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Heidelberger Zeitung — 1863 (Januar bis Juni)

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Februar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2820#0114
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sparung kines Nothpfeiun'ngS für Krankheit
und Alter ist hierbci nicht zu denken. Zur
Ehre des Standes sei cs aber gesagt, daß trotz
dieser Calamität das sogenannle Schmierspstcm
bei ihnen noch keinen Eingang gefunden hat.
Es fertigen aber die Noiare die wichtigsten
Geschäfte für die Siaatsbürger; sie müffen
also auch anständig dafür bezahlt wcrden; ein
Zahreseinkommen von 2000 fl. ist kaum hin-
retchend; in anderen Ländcrn verdi'ent ein ge-
achteter Rotar das 5—tOfache. Früher war
für die Notare lediglich eine Bildung auf der
Schreibstube eines Amtsrevisors vorgeschrte-
ben; erst 1849, unter dem Ministerium Stabel,
wurde von diesem eine durchaus wissenschaft-
liche Bildung derselben, und zwar nicht »ur
der Besuch dcr einschlägigen juristischen Vor-
lesungen, sondern auch vollständige mathema-
tischc Bildung angeorvnet; da der Notar nicht
nur RechtSkenntniffe habcn, sondern auch Rech-
ncr sein svll. Wic also damals das Mini-
sterium Stabel die Ausbildung der Notare
ganz richtig angcordnet hat, so hofft man auch
jetzt von demselben, daß es den nächstens zu-
sammentrelenden Landständen einen neuen No-
tariatsgesetzentwurf vorlegen wird, welchcr dem
Publikum und den Notaren gerecht wird.

Dresden» 28. Zan. Große Erbitterung
herrscht in der Stadt wegen einer gestern Nacht
verüdken militärischen Unthat. Drei Civilisten
richleten in jpäter Nacht ihre Schritte nach
Hause, als einer von ihnen in den Worten:
»Hier steht auch noch ein Cavallerieofficier",
seine Verwunderung ausdrückte, einen Savalle-
rielieutenant tn -Begleitung einer Daine so
spät auf der Straße anzutreffen. Plößlich er-
hielt der vorerwähnte Sprecher unter Be-
gleitung einiger höchst martialischen Worte von
dem nachgehenden Lieutenant einen scharfen
Säbelhieb in den Kopf, der ihm vielleicht so-
fort den Garans gemachr hätte, hältc sein
Cplinderhut nicht einigcrmaßen den Hieb ge-
mildert. Der Verwundete wurde zu eiiieni
nahe wohnenden Wundarzt gebracht, der den
mit einer zwet Zoü langen und ziemlich tiefen
Wunde Darniedcrliegenden unter Beitritt eines
zweiten Arztes in Behandlung genommen hat.

(Sächs. Bl.)

Leipzig, 30. Zanuar. Der Schriftsteller
Ludwig L-torch ist heute hier auögewiesen
worden. Er mußte binnen 12 Stunden Stadt
und Land verlaffen, während er noch gestern
als Ehrenpersvn bei der Seumefeier in Per-
svn zwischcn dem Landrath des Kreises und
dem Ortsgeistlichen in Amlstracht cinherschritt.
Den Vorsitz in dcr Versammlung führte der
Profeffvr Rvßmäßler. Der eigentliche Fest-
redner war Ludwig Storch, aber Niemand
weiß sich zu erinnern, daß irgendwie dic Gren-
zen der Redefreiheit überschritten worden wä-
ren. Wahrscheinlich datirt die gegen Storch
ergrtffene Maßregel sich auf ein noch vorhan-
venes Ausweisungs . Rescript aus dem Zahre
1858. Dasselbe ist bis heute noch nicht auf-
gehoben wordcn. Die Maßregel gegen den
harmlosen, allverehrten deutschen Dichter hat
das allgemeinste Aufsehen gemacht.

