Hndelberger Tagmatt.
M 3«7.
ttch. PrciSniiNIx^halttmgSblal!vieriel' 90» tt,;ette vtcr dmnRaüm werdm m, 18^0^
-j-j- Oesterreich und die Reform. ^)
(Schluß.)
Was di'e Luiidesstatute betilfft, so wi'rd
dic rciil ständi'sche Dasts derselbeii auf-
gegebeii, und durch ei'ue andere Wahlord-
iiuii.q mehr ei'ne wi'rkli'chc Landksvertrktuug
geschaffeu werdeu. Die Desugur'sse der-
selbeu werdcu durch das Nechi der Jni-
tiative wescntlich erweitcrt, und ihren
Verhaiidlungen durch die Oefftliilichkcit
eirie würdige Form gegeben werden. Zni
Uebrigen rügt man aber an SchmerlingS
Manifeste, selbst in den hievon sonst en-
thusiasmirten Wiener Blätteru doch auch
einige Unklarheiten und Unvollständigkeiten
in einigen wichtigen Puncteii. Ss sind
z. B. die Grundrechte, deren Wahrung
angekündigt wurde, mehr im Allgemeincn
theorctisch angcdentet, als im Einzelnen
bündig formulirt. Hierhcr gchörr unter
Andern die freie Neligionsübung und die
kirchliche Frage überhaupt. Ecwas voll-
ständiger nnd präciser dürfre auch die
Bchandluug dcr freien Prcsse in dem
Programme sciu. In demsclbcn wurde
bekanutermaßen außer diescii hohcn, con-
stitutioiiellcn Gütern im Allgemeinen (freier
Rcligionsübung, Gleichbercchtigung der
Confessionen, Preßfreiheit) zügleich unbe-
dingte Rechtsgleichheit, Gleichberechtigung
der Nationalitäten, Oeffentlichkcit und
Mündlichkeit des gerichtlichen Verfahrcns,
insbesrudere dcr Strafrcchtspflcge mit Ge-
schworncn zugcsichert. Was die Gemeinde-
verfassung betrifft, so wird das freisinnige
Stadion'sche Gcsetz in Kraft verblcibcn.
Die entschcidknde Bedeutnng liegt aber
immer iu dcr eigentlichen Verfassungs-
frage sclbst: Was in dieser Beziehung
nun die Gesammtvertretuug des Kaiscr-
staatcs, den Ncichsrath betrifft, so sind
auch für diesen erwciterte Nechte sestge-
setzt, indem er eine größcre Anzahl von
Mitgliedern, und wie die Landtage, die
Initiative und Ocffrntlichkeit für seiiie
Vcrsammlungcn crhält. Die iudircctc Wah!
drr Neichsrathsmitglieder jedoch, nämlich
durch die Landtage, bleibt leider vorerst
aufrecht erhaUen. Gerade einc direcie
Wahl dcrselbeu, allgemciu aus dem Volkc
hcrvorgehend, wäre aber sehr wünscheus-
werrh gcwescn, und hätte den Reichstag
Nr. 206, Scttc l, crstc Spaltc, Zcilc 24 von
untcn tst zu lcscn: „Jnhaltc" statt „Zufallc".
zu einer wahrhaft coustitutionellen Ver-
sammlung gestcmpelt, anstatt daß er in
scincr jctzigen Gestalt mehr den Character
eines isolirtcii Oberhauses tragen wird,
dem das cigrntliche staatsrechtliche Fun-
damcnt ei'ner. wahren Volksvertrctung ab-
gcht. Mit Hinblick auf dieses Letztcre
wurdc übrigens ganz im Allgemeinen ein
weiterer parla.mentarischer Körper in Aus-
sicht gcstellt, welche Verheißung man auf
das noch fehlende Unterhaus dcuten mag.
Ein Gesammtlandtag für die dentschen
und slavischcn Provinzen wäre allerdings
schon als Gegengewicht für Ungarn am
Platze.
Wir können hier nur wiederholcn: Am
Höchsten anzuschlagen ist der ächt liberale
staatsmännische Geist, vou welchem das
Manifest durchweht ist; die Fortbildung
aber der änßerlichen, durch das Diplom
vom 20. Oct. vcrlichcncn eonstitutioiicllcn
Grundlagcii wird sich im Laufe der Zeit
durch die Macht dcr Verhältnisse von selbst
ergeben.
Hauptsächlich wird diescs anch davon
abhäugen, wie sich dic Beziehuiigen Oestcr-
reichs nach außen, namentlich iu Bezug
auf das übrige Dcutschland, abcr auch,
wie sich solche gegcnüber von Italien und
in Ungarn gestalten.
