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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 205-230 September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0264
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zum 20. d. zusammenblciben und dann auf
etwa vier Wochen vertagt werden.

Wie der „Karlsr. Z." aus Wien geschrieben
wird, ist der öfterreichische GcsandtschaftSposteu
in Berlin wieder besetzt, und der frühere Ge-
sandte am großh. badischen Hof, Graf Traut-
mannsdorff, zum außerordentlichen Gesandten
und bevoümächtigten Minister ernannt.

Laut Generalbefehl dcs Kaisers hat eine Re-
duction der österr. Armee aller Wafsengattun-
gen sosort einzutreten und ist der normirte
Friedensstand herzustellen.

Depeschcn aus Florenz bezeichnen die Haupt-
punkte, die zwischen Oesterreich und Jtalien
noch in DiScussion für die Unterzeichnung des
FriedenSvertrags sind. Es betreffen diese Punkte:
1) die Regelnng der Monk-Lombardo-Venetia-
nischen Schuld, welche Jtalien zu seincn Lasten
übernehmen soll. 2) Die Erwerbung des im-
mobilisirten Kriegsmaterials in den festen Plätzen
durch Jtalien. DaS transportable Material
wird von dcn Oesterreichern mitgenommen. 3)
Die Regelung dcr Frage von den Gränzen bei
Verona und am Gardasee. Man glaubt, Jta-
lien würde dazu bestimmt werden können, auf
seine dießfalligen Ansprüche zu vcrzichten, wenn
Oesterreich eine allzu starke Compensation ver-
langen würde. 4) Endlich wird auch der Mo-
dus für die Räumung der Festungcn durch die
Lsterreichischen Truppen zu regeln und der Zeit-
punkt des Einmarsches der italien. Truppen
festzusetzen sein.

Die italienische Regierung ist, wie man aus
Florenz schreibt, nun unwiderruflich entschlossen,
die gegcnwärtige Abgeordnetenkammer aufzu-
lösen. Allgemeine Wahlen werden sofort nach
dem Plebiscitum Vcnetiens angeordnet werdcn.

Der „Jnternational" enthält eine diploma-
tische Mitthcilung, daß Frankreich, Preußen,
Oesterreich und Rußland sich verständigt haben,
durch wirksame Maßregelw vcn Ausbruch re-
volutionärer Leidcnschaften in Belgien zu
verhindern.

Dem „Temps" zufolge versichert man, die
Pfortc stehe auf dem Punkte, den Prinzen Karl
von Hohenzvllern als erblichen Fürsten von Ru-
mänien anzuerkenuen; die französtsche Diplo-
matie sei diesem Entschlusse nicht fremd, und
Hr. v. Moustier habe deßhalb, um die betref-
fende Unterhandlung zu gutcm Ende zu füh-
ren, seine Abreise von Konstantinopel noch
verschoben.

D e u t s ch i n d.

Karlsruhe, 11. Sept. Scine Kvnigliche
Hoheit der Großherzog haben Sich unter dem
3. Sept. l. I. allergnädigst bewogen gefunden:
dem Ministerialrath und Landeskommissär Fecht
in Mannheim das Eichenlaub zu dem bereits
innehabenden Nitterkreuz, und dem Oberamt-
mann Dr. Schmieder in Tauberbischofsheim das
Ritterkrcuz Allerhöchstihres Ordens vom ZLH-
ringer Löwen, dem Bürgermeister Leonhard Rei-
del von Tauberbischofsheim, dem Bürgermeister
Philipp Frank von Wertheim, dem Bürgermci-
ster Georg Adelmann von Dcrtingen, und dcm
Bezirksrath Konstantin Müller in Wcrtheim
in Anerkennung ihrer hervorragenden Dienst-
leistungen währcnd der letzten KriegSereignisse
die kleiNe goldene Zivil-Verdienstmedaille zu
verleihen; unter dem 7. d. dcm Postpraktikan-
ten Adolf Kutruff von Donaueschingen, unter
Ernennung zum Post- und Bahnverwalter, die
Post- und Eisenbahn-Expedition Engen zu übcr-
tragen.

Karlsruhe, 10. Sept. Die Karlsr. Ztg.
schreibt: Wir erfahren, daß die Verhandlungen
zwischen der großherzoglichen und der kaiserlich
französischen Regierung wegen gegenseitiger Aus-
yebung der Paßvisa-Gebühren und Ermäßigung
der Gebühr für die Urkundenlegalisation das
erwünschte Zicl geg^en haben. — Mit höchstcr
Ermächtigung aus gr. Staatsministerium wird
angeordnet, daß weitere Einzahlungen auf das
nach dem Gesetz vom 20. Juni d. I. ausge-
schriebene Steueranlehen, nachdem dasselbe den
erwarteten Betrag von beiläufig vier Millionen
Gulden geliefert hat, nicht mchr erhoben wer-
den sollen. — Der Güterverkehr auf den großh.
Eisenbahnen hatte in dcn letzten Monaten der-
art abgenommcn, daß die Znge vermindert,
inöbesondere die Güterzüge Nr. 31 und 32
zwischen Mannheim und Freiburg eingestellt

wurdcn. Unmittelbar nach Herstellung des
FriedenS befferte sich daS Verhältniß, so daß
schon gegen Ende vorigen MonatS neben den
bestehenden regclmäßigcn Transportgelegenheiten
.jede Woche drei Ergänzungs-Güterzüge abge-
fertigt wurden. Da aber auch dieje Maßregel
nicht mehr hinreicht, den ungewöhnlich gestei-
gerten Gütervcrkehr zu bewältigen, so werden
die unterm 22. Juni eingestellten Güterzüge
Nr. 31 und 32 vom 12. und 13. dieses Mo-
nats ab wieder eingeführt.

