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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 257-282 November
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0456
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die Regicrung rvegen des Schulgesetzes und
einigen andern noch unerledigten Vorlagen,
namentlich des Preß- und Vereinsgesetzes, deS
MinisterverantwortlichkeitsgesetzeS u. s. w. dcn
gegenwärtigen Landtag nicht mehr zu derufen
entschlofsen zu sein scheint.

Diese bei mehreren Anlässen zu Tag gekom-
mene Absicht der Negierung aus der einen und
auf der anderen Seite der dringende Wunsch,
wenigstenS die Schulreform und die Eckhard'sche
Motion über die Civilehe zu einem gewissen
Abschluß zu bringen, hat in der letztcn Sitzung
der zweiten Kammer einen Sturm heraufbe-
schworen, wie er bei den in ncuerer Zeit sonst
so friedlichcn Verhandlungen unsercr zweiten
Kammer kaum noch möglich schien. Anlaß
dazu gab der Antrag Eckhard's, zu Protokoll zu
erklärcn. daß die Kammer die Erledigung des
Schulgesctzes noch auf gegcnwärtigem Landtage
wünl'chen müsie, weil die Rcform des Volks-
schulwesens eine Verschiebung nicht wohl dulde,
und der Friedc mit dem Ultramontanismus
doch nur ein scheinbarer sei; im Gegentheil
werde der Kampf mit defscn Anhängern später
nur noch heftiger auSbrcchen, je nachgicbiger
man jetzt sich zcige, denn die Gegner würdcn
dieö als Schwäche auslegen. Nur durch Ener-
gic und Consequenz könne man auf diesem Ge-
biete zu einem bcfriedigenden Zustand gelan-
gcn, wie dies das Beispicl JtalienS zeige. Von
der andern Seite wurde besonders hervorge-
hoben, daß cs dermalen bei den vielen Anfor-
dcrungen an den Staat, welche der Krieg des
vcrflossenen Sommers nach sich ziehe, an dcn
erforderlichen Mitteln fchle, um die Schulreform
allscitig durchznsühren. Bcschuldigungen von
rückhaltigen Gedankcn, unwahren Gründen
u. s. w. wurden als pcrsönliche Jnvectivcn auf-
genommen und riefcn hcftige Gcgenreden her-
vor. B e ck meinte, es sei nichl billig, der neuen
Verwaltung die Unterlassnngssündcn der srühern
Zeit zur Last zu legcn, und er könne dem An-
trag nur beistimmen, wcnn er cine durch diesen
Umstand empsohlene Bcschränkung erhalte. Dies
geschah auch durch Einschaltung der Worte
„wenn möglich." Dessen ungeachtct fiel der
Antrag, jedoch mit nur geringer Majoritäl,
und würde wohl durchgegangen sein, wenn die
Stimmung eine ruhigere geblieben wäre, und
man nicht dcn Tag vorhcr der Kricgsverwal-
tung gcgenüber in Bewilligung dcr Staats-
mittel aüzu nachsichtig sich gezeigt hätte. Der
Sprccher der Opposition, Eckhard, gestand dies
auch offen ein.

-t- -j- Vom 2ee. Wie wir vernchmen
so tritt die Kreisversammlnng für den Kreis
Konstanz am 19. Novembcr zusammen. Außer
mit dem Plane einer Kreiswaisenanstalt, wo-
von ich Jhnen schon berichtct habe, wird die-
selbe sich namentlich mit der Rcgieruugsvorlage
über ein neues allgemeines Straßengcsetz und
mit einigen Straßen- und Drückenbauten, so-
wie einer größeren Flußcorrcction (der Hegauer
Aach) zu beschäftigen habcn. Das Straßen-
gesetz anlangend, so hat ein Mitglied unseres
Krcisausschusscs, Müller Schellingcr ;u Ahau-
sen im Salemer Thal, einen selbstständigen Ent-
wurf hierüber ausgearbeitet, und zwar im Auf-

trocknen.) Die blitzenden Bajonette aber waren

sie doch froh übcr die Nachricht, und sie ertrug eS
ckieber, daß sir sich blamirt hatte, als daß fic Ein-
quarticrung bckam. Die Frau Directorin klctdcte
fich um und die Stadt fand ihre alte Ruhe wieder.

