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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 179-204 August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0189
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Utidklbrrgtr Ztilung.

N» 1SS. Donnerstag, 2S. August L8«L.

Jn der Schenkel'sche« Angelegenheit

ist, wic bereiiS kurz gemeldet, dic Enlscheidung
gr. OberkircheuratheS ersvlgt, die wir bei der
Wichtigkeit derselben vollständig miltheilen.
Möge sie dazu beitragen, daß die Ucbcrzcugung
bei den Milgliedern der cvaugelischcn Kirchc
imnier tiefere Wurzeln schlagc, wie nur in
dcr Aufrcchthaltung der freicn Forschung der
ProtestantismuS für allc Zeilen sciue fefte
Stützc findet. Die Entfcheidung lautet wörtlich:

Evangelischer Ol>cr-Kirchenrath.

KarlSruhc, den 17. August 1864.
Nr. 7768. Die Stcllung deS Kirchenraths Dr.

Schcnkcl alS Seminardircctor in

Hcidelberg betresfend.

Durch daS cvangclifche Stadtdecanat KarlS-
ruhe haben wir dcm Herrn Stadtpfarrer
Ziininerinann dahicr für sich und zur Mit-
thcilung an die Geistlichen, in deren Namen
und Austrag er die Eingabe vom 23. Zun'i d. Z.
einreichte, nach Berathung mit dcm General-
SyuodalauSschuß zu erkeiinen zu geben:

Mittelst dcr eben erwähntcn Eingabc hat einc
Anzahl vou Geistlicheu unsrcr evangelisch-prote-
ftantischen LandeSkirche gegen den Kircheurath
Dr. Lschenkel auS Veranlassnng seinerSchrift:
„daS Characterbild Zesu" die Anklage erhoben,
daß er durch grundftürzende Zrrlehre der Kirche
ein Aergerniß gegeben, nnd sich unsähig geinacht
habe, ein Amt in unserer LandeSkirchc zu bc-
kleidcn, namcntlich dic künjtigen Geistlichen für
den Kirchendienst vorzuberciten; sic haben iu
Folge davon an uuS dcn Antrag gerichtet, unS
bei der Großherzoglicheu Staatsbehörde dafür
verwcnden zu wollen, daß dersclbe seiner Stclle
als Director deS Predigersemiiiariuins cnthoben
und letzterc einem Mannc übertragen werde, der
mit seiner Lehre unzweideutig auf dem Bodcn
deS anerkannteii BekenntnisseS der evangelisch-
protestantischen LandeSkirche stche.

Wir haben die Beschwerdeschrist eincr sorg-
saltigen Prüfung unterzogcn. Es kam dabei
vor Allem in Erwägung, daß das angcfochtcnc
Buch cin wissenjchastlicheS Werk eincs Gelehr-
teu ist, ivelchcs nicht in dcin Lnnne. wie die
Bcschwerdesührcr meinen, unter die Bcurthei-
lung deS Kirchenregiments fällt. Dieser wis-
senschaftlich gelehrte Character deS Bnches wird
durch dic Erklärung dcS VersasjcrS, daß er da-
mit einem Bcdürfniß der Gemeinde entgegen-
koinme, nicht geändert, weil heut zu Tage jedcS
Werk wissenschastlicher Theologie iu letztcr Ab-
sicht der Gcmeinde dicnen will. Nun wollte
aber die Kirchenrathsinstruction im § 18
Bücher, ivelche von Geistlichen unserer LaudeS-

kirche nicht zum kirchlichen Gebrauch in Druck
gegebe» werdcn, nicht nach den strengen Rück-
sichtcn beurtheilt wissen, welchc di-selbe Jnstruc-
tion sür den pfarramllicheii und seeljorgerlichen
Unterricht vorjchrcibt. Würde man jedoch auch
diese Vorschriftcn hicr znm Maßstab nchmen,
so könnte nach § 10 der crwähnte» Znstruction
aus die Entfernung deS Versassers des ange-
sochtenen Buchcs »ou scincr stclle als Dircctor
dcS PredigerseminarS nnr däiin angetragen
werdcn, wenu cr die Lchrc von der Regie-
rungsgewalt Christi in der Kirche des neuen
Bundes zu uutcrgraben und den Glauben an
diese RegierungSgewalt desjelbcn zu schwächeu
odcr zu vernichtcn suchte, waS aber überall auS
dem angcsochtenen Buche nicht nachgewiesen
werden kann.

