Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ernst Hoffmann / Uber Platons Symposion*
Die antike Tradition bewahrte über Platons Lebensende die Kunde
auf, vor dem Tode habe der Einundachtzigjährige geträumt, daß er, in
einen Schwan verwandelt, von Baum zu Baum flog und auf diese Weise
seinen Jägern große Schwierigkeit bereitete. Olympiodor, der uns diese
Legende überliefert, fügt hinzu, Platons Schriften seien unfaßbar für die,
die den Philosophen einfangen wollen in Ethik, Physik oder Theologie:
er geht nicht in das Netz der Spezialisten. Zwei Seelen habe es gegeben,
die „panharmonisch“ waren, die Seele Homers* 1 * * und die Seele Platons.
Olympiodor, einer der letzten Philosophen des ausklingenden Alter-
tums, hat mit jenen Worten für alle künftige Geistesgeschichte das legi-
time Erbe Platons an eine testamentarische Bestimmung geknüpft, die
seither wenig beachtet wurde. Die Scholastik suchte in Platons Werk we-
sentlich Theologie, die Renaissance Naturphilosophie, die Aufklärung
das Sokratische in Platons Ethik, das neunzehnte Jahrhundert Logik, das
gegenwärtige Zeitalter Politik. Wie kann man versuchen, statt Platon auf
diesem oder jenem Zweige einzufangen, ihn wenn auch nur von ferne als
den zu sehen, der überall derselbe war?
Wir wollen von seinen Schriften das Symposion wählen und zunächst
mit Mitteln, die nur der Text des Symposions selber bietet, versuchen,
dem Verständnis näher zu kommen, indem wir uns erinnern, daß Platon
überall in seinen philosophischen Schriften den selben Weg der Darstel-
lung geht, nämlich er schafft ein Kunstwerk, in dem er Menschen reden
läßt. So berechtigt es ist, in seinen Werken Naturphilosophie, Theologie,
Ethik, Logik, Politik herauszusuchen, er gibt all das nicht unmittelbar
und nicht als Lehrstücke um ihrer selbst willen; sondern er schenkt uns
philosophische Kunstschöpfungen, deren umfassende Einheit darin be-
steht, daß Alles von Menschen zu Menschen gesagt wird. Es kommt nicht
darauf an, in wieweit er diese Menschen porträtiert oder sie erfindet,
sondern darauf, wie er ihre Reden nach der Form seiner poietischen An-
schauung gestaltet. Denn er denkt poietisch. Man darf nicht sagen, daß
* Vorfrag, gehalten in Heidelberg am 22. Januar 1939.
1 Schon Panaifios hatte Platon den Homeros unter den Philosophen ge¬
nannt (Cicero, Tusc. I, 32, 79). Über die mutmaßlichen Gründe s. U. von Wila-
mowifz, Reden und Vorträge 2 (Berl. 1926 4), 200.
 
Annotationen