur den neucn Mnüstern stnd die vier
Ersten PairS, die fünf Lctzteren Äbgeordncte. Odi-
lvn Varrvt rst ministerieüer Kandidat für das Kam-
merprästdruni. Hr. Thiers zählc iu der Abgeord-
netenkanuner auf 280 Strmmen, nämlich 80 ihm
persönlich ergebene, 90 vom Tiersparti und der
dynastischen Opxosttion, iio Ucberläufer vvn dem
Klubb Jacqueminot. Dieser brelt gcstcrn eine
Gitzung, es kamen redoch nicht über sechzig Abge-
ordnece zusammen

Pariö, 17. März Die Anhänger des vorigen
MinistcrinmS stnd noch immer entschlossen, Royer
Collard als Kammerprästdcnten vorznschlagcn. Dte
Doktrinärc werden diesen Vorschlag nicht unrer-
stützen: da jener, ihr „Vater,^ ste neuerdingg vor
ganz Frankreich verstoßen har; eben so wenig wec-
den ste aber wohl für Odilon Barrot stimmen; so
daß am Ende die 28 Grimmen der Doktrinc auf
Hrn. Guizot fallen könnten. — Der Conrrier, wel«
cher Mittheilungen von Hrn. ThierS übcr scrne Ab-
stchten hinstchtlich der belgjschen Angelegenhett er-
bält, spricht für Aufrechthaltung des Schlußvcr-

trags; die Vollziehung will er aber verschoben wissen,
und gegcn Ai.wcndung von Zwang, um Belgien
zur Ännahme zu nöthigen, ist er entschieden. —
Die feürlrche Tause des Grafen von Paris soll anr
PhilippSta;e/ dcm l. Mai stattfinden. Der Erz-
bischof von PariS hat stch endlich, dazu verstanden,
dic Ccremonie zu vollziehen. — Madame Adclaidc,
die Schwester deS KöaigS, ist schwer erkeankc.

Franz. Bltr. vom 17. März schreiben: Zn
der neuen Aegeordnetcnkammer sttzen unter ä39
Mitgliedcrn isto Beamte; drc vorige zählte l65.
Ausserdem sttzcn in der neucn Kammer 6Z Kaufleute.
BankrerS, Fabrikanten, Schrfföeigenthümer ;c.,
15 Eiseittveikbesitzcr, 3 Norare, 12 ehemalrge No-
tare, Schriststeller und Publiz sten, 2 Zournal-
direktsrcn, 1 Ärldbauer, 33 penstrnrrte Obcrsffi-
ziere, 6 Acrzte, 6s Advokaten, 38 Gtttübesitzer rr s. f.

Wrüsse!, 15. März. Der in der geßrigen
Sitzung der Rcpräsentantenkammer plötzüch er-
solgte Tod deg Hercn Beckaert erzeugte icr dev
Kammer nichr allein untcr den Repräsentanten,
sondern auch uuter den Zuhörcrn auf deu Gallerien
cinen tiefen Eindruck und ängstliche Bestürzung.
Hr. Bcckac.t, ein schon dcjch rter, achtLmaswerther
Kaufmann aus Korrryk, welche Stcidr er auch re-
präsenrirte, gehöete AnfangS der WiderstandSpartej
an, trar aber zur Gegenpartei auö besserer Ueber«
zeugung über und vertheidigie also den Vertrag.
Lre WiderstandspLrtei will narürliÄ in dem Hnr.
Beckacrt widerfahrenen Nnglück eine gereckte Be-
strafung crkennen; üdrigeus nimmt man dennoch
allgemein den aufnchtigsten Antheil an dem bckla-
genswerthen Dorfall. Hr. Dumsrtier wolltc in-
dcsse.i für die WiderstandSpartei Vortheile auS dem
Dorfaüe ziehen und beantragre erne nrehrtägige
Vertagung der Siyungen. Die Kammer, oder
Vielmehr die Friedenspartei, will abcr ein^ sür
allema! kcine Veitagung, srndern so vie! als mög-
lich die Abstkmmung beschleuvigen, deßhalb wurdö
auch dcr Anrrag des Hrn. Dunisrtier verwsrfen.
Der Handclsstand ist schvn längst unzufrieden darüber,
daß die Kammer nsch nicht abhestimmt hat. — Dre
WiderstaadSpartei ist nun emsig beinüht, über die
Zustände in PariS Trkuttdigungen einzuziehen. Wie
wir ader hören, so konrmen ihr von da wenig tröst-
liche Nachrichten zu. — Aber auch in den an den
König von Hvlland zurücksüllenden Thetlen von
Luxcmburg und Linrburg herrscht keinc dcr Erwar-
lung der Wtdrrstandspartei entjprechende Stimmung.
Die Leute fangen an, fich in ihr bevorfiehendeS
SÄicksal zr» sügen.
 
Annotationen