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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 11.1902

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Schneegans, Friedrich Eduard: Maistre François Villon
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https://doi.org/10.11588/diglit.29093#0172
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F. Ed. Schneegans

Galgen endeten. Mag er in die vornehmeren Kreise von Paris durch
seinen Oheim, den würdigen Domherrn, eingeführt worden sein, seine
Neigungen zogen ihn zur Boheme hin, deren Dichter er wurde. Schon
am Ende des 15. Jahrhunderts wird er wegen seiner Erfindungsgabe und
Unternehmungslust in einem Gedichte „Les Repues franches“ r) gefeiert.
Der „ hon maistre Francois Villon“, um dessen Namen sich ein Kranz von
Legenden geschlungen hatte, findet hier Mittel und Wege, um auf Kosten
von Wirten und Händlern ohne Gold und Silber seine hungrigen Freunde
zu sättigen.

1455 trat ein Wendepunkt in Villon’s Leben ein. Aus zwei könig-
lichen Gnadenbriefen1 2) erfahren wir, dass er 1455 am Tage von Frohn-
leicbnam von einem Priester angegriffen wurde, wie er mit einem Freunde
und einer Dirne auf einer Bank vor der seiner Wohnung nahen Kirche
St. Benoit le Bestourne sass. Im Streite wurde er verwundet, versetzte
dem Gegner einen Dolchstich und tötete ihn durch einen Steinwurf.
Dann verliess Villon Paris, trieb sich in der Umgegend umher und er-
hielt, offenbar auf Betreiben seines Oheims des Domherrn, zwei Gnaden-
briefe, die ihm erlaubten nach Paris zurückzukehren. Eine unglückliche
Liebe, deren „tres amoureuse prison“ 3) er zu entfliehen suchte, wohl
eher die Hoffnung bei einem Verwandten seiner Mutter Unterstützung
zu finden, trieben ihn aus Paris nach Angers. Vorher verfasste er seine
erste grössere Dichtung die .„Lais“ (Vermächtnisse, sogen. Petit Testa-
ment). Da trat eine neue Versuchung an ihn heran, der er erlag: zwei
Abenteurer der schlimmsten Art, Colin du Caveux, und der Sohn eines
Edelmanns, Regnier de Montigny, der in den Akten einer Gerichtsver-
handlung als „pipeur, goliardus et finaliter cecidit in profundum ma-
lorum“4) bezeichnet wird, zusammen mit einem picardischen Priester
und dem Einbrecher (magister crochetorum) Petit-Jean, bewogen Villon
mit ihnen die Gelder der theologischen Fakultät, die im College de
Navarre sich befanden, zu rauben.5) Kaum war der verbrecherische
Anschlag gelungen, als Villon einen neuen Raub vorbereitete. Er sollte
in Angers einen reichen Domherrn aufsuchen und einen Anschlag gegen
ihn ins Werk setzen. Villon gab jedoch den Plan auf, kehrte aber nicht

1) Früher fälschlich Villon zugeschrieben. S. Edit. Longnon LIII—L1X.

2) Edit. Longnon L1X—LXIII und Longnon, Etüde Biogr. sur Franc. Villon
S. 133—9.

3) Petit Testam. Str. II—VI, Str. X.

4) Longnon, Etüde biogr. S. 151.

5) Edit. Longnon LXV—LXXI.
 
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