Was dieses letztcre Kronland betrifft,
so ist das Ergcbniß der kürzlich statrge-
habtcn Grauer Conferenz im Ganzcu ein
günstigcs zu liennen. Es ist hicnach Hoff-
nung vorhanden, daß die an Zahl wie
an Ansehcn weitaus überwiegende, gemä-
ßigt ltberale und nationale Partei in Uu-
garn, die ciitschicdcn mouarcbisch-gesiuut
ist uud kcine völlige Treiinung von Oe-
stcrreich will, die Oberhand behält, unter
der Voraussctziing, daß die noch fehlenden
Berechtigungen der früheren Verfassung
Ungarus und dic Ncformcn dcr Iahre
1847 und 1648 gauz oder großentheils
gewährt werden.
Viel trüber läßt sich, eben jeßl, am
Iahresschlusse, die Beziehung Oestcrrcichü
zu Itakien an. Das Weihnachtsgeschenk
seince Miuistcrs ist in diescr Beziehung
bekanutlich durch ein andcres, sehr zwci-
deutigcs, Weihliachtsangebindk, welchcs
seiiicu Urspruiig in dcr Staatspreffe an
der Seine hat, paralisirt, und cin Krieg
gcgen Venetien iu kaum zwcifelhafte Aus-
sicht gestellt wordcn.
Weitere kritische Verwick.luiigen, auch
im Innern, werdcn bei der ganz beson-
i dern staatlichen und volklicheu Zusammen-
j sctzung Oesterrcichs nicht ausbleiben. Alle
jWünsche zu befriedigen, allcn gestellten
^ Anforderungen iiachzukonlineil, ist dorr,
I uiiter diesen Verhältnissen, rein nnmög-
lich. Zu weit gehende Coiicessioiien wür-
drn zu dem Gegenthcile Deffcn führen,
was man bezwcckt, nämlich geradezu zu
einem ÄuSeinaiiderfallcii des GesamiNt-
staatcs. Beispielswcise führen wir zum
Belege dessen hier nur kurz an, baß in
neuester Zeit auch die polnische Nationa-
lität in dcm Kurland Galizitn sich cifrig
rührt, und so ziemlich dieselbcn Berechti-
gungen vcrlangt, wie in Uiigarn! —
Auf dergleicheu Mißständc, die bei den
heterogenen Bestaiidtheilcn OcsterreichS
ui'ansbleiblich sind, bauen denn auch dic
Feiude des Kaiserstaates, in Verbindung
mit einer auswärtigen Crisiö, ihre Hoff-
nung, daß das ganze Ncforrnwerk miß-
lingcn und zum Vcrderben Oesterreichs
selbst ausschlagen möge.
Wir für unsern Thcr'l haben schon
früher angedcutct, daß wir die möglichen
Gcfahren, die sich Oesterrer'ch aller Orcen,
iin Innern, sowie uach Außeu cntgegen-
stcllcn köiineu, nicht unterschäßeii; wir
theilen durchaus nicht unbediiigt die rosen-
rothe Hoffliung, daß das alte Volkssprüch-
wort: „Weiße Wcihnachten, grüneOstern!"
sich für dießmal auch im Gcbiete dcr po-
litischen Verhältnisse so leicht verwirklicheir
wird. Allein wir hegeu die fcstc Ansicht,
daß die stammverwandten Männcr in Oe-
sterreich in ihrem großen mühevollen Wcrke,
iu ihrem eifrigcn Ringen nach beffern
Zuständcn thunlichst zu unterstützen, zu
ermuthigcn und freudig anzuregen seien,
austatt daß man — wie es leider nur
allzuoft iii und außer der Presse geschieht
— ihnen bei jeder Gelegenhcit vorhält,
daß.sic unrettbar vcrlorcn seien, und —
ächt pcssimistischer Weise, von vorn herein
jcdes Vorschrcitcn zumBesscrn als eiilen
jvöllig fruchtlosen, scines Zieles vcrfeh-
, lendcii Versuch darstellt. —
j Um zu zeigen, wie weit der zelotische
jCifer einzclner Gegncr Oesterreichs geht
j und sich bis zur gänzlichen Entstellung
offeiikundiger Thatsachcu versteigt, um
selbst den Kriegsruhm Oesterreichs, fast
das eiiizige aus der Vergangenheil über-
kommene Gut, zu schmälcrn, erlauben wir
uns schließli'ch nur ei'n Beispiel anzu-
M 3«7.
ttch. PrciSniiNIx^halttmgSblal!vieriel' 90» tt,;ette vtcr dmnRaüm werdm m, 18^0^
-j-j- Oesterreich und die Reform. ^)
(Schluß.)