(Hängt'S nur an die groß' Glock'!) Der
Candidat N.. aus Darmstadt meldete fich bet dem
Pfarrer einer Nachbargemeinde für einen der letztrn
Sonntage zum Predigcn an. Der Herr Pfarrer,
übcr die Unterstützung in der Seelsorge sehr er- !
freut, wollte seinem Stellvertreter zum Lohn für !
seine Mühe eine große Zuhörerschaft verschaffen und !
sagte dem Ortsdiener von dem Vorhaben deS Can- ^

pflichteifrtger Mann^ dachte, eine so wtchtige Sache !
verdiente wohl einen Ertra-Gang, geht hetm, holt '

trage der neulichen Versammlung von Mitglie-
dern der KreiSauSschüsse zu Offcnburg. Der-
selbe macht statt zwei, wie die Regierungsvor-
lagen,drei Untcrscheidungen: zwischen Gemeinde-,
Bezirks- und Staatsstraßcn. Ueber die vor-
aussichtliche Thätigkcit unserer Kreisversamm-
lung dürfen wir unS den besten Erwartungen
hingeben. Die Zusammcnsetzung derselbcn kann
eine musterhafle, die Znteressen des Kreisver-
bandes vollstäüdig wiedergebende genannt wer-
den, zumal die kirchlichen Streitigkeiten hoffent-
lich nicht in dem Maßc wie voriges Jahr wie-
derkehren. Auch unler den adeligen Herren
Großgrundbesitzern fchlt es nicht an Kenntniß
der Verhältnisse und Einsicht in die wirthschafl-
lichen Jnteressen. Geistliche habcn wir nur
wenige, dafür abcr eine etwaS bedenklich große
Zahl von AmtSvorständen.

Wiesdaden, 30 Oct. Der Herzog Adolf
wird weder nach Frankfurt ziehen, noch in die
Villa am Thuner See in der Schweiz, wie
man ihm irriger Weise nachsagt, sondern nach
Paris. Er hat dort bereits eine geräumige
Wohnung gemiethet.

Stuttgart, 28. Oct. Das „Württemb.
Schulwochenbl " bringt folgenden Artikel: „Wie
wir hören, ist die gesctzliche Einführung gym-
nastisch-militärischcr Uebungcn für daS männ-
liche Gcschlecht vom 10..bis 20. Lebensjahre
in allen Gemeinden im Werke. Eine Com-
mission soll bereitS zu Bcrathung und Anbah-
nung der Sachc aufgestellt sein. Die Regie-
rung soll beabsichtigcn, bei Einführung der all-
gemeinen Kriegspflichtigkeit so viel möglich cine
Erhöhung des Militäretats zu verhülen, und
dieß wäre nur dann möglich, wcnn die kricgs-
dienstpflichtige Mannschaft schon zum voraus
in allen gymnastisch-militärischen Uebungen,
welche ohne Waffen auszuführen sind (Ord-
nungS- und Freiübungen), so einexercirt wäre,
daß die Zeit der Präsenz bei dcn eigentlichen
Waffenübungen um ein Wescntliches vermin-
dert werden könntc."

München, 28. Oct. Trotz aller Demen-
tis steht eS fest, daß der König noch immer
entschlossen ist, durch Herrn v. Neumayr das
^ Ministerium zu rcorganisiren und in dasselbe
> Männer zu berufen, welchcr einer freieren An-
schauung der fchwebenden Verhältnisse huldigen.

Berlin, 31. Oct. Der „Staalsanz." pu-
blicirt das Gesetz, betreffcnd 1) die Pensions-
erhöhung für die im Kriege invalioe gewordc-
nen, sowie für die überhaupt durch den activen
Militärdienst verstümmelten oder erblindeten
Officiere der Linie und Landwehr und die obe-
ren Militärbeamten, 2) die Unterstützung der
Wittwen und Kinder der im Kriege gebliebenen
Militärpersonen doSsclben Ranges, vom 16.
Oclober 1866.

Berlirr, 2. Nov. Der Prinz von Wales
wird auf seiner Reise nach Petersburg Berlin
nicht berühren. Der Prinz Hermann von Wei-
mar als württembergischer Divisionsgeneral trifft
auf seiner Durchreise nach PeterSburg heule
Abend hier ein, steigt im Schlosse ab und be-
theiligt sich morgcn an der Hubertusjagd.

Luxemburg, 29. Oct. Bei der Eröffnung
der Sitzung der Kammern des Großherzogthums

Sonntag we-d net be Herr Parre, sonnern de Herr
Canbidat N. aus Darmstadt predige. De Herr
Candidat leßt fich dcr Gcman bestens empfehle,

* Literarifches.