Was sodann dic Berujung der Beschiverde-
führer aus die Bekenntnißschristen bctrifst, und
dcn NachweiS, daß daS beschuldigte Buch mit
SLtzen dieser Schrist nicht iu Uebcreinftimniung
stehe, sv erhellt hinreicheud sowohl aus § 8 der
Kirchenrathsinstructioii, als auch auS dcm § 2
der Unionsurkunde, dessen gcsetzlicherErläuterung
von 1855 und dem desfallsigen Beschluß der
Generalsyuode vou 1861 übcr den Bekenntniß-
stand, daß diese Bekenntnißschriften nicht ein
Glaubcnsgesetz in unserer evangclischeu Landes-
kirche in dem Sinne stnd, daß es nur des
NachweiseS einer Nichtübereinstimniung mit
denjelben bedürste, um eiucm Glikd oder Die-
ner der Kirche die Berechtigung in derjclben
streitig zu machen. Wcnn also auch die Be-
schwerdeführcr den BeweiS eincr svlchen Richt-
übereinstiininung dcs BucheS mit jenen Schrif-
tcn anticten und ausführcn, so können sie da-
raus dic Forderung nicht gründcn, daß der
Verfasser dcsselben eineS Amtcs in dcr evange-
lijchen Kirchc sür unfähig erklärt werden soll.
Vielmehr sollen und dürfcn die Sätze der Be-
kenntnißschriften immer auss Neue durch frcie
Forschung in der Kirchc gcprüst und durch die
Resultate dieser Forschung crprvbt werden. Dazu
haben alle evangelische Chriften, noch mehr die
Geistlichen, am mcistcn die Gelehrten unter
dcn Geistlichen Verpflichtnng und Bercchtigung.

Der Verfasser der angegriffencn Schrift hat
von diescr ihm kirchenrechtlich zustehenden Be-
sugniß Gebrauch gemacht, und dabci die ihm
gesetzlich gezvgcne Schranke nicht überschritten,
wir können unS daher nicht veranlaßt sehen,
dem gestcllten Autrag Folge zu gcben.

Wir vermögen unS rccht wohl zu denken,
daß das besprochcne Buch in sehr weiten Krei-
sen, namentlich in allen dcn Kreiscn, welche,
ohnc dem Gange der theologischen Wissenjchas-

ten zu solgen, cinsach an der herköininlichei,
Form christlicher Berkündigung sich erbauen,
das Christenthum selbst nur iu dieser herköinm-
lichen Form kennen, und es also mit ihr iden-
tificircn — großes Aufsehen und schr peinliche
Gcsühlc erregt hat. Za wir können sogar dem
Gefühle der Befremdung, mit welchem Ge-
meiudeglieder und mit ihnen ihre Seelsorger
von einem Buche sich wegwendcten, das alles
Wuuderbare und Unnatürliche im Christenthum
auf deu crsten Anblick zu leugnen und zu be-
seitigen schien, eine gewisse Berechtigung nicht
absprechen; insbesvnderc können wir unS wohl
vorstellen, wie sich Viele an der sreien Art
stießen, mit welcher dic heilige Schrist behandelt
wird. Dennoch müssen wir eS tadeln, daß
MLnner von sonst ruhiger Ueberlegung und
wohlwvllender, billiger Gesinnung sich zu einer
mehrfach verletzenden Art und Weise habcn
sortreißen lassen, jencs Befremden auszujprechcn.

Ernftlich mißbilligen aber müssen wir den der
Anklage vorausgesendcten „öffentlichen Protcst"
und dic Art und Weise, wie derjelbe in weitcn
Krcisen verbreitet «urde: dcun daß eine Anzahl
von Geistlichcn, schon bevor in geordnetem Wege
eine Entscheidung eingeholt und erfolgt ist, über
einen Amtsbruder selbst zu Gericht sitzt, und in
der Weise, wie geschehen, aburtheilt, und dann
mit allcr nur möglichen Oefsentlichkeit knnd
gibt, derjelbe befinde sich mit den der Kirchc
von ihrem Hcrrn und Meister alS ihr unver-
äuhcrlicheS Heiligthum anvertrauten Grund-
wahrheiten in unzweideutigem Widerspruch, und
habc jich dadurch unsahig gcmacht, cin Lehramt
in unscrcr Landeskirche zu bekleiden, und dic
künstigen Geistlichen für den Kirchendienst vor-
znbereiten — dieS ist ein Schritt, der mit der
bestehenden kirchlichen Ordnung nicht verein-
barlich ist. —

Wenn wir nun — wie oben geschehen —
schon auS formellen Gcsichtspunkten den An-
trag der Bejchwerdeführcr alS in der bestehen-
den kirchlichen Gesetzgebung nicht begründct,
ablehncn mußlen, so wollen «ir dabei doch
nicht untcrlassen, auch über die vor unS ge-
brachte Sache selbst UIIS osfen zu erklaren.

Wie wir, als oderste evangelische Kirchenbe-
hörde, kein wisjenschaftlicher Gerichtshos sind
für die Beurtheilung theologischer literarischer
Productionen, und ivie wir wedcr Berus noch
Vollmacht haben, eine theologische Lehrlveije,
sei es zu autorisiren, sei eS zu verpönen, jo ist
cs auch nicht unsere Sache, über das ange-
klagtc Buch ein kritisches Urlheil zu sLllen,
oder über die theologijche Doctrin seines Ver-
sassers zu Gericht zu jitzen. Wir gedenken

vas Klcinod.

