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Heidelberger Volksblatt (2) — 1869

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Nr. 2 - Nr. 9 (6. Januar - 30. Januar)
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ein treffenderes.“

. „ — * —

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nen ſelber diejenigen ihrer Landsleute, die hier Be-

amtenſtellen annehmen. Alles, womit ſie mich ge-
brechlichen Alten peinigen mögen, iſt mir nichts im
Vergleich zu der Demüthigung, eine Gefälligkeit zu
heiſchen oder auch nur anzunehmen von den Mördern
meines Weibes, den Räubern meines Eigenthums, von
chnen, diermein einzigs Kind in's Exil ſckickten, mich
ſterben laſſen, ohne es noch einmal zu ſehen! Und
dennoch, ich würde eher ſterben, ohne die Hand ſegnend
auf meines Sohnes Haupt zu legen, als daß ich ſie um

die Gewogenhett erſuchte, ihn an mein Todtenbett kom-

men zu laſſen. Da babt Ihr meine Principien! Ih-
rer brutalen Uebermacht muß ich mich freilich beugen,
doch geſchicht es nur äußerlich, gleichſam körpertich.
toraliſch beuge ich mich nicht, trotze ihnen bis zum
letzten Athemzuge. Und der Tag der Vergeltung wird
dech einmal kemmen, eine Art Dänenpriis, unendlich
ſchöner als der Möwenpriis.“ Damit böckte er ſich,
um wieder im hohen Ried nach Möwen zu ſuchen.
Sckweigend blickten ihm die drei Männer einige
Augenblicke nach. „Was ſchleicht denn der Kerl. um

uns herum?“ machte endlich Thbomſen ſeiner Erſchüt-

terung in einem Zornesausbruch Luft. „Grade wie
der Gensdarm Skilback, wenn er, in der erſten Zeit
nach dem Münzreſeript, die Bauerweiber belauſchte,
rb ſie nicht etwa ihren Merkterlös in dem verpönten
Conrant mittheilten. Weiß das Volk nicht, daß man
Ls eben ſo wenig in ſeiner Nähe dulden mag, wie
man ſich einen Iltis als Schoßhündchen hält? Pardon,
das Gleich niß iſt eben nicht äſthetiſch, dech findet mir

Die Andern lachten. ö
„Denkt Euch nur,“ ſuhr er ihren zuwinkend fort,

„kommt da ein Kerl, der in Kopenhagen non contem-

nendus erhielt und vorläufig irgendwo umher ſchul-
meiſtert, und bewirbt ſich um meine Paſtorſtelle! Habt
Ihr jemais eine öhnliche Frechheit geſehen? Natür-
lich dankte ich beſtens und würde lieber im Nothfall,
wenn man doch einmal neben den blauen Gensdarmen

auch noch einen ſchwarzen haben wuß, einen Swine-

martens den Zweiten in dieſe Stelle einſetzen. als ge-
rade dieſe Perſon. — Das wirkt, der Schleicher iſt

port!“ lächelte er.

dachte.

Uleſen, denn ihm galten dieſe Artigkeiten, hatte ſich
in in der That zurückgezogen, doch nicht weit. Daran,
daß kein ehrliebender und unabhängiger Bewehner der

Stadt und der Herzogthümer mit ihm oder ſeinen

Landsleuten den geringſten Verkehr haben mochte, war

er gewöhnt, obgleich er ſtets mit Zähneknirſchen daran
Dem Swineémartens nachgeſetzt zu werden,
verwundete aber ſein Selbſtgefühl noch ganz beſonders.
Swinemartens, ein viel berufener Geiſtlicher, von dem

die tellſten Geſchichten in Umlauf, dankte ſeinen Bei-
namen dem Eifer, mit welchem er fette Schweine zog,
indem er auf Spaziergängen die Aehren von den
Reckern ſeiner geiſtlichen Schafe ausraufte und in den
geräumigen Taſchen ſeines ſchwarzen Rockes heimtrug.
Eine Vertiefung in der Nachbarſchaft gab dem Magi-
ter Gelegenheit, das fernere Geſpräch der Schleswiger