X Kar-lsruhe, 11. sept. Was ist zu-
nächft unsere Aufgabe. ll. Die deutschen
Mittelstaaten haben, das kann Niemand in Ab-
rede stellen, die Niederlage verdient, die ihnen
der erste große Conflict zwischen den beiden
bisherigen deutschen Großmächten in so vollem
Maße bereitet hat. Sie haben, mit geringer
Ausnahme, jeder ernstlich gemcintcn deutschen
Reform sich jederzeit abgeneigt gezeigt und ihr
offen oder im Geheimen cntgegen gearbeitet.
Die meisten haben ferner, statt auf das Volk
sich zu stützen und in einer ehrlich gemeinten
verfassungstreuen und volksthümlichen Regie-
rung ihre Stärke zu suchen, Alles gethan, um
das Volk sich zu entfremden und das kleinstaat-
liche Regimcut mit seinen absolutistischen Ge-
lüsten und großstaatlich karrikirten Nachochmun-
gen gründlich verhaßt, und was noch schlimmer
ist, vor verständigen Lcuten lächerlich zu machen.
Da gab es deutsche Kleinstaaten, in denen es
fast eben so viele Generale und Generallieute-
nants gibt, als sie Compagnien und Bataillone
besitzen, in anderen wenigstenS so viele, daß sie
reichlich etwa die Hälfte der preußischen Armec
commandiren könnten, wobei immer noch einige
übercomplete zur bloßen Parade vorhanden wä-
ren. Wie in andern Zweigen mit Hoschargen,
Excellenzen, Ministern und Diplomaten aller
Fayon ähnliche Uebertreibungen stattfanden, ist
bckannt.

Es ist merkwürdig, daß gerade diejenigen
deutschen Kleinstaaten, wo solche Unnatur und
Uebertreibungen am höchsten standen, zucrst von
der Nemesis ereilt wurden, und ohne Sang und
Klang fast klagloS von der Erde verschwin-
den. Wir sagen „klaglos", denn vereinzelte
Stimmen, meist von solchen, dic bei der Fort-
dauer der frühern Zustände mehr oder minder
interefsirt erscheinen, fallen nichl in die Waag-
schale, und wo Stimmen aus dcm Volke selbst
laul werden, so gelten dicsc mehr dcr Erhal-
tung der errungenen Rechtszustände als den
Dynastien und deren Fortbestand. Kurz, e§
ist eine warnende Thatsache, die überall
behcrzigt werden sollte: Diejenigen, auf welche
die Herrscher in Hannover, Kurhessen und Nas-
sau all ihr Vertrauen setzten, deren Stimme
jederzeit mehr galt als dic des Volkes und des-
sen Verjreter, hahen blind und leidenschaftlich
zum Conflict und Krieg mit Preußen getrieben,
dagegen haben die Vertreter deS Volkes in den
Kammern und in den Städten alles gethan, um
den verhängnißvollen Schritt abzuwenden. Auf
wessen Schultern und Gewiffen lastet also der
beispiellos rasche Fall dieser Dynastien, die zu
den ältesten und hervorragendsten Deutfchlands
gehörend! —

AuS solchen thatsächlichen Erscheinungen, ihren
Ursachen und Folgcn wird man eine Lehre und
cine Regel des Verhaltens in den übrig geblie-
benen kleinern deutschen Staaten ziehen müssen.
Nicht die Existenz der Kleinstaaten an sich ist
vom Uebel, sagt ein geistreicher, als vorzugs-
weise conservativ geltendcr politischer Schrift-
steller unserer Tage (W. H. Riehl), wohl aber,
daß sie gegenwärtig ganz ebenso regiert und
angesehen werden und werden wollen, wie die
Großen. Eben hierin liegt die Unnatur der
Kleinstaaterei, die immer schwerer empfunden
wird, — bis sie unter Umständcn geradezu un-
crträglich wird. — Dicse goldenen Worte eines
grundsätzlich conservativen Mannes, der aber
Menschen und Dinge vorurtheilslos und wohl-
wollend beurtheilt, muß jeder verständige Po-
litiker, der es ehrlich mit seinem Land und Für-
sten meint, auf seine Fahnc schreiben und zur
Aufgabe seiner Bestrebnngen machen. „Denn,
bemerkt Riehl mil vollem Nechte, nimmt man
cns, daß eine Nückkehr zu einer einfachern, pa-
triarchalischen NegicrungSform in den kleineren
Staatcn eine Unmöglichkeit geworden, dann
muß man sich auch nicht scheuen, weiter zu fol- ,

gern, daß auch die kleinen Staaten eine
Unmöglichkeit geworden sind." —

Frankfurt, 7. Scptbr. Jn maßgebenden
Kreisen geht man, wie der Nürnb. Correspon. *
schreibt, niit dem Plan um, hier eine Univer-
sität zu errichten.