Berlin, 23. Jan. Das Abgeordneten-

dtese gcliebten Ueberrcste buchstäbltch kopfüber in
daS Loch hinabstürzten! Es war ein schauderhaf-
ter Anblick diese Entweihung der jungen Letche mit
wtld umherstiegenbcn Haaren und Gliedern, wclchc
noch nicht starr waren. Hicrauf kam etn großcr
Sarg an die Reihe, in welchem sich Licfcrungcn
des LlberZo üi koveri, des Armenhauses bkfan-
dcn. Was jetzt folgte, klingt unglaublich, ist aber
doch wahr. Der Deckel diescs Sarges stand schon
halb osfen, «aS nicht Wunder nahm; dcnn als er
ganz abgenommen war, crbltcktc man etne Anzahl
todter Kinder, wclche übereinander gcschichtet da la-
gcn — nicht wenigcr als acht im Alter von zwei
Jahren bis auf einige Wochen herab. Sic warrn
sämmtlich nackt, wurden etnes nach dem anbern bet
der Hand oder bcim Fußc, wie eS gerade kam, her-
vorgczogen und durch bie Luft in das Loch geschleu-
dert. Mit zwei andern Särgen, welche jeder ein
Kind rnthielten, fand diesclbe Procedur statt, und
ich fühlte mtch förmltch erlcichtert, als jrtzt der Stein
wieder in dic Oeffnung gelaffen wurdc. Leider hatte
ich mich getäuscht; bcnn die Lcute mcldctcn bem !
Priester, eS bestnde fich noch ein Leichnam in den
Fächern, «elcher „vcrgcffen" worden sei, nnd dann j

I haus seßte heute die Adreßdcbatte fort. Di'e
Tribünen stnd etwas weniger gefüllt, als an
den beiden letzten Tagen. Am Ministertische
sind Anfangs dcr Ministerpräsident, der Acker-
bau-, Jiistizministrr und der Mimster deS Jn-
nern anwcsend. DaS Wort erhält zucrst alS
Antragsteller auf Erlaß einer Adresse der Ab-
geordnete Reichensperger (Geldern.) Der-
selbe beginnt mrt der Versicherung, daß er
nicht zum zweiten Malc gesprochen haben
würde, wenn ihn nicht dr'e Reden dcs Mini-
sterpräsidenten provocirt hätten. Diese Reden
seien eine offene Kriegserklärßng gcgen daS
Haus, gcgen die Verfassung. Wenn sich die
Regierung nicht mindcftens für verpflichtet
halte, ein Jndemnitätsgesetz einzubringen, dann
stelle sie sich direkt außcrhalb der Verfaffung.
Die Auffaffung des Ministerpräsidenten von
dem durch die Verfaffung gewährten Recht sei
durch und durch lückenhaft und hinfällig. Red-
ner erläutert die Bestiminungen der Verfassung
übcr das Budget. Sei denn die Verfassung
lediglich dazu da, damit dic Regierung sagen
könne: „stst pro rstione volmltss! sio volo,
sio gubeo!" Dies heiße denn doch den nacktcn
Absolutismus herauskehren. (Beifall.) DaS
ser aber überaus gefährlich. Der berühmte
Chatham habe gesagt: „Die absolute Gewalt
richtet den zu Grunde, der sie befltzt, aber
noch vielmehr den, der ste nicht besitzt, aber
prätendirt." (Nuf von allen Seilen: Sehr
wahr!) Was bedeutet denn die Vcrfaffung?
Sie ist ja nichts als ein Rechtsschutz, als ein
Damm gegen jede Willkür. (Hört! hört! Wie
und wann sind denn die Verfaffungen zu
Stande gekouimcn? Durch Bedrängniß der
absolutcn Herrscher, in den Zeiten der unruhig-
sten Bewegung! Und wenn nian unsere Ver-
fassung nicht mehr halten will, so weiß ich
gar nicht, welche Verheißungen für die Zu-
kunft noch gemacht werden sollen? (Ruf: Sehr
wahr!) Die Reden des Ministerpräsidenten
seien eine reine Provocirung. Man müsse
immer das thun, was ber Gegner nicht wolle;
man könne der Regierung keinen größeren Ge-
faüen thun, als die Majoritätsadreffe anneh-
men, keine größere Uiibeqnemlichkeit bereiten,
als durch Annahme seiner Adresse. Nicht daS
Haus, aber daS Land sei verankwortlich. —
Der Refcrent Abgeordneter v. Spbel. Ncues
sei kaum mehr zu sagen; so scharf und ge-
spannt auch unsere Krisis sei, sie werde ein
Ende finden, dies lehre cin Blick auf die Ver«
gangcnheit. Vor 13 Jahren habe der kur-
heffische Minifter Haffenpflug das Land mit
österreichischen und baperischcn Truppen er-
obert, angeblich im monarchischen Jntereffe,
damit der Kurfürst wirthschaften könne wie
ein Baumwollenpflanzer von Alabama; vor
nur wenig Wochen aber flammten die Feuer-
zeichen auf den heffischen Bergen zur Feier
des Verfaffliiigsfestes, während jener Minister
am ckslirium tremölls bahinsicchte. VorüZahren
wollte in Bapern auch ein Ministerium nach
dem Grundsatze herrschen: Redet, was Zhr
wollt, wir thun was wir woüen; der Träger
dieseS Spstems sei zwar nicht am äelirinw
trsmeos gestorben, aber zurückgetreten und

