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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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Juli
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0074

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rcn, Landräthc iind Magistrate ein Cir°
ciilarrescri'pt crlcisscn, welcheö in erfrcn-
licher Wcise coiistatirt, daß es dcr Staats-
'regl'crnng, s» viel an ,'hr liegt, init der
Anreanng und Bcsvrdrrnng dcs Turiliiilter-
richts i'n Stadt nnd Land, vvllkvuiincn
Ernst ist. In dcin Neseript, das von
der-Grundanschauun.q ausgeht, dnrch das
Tnrnen solle ein wchrhafteres Volk hcran-
gcbildct werdcn, heißt cS u. A.: Die>e
Theilnahinlosigkeit ist iu hoheni Gradc z»
beklagen und es muß dcr>clben vou dcn
Kreis- und Ortsschulbehördcn eiitschieveii
entgcgengewirkt wcrdcu.... Fnr unser
Vo'lk'hat die gpniiiastische Ausbildnng dcr
Jngeiid i'n Beziehuug aus seine Wchr-
haftigkeit cinc iiatioualc Bcdentiing, wclche
ihm dicselbc vorzüglich zur Pflicht inacht...
Die schulpflichtige inäiinliche Jugend darf
sich, die kvrperlichc Befähigung vorauü-
gcsctzt, dein Unterricht iin Turnen so wenig
als dciu in dcn übrigcn Gegenständeu cnt-
ziehen, unv den Cltern steht es nicht frei,
ihre Söhne davon fcrn zn hallen. Dic
Hindernisse, wclche dcr Clilführung des
Turnunterrichtes bisher in den Weg traren,
beruhen zuin großeu Theile auf Vorur-
theilen, die mit fcstein Willen und ruhiger
Auödauer allmälig übcrwunden werdcn
inüssen. Als eiu Grund der Thciliiahiii-
losigkeit, bcsonders dcr ländlicheu Bcvöl-
keruug, wird voruehiiilich dic Auschauung
der Landleute von deui Wcrthe der Turn-
übungen angcführt. Diese erachten schul-
niäßig geregcltc Leibesübungeu für ihre
Svhne für cutbchrlich, da cs diesen an
Arbcit und körpcrli'chcr Bcwegung uicht
fehle . . . . iD.ie Hiiiweisuiig auf den
küufti'gcn Bcruf und Dicust dcs Soldaten
wird es aber dem patriotischeu Bürger
und Landinann einlcuchtend machen, wie
uützlich sciucn Söhnen dergleichcn Vor-
übungeii für den Waffcndl'rnst sind, die in
das Heer cintrctendeil Söhnc werden dcn
Nutzeu davou selbst wahriichinen und di'e
aus dcinsclben zurücktretendeii Wehrrnänner
wcrdeu ihn dcr jiingeren Generation be-
greiflich inacheii .... Noch iin i?ause
dieses Sommers ist bei alleu städtischen
Schulen der Unterricht im Turneu für
di'e niännliche Schuljngciid eiiizurichten und
auf dem Lande da, wo ein dafür befähigter
Lehrcr sich findet, den Anfang damit zu
machcn. Zuiu 1. Deccmber d. I. ift über
dcn Fortgang des Tliriiunterrlchts bci den
Eleiiielitaischulcu Bcricht zu crstatteu.

Barlin, l9. Iuli. Die Commissioii
dep Berli'iier juristischen Gesellschaft hat
cine vvrläusige Ordnuiig für de» deur-
s ch e n I u ristentag versendet, dcren
wcsentlicher Inhalt wie folgt lanlct: Dcr
Zweck des dcutschcn Juristentages ist, ciue
Vereinigung sür den lebciidigen Mcinniigs-
austausch und dcn pcrsönlichen Vcrkehr
unter den dentschcu Iliristen zu bildeu,
auf den Gebicten dcö Privatrechtö, des
Procrsses und des Strafrechts den.For-

dcrungen nach einheitlicher Entwicklnng
iinmer größere Ancrkcniiuiig zu verschaffcn,
die Hiiiderni'sse, welche' dieser Entwicklung
eiitgcgcnstchcii, zu bczcichiicn unv sich übcr
die Vorschläge zn verständigen, welchc
geeiguet sind, die Nechlseiiiheit zu fördern.
Das Staalsrecht ist dauach, aus crklär-
lichen Griindeii, von den Berathungeli
ausgeschlossrn. Zur Theilnahme an dem
alljährlich zusainmentretcnden Iuristcntag
sollen berechtigt scin: die deutschcn Nichter,
Staatsanwälte, Advokatcu und Notare,
die Aspiraiiteii dcs Nichteramts, dcr An-
waltschaft nnd d'cs Notariats, die Lchrer
an dcn deutschcn Hochschulen, dic Mit-
glieder der gelchrten Akadcmicn und die
rcchtsgelehrten Mitglieder bcr Verwal-
tungsbehörden. Auch Nichtmitglieder köu-
ueu von dem Vorsitzeiiden als Zuhörer
zugelassen werdcn.

Berlin, 20. Juli. Nach dcr „N.
Pr. Z." war die Töplitzer Zusammen-
kunft auf Grund dirccter Communicatioii
bereits vvr der Anwescuheit der preußi-
schcu Mim'ster in Wieu beschlossen, und
daß di'cse außer allem Zusammenhaiige
mii drm in Nede stchendeu Creigniß sei.
Man haltc sich in Wien übcrzcugt, daß
der einzige Zweckder Züsammeiikuuft dcr
sci, „die angebahnte Verständiguug bc-
hnfs eiiies festen Zllsaliiincnhalteus der
deutschen Staaren durch eine uuiuittel-
barc Aussprache der beiden Fürsten zu
besiegeln uud zu bcfestigen." In die
sämmtlichen Gardercgimcnter sollen, mit
Ausnahme dcs 1. nud dcs Garde-du-
Corpsregiinents, vou jctzt ab auch bür-!
gerlichc Offsziere aufgenomnieii werden.

