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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 100-125 Mai
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0496
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die Preffe auf das gesammte öffentliche Lebcn,
dcffen Gestaltung und Fortentwicklung weit den
wirksamsten und unmittclbarsten Einfluß zu
üben berufen ist. Mit dem Fortschritt der frei»
heitlichen Entwicklung eineS Staatslebens ift
darum auch stetS und überall die Gesetzgebung
über die Preffe in einem innern Zusammenhang
gestanden; bcide, sreie Preffe und freie Bcwe-
gung im Staate bedingen sich cigcntlich gegen-
seilig; keineS ist ohne das Andere wirklich.

Unbestreitbar ist daS neue Gesetz über die
Preffe ein dankenswcrther Fortschritt. und ist
daffelbe im Ganzen, wenigstens unter den Preß-
gesetzgebungen deutscherStaaten, eine der bessern,
wenn diese auch in einzelnen Bestimmungcn
beneidenswerthe Norzüge haben, z. B. das
bayerische, das alle Preßprozeffe vor die Schwur-
gerichte verweist, oder das neue koburgische
Preßgcsetz, das jede polizeiliche Beschlagnahme,
wic dicS in England und anderwärts der Fall
ist, ausschließt. Wir halten es für die größte
Schattenseite unseres neuen Preßgesetzes, daß
es die Beschlagnahme von Druckschriften durch
die Polizeibehördc nicht bloß zuläßt, wenn die
polizeilichen Vorschriften bezüglich dcr Preßer-
zeugniffc nicht beachtet worden sind, was man
als unbedenklich hinnehmen könnte, da cS sich
lediglich um äußerliche Formalitäten handelt,
die leicht zu beurtheilen sind; sondcrn daß das
Gesetz im §23 daS Recht der polizeilichen Be-
schlagnahme auch auf den Jnhalt der Druck-
schriften ausdehnt, sobald eine Gefahr auf dem
Verzuge ist." Denn hiermit ist der Polizei-
behörde die Beurtheilung der Druckerzeug-
niffe selbst übertragen, also einer Behörde, die
ihrer ganzen Stellung und Aufgabe nach am
wenigsten unbefangen und vorurtheilsfrei genug
ist. Eine solche angemeffene Erweiterung der
polizcilichen Bcschlagnahme ist aber auch ein
prinziploser Abfall von dem Grundgedanken des
ganzen Gesetzes, das auf dcm sogenanntcn Re-
pressivsystem auferbaut ist und nun am Schluß
ganz uncrwartet eine Präventivmaßregel auf-
nimmt, welche bisher in allen deutschen Prcß-
« gesctzen als das eigentliche Misere der Presse
galt, indem diese durch diese einzige Bestimmung
dcr Gnade oder Ungnade der Polizei und dcren
wechselnden Tendenzen verfallen ist. Der Abg.
Beck hatte wohl Rccht, wenn er bemerkte, daß
es ein Uebermaß von Großmuth sei, in cin
Gesctz Bestimmungen aufzunehmen, die für die
Gegenwart, wie er zur jetzigen Regierung das
Vertrauen habe, gar keinen Werth und keine
Bedeutung HLtten, die aber als bequeme^Mittcl
zur Bedrückung und Unterdrückung jeder freien
selbstständigen Preffe, nur den Gegnern, viel-
leicht in nicht gar ftrner Zukunft, alS schr
dankenswerthe Zugaben erscheinen müßten. —
Da cs sich mit dieser erweiterten polizeilichen
Bcschlagnahme um die Achillesverse des neuen
Preßgesetzes handelte, so erklärt sich auch hier-
aus der lange hartnäckige Kampf bei der gestri-
gen Debatte, und daß die v'erhängnißvolle Be-
stimmung schließlich nur mit drci Stimmen
mehr durchgebracht werdcn konnte. Dagegen
erklärte sich die gesammtc Fortschrittspartei,
fcrner Behaghcl, v. Roggenbach, KnieS, Kieser,
Roßhirt. Es ist zu hoffen, daß in dieser Rich-
tung das Gesetz auch in erster Kammer auf
starken Widerstand stoßen wird.