Was di'e Luiidesstatute betilfft, so wi'rd
dic rciil ständi'sche Dasts derselbeii auf-
gegebeii, und durch ei'ue andere Wahlord-
iiuii.q mehr ei'ne wi'rkli'chc Landksvertrktuug
geschaffeu werdeu. Die Desugur'sse der-
selbeu werdcu durch das Nechi der Jni-
tiative wescntlich erweitcrt, und ihren
Verhaiidlungen durch die Oefftliilichkcit
eirie würdige Form gegeben werden. Zni
Uebrigen rügt man aber an SchmerlingS
Manifeste, selbst in den hievon sonst en-
thusiasmirten Wiener Blätteru doch auch
einige Unklarheiten und Unvollständigkeiten
in einigen wichtigen Puncteii. Ss sind
z. B. die Grundrechte, deren Wahrung
angekündigt wurde, mehr im Allgemeincn
theorctisch angcdentet, als im Einzelnen
bündig formulirt. Hierhcr gchörr unter
Andern die freie Neligionsübung und die
kirchliche Frage überhaupt. Ecwas voll-
ständiger nnd präciser dürfre auch die
Bchandluug dcr freien Prcsse in dem
Programme sciu. In demsclbcn wurde
bekanutermaßen außer diescii hohcn, con-
stitutioiiellcn Gütern im Allgemeinen (freier
Rcligionsübung, Gleichbercchtigung der
Confessionen, Preßfreiheit) zügleich unbe-
dingte Rechtsgleichheit, Gleichberechtigung
der Nationalitäten, Oeffentlichkcit und
Mündlichkeit des gerichtlichen Verfahrcns,
insbesrudere dcr Strafrcchtspflcge mit Ge-
schworncn zugcsichert. Was die Gemeinde-
verfassung betrifft, so wird das freisinnige
Stadion'sche Gcsetz in Kraft verblcibcn.
Die entschcidknde Bedeutnng liegt aber
immer iu dcr eigentlichen Verfassungs-
frage sclbst: Was in dieser Beziehung
nun die Gesammtvertretuug des Kaiscr-
staatcs, den Ncichsrath betrifft, so sind
auch für diesen erwciterte Nechte sestge-
setzt, indem er eine größcre Anzahl von
Mitgliedern, und wie die Landtage, die
Initiative und Ocffrntlichkeit für seiiie
Vcrsammlungcn crhält. Die iudircctc Wah!
drr Neichsrathsmitglieder jedoch, nämlich
durch die Landtage, bleibt leider vorerst
aufrecht erhaUen. Gerade einc direcie
Wahl dcrselbeu, allgemciu aus dem Volkc
hcrvorgehend, wäre aber sehr wünscheus-
werrh gcwescn, und hätte den Reichstag
Nr. 206, Scttc l, crstc Spaltc, Zcilc 24 von
untcn tst zu lcscn: „Jnhaltc" statt „Zufallc".
zu einer wahrhaft coustitutionellen Ver-
sammlung gestcmpelt, anstatt daß er in
scincr jctzigen Gestalt mehr den Character
eines isolirtcii Oberhauses tragen wird,
dem das cigrntliche staatsrechtliche Fun-
damcnt ei'ner. wahren Volksvertrctung ab-
gcht. Mit Hinblick auf dieses Letztcre
wurdc übrigens ganz im Allgemeinen ein
weiterer parla.mentarischer Körper in Aus-
sicht gcstellt, welche Verheißung man auf
das noch fehlende Unterhaus dcuten mag.
Ein Gesammtlandtag für die dentschen
und slavischcn Provinzen wäre allerdings
schon als Gegengewicht für Ungarn am
Platze.
Wir können hier nur wiederholcn: Am
Höchsten anzuschlagen ist der ächt liberale
staatsmännische Geist, vou welchem das
Manifest durchweht ist; die Fortbildung
aber der änßerlichen, durch das Diplom
vom 20. Oct. vcrlichcncn eonstitutioiicllcn
Grundlagcii wird sich im Laufe der Zeit
durch die Macht dcr Verhältnisse von selbst
ergeben.
Hauptsächlich wird diescs anch davon
abhäugen, wie sich dic Beziehuiigen Oestcr-
reichs nach außen, namentlich iu Bezug
auf das übrige Dcutschland, abcr auch,
wie sich solche gegcnüber von Italien und
in Ungarn gestalten.
