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Heidelberger Wochenblätter (33) — 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.29903#0605
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Hcidclbcrgcr Wochenblättcr.

dko. 149. Mittwoch, drn 31. Iult 1839.

Ereignissr.

Berlin, 33, Zuli. Die neue Mokution des
Papstes wurde hier in allen Kreisen mir großet
Glcichgültigkeit aufgenommen. Die darin ange-
deurete Drohung, daß der heilige Batcr nur aus
besondcrer Milde nicht eine starkere Manisestarion
seines UnwiUens, vieUeicht sogar Bann m.d Inter-
dikt, ausgesprochen, wie die schreckende Aeuffernng,
daß die desohlene Widersetzlichkeit gegen das heilige
Necht der Kirche die Hcrzen der Bürger auch zum
Ungehorsam gegen weltliche Befehle crziehen könne,
stnden, einem so mächtigen und wohlgeordnetcn
Staate, wie Preußen, gegenüber, eine ganz an-
dere, als ernste Würdigung. Eben so wunderbar
kiingt es, wenn Se. Heiligkeit den frommcn Bru-
dcr Martin als Erzbischof oon Poscn und Gnescn
feierlich beftärigt und dcn Domkapiteln bestehlt,
nur deffcn Lesehlen zu gehorchen. Drc Kraft,
welche diesen Worten einft beiwohnte, ift längft er-
storLen; die kahlen Worte allein blriben noch übrig,
einer Macht enrgegen, welche im Gefühl ihrer
Stäzke, gestützt auf Gesetz und Zcit, diese Ber-
kennung nur bedauern, abcrnichrS anihren Grund-
sätzen im Interesse der Aufklärung, deö Fortschricts,
der Sichcrheit, des aUgemeinen Rechls und seiner
selbst ändern kann. Daß der Staat übrigens die
kirchliche Würde des Erzbischofs nicht angetastct
hat, beweisr, daß er der Ausübung seiner priester-
lichen Funktion nichts in den Weg legr. Nur in
Preußen soU der Erzbischof nach dem Borangcgan-
genen kcin Amr mehr bekleiden, und das oberste
Ansehcn des Staates würde sich schwerlich behaup-
ten laffen, wcnn die Ansprüche der tridentinischen
Versammlung sich fortwährend über die Fortschritte
der Iahrhunderte und ihr Recht stellen. JedenfallS
wcrden die Hoffnungen des Papstes, daß die Ein-
sicht Sr. M. bcide Erzbischöfe wieder einsetzen
werde, nicht in Ersüllung gehen , ba man weniger
als je an ein Abgehen vom guren Rechte denkt und
es im Gegentheil Nom überläßt, einsichlsvoU die
veränderte Zeir und dle Machr der Umstänbe zu be-
greifen. — Die wcisten der Abgeordnelen der ZoU-
vereinstaaten sind in den letzren Tagen hier einge-
troffen, und mit dem Anfange Augusts werden
die Derhandlungen eröffner werden. Auffer den
verschiedenen Fragen und Borschlägen über Er-
leichterung des innern Verkehrs wird die Ausglei-
chung von Maaß und Gewicht besonders verhan-
delt werden. Dem Handelsvertrage mit Hoüaud

dürfre bald ein auderer mit Belgicn folgen, welches
nach der Ausgleichung feiner politifchcn Händel sich
eifrig um den Anschluß bemühr, dcr aUcrdings ganz
in seinen Zntereffen liegt und sür den Verkehr des
westlicken Deutschlands von nicht minderer Wich-
tigkeit rst. Die Unterhandlungen, wklche mit Ham-
burg hier gesührt wurdcn, haben vorlänsig keine
genügenden Resultake erzielr. Die Erscheinung eines
englischen Abgcordncten bei dcn Derhandlungen
dürste mchr eine Sache der Form als oon Wirkung
feyn. Das Ausblühen des dcutschen und besonders
des preußischen Fabrikwcsens liegt wcit mehr in dem
industriellen Gciste rind den kontinentalen Derhält-
nissen übcrhaupt, als in dem Besteuerungssystem
und desscn mäßigen Sätzen, welche übrigens wohl
schwerlich eine Aenderung erfahren dürften, so
lange der deursche Handel in England weit schüm-
mercn Prohibitivmaßregeln unterworfen ist.

Von der serbischen Gränze, r8. Zuli.
Nach der Auskunsr eincs gestern in Belgrad cinge-
troffenen Kuriers aus Konstanrinopel vom 12. d.
verbrcitete sich mit BtitzesschneUe das Gcrücht, daß
dcr Kapudan Pascha aus scincr Fahrr nach Rhodus
von dem englischen Admiral Sropford aogehalten
und genötbigl worden sey, zum Schutz dcr Hanpt-
stadt zurückzuscgeln. Englische Schiffe setlen die
türkische Flotre bis zu den Dardanellen zurück
begleiten. Es scheint, daß der Kapudan Pascha
bei seincr Fahrr nach Nhoduö Hafis Paschas gänz-
liche Niederlage nnd Dernichtung sciner Armee
noch nicht wußtt. Jn welchcr gcfährlichrn Lage
sich der Kapudan Pasch asich jetztbefindet, ist einleuch-
tend. Er dürfte sich wahrscheinlich auf cin engli-
scheS Schiff rettcn. >— Dic Sädclumgnrtung des
Sultans soll am 11. mit vielem Pomp stattgefun-
den haben. Mit nächstem Kurier erwarter man
die Beftätigung dieser Nachrichten.

Türkei. Ein Schrciben aus Wien in der
nPreuß. Staatszeiturig" sagt: " Der ncue Groß-
wessier, Chosrew Pascha, ist die hervorragendste
Persönlrchkeit der türkischen Großen. Dicle sahen
in diescr WiederhersteÜung der wichtigstcn SteUe
des alten Systems ein Symptom der Rückkehr zu
den von Mahmud bekämpslcn Idecn. Dieß muß
die Zuknnfr lehren. Daß der 80jährige Clwsrew
Pascha dre große RoUe spieli, cr, der in allcn Phasen-
der an Wechseln rerchen Regierungszeit Malimuds,
sich die Gunst dcs Sultans zu bcwahren wußte,
kann kaum über die Wendung der Dinge cinigelL
 
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