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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0424
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zu Stande kam, ist sehr bedeutend zusammen-
geschrumpft. Die Wahlbetheiligung im Ganzen
ist noch stauncnswerth, wenn man den Einflnß
des Pfarrers aus dem Lande richtig veranschlagt.
Jn Folge dieses Einflusses kamen ost die selt-
samften Dinge vor, so daß sich z. B. Bauers-
lcute förmlich aUf die Artikel ultra-klerikaler
BlLtter beriefen, in welchen die katholische
Glaubenslehre für bedroht erklart war. Es
liegt auf der Hand, daß diese Berufung von
den Geistlichen eingeimpst war, welche ihren
Namen nicht im Spiel haben wollten. Ohne-
hin war schon vorher Alles geschehen, um die
liberalen Zeitungen zu Gunsten der „Kölnischen
Blätter," des „Deutschen Volksblatt" und ahn-
licher Streitcr der Curic zu verdrängen.

München, 27. Oct. Die Verhandlungen
mit Hrn. v. d. Pfordten bezüglich dcssen Ein-
trittS in daS Ministerium sind abgeschlossen.
Herr v. d. Pfordten übernimmt definiliv das
Portefeuille des Aeußern, des k. Hauses, sowie
des Handels und der öffcntlichcn Arbeitcn; doch
wird dessen Ernennung erft am 15. Novbr. im
Regierungsblatte erscheinen, von welchem Tage
an der neue Minister sein Amt antritt.

(Nürnb. Corr.)

Berlin, 27. Oct. Die Zcitungen fahren
fort, das traurige Ereigniß in Glogau zu be-
sprechen. Die meisten, darunter das conser-
vative „Allgem. Volksblatt" , suchen nachzu-
weisen, daß die Agnes Sander unmöglich an
Kohlendunst gestorben sein könne.

Berlin, 28. Oct. Die „Nordd. Allgem.
Ztg." bringt folgenoe Mittheilung: „Die auS
eincm hiesigcn Morgenblatte in die gesammte
Prcsse übergegangene Angabe, daß Se. Maj.
der König dnrch den Polizeiprasidenten von
Bernuth eine nochmalige Untersuchung des viel-
besprochenen Vorgangs in Glogau angeordnet
habe, cnlbehrt, wie uns zuverläfsig mitgetheilt
wird, jeder Begründung. Die Untersuchung
des Vorganges, deren Ergebnisse durch eine
Mittheilung im amtlichcn Glogauer KrciSblatt
und durch daö Schreiben des Divisionsaudi-
teurS Splittgeber durchaus erschöpfend in die
Oeffentlichkeit gelangt siud, hal in jever Be-
ziehung streng nach den gesetzlichen Vorschriften
und in völlig zuverlässiger Weise stattgesunden,
und ist an keiner amtlichen Stelle irgend ein >
Anlaß oder auch nur die Möglichkeit weiterer
Ermittelungen erkannt worden."

St. Goarshausen, 24. Oktbr. Heute
wurde eine Versammlung der Fortschrittspartei
mitten auf dem Rheine gehalten. Die bciden
entgegengesetzten Parteien in St. Goarshausen,
die konservative und die Forlschrittspartei,
hatten den hcutigen Tag zur Abhaltung von
Vorversammlungen behuss der Wahl eines Ab-
geordneten bestimmt. Die Fortschrittspartei
wollte sich im Gasthose zuni Schiffchen ver-
sammeln, als dem Wirthe heute Morgen von
dem nassauischen Amte verboten wurde, diese
Versammlungen in scinem Lokale zu gestatten.
Der Wirth ist Eigenthümer eines sehr schön
eingerichtetenNhcinschiffes, hinlänglich groß, um
die Versammelten aufzunehmen. Sosort wurde
dieseS Schiff aus das Festlichste mit Flaggen
geschmückt und jenseit deS nassauischen Ufers

durch den Dr. Rawicz im Beisein deS Vormundes
dieses MädchenS bei der Section abgerissen wor-
den ist."

