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Heidelberger Jahrbücher der Literatur — 49,1.1856

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Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.44393#0099
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Czolbe: Darstellung des Sensualismus.

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physikalischen Agentien“ ist rein mechanisch. Diese physikalischen
Agentien oder „die in den Sinnesnerven stattfindenden (mechanischen)
Bewegungen“, wie „einfacher Stoss in seinen verschiedenen Modi-
fikationen, Schall, Licht, Wärme, Geschmak und Geruch“, bilden
„ganz allein die in uns zum Bewusstsein kommenden Sinnesquali-
täten“ (S. 18), so dass hier nichts von Innen, sondern alles von
Aussen kommt.
Alles, was man „geistige Thätigkeiten“ nennt, wie „Wahrneh-
mungen, Bedürfnisse, Lust- und Schmerzgefühle, Vorstellungen, Be-
griffe“ u. s. w. zeigt sich als eine gemeinsame Sinnesqualität. Diese
allen diesen Thätigkeiten gemeinsam zukommende Sinnesqualität wird
„Bewusstsein“ genannt (S. 26). Das Ich ist daher „nicht etwa
das Bild unserer körperlichen oder geistigen Persönlichkeit, das kei-
neswegs in jeder Wahrnehmung, in den Gefühlen, den Vorstellun-
gen enthalten ist, sondern eben nur der inhaltslose (sic) Anfangs-
punkt des Wahrnehmens, Fühlens und Vorstellens“ (!!).
Bis hieher ist Referent dem Herrn Verf. Schritt vor Schritt
gefolgt. Nichts ist mehr geeignet, das System, zu welchem dieser sich
bekennt, zu widerlegen, als seine eigene Darstellung des Sensua-
lismus. Das Princip soll der klare, „anschauliche“ Begriff sein. Ist
aber ein solcher durch diese Theorie zu gewinnen? Nichts ist dem
Herrn Verf. in der sogenannten geistigen Thätigkeit anschaulich, als
die Sinnesnerven und die physikalischen Agentien oder die mecha-
nischen Bewegungen in den Sinnesnerven, welche Sinnesqualitäten
heissen. Das Ich ist ihm der „inhaltslose“ Anfangspunkt dieser in
den Sinnesnerven vorhandenen, mechanischen Bewegungen der phy-
sikalischen Agentien. Diese ganze Theorie ist aber ohne die Theorie
der Kraft undenkbar. Das Agens, von dem der Hr. Verf. spricht, ist
ein Wirkendes. Dieses ist aber ohne die Fähigkeit oder das Ver-
mögen, zu wirken, unvorstellbar. Das Agens selbst oder die Agen-
tien setzen also das Vorhandensein von Kraft in den Erscheinungen
voraus. Die Nerven werden von dem Hm. Verf. als „passives Sub-
strat“ für die mechanischen Bewegungen der physischen Agentien
betrachtet. Wodurch sollen sich aber lebendige Nerven von todten
unterscheiden, wenn die Nerven überhaupt bei der sogenannten gei-
stigen Thätigkeit nur die passive Rolle des Empfangens, nicht die
active des Gebens und Entwickelns spielen ? Die lebendigen Nerven
unterscheiden sich von den todten aber einzig dadurch, dass jene
erregt, dass jene zur Entwicklung des Lebens durch die Thätigkeit
der physischen Agentien gebracht werden können. Ohne diese Er-
regungsfähigkeit, also ohne das Vorhandensein einer Kraft in ihnen,
ist keine Thätigkeit derselben vorzustellen. Die todten Nerven haben
diese Erregungsfähigkeit nicht mehr, daher können auch die Agen-
tien in ihnen weder eine Wahrnehmung, noch ein Gefühl, noch
eine Vorstellung hervorrufen. Das Bewusstsein unterscheidet sich
deutlich von den Nerven und von dem Gehirne, in welchem es thä-
tig ist, so wie von den Gegenständen, welche auf es wirken und
 
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