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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Editor]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 4.1894

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Wunderlich, Hermann: Zur Sprache des neuesten deutschen Schauspiels, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.29035#0127
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Zur Sprache des neuesten deutschen Schauspiels

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nicht länger . . . Meinen ergebensten Dank! Grete (sich erhebend) Wofür
denn, Herr Bauführer ? Ich hoffe, Sie werden sich noch oft bei uns sehen
lassen. Bauführer: Wenn gnä’ges Fräulein gestatten! (Mit Verbeugung)
Empfehle mich allerseits! Tetzlaff (ist aufgestanden, reicht ihm die Hand)
Adieu, Herr Bauführer! (Zu Hugo) Willst Du dem Herrn Bauführer
rauszeigen, Hugo? Bauführer (Hut in der Hand) Ah, sehr verbunden!
In der That komplizierte Geschichte in diesen edlen Höfen! Halbe hat
hier die abgehackten Sätze nicht ohne Grund dem Bauführer in den
Mund gelegt, denn dieser handhabt den Gesellschaftston mit einer ge-
wissen militärischen Schneidigkeit, bei ihm verbinden sich also für die
Kürze der Ausdrucksweise zwei Grundbedingungen. Denn der Befehlston
hat sich uns schon oben als verhängnisvoll für das Verbum, vor allem
in den Flexionsformen, gezeigt; in zweiter Linie sodann gefährdet er die
Pronominalformen. Wie sehr sonst gerade die Pronominalformen in der
gemütlichen Wärme und im lebendigen Accent der täglichen Kede ge-
deihen, das zeigt uns die Entwicklung, die sie in den romanischen Sprachen
gegenüber der knappen Kürze der lateinischen Schriftsprache gewonnen
haben. Und auch die deutschen Übersetzungen aus dem Latein — von
den ängstlichsten althochdeutschen Übersetzern angefangen bis in die
neueste Zeit — zeigen uns vor allem eine reichliche Einstreuung von
Pronominalformen. Aber diese beweglichen Bindeglieder sind für die
kurzen Sätze des Befehls kaum vorhanden. Sie fehlen selbst bei dem
grübelnden Studenten im Eisgang (S. 13), wenn er mit den Untergebenen
seines Vaters spricht: Ich kann den Schlüssel zum Amt nicht finden.
Warten Sie, liegt vielleicht draussen, und der Bauführer erzählt (S. 49)
eine ganze Geschichte, ohne von Pronominalformen fast nur Gebrauch
zu machen: Also sie kennen ihn ? Liebenswürdiger Herr im Umgang,
nicht wahr? Soll ja zu seinen Leiden bischen grob gewesen sein. An-
geschnaidzt haben. Na geht ja mal nicht anders! Lährt also heut
Vormittag durchs Dorf, Bandnitzerf’elde natürlich. Wie er am Krug
vorbeikommt, hat sich . . ganzes Pack gesammelt, frühere Leute von
ihm, sonstige Existenzen . . . Man kennt, das ja. Natürlich im Krug
gesoffen. Wollen den Mann nicht weiter fahren lassen . . Stehen im
Wege . . Machen die Pferde scheu . . Drohen wahrscheinlich . .
Der Mann fordert im Guten auf. . Hilft nichts. Na schliesslich, was
bleibt dem Mann übrig? Zieht den Revolver und schiesst . . (Achsel-
zuckend) schiesst!

Immerhin muss man vorsichtig zu Werke gehen bei der Beurteilung
solcher Sparsamkeit im Gebrauch des Pronomens, denn manchmal verbirgt
 
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