Bundestagsgcsandtcr geworden; in Bapern
sei daS königliche Wvrt wieder lebendig ge-
worden: »Jch will Frieden haben mit meincm
Volke." Zn Preußen wcrde auch daS gute
Recht siegen, der König sei derselbe, der er
vor eiuem Zahre, der er vor fünf Jahren
gewescn. Die Minister hätten in dicsen Tagen
sehr schöne Dinge gesagt, allein es wäre NichtS
dahinter. Darauf habe man u. A. Gewicht
gelegt, daß der Steuerzuschlag von 25 pCt.
nachgelaffen worden, ja, den hätte das Mini-
sterium gar nicht erheben dürfen ohne Bewil-
ligung des HauseS. (Beifall.) Hieran knüpft
der Redner einc spezielle Widerlegung ber
AuSführungen des Ministerpräsidenten nnd
culminirt diesen Theil seiner Rede in dem
Satze, es sei nicht wahr, daß durch die Be-
schlüffe deS Hauses ein Nothrecht entstanden
sei, wie man jetzt behaupte. (Beifall). Unter
Friedrich Wilhetm III. habe im Zahre 1833
ein Kriegsminister erklärt, daß er seinen Willen
nicht ausführeu könne; der König habe mit
einer Verzichtleistung auf 5 Millionen Thaler
und Einführung der zweijährigen Dienstzel't
geantwortet. Ein konstitulioncller Minister
vom Zahre 1862 erklärte, er könne sich zwar
für die zweijährige Dienstzeit erklären, aber
er wolle doch die Befchle des Königs auS-
führen. Die Budgetfrage sei erschöpfcnd er-
örtert, die Sache liege so, daß das Miuiste-
rium meine, bei einem Streite der Häuser,
wie viel wir ausgeben sollen, können wir
ausgeben so viel wir wvllen. (Geiächter.)
Nach dem Ministerpräsioenten gehörten drei
Factoren zum Budget ; wenn aber, das liege
in seinen Ausführungen, der eiiie einen Strich
mache, so sage er: Euer Strich gilt Nichts,
weil ich ihn nicht biüige, Zhr seid>die Stören-
friede, die Auflehner gegen bas Gesetz!" (Ge-
lächter.) Das Haus denke nach anderen Regeln,
handle nach anderen sittlichen Grundsätzen
(Beifall), das könne man auSsprechen, ohne
die Ehrfurcht zu verletzcn. Die Regierung
lebe in einer andern Welt, handlc nach an-
deren Anschauungen als die heutige Zeit, ste
glaube, sie könne mit dem Gut und Blut der
Bürger schalten und walten nach Bclieben;
das Haus aber glaube, das Geld dcs Bürgers
gehöre ihm und er bewillige es dcr Regicrung
erst durch seine Vertreter. Auf diesen Satz
gründc sich die Größe EnglandS, darin liegc
aber auch die Kluft zwischen dem Hause und
dem Ministerium. Die Verfaffungsverletzung
deS letzteren liege deutlich vor und werde ge-
rade in der Widerlcgung durch die Minister
zur Evidenz erwiesen. Dieser Umstand be-
gründe die Adreffe und motivirc den Entwurf
der Commission als den klarsten und unzwei-
deutigsten Ausdruck der Gesinnung des Hauses.
Der Ministcrpräfldent habe die LopalitälSde-
putationen geschützt, weil sie das Peiitions-
recht hätten, er möge bedenken, daß dies Recht
und daS der freien Rede Anderer wesenilich
beschränkt worden sei. Die „ehrlichen treuen
Preußen" des Ministerpräsibenien hälten flch
zum Theil untersangen, im Angesicht Seiner
Majestät des Königs geradczu vas Strafge-
setzbuch zu verletzen, und kein Minister hatte