(Kortsetzung.)

Den Tagen deS SchrrckenS folgte ktiie natürliche
Reaction und ein Haschen nach Vcrgiiügurigeii, ein
Bedürfniß nach Fcstlichkeitcn. Da übcrrechnctc man,
fragtc, ob der odcr jcner Eigenthümer, der Befitzrr
diescS odcr jeneS Hotels nicht Einkünftc genug habc,
um glänzcnve Gesellschaften zu geben und diejcui-
gen, «ie cS konntcn, Ivaren s-hr gesucht. Die arg-
wohuischcn Agenten R-b-Spicrr-'ö hatten Kränlein
v. Bonnatre nicht bennrnhigt; dir hcrleren Feft-
ordner d«S Direetoriiimg rrsorschten ihren Anfcnt-
halt und man erfuhr, daß Smtlir v. Bonnairc
jung, schön und srhr rcich sei. Zwar fioh flr dir
Welt, lrbtc eingezogen in dcm verstccktesten Zim-
mer ihrer Wohnnng nnd man konnte aus ihrrn
blrichen Wangen dic Spuren vott Thränen sehen;
aber wie invchtc fie den stets wiiderkehiend-n Aus-
sorderungrn wtderstehen? Fräulcin v. Bonnaire
warb von Seufzrndrn b-lagert; man schrlrb ihr
die rhrrnvollsten Vorschläge. Emilic ließ Riemand
vor sich, und da ihre Kammerfrau fich nicht nach-
drücklich genug vor Aller Angrn verbcrgeii konnte,

nahm sie ctnen Diciicr an, dcr die Stelle des
LrrbrruS vrrsrhrn mußtr.

Die Prriode der Siutzcr war von kurzrr Dauer;
mit drm Lonsulat kam bie Hcrrfchaft der Osficicre.
Kühn, den Tod verachtend, heute Obersten, morgcn
anf dem Schlachtfeldc licgend, die Brnst dcm Fcinde
zugewendet, den bloßen Degen als letztcs Ruhe-
kiffen unter dem Haupte, waren fie dennoch nicht
uncmpfindlich gegen den Besitz etner schöncn jungen
Krau zu PariS mlt artigea Landgütern, aus dic
man Geidrr sür Pferdc, Equipagen nnd den Cham-
pagner entnchmcn kann, in vcm man die Gesund-
heit des Kaiscrs trinkt. Fräuleln v. Bonnaire,
noch tmmer um Eduard v. ThermeS trauernd, war
auch den Officicren abhold. Als ciidlich die Re-
stauration cintrat, war daS armc Mädckcn ntcht
mehr jung, abcr ihr Vermögen hatte sich bcl ihrcm
eingezogenen Lcben sast verdoppelt. Für dte an-
g-sehensten zurücklihrenden Emigranten war Frän-
iein v. Bonnairc immer noch cinc wünschenswrrthe
Parttr: Grdurt, Vermögen, monarchische Gefin-
nungen, übereinstimmriides Atter, AlleS schlen an-
g-meff-n. Jhr Sckmerz, ohne an Ties« zn verlie-
rrn, war ein andrrer geworden; fie war jetzt sanst,

melancholisch. Auch ihre Lebenswcise war nichl mehr
dieselbr, sir hatte einr größerc Dtencrschaft, hielt
, Pferde und Wagen, wtc bci Lebzeitcn ihres BaterS,
unb ohnc zn klagen, noch sich einem Kreunde an-
zilvertrauen, dachte fie nur an ihren, von den
Wellcn »crschlungenen Geltebten und erwartete den
Tod, um mtt allen denen, die sie geltebt, wicder
vereinigt zu werden. Plötzltch crfuhr fie, daß man
Nachforschiliigcn nach dcm Trtrmaque angeftellt,
daß das Mcer nach fünfztg Zahren scine Bente
hcrausgeben sollte; ba öffneten fick alle Wnndcn;
j-dc Erinnerilng wiirde wach, ste verlangtc Pscrdc
und eiltc hicrhcr nach Quilleboeuf, wo fie fich
täglich auf dcm Dammc zeigte und durch thre un-
ruhige Neugicr dic Aiismerksamkcit aller derer aus
sich zog, welche sich sür das Zntagrsördern dr« Tr-
lcmaqne intercffirten.

Die Erzählung des alten Di-nerS gab nur über
ctwas Aiifschluß, waS an nnd sür fich letcht zu
errathen tst, nämttch: daß Fräuletn v. Bonnairr
etnen dcr Paffagterc dcs Tclemaque gekannt habe.
Artzt kommt es darauf an, zu erfahrrn, ob Ednard
o. Therm-s das Vermögen sciner Kamilie und
einen Theil deffen dcr Bonnaire mit jich gehabt
 
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