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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — N.F..1926

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Alewyn, Richard: Vorbarocker Klassizismus und griechische Tragödie: Analyse der "Antigone"-Übersetzung des Martin Opitz
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Zweites Kapitel: Textvorlage, Hilfsmittel und Entstehung [...]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47621#0023
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selbständig bewältigt habe, uns in keiner Weise befriedigt. Nichts,
aber auch gar nichts, was wir von Opitzens übersetzerischer oder
wissenschaftlicher Tätigkeit wissen, spricht für eine „genaue
Kenntnis der griechischen Sprache“ (Heuwes) und ein „höchst
beachtenswertes Verständnis .... speziell des Griechischen“ (Ru-
bensohn). Alle seine sonstigen Uebersetzungen sind durch la-
teinische Zwischenglieder vermittelt. Für die Zitate der „Poete-
rey“ haben das Fritzsch18 und Muth19 nachgewiesen. Für die
Uebersetzungen aus der griechischen Anthologie wird das wahr-
scheinlich aus Rubensohns eigener Feststellung, daß Opitz nur
Ausgaben benutzt hat, die von lateinischen Versionen begleitet
waren. Auch die Nachrichten über philologische Tätigkeit, die
Fritz neuerdings veröffentlicht hat20, auch die im „Aristarchus“,
in den Kommentaren einzelner Dichtungen und in Briefen deko-
rativ eingestreuten griechischen Zitate beweisen nichts und ver-
mögen nicht unser Mißtrauen zu zerstreuen in einer Zeit, die die
griechischen Autoren vorwiegend aus zweiter Hand empfing21.
Wir lernen ja überhaupt eben unsere Anschauungen von der
Graezität der Renaissance völlig revidieren. Und es will mir
durchaus nicht scheinen, daß Opitz darin eine Ausnahme mache.
Um so unbefriedigender ist das Ergebnis, mit dem wir diese Er-
örterung abbrechen müssen, daß die Benutzung einer Ueber-
setzung sich nicht zwingend nachweisen läßt. Vielleicht bringt uns
noch einmal ein glücklicher Fund auf die Spur. Vielleicht auch
und das ist sehr stark zu erwägen — hatte Opitz sich bei seiner
Arbeit persönlicher Hilfe durch einen gelehrten Freund zu
erfreuen.
Was Opitzens Uebersetzung an erläuternden Beilagen beglei-
tet, ist lediglich die vierseitige lateinische Vorrede an Dönhoff
und der uns schon bekannte eineinhalbseitige „Inhalt“ mit einer
Bemerkung über Sophokles, daß er „zur Zeit des Peloponesischen
Krieges kurtz vor Alexandern dem grossen gelebet“. Einen
18 Μ. O.ens Buch von der deutschen Poeferey, Diss. Halle 1884, S. 22 ff.
u. 32 ff.
19 lieber das Verhältnis von Μ. O. zu Daniel Heinsius, Diss. Leipzig 1872,
S. 19.
20 Euphorion XXVI (1925), S. 106.
21 Opitzens eigenes Bekenntnis lautet im „Aristarchus“ (Poemata S. 152):
„Graeca ignoramus multi, plurimi neglegimus, et . . . scripta multo divinissima
ab interpretibus addiscere malumus quam ipsis“ etc. — Ein Urteil Berneggers
(Reifferscheid, S. 931): „Quofus quisque enim hodie Graece vel mediocriter
eruditus est?“ Diese Äeußerungen sind besonders schwerwiegend in einer Zeit,
in der das Lateinische geradezu Verkehrssprache war.

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