noch etner in einem der Karren, welchcr nicht auS-
geleert worden war. Dic vcrgcffenc Leiche, es war
die cincr crwachscnen Fran, wurde in einer Art
Flcischermulde von eincm Manne auf dcm Kopfe
an den Rand des Loches getragen und blieb dort
unbckleidet liegen, bis auch der Jnhalt deS Kar-
rens, die Ueberreste eincs hübschen jungen Man-
neS von 19 Jahrcn und eines Knaben, welcher
zusammengekrümmt da lag, herbetgcschleppt wur-
den. Ein Hospital hatte fic gcschickt, «ic dte Frau
ohne einen Lumpcn von KleidungSstücken! Der
Priester besprcngtc fie, und es gewrhrte ein ent-
sctzliches Schauspiel, jetzt dic noch langc ntcht er-
starrten Körpcr auf dem Pflaster in Convulfionen,
als sträubten sich die Glieder gcgen eine solche Be-
handlung, hinschlcppen und in das Loch «erfen zu
schen. AlS Alles vorüber war, that ich einen Bltck
in die Ocffnung, aber es ist mir unmögltch, auch
nur annähcrnd cine Schilderung dcS Scheußlichen,
was ich da sah, zu versuchen.

WaS, frage ich, muß dcr Einfluß eines solchen
Systcms auf das Volk skin? Wo kann Achtung
vor dcm Mcnschenleben stattfinden, wenn täglich
solchc Sccnen der Entweihung Hingcschiedener statt-
finden?

(Das Gaudeainus-Lied). DaS studentischc Volks-
lied: „OauSesmus iKitllr" soll zum erstcn Mal 1554
odcr 1555 bet eincr Burschenfcier in Heidelbcrg
gesungen worden scin und zwar zu Ehren dcr Olhm-
pta Morata, der fchönen und gclehrten Frau deS
ArzteS Grundler, ciner Jtaltenerin aus Mantua.
Das Lted hatte damals mchr Vcrsc als jetzt, na-
mentllch eincn zum Pretse der Gefetertcn:

Heil und Preis Olympia
Fulvia Morata,

Hold wic einst Aspasia
Würdig «ie Cornelia,

Weisc wie Renata.

(Kronprinzlichcr Humor.) Der größte Freund
des Ballets war unstrcittg Friedrich Wilhelm der
Dritte. Eines TageS, als die damalige Kronprin-
zesfin langc Zctt zum Fenster auf cinen Punkt thre
Aufmcrksamkcit richtetc, fragte sie der Kronprinz
nach dcm Gegenstand derselben. „Jch beobachte",
entgegncte fie, „dort auf dem Baume einc Elster,
wclche schon scit zehn Mtnuten auf einem Beine
steht," „llm dcs Himmels Willcn!" ricf der witztge
Prinz, „sage nichts dem Papa davon, sonst cnga-
girt er fie auf der Stelle mit sechStausend Thalern
»ls erste Solotänzerin."
 
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