Goͤthe s Werke. 471
wirft, ſo iſt das Streben der jungen Menſchen nach ſogenann⸗
ter Bildung, da ſie auf ihren Faͤhigkeiten und Empfindungen
herumprobiren, welches wohl die rechte ſeyn moͤchte, meiſten—
theils mehr eine vorlaͤufige Anſtalt zum Leben, als ſelbſt Leben,
ſo wie das Stimmen der Inſtrumente vor der Muſik. Ein
Mann hingegen der mit ſtaͤrkerer Kraft gefaͤhrlichere Verſuche
mit feinem Innern anſtellt, geraͤth unfehlbar in den Fall desje⸗
uigen, der ſtatt ſich eine zweckmaͤßige Bewegung zu verſchaffen,
an ſeiner eigenen Geſundheit experimentirt, allerley Arzneyen
durcheinander nimmt und ſich dadurch am Ende eine wirkliche
Krankheit, oder doch ein entſchiedenes Uebelbefinden zuzieht.
Das behagliche zuruͤckſchauende Gefuͤhl aber ſolcher Alten, die
ſich ſelbſt als durchgehends gebildet und vollendet vorkommen,
weil ſie die mannigfaltigſten Anregungen von allen Seiten her
auf dem Wege ihres Lebens erfuhren, iſt mit dem Gefuͤhl
des Reiſenden zu vergleichen, der nach uͤberſtandener Durch—
ſchuͤttelung endlich, wenn auch nicht an das Ziel ſeiner Reiſe,
doch in einem ſichern Wirthshauſe anlangt. — In dem We;
niger würdigen Sinn it der Begriff der Bildung offenbar an
einigen fomifchen Stellen des Meißfer genommen, Bbefons
ders da wo das Mislingen gefchildert if, welches dem Stres
ben des liebenswuͤrdigen Juͤnglings in der Schauſpielerwelt
zu Theil werden mußte; und wenn der Genius des Werks
die einzelnen Geſtalten nicht immer bloß mit einer ſanften
Ironie zu umſchweben, ſondern ſchonungslos oft ſeine eignen
Hervorbringungen zu zerſtoͤren ſcheint, ſo iſt dadurch nur der
natuͤrliche Erfolg jen er Bildungsexperimente mit ſich und mit
andern der Wahrheit gemaͤß dargeſtellt. Wie leicht aber wuͤrde
derjenige, der den hoͤhern, ja den hoͤchſten Begriff der Bil
dung dem Werke abſprechen wollte, durch das Ganze ſowohl,
als durch Stellen deſſelben zu widerlegen ſeyn! Daß wahre
und falſche Bildung in dem Buche oft ſo nah an einander
graͤnzen, ſo ganz in einander verfließen, duͤrfte auch kein Ta⸗
del ſeyn, denn es iſt dieß die eigentliche Beſchaffenheit der
feinern Geſellſchaft, die hier dargeſtellt werden ſoll. Die fal—
wirft, ſo iſt das Streben der jungen Menſchen nach ſogenann⸗
ter Bildung, da ſie auf ihren Faͤhigkeiten und Empfindungen
herumprobiren, welches wohl die rechte ſeyn moͤchte, meiſten—
theils mehr eine vorlaͤufige Anſtalt zum Leben, als ſelbſt Leben,
ſo wie das Stimmen der Inſtrumente vor der Muſik. Ein
Mann hingegen der mit ſtaͤrkerer Kraft gefaͤhrlichere Verſuche
mit feinem Innern anſtellt, geraͤth unfehlbar in den Fall desje⸗
uigen, der ſtatt ſich eine zweckmaͤßige Bewegung zu verſchaffen,
an ſeiner eigenen Geſundheit experimentirt, allerley Arzneyen
durcheinander nimmt und ſich dadurch am Ende eine wirkliche
Krankheit, oder doch ein entſchiedenes Uebelbefinden zuzieht.
Das behagliche zuruͤckſchauende Gefuͤhl aber ſolcher Alten, die
ſich ſelbſt als durchgehends gebildet und vollendet vorkommen,
weil ſie die mannigfaltigſten Anregungen von allen Seiten her
auf dem Wege ihres Lebens erfuhren, iſt mit dem Gefuͤhl
des Reiſenden zu vergleichen, der nach uͤberſtandener Durch—
ſchuͤttelung endlich, wenn auch nicht an das Ziel ſeiner Reiſe,
doch in einem ſichern Wirthshauſe anlangt. — In dem We;
niger würdigen Sinn it der Begriff der Bildung offenbar an
einigen fomifchen Stellen des Meißfer genommen, Bbefons
ders da wo das Mislingen gefchildert if, welches dem Stres
ben des liebenswuͤrdigen Juͤnglings in der Schauſpielerwelt
zu Theil werden mußte; und wenn der Genius des Werks
die einzelnen Geſtalten nicht immer bloß mit einer ſanften
Ironie zu umſchweben, ſondern ſchonungslos oft ſeine eignen
Hervorbringungen zu zerſtoͤren ſcheint, ſo iſt dadurch nur der
natuͤrliche Erfolg jen er Bildungsexperimente mit ſich und mit
andern der Wahrheit gemaͤß dargeſtellt. Wie leicht aber wuͤrde
derjenige, der den hoͤhern, ja den hoͤchſten Begriff der Bil
dung dem Werke abſprechen wollte, durch das Ganze ſowohl,
als durch Stellen deſſelben zu widerlegen ſeyn! Daß wahre
und falſche Bildung in dem Buche oft ſo nah an einander
graͤnzen, ſo ganz in einander verfließen, duͤrfte auch kein Ta⸗
del ſeyn, denn es iſt dieß die eigentliche Beſchaffenheit der
feinern Geſellſchaft, die hier dargeſtellt werden ſoll. Die fal—