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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 38,1.1845

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Nr. 17
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https://doi.org/10.11588/diglit.42005#0278
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210

Kirchliche Zustände.

unterdrückt werden. Fortschritt ist die Grundbedingung alles Seyns,
er ist insbesondere die Grundbedingung des christlichen Protestan-
tismus.
Wir rechnen weiter dahin den gewaltigen Eifer, welcher von
katholischer Seite in wohlberechneter Uebereinstimmung mit den
strengen Symbolgläubigen unter den Protestanten gegen jede
freiere Regung der Vernunft in Angelegenheiten des Glaubens
sich an den Tag legt, ein Eifer, der, da so viele Stimmen in
gleicher Weise sich vernehmen lassen, nicht verfehlt hat bei Vie-
len, selbst bei Herrn Friedrich Thiersch, dem Philologen,
seine traurigen Früchte zu tragen. 0 ihr Thoren, und trägen
Herzens! die ihr glaubet, was jesuitische Schlauheit und Heuche-
lei im Vertrauen auf eure Kurzsichtigkeit und auf euren blinden
Autoritäts-Glauben, euch zuruft, und nicht glaubet und sehet, was
die höhere Wahrheit euch lehret, und was mit flammenden Zügen
die Geschichte euch vorhält, die freilich, nicht so bequem wie das
blosse Glauben, erforscht seyn will. Oesterreichs, Ungarns, Sie-
benbürgens protestantische Gemeinden waren einst alle streng
symbolisch, und der Staat dringt von katholischer Seite auf das
unbedingte Festhalten an den Symbolen. Was ist die Folge ge-
wesen? In Oesterreich ist der alte Protestantismus so gut wie
spurlos untergegangen. In Ungarn ist der Protestantismus auf
die Hälfte zusammen geschmolzen. Treu blieb ihm meist nur des
schlichten Bürgers gesunder Sinn für das Richtige und Wahre.
Doch ist ein Stamm geblieben, und welcher Art? Wir antworten
mit einem propbetiscuen Gleichnisse: doch wie-von Eichen oder
Terebinthen, wenn man sie fällt, ein Stamm noch übrig bleibt, so
ist auch von der protestantischen Kirche Ungarns und Siebenbür-
gens seit schon mehr denn 150 Jahren ein edler Stamm geblieben,
den kein römischer Katholicismus und kein Jesuitismus zu ver-
nichten im Stande gewesen ist. Und dieser unvertilgbare, dem
Jesuitismus, aber auch einem Hengstenberg und Tholuck*)

*) Letzterer soll erst ganz jüngst geäussert haben, der Gustav-Adolphs-
Verein — von welchem er im Augenblick wahrscheinlich schon an-
ders denken wird — sey nur ein Kind des Rationalismus, wie denn
seine Gaben auch vorzugsweise den Solches nicht verdienenden ra-
tionalistischen Christen Oesterreichs und Ungarns zugewendet seyen.
Aecht rationalistisch ist der Gedanke einer Unterstützung pro-
testantischer Christen ohne allen Unterschied allerdings, aber
 
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