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Heidelberger Wochenblätter (33) — 1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.29903#1005
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Hcidclbcrger Wochcnblättcr.

No. S48. Dinstag, den 17. Dezember 1839.

Greignisse.

Paris, 11. Dez. Ein Schreiben aus Algier
vom 30. Noo. im Iournal des Debats weist nach,
daß der Zug durch die eisernen Pforten keineswegs
dcr Grund sey, wegen deffcn Abd-el-Kader die
Feindseligkeiren eröffnet yabe, indem erwiesen sey,
daß der Emir schon vor diesem Zuge die eingebore-
nen Släinme zum heiligen Kriege gegen die fran»
zösische Macht aufgefordert und dcn Derkehr mit
den Franzosen verboten habe. — Aus Blanquis
Gericht gehl hervor, daß seit 1833, während die
Bevöikerung von Algier sich verdoppelte, der Wein-
verbrauch in diesem Zeitraume sich verfünffacht hat.
Ucbcr die europäischen Ansicdler sagt er, sie bestc-
hcn mehr auö Spaniern, Deulschen und Italienern
(Maltesern), als auö Franzosen. Der Anbau der
Mcaulbeer- und Olivenbäume in der Gegend von
Algier gewährt den erfreulichsten Erfolg; auch
Orangen-, Limonen- und Bananenbäume gedeihen,
wenn man auf die Bewäfferung Sorgfalt verwendet.
Für den Tabakbau ist Algerien ganz besonders ge-
eigner. — Durch k. Ordonnanz vom ü. Dez. wird
für die wiffenschaftliche ErpeLirion nach Algier ein
Kredit von 175,000 Fr. ausgeworfen. Die kriege-
rischen Aussichten werden den Abgang der Expedition
kcineöwegs verzögcrn. Einige jüngere Mitglieder
derjelben werden die Truppenabtheilungen beglciten,
welche m daö Innere Les Landes eindringen sollen.

Paris, ii. Dez. Wir sind in einein sonder-
baren Zustande; es donnerr bci hellem Himmel.
Wie dle Schweizerseen zuweiten aufwaUen in ih-
rem Innern, und stürmen obne Wind, so gährt
und braujec eö hier, man weiß nicht warum. Eine
Höllenmaschine kracht los, obne Zweck, es wird
Niemand verwundet alö altes Gemäuer: der Feuer
angelegt, hat den Augenblick gewählt, wo die
Straße leer war. Geftern erzählte man mir auf
der Börse, man schlüge stch an der Pforte St.
Marrin: ich war eine Vierrelstunde vorher da ge-
wesen; ich hacre ein Paar Savoyardenjungen ge-
sehen, die sich prügelten, um sich zu erwärmen.
In der ganzen Stadt hieß es, Louis Napoleon sey
zugegen, und man wußte es fast überall zu glei-
cher Zeir, so daß ein absichtlichcs Derbreiten des
Gerüchtes nicht zu verkennen ist. Das einzige Fak-
tum, das nicht in Abredegestellr werden kann, ist, daß
Hr. Dürand, der Direktor des Iournals „Le Ca-
pitole," zum zweiten Male feftgenommen worden
ist. Auch von der Anwesenheit des Herzogs von

Bordeaux war dre Rede, und da man bei einigen
Republikanern Bomben und Pulver gefunden, so
hätten wir denn ein dreifaches Komplot: ein pona»
parlistisches, ein legitimistisches und ein republika-
nisches. — Die Wahl des fünften pariser Wahl-
bezirks beunruhigt allerdings; döch fürchtete man
noch schlimmere Resultate. Dieses Arrondiffcmenr
gehört zu den cxaltirtesten, und wenn die Stimmen
der Beamten Hrn. v. Hubert nicht zu Hülfe ge-
kommen wären, so würde Hr. Michel (von Bour-
ges) wahrscheinlich den Sieg davon getragcn haben.
Hr. Michel wäre für die Nadikalen in der Kam-
»ner eine große Stütze gewesen: er ist ein ausge-
zeichneter Rcdner und die Eloquenz ist in der pa-
riser Kammer einc furchtbare Waffe ; er verthci-
dlgtc Earrel vor dem Pairshof und plädirte für die
berühmte Madame Dudevant gegen ihren Mann,
den Markiö Dudevant. Zu dem Talent gesellt sich
bei Hrn. Michel die Autorilät eines biedern Karak-
tcrö, und es ift zu bedauern, daß üderspanntc
Grundsätze, unbeugsamcr Radikaliömus einem so
cminentcn Mann den Zugang zum Staatsdienste
versperren. Sein Konkurrent, Hr. v. Hubert, ist
ziemlich obskur und gehört der dynastischen Linken
an, die bekannrlich Hr. Odilon-Barrot führt; diese
dynastische Linke ist nicht Fisch und nicht Fleisch:
sie will und wiU nicht, sie zaudert und zögert ge-
gen Freund und Feind; sie ftilnmt gegen die Re-
gierung, mit dercn Grundsatzcn fie einvcrstanden
ist und geaen die sic weiter nichts einzuwenden har,
a!s daß sie eben nicht selbst die Rcgicrung ift. Die
Parteien zerfallen überhaupt mehr und mchr: wenn
einmal der Kampf der Ideen aufgchört hat, so
sahren solche Agglomerationen von selbft auöeinan-
der, welche nur durch intellektuclle Kraft zusam-
mengehalten wurden.

Madrid, 30. Nov. Der Winter hat dem
Feldzug in Aragonien für jctzt ein Ende gemacht.
Espartero konnte die steilen Gebirgsrücken, welche
er besetzt halke nicht inne dehalten, ohne seine
Truppen dem Erfriercn auszusetzen. Noch weni-
gcr konnte cr Lebensmittel dort aushäufen. Um
sich die Zufuhr derfelben zu sichern, und seine Sol-
datcn nicht unnöthig aufzuopfcrn, sah er sich ge-
nöthigt, seine Linien um etwa 2 Meilen zurückzu-
verlegem Das Hauptquartier ist gegenwärtig in
Mas de la Matas, und der Gencral O'Donne!
hat das seinige von Fortancte nach Camarillas zu-
rückgezogen. Kaum hatte er jenen Ort verlaffen,
als Cabrcras Leute dort einrückren und ihn in Asche
 
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