Der Unterzeichnete bedauert, durch die boshafte
Ausbeutung diescs von keiner Seite verschutdeten

allgemeinen Beurtheilung preisgeben zu müsscn. °
Glogau, am 2l. Oct. — Splittgerber,
Dtvifionsauditeur der 9. Division.

Ver Volkswitz in der Veographie.
(Schluß.)

Der nationaleitle Franzofe nennt sein Vaterlanv
1s belle krsozie, der Engländer Olä-LoAlsnä. Am
wunderlichsten find diese Zu-, Bei- und Neben-
namen in Nordamerika vertreten, wo das Volk §
etne wahre Wuth darauf hat,' andere Orte und !
Länder lächerlich zu machen, die eigene Vaterstavt !
aber biS in drn Htmmel zu erheben. Jede landein- i
wärts liegende Stadt ncnnt sich dort pomphaft: '

in das Fahrwasier des Rheines gebracht. Am
Ruder hing die deutsche Flagge, nicht weit da-
von die österreichische nno naffauische, am
Hauptmast wehte die preußische und außerdem
noch sämmtliche deutsche Flaggen. Das Schiff
war gedrängt voll, und zahlreiche,- stets besetzte
Vtachen unterhielten den Verkchr mit St. Goars-
hausen. Wie es heißt, soll der naffauische Amt-
mann den Landrath von S1. Goar (Preußen)
ersucht haben, die Versammlung auf dem Schiffe
zu verbieten, was dieser aber mit Recht aus
dem Grunde zurückgewiesen hat, daß das Schiff
nicht auf dem preußischen Theile des Rheines,
sondern im Fahrwasser des Flusses liege.

(K°bl. Z.)

Wien, 24. Oct. Man vcrsichert, bie un-
garische Frazc gche ciner raschcu Lösung ent-
gcgcn. Der Enlschluß, zuerst dcn Gejamint-
reichsrath zu dcrufcn, hänge «amit zusammcn,
da die Parleiführer dcr üngarn die Thäligkeil
des engcreii Reichsralhes streug von den wei-
teren geschieden wissen wolltcn. Hr. v. Schmcr-
ling soll eilicm hervorragenden Mitgliede der
Ungarijch - Deak-jchen Parlei die Vcrjprcchnng
gcgeben haben, eS würden, um dic Ungarn zu
befriedigen, alle irgend möglichen Concejsionen
geinachi wcrden. Zn der handeispolitijchen
Frage rcifci, große Eiiiichliisse. ES mache» sich
Eiiiflnssc gcllend, welche darans hinzielen, daß
Ocsterreich nüt Fraukrcich eincn Handelsver-
trag abschließc, uiib gleichzeitig seinerscits den
sranzöslsch-prcußischen Haiidclsvcrtrag on klno
anznnehineii sich bereit crklärt. Die Dinge
werden in Kurzem znm Abichluß koninien.