Kafsel, 11. Sept. Sieben Landtags-Mit-
glieder habcn den ständigen Landtags-Ausschuß
ersucht, in Berlin baldigst Schritte zu thun,
damit von den versassungsmäßigen Jnstitutionen
Das gerettet werde, was sich mit dcr unab-
wendbaren Einverleibung in Preußen verein-
baren laffe.

Würzburg, 9. Sept. Der „Würzb. Anz."
meldet: „Heute morgen haben sämmtliche preu-
ßische Truppcn unsere Stadt mit klingcndem
Spiel verlassen, um auf zwei Straßen nach
Frankfurt zu ziehen. Zu guter letzt nahmen
noch am gestrigen Abend die in letztcr Zeit
sich immer häufiger wiederholcnden Differenzen
zwischen Preußen und hiesigen Einwohnern
einen recht böSartigen Charakter an und es
kam wiederholt zu höchst bedauerlichen Excessen.

Der Scandal nahm dadurch seinen Anfang,
daß mehrfach versammelte Volksmassen auf
dem Markl und der Domstraße ihre Freude
über den stattfiudcnden Abzug einzelnen Preu-
ßen gegenüber in durchaus unzwcideutiger
Weise zu erkennen gaben, und wurdc dann
mit viel Energie von beiden Seiten groß ge-
zogen. Es ist an mehreren Stellen Blut ge-
flossen. Die erregte Soldateska machte viel-
fach von ihren Waffen Gebrauch und zwar
auch häufig gegcn vollständig Unbetl^eiligte
(so z. B. wurde in einem Laden in der Dom-
straße einem hiesigen Bürger die Hand durch-
hauen) und zeigten sich sogar ihren eigenen
Patrouillen gegenüber widersetzlich. Auch in
der Semmelsstraße und in verschiedenen Wirth-
schaften sind dergleichen Exceffe vorgekommen;
die -stadt war bis spät in die Nacht hinein
beunruhigt."

Dresden, 11. Septbr. Das „Dresdner
Journal" sagt: Die Friedensverhandlungen
zwischen Preußen und Sachsen hab'en in Berlin
zwar begonnen, doch sind authentischc Nach-
richten über den Gang dcrsclben nicht einge-
gangen. Die Zeitungsberichte hierüber beruhen
lediglich auf Vermuthungen und sind mit Vor-
sicht aufzunehmen.

Verlin, 11. Sept. Sitzung des. Abgeord-
netenhauses. Aus der Tagesordnung: Wahl-
gesctz zum Reichsrath. Referent Twesten em-
pfiehlt Annahme der Commifsionsvorschläge.

Der Gesttzentwurf sei nicht als Abschluß, son-
dern als Anfang -der Einigung Deutschlands
zu betrachten. Amendements von Salisch (be-
Lreffend Oeffentlichkeit bei der Stimmenabgabe),
von Kosch (betreffend die Nedefreiheit) und von s
Schulzc (Diäten betreffend) werden ausreichend'
unterstützt. Hiernächst folgt die Generaldebatte,
woran sich Groote und v. Gerlach gegen, von
Carlowitz, Simson und Löwe für die Vorlage
betheiligen und während welcher Graf Bismarck
anwesend war. Nach einem Resume des Re-
serenten Twesten wurde die Spccialdebatte auf
morgen vertagt.

Oesterreichtsche Monarchi?

Wien, 10. Sept. Ein Erlaß deS Finanz»
minist-riums hebt die anläßlich des letzten Krie-
ges ergangenen Ausfuhr- und Durchfuhrverbote,
auch die gegen Jtalieu, auf.

K r a n k r e i ch.

Paris, S. Sepl. Die Epoque agitirt auf's
Nenc für die ,,Rheingrä»ze." Ob es wahr,
daß der Berfasser der belr. Arlikel dcr Epoque
von einem der cinflußreichsten Minister bcglück-
wüuscht worden sei, müsscn wir dahiu gestellt
scin lassen. — Eine Millivn Gewehre Chaffe-
pot soll so rasch als mögllch angeferligt wer-
den. Man hoffl, nach etwa sechs Monatm
die zur Bcwassnung der Jnfanterieregimenter
auf Frledensstärkc erforderliche Anzahl zur Ver-
fngung zu haben. — Jn der jetzt geschloffeuen
Scsston der Departemcntalräthe haben die Mit-
glieder dcrselbcn den Präfccten nnd den Prä-
sidenten mchrfach nlcht verhehlt, daß dle Stim-
mung der Bcvölkernng von einer großen Nn-
znfriedenhcit zruge, und eS würde schr bedenk-
lich um daS Rcsultat der Wahlen von 1889
stehen, wen» bis dahin den BestrebNngen der
Nalio» wcdcr im Jnnern noch im AuSwärti-
 
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