Karlsruhe, 8. Mai. Wie in Wür-
temberg und andern deutschen Mittelstaaten,
haben nun auch die Einleiwngen zur Kriegs-
bereitschafl bei uns ihren Anfang genommcn.
Die zwangsweise, übrigcns gcsetzlich geregelte
Remontirung ist für das ganze Land angeord-
net. Ferner ist von nun an bis auf Weiteres
die Ausfuhr von Pferden in das Ausland ver-
boten. Weitere Maßnahmen werden unverzüg-
lich folgen. Dem Vernehmen nach werden von
den zu Augsburg vertretenen Staaten überein-
stimmende Schritte geschehen, um von der im-
mer ernstern Entwicklung der Dinge in Deutsch-
lanv nicht überrascht zu werden. Man darf an-
nehmen, daß von jrnen Staaten auch morgen
in Frankfurt am Bunde bei der folgenreichen
Abstimmung über dcn sächfischxn Antrag über-
einstimmende Ansichten geltend gemacht werden.
Von einem cnergischen und einträchtlichen Auf-
treten der deutschen Mittelstaaten ließe sich im-
mer noch eine WendUng zum Beffern in Deutsch-
land erwarten.

lü Karlsruhe, 8. Mai. Am Abend des

5. d. M. fand eine Sitzung des StaatSmini-
steriums statt; der Telegraph war fast die ganze
Nacht in Anspruch genommen. Ob dem An-
dringen des KriegsministerS zur Mobilmachung
stattgegeben würve, wiffen wir nicht. AlS dc-
stimmt aufgetretenes Gerücht sei aber mitge-
theilt, daß man damit umgche, d«s ganze badische
Armeecorps und sechszehn Bataillone Landwehr
auS den Männern vom 26. bis 30. Lebenö-
jahr kriegsbereit aufzustellen. (Vgl. §* Karls-
ruhe, 8. Mai.)

lH Karlsruhe. (Entwurf des Gesetzes
über den Elementaruntcrricht. Fortsetzung.)
EinführungS - und UebergangsbesNm

das Vdlkssrbulwesen anßcr Kraft, namentlich:

1) daS XIH. OrganisalionSedict vom 13. Mai 1803
I. X. 8 1—12;

13. Januar 1809, Art. X.—Xll. (Regierungsblatt
Nr. V!.); '

3) das Gesetz über die RechtSvcrhällnisse der Volks-
schullehrer und die Deckung des Schulaufwandes
vom Ä. August 1835 (Regbl. Nr. X1.V.);

6^Mär^l845 (R^gb^ Nr!° Vl!)^

^ 6^^84^ (^gb? Nr.

2lSepttmver(Regu/Nr.'XXXVIlft)

7) daS Gesetz — AbLuderuug dcs VolkSschulgesetzeS

cember 1850 (Regbl. Nr. mX.);

8) da- Gesetz über die Besserstellung der llnterlehrer
vom 19. Februar 1858 (Regbl. Nr. VII.);

9) das Gesetz über Besserstellung der Volksschullehrer
vom 3. Mai 1858 (Regbl. Nr. XVIll.);

10) das Gesetz über deu allgemeinen Schullehrer-Witt-
wen- uud Waisenfond vom 19. Mai 1862 (Regbl.
Nr. XXIV.);

11) daS Gesetz, die AuisichtSbehörden sür die Volks-
schulen beneffend, vom 30. August 1864 (Regbl.

^Nr^XXXlll.). ^ ,-ch

znständigen SlaatSbehörde eulschieden ist^

8 109. Die Lehrer haben daS durch dieses Gesetz vor-
geschriebene Eiukommen vom 1. Oclober 1866 an zu

' sie ihre deßfallsige Forderung nachträglich gellend machl.

8 110. Der Aufwand für die Bezahlung der Lehrcr.
welcher durch Erhöhung der Lehrergehalte (8 48 ^ und
49) oder durch Ausscheidung der zu dem Meßner-,
Glöckner- und Organistendieiiste gehörigen EinkommenS-
theile (8 43) oder bei Schulsteüen der ersten und zweilen
Klasse dnrch die Garantie für das Schulgeld (8 48 6,

8 ,54) cntsteht, ^ wird auf Anlrag der Gemeinde ^unler

der Dotation der Schulstelle gedeckt ist.

Wird der Antrag innerhalb sechs Monaten, nachdem
der Lehrergehalt und die verschiedenen Beiträge zu dem-
selben bestimmt worhen sind, gestellt, so gewährt die
StaatSkasse in dem oben bestimmten Umfang auch den
Ersatz des von der Gemeinde nach 8 109 vorschüßlich
Bezahlten. Bei späterer Erhebung des Anlragö über-
nimmt dagegen die StaatSkasse die Bezahlung des be-
zeichneien MehraufwandS erst vom ersten Januar des

schließcn daS ihr nach 8 33 zustehende Wablrecht nichl
auS. sofern fie dagegen die Bedingungen deS 8 111 er-
füllt. (Schluß folgt.)