A. Venedey an Prof. H. v. Treitschke —
so ist der Titel einer in Mannheim kürzlich erschie-

schiedene Aeußerungen deS Letztern, welche in seinen
neuesten Flugschriften niedergelegt, zu bekämpfen.
Venebey und Treitschke stehen auf einem so ent-
gegengesetzten politischen Standpunkte, daß natür-
lich an ein Zusammengehen nicht gedacht werden
kann. Wir finden auf beiden Seiten Ehrenmän-
ner, die aus Ueberzeugung Ansichten vertreten,
welche fich diametral gegenüber stehen, und es wäre
daher zu wünschen, wenn gegcnsettige Angriffe mehr !
objectiv erfolg.ten. So wenig wir die Sprache des i
Herrn v. Treitschke, wie wir sie namentlich in den j
von ihm herausgcgebenen,Preußischen Aahrbüchern" '

^ durch den Prinzen Heinrich dcr Niederlande
> sagte dieser in Bezug auf die Verhältnisse Lu-
xemburgs zu Deutschland und Preußen: „Seit
Jhrer letzten Sitzung sind ernste Ereignisse vor-
gefallen. Das Großherzogthum hat mit gött-
lichcr Hülfe die Krisis überstanden, ohne von
den Calamitäten des Kricgcs bctroffen zu werr
den, in welche die Mehrzahl dcr~ Staaten von
Deutschland hineingezogen wurden. De.r Friede
ist wieder hergestellt, aber die Bande, wclche
die Verträge von 1815 unter den verschicdenen
verbündeten Staaten geschaffen hatten, sind zer-
riffen. Durch sein in der Sitzung des Bun-
dcstagcs abgegebenes Votum den erstcn Ursachen
des Conflicts fremd geblieben und seine Neu-
tralität bereits vor dem Kriege erklärt habcnd
und als neutral anerkannt, wünscht das Groß-
herzogthum, gestützt auf sein Recht, gegenüber
den Umgestaltungeu des alten Bundes seine
Unabhängigkeit zu bewahren. Jch widme meine
Bemühungen der Erfüllung dieses rechtmäßi-
gen Wunsches. Die Stellung der Stadt Lu-
xemburg als vormalige, durch preußische Trup-
pen besetzte Bundesfestung hat Anlaß gegeben
zu einem ernsten Austausche von Noteu, welche
durchaus freundlicher Art gewesen sind. (K. Z.)
Oestcrr e r ch ische Monarchre.

Prai^, 1. Nov. Ein hier cingegangenes
Telegramm des Staatsministers an den Bür-
germeistcr zeigt an, daß der Kaifer die Demo-
lirung der Sladtmauer genehmigt hat.

Trieft, 2. Novbr. Die Levantepost bringt
folgende 9tachrichren aus Athen vom 29. Oct.:

^ Griechifche Bankiers in Konstantinopel haben
i der Pforte eine Million Pfd. St. geliehen. —
i Aus Lamia wird gemeldet: Die thessalische
. Christengemeinde zu Smocova hal bei einer
Empörung den türkischen Consul beleidigt; die
türkische Gesandtschaft hat deßhalb die Absetzung
des Präfecten von Lamia verlangt, welcher For-
verung die griechische Regierung nachgab. Der
König widerfetzt fich der beabstchtlgten Auflö-
fung der Kammer. Die Herren Russel, Glad-
stone und Milner Gibson werden in Athen
s evwartel.

F r «x n k r e r ch.

Pnris, 30. Octbr. „Opinion nationale"

! verwahrt sich gegen dcn ihr von mehrercn
Blättern gemachten Vorwurf, Oesterreich und
Preußen gegenüber in letzterer Zcit ihr System
geändert zu haben. Sie weist nach, warum
sie einen Sieg Oesterreichö in Deutschland für
verdcrblich ansehen michte, während ein Sieg
der protestantischen Macht Preußen, welche dcm
Princip dcr freien Forschung ergeben ist, wenn
dieser Sieg innerhalb gewisser Grenzen blieb,'
dem Liberalismus und der Demokratie nur zu
Gute kommen konnte. „Wir waren überzeugt,
sagt sie, und wir sind es noch jetzt, daß ein
compqktes und starkes Preußen ein Wall gegen
Rußland sein würde; wir waren endlich über-
z'eugt, daß Frankreich die Verträge, wclche 1815
gegen uns abzuschließen waren, nicht zu seinem
Nachtheil werde zerstören lassen. Wir hatten
dafür als Gewährleistung das Nationalgefühl,
die Kundgebungen der öffentlichen Meinung,
die Rede von Auxerre und das Schreiben an

finden: „An dem Tage, wo der erstc Franzose
zu „Compensationen" oder zur Einmischung in dte
deutschen Wirren deutschen Boden betritt, würde
der Mann des VolkeS freiwillig selbst dem Aunker,
der ihm in Deutschland sein Recht streitig macht, die
Hand bieten zum gemeinschaftlichen Kampfe
gegen daS Ausland!" — Das Schriftchen ist
übrigens reich an pikanten Bemerkungey!
 
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