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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 11.1902

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Wille, Jakob: Karl Zangenmeister: (geb. 28. November 1837, gest. 8. Juni 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29093#0163
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K. Zangemeister

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liographische Kenntnisse zur Verfügung stellte. Denn die Aufgabe eines
jeden Bibliothekars soll ja sein, nicht allein zu geben, was man wünscht,
sondern auch Wege zu führen, die man noch nicht kennt, einem jeden
mehr zu sein, als auch der beste Katalog vermag. Mit den veralteten
Figuren, die in Büchern vergraben Luft und Licht scheuen, hatte Zange-
meister nichts gemein. Wer einmal in die Bibliotheksräume kam, der
verspürte sofort den frischen Luftzug, der ihm hier entgegen kam. Es
konnte in diesen von Büchern überfüllten Bäumen manchmal recht
faustisch aussehen, aber trockene Naturen im Stile Wagners fanden
hier keinen Platz. Neben den ernsten Arbeiten gediehen unter dieser
Verwaltung auch des Lebens heitere Seiten, Frohmut und Humor.

Zangemeister war vor Allem kein Freund vom toten Buchstaben von
Paragraphen und Instruktionen. Es gab bei ihm keine Methoden, die
wie auf ehernen Tafeln unverrückbar eingegraben waren. Er, der Ver-
treter der Wissenschaft, dem wissenschaftliches Streben und Arbeiten
als die Grundbedingungen bibliothekarischen Wirkens galten, war der
ausgesprochene Leugner einer Wissenschaft, die sich Bibliothekswissen-
schaft zu nennen pflegt. Er wollte nichts wissen von Schulen, in denen
Bibliothekare gross gezogen werden, denn ein Mann von eigenen Ideen
braucht die Autorität der Schule nicht. Und dennoch war diese Biblio-
thek eine Schule, in der wir alle, die Gelehrten und die Ungelehrten,
ohne Lehrbuch im lebendigen Verkehre mit ihm, der selbst das Leben
war, gelernt haben. Auch er selbst hat wiederum gerne von uns gelernt.

Karl Zangemeister war mit dieser Bibliothek geistig verwachsen.
Darum gab er ihr nicht nur Leben, er nahm es auch von ihr. Es war
unschwer zu beobachten, wie dieser Oberbibliothekar, der in jungen
Jahren als der Vertreter eines Faches zu uns kam, in den seinem Amte
gestellten Forderungen, in dem vielseitigen geistigen Verkehr, den es
mit sich brachte, in immer weitere Interessensphären hineinwuchs und
am allzufrühen Ende seiner Tage angekommen, als ein mit den viel-
seitigsten Begangen des Lebens und der Wissenschaft vertrauter Mann
erschien. In diesem geistigen Zusammenhang verstand er auch die grossen
Traditionen, die auf den alten Heidelberger Büchersammlungen ruhen,
er fühlte sich immer als den Nachfolger aller der Männer, deren Ge-
lehrsamkeit vor Jahrhunderten hier gewaltet. Aus diesem geistigen Zu-
sammenleben entstanden seine kleineren Arbeiten zur Geschichte der
Bibliothek, erwuchs ihm vor allem die Liebe zur Geschichte dieses
Bodens, der ihm eine zweite Heimat geworden war, zur alten Pfalz und
Heidelberg. Diese neue Heimatliebe trug ihre Früchte, sei es, dass er
 
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