Wien, 18. Jnli. Die Bezichuiigen
unscrer Rcgiernng zum päpstlichcn Stuhl
habcn in deu letzten Tagcn wesentlich an
Cordl'alität ciiigcbüßt, jcdoch leider auf
diplomatischcm, uicht auch auf kirchlichcm
Gcbiet. Der päpstliche Nuntius hatte
näinlich cine Besprechung mit dcm Grafcn
Ncchbcrg und einc Aiidicnz beim Kaiser,
in welcher Ictzierem die Eiiiladung, der
heil. Vater möge einc österrcichische Stadt
zu sciner l'uleriiiiistischen Rcsidenz wählcn,
geradezu in den Mund gelegt worden.
Statt ei'ner solchcn Eiuladung erfolgte dcr
Nath des Kaisers, Se. Hcl'ligkeit möge
um jcden Preis von dem Entschlüsse, Nom
zu verlassen, abstehcn. Die Stimmung ist
gegenwärtig in kcincm österrcichischen Krvn-
lande, sclbst in dem frommen Tprol, so
beschasseu, daß ciue Behcrbergung des
Papstes gcrathen erscheiueu köunrc, und
i'hm selbst könute der Aufeuthalt in einein
Landc, i'n wclchcm das Concordat vvn
allen Seiten als dic Quclle so vieler Uebel
mit Necht betrachtet wird, iiichls weniger
als Anuehmli'chkeiicn bl'ccen, während'er
der Ncgi'erung zum Ueberfluffe neue Ver«
legenhcitcn bereitcn würde.

Wien, l9. Iuli. So ebeii ist in dem
versammclten Reichsrath ein allerhöchstes

Handschreiben verkündet worden, wodurch
Sc. Majestät die Zusage ertheilen, ohne
Ziistiinmuiig des vcrstärktcn Ncichsraths
wedcr ncue Steuern eiiizuführeii, noch
dic bestehendcn zu erhöhen odcr Staats-
aulchcii anfzuiichmen. Dcr Reichsrath
wird also niit dem wichtigsten constitu-
tionellen Nechtc, mit dem Rechte der Steucr-
bewilligung und der Finanzcontrole aus-
gestattet. Ic weiter aber ber Krcis seiner
Nechte ausgedchnt wird, um so mehr
wachscn auch seine Pflichlen. Der Neichs-
rath muß fortan mit der Negierung die
Svrgc für.Beschaffung dcr Staatsbedürf-
ni'sse uiiter allen Umständen theilen und
übcriiimmt gleichc Verbindlichkeiten gegeir
die Staatsgläubiger Oesterreichs. Üeber-
haupt abcr läßt cs sich nicht verkennen,
daß hier ein neuer wichligcr Schritt ge-
than worden ist, der Oestcrreich als einen
Verfassungsstaat darstellt. Eine noth-
wcndi'ge Folge des Stcuerbewl'lligungs-
rechts ist dic Periodicität des Reichsraths,
und wenn erst die Landesvcrtretungen in
Wirksamkeit sein und ihr Wahlrecht aus-
üben werdcu, so unkerscheidet nur noch
dcr Name den Reichsrath von einein
Reichstage.

Wien. 19. Juli. Der Triester Bankicr
Nevoltella wurde, der „Antogr. Cor-
rcspondenz" zufolge, vorgestern aus der
Untersuchiingshaft des hicsigen Landesge--
richtes entlassen.

28ien. Die von dcr Nqtionalbank
zuni Verkauf ausgebolcnc Staatsdoinäne
Brandeis ist vom Großherzog von Tos-
i kaua crstandcn worden.

Pestli, 20. Iuli. Ei'n gestern aus
I Anlaß eines trotz Polizeiverbotes vorbe-
^ reiteteu Fackclzuges für den Superl'nten-
^ deuten vou Szakaes entstandciier Volks-
^ zusammenlauf inußte durch militärisches
! El'nschrtiten beseitigt werden. Einige Ver-
haftungcn haben stattgefunden, Verwun-
dungen sind jedoch kcinc zu beklagen. Die
Nuhc war vor Mittcrnacht wieder her--
gestellt.

F- r a n k r e i ch.

Strastbura, 20. Juli. In unserer
Nachbarstadt Mülhausen hat der ehe-
maligc Maire und Drputirte, Hr. An-
dreas Köchlin, dcr bcreits so viel für
seine Vaterstadt geleistet, seinen Nainen
durch cinige neue großartige Stiftungen
vercwigt. Der hochherzige Mann hat in
ei'ncm vou ihm und seiner edlcn Gattin
untnzeichiietcii Schrci'ben dem gegenwär-
tigcn Mairc, Hrn. Köchll'n-Schlumbergek,
die Anzeige gemacht, daß er dem Pres-
bpterium der rcformirtcn Kirche in Mül-i
haiisen 200,000 Fr., dcm Bürgerspitale
von Mülhausen 200,000 Fr., der jüdiicheir
Gewerböschule 10,000 Fr. zur Verfngung
stelle. Zum Bau der katholischcn Kirche
hat Hr. Köchlin vor kurzcr Zeit ebenfalls
eineil sehr reichen Beitrag geliefert, und
 
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