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Wagner: Menschenschöpfung und Seelensubstanz.
Seele festzuhalten versuchen. Von diesem Standpunkte aus ist
die vorliegende Arbeit vorerst zu beurtheilen, und von diesem Stand-
punkte betrachtet verdient sie gewiss den Dank jedes vorurtheils-
losen Forschers.
Referent hält die Berührung des ersten Punktes, der Men-
schenschöpfung für weniger bedeutend, als die des zweiten
Punktes, der Seelen Substanz.
Bei der Behandlung des ersten Punktes wird nemlich die Frage
aufgeworfen, ob das Menschengeschlecht von einem oder von meh-
reren Menschenpaaren abstamme? Der Ausgang wird von Blu-
menbachs Forschungen über die Menschenrassen genommen.
„Blumenbach’s Meinung, sagt der Hr. Verf. S. 14, ging
dahin, dass die Lehre der Offenbaiung durch die Resultate seiner
Forschung unberührt bleibe. Er hielt fest an dem Grundsatz, dass
alle Menschen nur Varietäten einer Art, species, bildeten, und kommt
zu dem Endresultate, dass durchaus kein naturhistorischer Grund
gegen die Annahme aller Völker von einer gemeinschaftlichen Stamm-
rasse vorläge. Alle aufgestellten Rassen — erklärt derselbe aus-
drücklich — fliessen durch so mancherlei Abstufungen und Ueber-
gänge in einander über, so dass sich keine andere, als willkürliche
Grenzen festsetzen lassen“.
Andere Naturforscher haben aber inzwischen angenommen, dass
das Menschengeschlecht auf Hauptrassen zurückzuführen sei, welche
nicht in eine und dieselbe Urform des Menschen zuriickfliessen. Na-
türlich müssen diejenigen, welche dieses lehren, das Menschenge-
schlecht von mehreren Menschenpaaren ableiten, und können sich
unmöglich mit jenen einverstanden erklären, welche die Einheit eines
Menschenpaares annehmen. Ist diese Frage nach dem Ursprünge
der Menschen von einem oder mehreren Paaren auch für die Phy-
siologie nicht ohne Interesse, so alterirt sie wenigstens das psychishe
Element im Menschen nicht, sie mag so oder anders beantwortet
werden. Eben so gewiss wird die Ableitung des Menschengeschlech-
tes von einer Einheit oder Mehrheit von Menschenpaaren weder
einer Vernunftreligion, noch einer die transcendentalen Ideen Gott,
Freiheit und Unsterblichkeit festhaltenden Philosophie irgend einen
Nachtheil bringen. Sind es doch, wenn auch ursprünglich verschie-
dene Rassen, doch immerhin zu einem Geschlechte gehörende In-
dividuen mit menschlichem Körper und menschlicher Seele, in der
Idee der Menschheit ungeachtet aller verschiedenen Stammeskenn-
zeichen übereinstimmend. Man kann die Seelensubstanz vom Kör-
per unterscheiden, Gott als den letzten Grund aller Erscheinungen
festhalten, in ihm einen vollkommenen Geist, die Quelle alles Seins,
Lebens und Denkens erkennen und von der sittlichen Freiheit als
der Grundbedingung der Tugend ausgehen, und dennoch mit der Natur-
wissenschaft die Abstammung des Menschengeschlechtes von meh-
reren Starampaaren an verschiedenen Theilen des Erdballes behaup-
ten. Nur auf die orthodoxe Theologie nach einem bestimmten po-
Wagner: Menschenschöpfung und Seelensubstanz.
Seele festzuhalten versuchen. Von diesem Standpunkte aus ist
die vorliegende Arbeit vorerst zu beurtheilen, und von diesem Stand-
punkte betrachtet verdient sie gewiss den Dank jedes vorurtheils-
losen Forschers.
Referent hält die Berührung des ersten Punktes, der Men-
schenschöpfung für weniger bedeutend, als die des zweiten
Punktes, der Seelen Substanz.
Bei der Behandlung des ersten Punktes wird nemlich die Frage
aufgeworfen, ob das Menschengeschlecht von einem oder von meh-
reren Menschenpaaren abstamme? Der Ausgang wird von Blu-
menbachs Forschungen über die Menschenrassen genommen.
„Blumenbach’s Meinung, sagt der Hr. Verf. S. 14, ging
dahin, dass die Lehre der Offenbaiung durch die Resultate seiner
Forschung unberührt bleibe. Er hielt fest an dem Grundsatz, dass
alle Menschen nur Varietäten einer Art, species, bildeten, und kommt
zu dem Endresultate, dass durchaus kein naturhistorischer Grund
gegen die Annahme aller Völker von einer gemeinschaftlichen Stamm-
rasse vorläge. Alle aufgestellten Rassen — erklärt derselbe aus-
drücklich — fliessen durch so mancherlei Abstufungen und Ueber-
gänge in einander über, so dass sich keine andere, als willkürliche
Grenzen festsetzen lassen“.
Andere Naturforscher haben aber inzwischen angenommen, dass
das Menschengeschlecht auf Hauptrassen zurückzuführen sei, welche
nicht in eine und dieselbe Urform des Menschen zuriickfliessen. Na-
türlich müssen diejenigen, welche dieses lehren, das Menschenge-
schlecht von mehreren Menschenpaaren ableiten, und können sich
unmöglich mit jenen einverstanden erklären, welche die Einheit eines
Menschenpaares annehmen. Ist diese Frage nach dem Ursprünge
der Menschen von einem oder mehreren Paaren auch für die Phy-
siologie nicht ohne Interesse, so alterirt sie wenigstens das psychishe
Element im Menschen nicht, sie mag so oder anders beantwortet
werden. Eben so gewiss wird die Ableitung des Menschengeschlech-
tes von einer Einheit oder Mehrheit von Menschenpaaren weder
einer Vernunftreligion, noch einer die transcendentalen Ideen Gott,
Freiheit und Unsterblichkeit festhaltenden Philosophie irgend einen
Nachtheil bringen. Sind es doch, wenn auch ursprünglich verschie-
dene Rassen, doch immerhin zu einem Geschlechte gehörende In-
dividuen mit menschlichem Körper und menschlicher Seele, in der
Idee der Menschheit ungeachtet aller verschiedenen Stammeskenn-
zeichen übereinstimmend. Man kann die Seelensubstanz vom Kör-
per unterscheiden, Gott als den letzten Grund aller Erscheinungen
festhalten, in ihm einen vollkommenen Geist, die Quelle alles Seins,
Lebens und Denkens erkennen und von der sittlichen Freiheit als
der Grundbedingung der Tugend ausgehen, und dennoch mit der Natur-
wissenschaft die Abstammung des Menschengeschlechtes von meh-
reren Starampaaren an verschiedenen Theilen des Erdballes behaup-
ten. Nur auf die orthodoxe Theologie nach einem bestimmten po-