* —


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— — „* 2 2 — 7
—— —— — —

*

zu hören, ohne als Lauſcher bemerkt und angefeindet
zu werden.
„Nach Allem, was ich von dem Gemüthszuſtande
Milberg's vernommen, hatte ich ſchon gefürchtet, es
würde nöthig ſein, ihn da unterzubringen,“ flüſterte
einer der Gutsbeſitzer und deutete auf die palaſtarti-
gen Gebäude der Irrenanſtalt. „Freilich würde er
nicht einmal dort von den Verhaßten befreit ſein, da
10 auch dieſe ſchleswig-holſteiniſche Anſtalt daniſirt
iſt.“ — ö

„Leider! Wäre es nicht empörend, es müßte ko-
miſch erſcheinen. Irre von Aerzten heilen oder doch
behandeln zu laſſen, die ihre Sprache nicht verſtehen.
Glücklicherweiſe haben die Leute in Betreff Milberg's
übertrieben oder zu ſchwarz geſehen. Er braucht jene
unglückſelige Unterkunft nicht.“
„Siehe da, Alf!“ rief Thomſen dem herbeikom-
menden Sohne zu. „Ich habe Dir etwas zu ſagen.“
Seine beiden Freunde ſchlenderten weiter.
„Du ſprachſt vorhin mit Doctor Ellſtädt, Alf.“
„Mit ihm bloes, Vater, weil es ſich nicht vermei-
den ließ. Begrüßte nur ſeine Frau.“ ö
Der Vater runzelte die Stirn. „Gleichviel, ſiehſt.
but daß irgend ein andrer anſtändiger Menſch das
thut?“ ö
„Aber es iſt ein ungerechtes, ein grauſames Vor-
urtheil, Vater.“ Das ſchöne Geſicht des Jünglings
glühte, ſeine Augen flammten auf. „Was kann Hse-
lene, was ihre Schweſter dafür —“ ö
„Ihre Schweſter!“ unterbrach ihn Thomſen, „Das
iſt der Caſus, den ich ganz beſonders im Auge habe,
wenn ich Dich darauf aufmerkſam mache, mit dieſen
Leuten alle Beziehung abzubrechen.“
In ſeiner Begierde, kein Wort dieſes intereſſanten
Geſprächs zu verlieren, hatte Uleſen ſich etwas aufge-
richtet. Sein Kopf überragte das Ried am Rand der
Grube, ohne daß die Andern ihn bemerkten.
„Wir kennen Weſterſpangs von jeher. Hilda war
meine liebſte Spielgefährtin. Iſt es ihre Schuld, oder
darf man es ihr als Schuld anrechnen —“
„Keine Sentimentalitäten Junge! Würdeſt Du
eine Eintadung zu General Krogh annehmen?“
„Welche Idee, Vater!“
„Nun, Schleswig verdankt es allein ihm, däß es
nach der Idſtädter Schlacht nicht an allen Ecken ange-
zündet oder wenigſtens geplündert ward. Der liebens-
nürdige Kepenhagener Mob verlangte das, auch in
der Preſſe war man einſtimmig der Meinung, „das
Hauptneſt der „tüdske Uprörer“ habe ein ſolches Schick-
ſal verdient. Zudem iſt der alte Krogh, nicht allein
ein ſehr liebenswürdiger, ſondern auch perſönlich ein
ſehr ehrenwerther Mann. Alle Welt würde es ſich zur
höchſten Ehre ſchätzen, von ihm geladen zu werden,
wenn er nicht — Däne wäre. Sv meidet man jeden
Umgang mit ihm, wie mit den anderen Offizieren,‚
unter denen mancher Ehrenmann ſein mag, die ſelber
mit Verachtung auf den Schund herabſehen, der hier
Beamte vorſtellt. Wir können und wollen einmal mit
Dänen keine freundſchaftliche Beziehung haben, ſo lange
 
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