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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 11.1902

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Wille, Jakob: Karl Zangenmeister: (geb. 28. November 1837, gest. 8. Juni 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29093#0165
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K. Zangemeister

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kaum erwartend, war er doch voll Überlegung und von starkem Willen.
Ein Gelehrter von umfassendem Wissen, seines Wertes wohl' bewusst
und mit Recht bewusst, mitteilsam, wenn man sein Wissen suchte,
niemals damit prunkend und dabei wieder erfüllt von einer Bescheiden-
heit, die oft schüchtern und verlegen gespendetes Lob entgegen nahm.
Ein Mann, der Tage lind Stunden der Gegenwart vergessend, im Bann-
kreise der Arbeit alle die Eigentümlichkeiten eines der Welt entrückten
Gelehrten teilen konnte und doch wieder mitten im Leben stehend Freude

am Leben hatte, dem er in allen seinen Regungen Verständnis entgegen-

brachte. Darum ein Mann, wie wenige zum Verkehr mit Menschen,
für die Gesellschaft geschaffen, dort gerne gesehen und gesucht, er
das lebensvollste und belebendste Element in ihr. Darum verstand er
auch in seinem eigenen Hause das gesellige Leben so geistig anregend zu
gestalten. Da sass er so oft unter uns, auch über gelehrte Fragen

leicht hinplaudernd und wusste auch im Gespräche über die alltäglichen
Dinge mit heiteren, launigen Geschichten aus alter und neuer Zeit die
Symposien zu würzen. Gerne war er fröhlich mit den Fröhlichen.

Sein Haus am Berg hinter schattigen Bäumen verborgen, das ihm und
uns die um ihn treu besorgte Frau so behaglich gestaltete, war der
Mittelpunkt edelster Geselligkeit, erfüllt von den Klängen musikalischen
Lebens. Auch in der äusseren Erscheinung w-ar Karl Zangemeister der
kräftigste Ausdruck des Lebens, stark an Leib und Seele. Man hätte
glauben sollen, der Tod habe kein Liecht an ihm. Und doch ging er
von uns, so mitten in neuen Aufgaben und Plänen, die seinen ruhelosen
Geist noch lebhaft beschäftigten, als die Hand des Todes die seinige
schon gefasst hielt und unter starkem Ringen ihn hinwegzuziehen suchte,
von dem was sein Eigenstes war — vom Leben.

Doch der Tod trennt nicht, er bindet auch, oft fester als das Leben.
Mehr als sonst im Alltagsleben, da w7ir nicht Zeit haben über unsere
Gefühle Rechenschaft zu geben, da unser Urteil über Menschen so oft
über dem Kleinen das Grosse, über den Schwächen die Stärke vergisst,
kommt uns heute zum Bewusstsein, was wir an ihm besessen haben.
Bei aller Trennung fühlen wir jene erhebende Kraft, die im Andenken
ruht, das uns mit unsichtbaren Fäden hinüberzieht vom Jenseits zum
Diesseits, vom Tod zum Leben, von Sterblichkeit zu Unsterblichkeit.

Gegenüber von St. Peter, dem alten Mausoleum Heidelberger Ge-
lehrten, erhebt sich jetzt, kaum den kraftvollen Fundamenten entwach-
sen, die neue Heidelberger Bibliothek, noch unvollendet, wie so Manches
von den Lebenszielen dieses Mannes. Sein höchstes Ziel aber seit den
 
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