Wien, 27. Oclbr. Die „P. Z." gibt den
Jnhalt dcr östcrrcichischen Devesche vom 12. d-,
welche in Sachcn der italienischcn Coiivenlion
nach PariS geriibtet wvrdcn, folgendcrmaßen
an: Dic Depcjche kiiüpfl an die verschiedcnen
Eonverfatioiiei, an, in welchcn ber jranzösische
Bolschaster dem hicstgen auLwäriigen Amt die
beini Abschluß der Convcntioii sür Frankreich
niaßgcbend gcwcseniii Erwägungeii darzulcgen
dkii Anjlrag gehabt Ulid Iiimiiit keiiieil Anstaiid
zu eiklärru, daß das vsterrcichischc Cabinet, vb-
schon cs lebhast dedauerc, daß man nichlNom
selbst vor dem Abjchluß zn Rathe grzogen, mit
aufrichtiger Genugthliniig die Vcrstchcrung ent-
gegcniichiiie, daß Frankreich lediglich das Jnte-
icssk der Sichcrstellung der päpstlichcn Aulori-
tät ii» Auge gchadl. Eben darin, daß Frank-
reich dcr Convenlioii scine Unlerschrist gegcben,
erblicke Ocsterreich cine Garantie sür dicse Au-
Ivrilät, eiiie Garantie, dic nach der Ari und
Weije, wie die Rcgierung dcs jiönigs Victor
Emanuel jich über die feicrlichslen Vcrträge
hinwcggcsctzt, durch die von dicscr Seite jetzt
überiivmmeiie Vcrpflichlnng allcin nicht als ge-
geben habe bctrachkct ivcrden könncn; abcr
Frankreich fci mächtig gcniig, anch wenn der
ictzie sciiicr Soldaten den römischen Boden ver-
lassen habe, diescn Bodrn ansreichend zu schützen.
Jm Ucbrigcn wcrde naiürlich dem Papst sowie
jcder aiidercn außcrhalb der Convention stchcn-
den Macht die vvllc Frciheit der Entschiicßun-
gcn zu wahren sein , uiid ivie dcr Papst da«'
niibediiigte Recht habe, bei irgend Ivelcher künf-
tigen Bedrohung, den Schutz der katholischcn

ttönigin des Westens. Neiv-Aork ist dcr Empire-
Staat, New-OrlcanS dle Lrescent-Elty, Clncin-
natl heißt Porkopolis — Sckweinestadt — seincr
Sckwetnefchläcktcreien wegen; Wisconfin ist ber
Dachsfiaat, Arkansas dcr Bärenstaat, Miffouri drr
Bouillonstaat, Vermont der Grcen - Mountatn-
slaat ic. Dte Bcwohner ber Vcretnigten Staaten
heißen tnSgesammt Bruder Zonathan, dte Rcglc-
rung bezricknct man mrt Uncte Sam; die Neu-
sckottländer sind dre Blaunascn, dtc Krntuckicr die
Halbpserde, die Männer aus Ohio die Bocks-
äugigen u. s. s.

An dieser Stellc fei noch crwähnt, daß man bei
uns die Poten die Kranzoscn des Norden«, die
Pcrser di- Fr-nzos-n des Orients, die Bcwohner
der Jnscl Skio dic Gascognier dcr Lcvante nennt,
nnd daß fich die inhmretigrn Gallier über biese
Verglcickc außcrordentlich freuen. Dtc Stttc, Bcr-
gletckr zwiscken cinzelnen Städtcn auszuficllcn und
Namen zu ndcitragcn, ist uralt nnd Strado ncnnt
bcrcits Romana in PontuS i KIiin-Korinth; niuir-
dtngS find AuSdrncki, wii Klein-Pari« für Maj-
land, Ltipjig und Brüffct ganz gibräuchlick, abir
geradizn kindisch nnd adgcdroschen kltngtl Spril-

Mächte in Anspruch zu nchmen, wnrdcn umge-
kehrt die katholijchen Mächte sich das unbedingle
Rech! vindiciren müfsen, innerhalb der Grenzen
der polilische» Convenienz nnd Opportunität
ihm diesen Schutz zu gewähren, und Eurvpa
würde in eincm solchen Fall ohne Zweisel
hoffen dürfcn, Oesterreich nnd Frankreich in
Einiracht ucbcn einander stehcn zu sehen.

Wien, 29. Oct. Dcr dem ReichSrath vor-
zuiegende StaatshauShaltvoranschlag gibt dic
Gesanimteinnahme zu 518,461,842 fl. an, die
Gesammtailsgabe zu 549,842,831 fl. Das
Deficit wird vorausstchtlich dnrch Kriegskosten-
ersatz gedeckt.

