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XXVII

auf den Gedanken ein. Dass die Hiilf'e Karl Ludwigs eine sehr frag-
würdige sein werde, verhehlte Elisabeth ihrer Base nicht und sie schrieb
ihr, dass man sich in Herford wenig um den Schutz eines Fürsten küm-
mern werde, der allein schon durch die räumliche Entfernung ohne
sonderlichen Einfluss bleiben müsse.

Der stete ünfriede unter und mit den Stiftsdamen, die zumeist dem
höchsten Adel angehörten, verbitterte den Äbtissinnen, wie dies später
auch Elisabeth zur Genüge erfuhr, das Leben und den Aufenthalt in der
Abtei. Liegt in dem ständigen Zusammenleben weiblicher Personen ohne-
hin schon eine sichere Bürgschaft für fortdauernden Zank und Hader,
so scheint dieser Zank in Herford doch besonders heftig gewesen zu
sein und ein kaiserliches Urteil, wodurch vier Stiftsdamen wegen Be-
leidigung der Äbtissin zu insgesamt zehntausend Keichstalern Strafe ver-
urteilt und ihrer im Stift bekleideten Stellen für verlustig erklärt wur-
den, lässt einen zweifellosen Rückschluss auf die festgefügte Wucht der
Beschimpfungen zu, die zwischen den alternden Jungfrauen hin- und
herflogen. 1 2)

Xeben diesen Kämpfen im Innern des Stiftes sah sich die Äbtissin
fortgesetzten Differenzen mit der Stadt Herford ausgesetzt.

Die kleine Stadt Herford, die heute zur leblosen westfälischen Pro-
vinzialstadt herabgesunken ist und nur geringe Erinnerungen an die
Zeiten ihrer einstigen Reichsstandschaft und die Herrschaft des Stifts
aufzuweisen hat, wird durch das Flüsschen Aa in zwei Teile geteilt.
Jenseit des Aa liegt die wuchtige Abtei- oder Münsterkirche, ihr gegen-
über sind moderne Baulichkeiten an die Stelle getreten, wo sieh einst
das von Ludwig dem Frommen gegründete Stift befand. Der ganze
Teil jenseit des Flüsschens war die sogenannte „Freiheit“, die unter
abteilicher Jurisdiktion stand. Da nun die Abtei mitsamt der „Freiheit“
innerhalb der städtischen Ringmauern lag, dabei aber ihr eigenes Ter-
ritorium und ihre eigene kirchliche, wie bürgerliche Rechtsprechung

1) Moser, Deutsches Staatsrecht 11, 184 f. Das Urteil stammt freilich erst
aus dem Jahre 1698; aus den Briefeu Elisabeths lässt sich indess entnehmen, dass
sich auch zu ihrer Zeit die Stiftsdamen nicht durch Güte und Sanftmut auszeich-
neten.

2) Die Geschichte der Stadt und des Stiftes Ilerford endet in den verschiedenen
darüber vorhandenen Darstellungen zumeist mit dem Jahre 1653, in dem die bis
dahin reichsfreie Stadt tn den Besitz des grossen Kurfürsten überging. Die ältere
Literatur über diesen Zeitraum ist zusammengestellt bei Ilölscher, Zur Geschichte
der Stadt Herford im 17. Jahrhundert. Programm des evang. Friedrichsgymnasiums
zu Herford. Ostern 1875.
 
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