/ Baden, 8. Mai. Die Königin von
Preußcn hat iumittcn der drohenden Kriegs-
gefahr unser friedlicheS Thal wieder aufgesucht
und ihre Wohnung im Meßmer'schen Hause,
nächst dem Conversationshaus, wieder bezogen.

Aus Baden, 8. Mai. Profeffor
Treitschke in Freiburg wurde kürzlich von Graf
Bismarck empfangen. Nych der Aeußerung
des Grafen ist er der rückhaltlosen Zustimmung
von Seiten des preußischen Volkes zur kriege-
rischen Action gewiß. Als letztes Mittel zum
Ziele würde der Ministerpräsident sogar ein
liberales Regiment zugesiehen. Die Heeresor-
ganisation stcht im innigsten Zusammenhang
mit den Vcrgrößerungsplanen Preußens. Die
Führer der Kammerlinken hatten hicvon Kennt«
niß, allein cs fehlte ihnen der Muth, 6ie im-
merhin gefährliche Politik von Blut und Eisen
gutzuheißen. So viel steht fest, daß Profeffok
Treitschke mit der vollsten Ueberzeugung von
der Unabwendbarkeit des Kricges zurückge-
kehrt ist.

-f- Von der Murg, 9. Mai. Aus zu-
verlässiger Quelle erfahre ich, daß der Abzug
des preußischen Besatzungscorps zu Raftatt in
den nächsten Tagen erfolgen wird.

Mainz, 6. Mai. Das dahicr garnisoni-
rende königlich preußische 69. Jnfanteriercgiment
hat dic Ördre erhalten sich in Marschbereit-
schaft zu setzen.

Lindau. Der König von Würtemberg ist
angekominen und soll hier mit dem Könige von
Bayern zusammentreffen.

Dresden, 7. Mai. Der König genehmigte
das wiederholte Entlaffungsgesuch des JustiH-
ministers Dr. v. Behr und ernannte den Pra-
sidenten dcs Dresdener Appellationsgerichtes,
Dr. Robert Schneider, zum Justizminister.

Berlin, 7. Mai. Aus sehr beachtcnswer-
ther Quelle wird der „N. Fr. Z." mitgetheilt,
daß Nothschild der preußischen Regierung eine
Anleihe nicht unbedingt versagt, sondern nur
die Bedingung gestellt hat, daß der König und
die Agenten persönlich als Bürgen eintreten.
Selbstverstäudlich bezieht sich dies auf eine An-
leihe, zu welcher die Landcsvertretung dic Ge-
nehmigung nicht ertheilt hat.

, 7. Mai. Die Nationalbank be-
harrt bei ihrer Weigerung, die kleincn Noten
einzuwechseln. Es gehen Gerüchte über Ver-
pfändung von Kirchengütern, auch sollen 40
Millionen Scheidemünze auSgegeben werden.
Jn Prag soll eine freiwillige Studentenlegivn
gebildet werden.

Nach der „Rh. Ztg." lautet die österreichische
Circulardepeschc an die Vertrcter Oesterreichs
an den auswärtigen Höfen wegen Jtaliens
solgendcrtnaßen:

Wien, 27. «pril.

„Jch habe die Ehre, Jhnen einliegend die Abschrift
^n^D^ ^ie^ ^i^g^st^^^ ^ den

im Jnnern deö Reichs vertheilt und auf chr Minimum
herabqesetzt waren, genüglen nicht, um alle bloßgestellten
Punkte zu decken, die oft durch bedeutende Eiiifernungeu
von einander getrennt sind.

Jndem wir uns einer falschm Sicherheit überNeßen,
würoen wir uichts lhun, als zum Angriff unserer ent-
blößten Gränzeii einzuladen. Wir haben daher verschie-
denc Truppenbewegungeii anbefohleii und unsere Armee
in Jtalien auf eiuen'vollständigeren Fuß setzeu müssen.
Diese Maßregelu haben, ich wiederhole es, nur dcn streng-
sten defensiven Charakler, und es fällt dcr kaiserlichen
Regierung nicht ein, einen Krieg, mit wem eS auch sein
möge, hervorzurufen.

L>ie können die Versicherung davon in der förmlich-
steu Art erneuein, aber wir belrachten eS zu derselben
Zeit als einc gebieterische Pflicht, nichtS zn vernachläs-
figen, um uns in den Stand zu setzen, einen bewaff-
neten Einfall zurückzuschlagen. Kein Cabinek köunte,
wie ich glaube, die Verantwortlichkeit auf sich nehmen,
 
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