Was dieses letztcre Kronland betrifft,
so ist das Ergcbniß der kürzlich statrge-
habtcn Grauer Conferenz im Ganzcu ein
günstigcs zu liennen. Es ist hicnach Hoff-
nung vorhanden, daß die an Zahl wie
an Ansehcn weitaus überwiegende, gemä-
ßigt ltberale und nationale Partei in Uu-
garn, die ciitschicdcn mouarcbisch-gesiuut
ist uud kcine völlige Treiinung von Oe-
stcrreich will, die Oberhand behält, unter
der Voraussctziing, daß die noch fehlenden
Berechtigungen der früheren Verfassung
Ungarus und dic Ncformcn dcr Iahre
1847 und 1648 gauz oder großentheils
gewährt werden.
Viel trüber läßt sich, eben jeßl, am
Iahresschlusse, die Beziehung Oestcrrcichü
zu Itakien an. Das Weihnachtsgeschenk
seince Miuistcrs ist in diescr Beziehung
bekanutlich durch ein andcres, sehr zwci-
deutigcs, Weihliachtsangebindk, welchcs
seiiicu Urspruiig in dcr Staatspreffe an
der Seine hat, paralisirt, und cin Krieg
gcgen Venetien iu kaum zwcifelhafte Aus-
sicht gestellt wordcn.
Weitere kritische Verwick.luiigen, auch
im Innern, werdcn bei der ganz beson-
i dern staatlichen und volklicheu Zusammen-
j sctzung Oesterrcichs nicht ausbleiben. Alle
jWünsche zu befriedigen, allcn gestellten
^ Anforderungen iiachzukonlineil, ist dorr,
I uiiter diesen Verhältnissen, rein nnmög-
lich. Zu weit gehende Coiicessioiien wür-
drn zu dem Gegenthcile Deffcn führen,
was man bezwcckt, nämlich geradezu zu
einem ÄuSeinaiiderfallcii des GesamiNt-
staatcs. Beispielswcise führen wir zum
Belege dessen hier nur kurz an, baß in
neuester Zeit auch die polnische Nationa-
lität in dcm Kurland Galizitn sich cifrig
rührt, und so ziemlich dieselbcn Berechti-
gungen vcrlangt, wie in Uiigarn! —
Auf dergleicheu Mißständc, die bei den
heterogenen Bestaiidtheilcn OcsterreichS
ui'ansbleiblich sind, bauen denn auch dic
Feiude des Kaiserstaates, in Verbindung
mit einer auswärtigen Crisiö, ihre Hoff-
nung, daß das ganze Ncforrnwerk miß-
lingcn und zum Vcrderben Oesterreichs
selbst ausschlagen möge.
Wir für unsern Thcr'l haben schon
früher angedcutct, daß wir die möglichen
Gcfahren, die sich Oesterrer'ch aller Orcen,
iin Innern, sowie uach Außeu cntgegen-
stcllcn köiineu, nicht unterschäßeii; wir
theilen durchaus nicht unbediiigt die rosen-
rothe Hoffliung, daß das alte Volkssprüch-
wort: „Weiße Wcihnachten, grüneOstern!"
sich für dießmal auch im Gcbiete dcr po-
litischen Verhältnisse so leicht verwirklicheir
wird. Allein wir hegeu die fcstc Ansicht,
daß die stammverwandten Männcr in Oe-
sterreich in ihrem großen mühevollen Wcrke,
iu ihrem eifrigcn Ringen nach beffern
Zuständcn thunlichst zu unterstützen, zu
ermuthigcn und freudig anzuregen seien,
austatt daß man — wie es leider nur
allzuoft iii und außer der Presse geschieht
— ihnen bei jeder Gelegenhcit vorhält,
daß.sic unrettbar vcrlorcn seien, und —
ächt pcssimistischer Weise, von vorn herein
jcdes Vorschrcitcn zumBesscrn als eiilen
jvöllig fruchtlosen, scines Zieles vcrfeh-
, lendcii Versuch darstellt. —
j Um zu zeigen, wie weit der zelotische
jCifer einzclner Gegncr Oesterreichs geht
j und sich bis zur gänzlichen Entstellung
offeiikundiger Thatsachcu versteigt, um
selbst den Kriegsruhm Oesterreichs, fast
das eiiizige aus der Vergangenheil über-
kommene Gut, zu schmälcrn, erlauben wir
uns schließli'ch nur ei'n Beispiel anzu-