170 Goͤthe's Werke.
alten Weifen der Sriechen ihr außeres Leben ganz widmeten
und aufopferten, ging ffreng und unerbittlich auf ein Ewiges,
anf ein mehr oder minder vichtig erkanntes Unſichtbares. Dieſe
Bildung gedeiht nur in abgeſchiedener Einſamkeit, wo ſie die—
jenigen ſtets geſucht haben, die ſich zu ihr berufen fühlten ;
und hier iſt es nicht ſowohl der Menſch ſelbſt, der kuͤnſtliche
Verſuche mit ſich anſtellt und ſich ſelbſt bilden will, ſondern
die Idee, die Gottheit, der er ſich ergab, iſt es die ihn bildet
oder von der er ſich bilden und beſtimmen laͤßt. Es giebt aber
noch eine andre, mehr aͤußerliche und geſellige Bildung, die
nicht eine ſo hohe Richtung und Wuͤrde hat, oft ſogar in etwas
ganz Leeres ſich aufloͤßt. Was ſehen wir uͤberhaupt in dem
Menſchenleben vor uns? Die meiſten werden durch allerley
Neigungen und Meinungen durch einander getrieben, ohne
daß ſich da eine bedeutende Kraft oder ein tieferer Zweck zeig⸗
te; etwa irgend ein Genuß oder Spiel wird etwas heftiger
ergriffen, und nur einige feſtſtehende Grundſaͤtze und Geſetze
halten die verworrne Maſſe gluͤcklicherweiſe noch in einer leid—
lichen Ordnung. Andre ſehen wir ſodann durch leidenſchaftli—
che Liebe, wenigſtens voruͤbergehend in ein ganz anderes hoͤ—
heres und kraftvolleres Daſeyn emporgeriſſen, noch andre aber
durch Ruhmbegierde und Herrſchſucht zu ungeheuren Anſtren—
gungen dauerhaft angetrieben, oder durch den nie verſtegen—
den Trieb der Erkenntniß im Stillen noch inniger beſeelt und
bereichert; welcher Trieb der Erkenntniß wieder auf der einen
Seite nah verwandt iſt mit der Neigung zur Abgeſchieden—
heit und zum Unſichtbaren, woraus jene innere Bildung her—
vorgeht, deren wir oben erwaͤhnten, auf der andern Seite aber
verwandt mit dem hervorbringenden Bildungstrieb des Kuͤnſt—
lers. In allen dieſen Geſtalten ſehen wir Leben und eben
darum ſprechen ſie unſer Mitgefuͤhl leicht an, wo wir ſie nur
irgend kraftvoll dargeſtellt finden, ſey es in der Wirklichkeit oder
im Bilde. So wie es nun aber etwas Widerſinniges, und des—
halb Laͤcherliches hat, wenn ein leidenſchaftliches Streben des
eignen Zwecks vergeſſend, ſich wie der Geiz nur auf die Mittel
alten Weifen der Sriechen ihr außeres Leben ganz widmeten
und aufopferten, ging ffreng und unerbittlich auf ein Ewiges,
anf ein mehr oder minder vichtig erkanntes Unſichtbares. Dieſe
Bildung gedeiht nur in abgeſchiedener Einſamkeit, wo ſie die—
jenigen ſtets geſucht haben, die ſich zu ihr berufen fühlten ;
und hier iſt es nicht ſowohl der Menſch ſelbſt, der kuͤnſtliche
Verſuche mit ſich anſtellt und ſich ſelbſt bilden will, ſondern
die Idee, die Gottheit, der er ſich ergab, iſt es die ihn bildet
oder von der er ſich bilden und beſtimmen laͤßt. Es giebt aber
noch eine andre, mehr aͤußerliche und geſellige Bildung, die
nicht eine ſo hohe Richtung und Wuͤrde hat, oft ſogar in etwas
ganz Leeres ſich aufloͤßt. Was ſehen wir uͤberhaupt in dem
Menſchenleben vor uns? Die meiſten werden durch allerley
Neigungen und Meinungen durch einander getrieben, ohne
daß ſich da eine bedeutende Kraft oder ein tieferer Zweck zeig⸗
te; etwa irgend ein Genuß oder Spiel wird etwas heftiger
ergriffen, und nur einige feſtſtehende Grundſaͤtze und Geſetze
halten die verworrne Maſſe gluͤcklicherweiſe noch in einer leid—
lichen Ordnung. Andre ſehen wir ſodann durch leidenſchaftli—
che Liebe, wenigſtens voruͤbergehend in ein ganz anderes hoͤ—
heres und kraftvolleres Daſeyn emporgeriſſen, noch andre aber
durch Ruhmbegierde und Herrſchſucht zu ungeheuren Anſtren—
gungen dauerhaft angetrieben, oder durch den nie verſtegen—
den Trieb der Erkenntniß im Stillen noch inniger beſeelt und
bereichert; welcher Trieb der Erkenntniß wieder auf der einen
Seite nah verwandt iſt mit der Neigung zur Abgeſchieden—
heit und zum Unſichtbaren, woraus jene innere Bildung her—
vorgeht, deren wir oben erwaͤhnten, auf der andern Seite aber
verwandt mit dem hervorbringenden Bildungstrieb des Kuͤnſt—
lers. In allen dieſen Geſtalten ſehen wir Leben und eben
darum ſprechen ſie unſer Mitgefuͤhl leicht an, wo wir ſie nur
irgend kraftvoll dargeſtellt finden, ſey es in der Wirklichkeit oder
im Bilde. So wie es nun aber etwas Widerſinniges, und des—
halb Laͤcherliches hat, wenn ein leidenſchaftliches Streben des
eignen Zwecks vergeſſend, ſich wie der Geiz nur auf die Mittel