Fr a n k r e i ch

Paris, 28. Oct. Heute Vorinittag ist Hr.
von Bismarck abgereist. Vorher hatte er
mehrere Conserenzen mil Herrn Drouyn de
Lhuys.

Toulon, 29. Octbr. Kaiser Napoleon ist
heute hier eingetroffcn nnd wird morgen wie-
dcr abreisen. Der Czar wird Nizza morgen
verlassen.

Eng la n v

London, 29. Octbr. Dcr Prozeß Mnller
ging heute zu Ende. Die Geschworencn cr-
kanntcn den Angeklaglen des MvrdcS schuldig.

London, 29. Oct. Nach einem übcr Man-
chrster empfangencn Telegramme anS Ncuyork,
21. Oct., hätle der Uiiionsgcneral Sheridan
nahe bei Sirasburg den Rebellengeneral Long-
strcet geschlagen und bemsetbcn 50 Kanonen
abgenommen.

Z t a l i e rr

Turin, 28. Oct. Boncompagni (der Mehr-
heit angehörig) ist zum Vorsitzenden der Com-
mission für die Verlegung der Hauptstadt ge-
wählt worden.

Turin, 28. Octbr. Der für dic Prüfung
der -Leptember-Couvention ernannte Ausjchuß
der Depuürtenkammer wird in den ersten Tagen
der nächsten Woche Bericht erstatten. Zuver-
lässige Nachrichten aus dem Vcnetianischen be-
sagen, daß die „Bewegung" im Friaul ohne
Bedeutung ist.

Turin, 28. Oct. Die Bureaux der Kam-
mern haben sich in großer Majorität zu Gun-
sten des Vertrags und für die Verlegung der
Hauptstadt nach Florenz erklärt. Die gewählten
Commiffäre sino alle Auhänger der Annahme.
Glaubwürdige Nachrichten auö Venetien mel-
den, daß die im Friaul ausgebrochene Bewe-
gung sich auf sehr geringsügige Dimensionen
beschränkt.

Turin, 29. Octbr. „Opinione" sagt, daß
die „bekannte Partei" aüe Anstrengungen mache,
die andern Parteien mit sich sorlzuziehen. Die
Banden im Friaul sollten Garibatdi verführen,
und man glaubte, diesen Zweck zu erreichen,
indem man einen seiner Söhne in der Be-
wegung compromittirte. Wir glauben, daß
dies nicht gelingen wird; die Gerüchte von er-
rungenen Ersolgen sind ungenau, und bestimmt,
zu täuschen. Die Bandcn sind zerstreut oder
nmringt. Es ist. unmöglich, Nachricht von

Athen, Jlm-Athen, Pleiße-Athen, Leine-Athen,
Elb-Florenz, Seine-Babel rc.

Die Charaktere einzelner Nationalitäten sind oft
und treffend geschildert worden. So sagte Kaiser
Karl V.: Franzöfisch müsse man in GeseUschaft
reden, Jtalienisch mit der Gelicbten, Spanisch mit
Gott und Englisch mtt den Vögeln. Derselbe sagte:
etn Heer müffe einen italienischen Kopf, spanische
Schultern und eine deutsche Brust haben. Papst
Juliuö II. meinte: die Spanier seien volueres eoeli,
weil sie stets nach hohen Dingeu streben; die Fran-
zosen bomiues omoium korsrum, wetl sie tn alle
Sättel passen; die Deutscken smpdorse viui, wcil
sie sich den Wein tapfer mundcn lassen, und die
Schweizer peeors esmpi, natürlich nur wegen ihrer
Viehzucht.

Wir könnten diese Sammlung noch ein tüchtig
Stück fortsetzen, aber die gegebenen Beispiele wer-

htstorischen Altcr dieser geographischen Spielrreien
eine AnsLauung zu haben und, so weit thunlich,
die Gründe und Ursachen für dic Entstehung dirser
Redensarten kennen zu lernen.

OSwald Hancke.
 
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