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Heidelberger Volksblatt (4) — 1871

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Nr. 79 - Nr. 86 (4. Oktober - 28. Oktober)
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328

einer der »eelſten und beſten Menſchen, den ich kenne.
Schen lange iſt es mein ſehnlichſter Wunſch, ihn durch
eine Heirath glücklich zu machen. Du Eliſe paßt ganz
für ihn, aber bei Dir muß man immer fürchten, Du ziehſt
Dich, wenn es ernſt wird, wieder zurück. Davor möchte
ich Bandelow aber bewahren, dazu iſt er in der That mir
zu viel werth.“ Ich antwortete auf ihre dringende Frage
wenig, ſagte indeſſen kluger Weiſe weder ja noch nein.
Louiſe zog ſich befriedigt zurück. Als ich nun einige Tage
ſpäter den Brief des Prinzen erhielt und ich nach langem
ſchmerzlichem Kampfe zu dem Entſchluſſe kam, mir wo-
möglich noch vor ſeiner öffentlichen Verlobung einen Gat-
ten zu wählen, fiel mir ſofort das mit der guten Louiſe
gepflogene Geſpräch ein. Sie iſt die rechte Perſon, um
mir unbewußt bei meinen Plänen zu helfen, und keine
günſtigere Parthie als die mit dem Baron von Bandelow
kann mir in der nächſten Zeit geboten werden. Ich fuhr
alſo, nachdem ich mir Alles überdacht und ausgeſonnen, zu
Frau von Uechtritz hinüber, um ihr einen Beſuch zu ma-
chen, ich fand ſie glücklicher Weiſe allein uud ſo kam denn
die Unterhaltung bald auf das gewünſchte Gebiet. Louiſe
brennt ſo darauf und findet ſich wahrſcheinlich ſehr inte-
reſſant in dem Gedanken, Bandelow glücklich zu machen,
ſo daß es mir gelang, ſie mit geringer Mühe für dieſen
Zweck in Feuer und Flammen zu ſetzen. Ich erklärte,
Bandelow ſei der einzige Mann, dem ich keinen Korb ge-
ben würde, ich gab ihr zu verſtehen, daß er mein Herz ge-
wonnen habe. Das genügte vollkommen, daß Uebrige
konnte ich vertrauensvoll ihren Händen überlaſſen und wie
ich erwartete, iſt es gekommen. Heute war Bandelow hier,
ich hätte den Zweck ſeines Beſuches errathen können, ſelbſt
wenn ich ihn auch nicht nach dem Vorhergegangenen er-
wartet hätte. Aus ſeinen Augen, aus ſeinen bewegten
Mienen leuchtete mir Wunſch und Verlangen entgegen.
Faſt thut mir mein Spiel leid, was werde ich ſeinem war-
men Herzen ſein können! Er hofft und glaubt an meine
Liebe, von der ihm Louiſe jedenfalls geſprochen. Zum
Ausſprechen eines bindenden Wortes kam es indeſſen heute
noch nicht; doch wird es allem Anſcheine nach nicht mehr
lange auf ſich warten laſſen. Beim Abſchied lud er meine
Eltern und mich ein, ihm übermorgen auf ſeinem Landſitz
einen Beſuch zu machen; er motivirte dieſe Einladung
durch den Wunſch, den Damen ſeine Beſitzung zeigen zu
dürfen. Mein Vater iſt ſchon öfter bei dem Baron ge-
weſen, er kennt die ſchönen und reichen Güter ſehr genau.
Seine Einladung wurde ſehr freundlich angeommen; die
Eltern waren froher geſtimmt als ſeit langer Zeit, doch
äußerten ſie aus zarter Rückſicht nichts über die Hoffnun-
geu, die ich in ihren Augen las. Dem armen Vater, der

um meinetwillen ſo viel gelitten hat, wäre wohl die Freude

zu gönnen, ſeine Tochter, wie er ſagt, vernünftig gewor-
den zu ſehen. Das Gefühl, meinen Cltern eine Freude
bereiten zu können, hat es mir auch allein möglich ge-
macht, das Ganze zu ertragen. Ich habe Dir dies ſo ru-
hig und gelaſſen niedergeſchrieben und doch klopft mir das
Herz und die Pulſe ſchlagen heftig und bewegt. Wann,
Eleonore, wird das Alles vorüber ſein, wann wird für
mich die Ruhe kommen? Der Abend iſt heute ſo köſtlich,

der Mond ſcheint zu mir herein und wirft neckiſche Reflexe
auf das Papier, das Dir mein ganzes Elend erzählen
wird, dke ganze Natur iſt ſo friedvoll und ſtill, warum
ſtürmt es in meinem Herzen! Warum bleibt mir der
Friede fern? Kannſt Du begreifen, was ich gelitten habe!
Ich, die von einer Fürſtenkrone träumte, ich, der die ſtol-
zeſten Kavaliere unſeres Hofes zu Füßen lagen, mußte heute
alle kleinen Künſte der Koketterie aufbieten, um mir das
Herz eines einfachen Landedelmannes zu erobern! —

(Fortſetzung folgt.)

Eine Raketengeſchichte.
Von Wilhelm Angerſtein.
(Schluß.)

Es war in einer prachtvollen Sommurnacht von einem
Sonntag zum Montag; kaum daß ein Luftzug über die
Erde hinſtrich und die Schwüle der Wachtſtube durch die
offenen Fenſter hinwegfächelte. Kein Ton, kein Laut er-
ſcholl in weiter Runde, es herrſchte eine Stille, daß die
Schildwache ihre eigenen Pulsſchläge hätte hören können,
wenn ſie eben darauf geachtet hätte. Der Kommandant
der Wach-Abtheilung hatte bis nach Mitternacht geleſen
und ſich dann auf ſeine Pritſche hingeſtreckt, um gleich den
ihm untergebenen Mannſchaften zu ruhen. Plötzlich ſtieß
der draußen ſtehende Poſten heftig mit dem Gewehrkolben
gegen die Thür und rief mit gellender Stimme: „Feuer!
Die Magazine brennen!“
Raſch ſprangen Alle von ihrem Lager auf und eilten
hinaus in's Freie. Kaum 50 Schritte vom Wachhauſe
entfernt ſtand das Pulvermagazin, aus deſſen Eingangs-
thür ein milchweißer dichter Qualm hervordrang. Bei
dieſem Anblicke ſuchte jeder Soldat eiligſt das Weite. Die
Flucht war hier nur allzu natürlich, denn wenn das bren-
nende Magazin explodirte, ſo mußte es in weitem Um-—
kreiſe alles Leben vernichten. Und jeden Augenblick konnte
die Exploſion erfolgen. Alſo die Wachmannſchaften lie-
fen, was ſie laufen konnten.
„Halt, halt! Die Schildwache ablöſen! Gefreiter
ziehen Sie augenblicklich die Schildwache ein!“ tönte da-
zwiſchen die Stimme des Wachkommandanten, der allein
etwas Ruhe behalten hatte. ö
„Welche Schildwache?“ fragte der Gefreite zurück,
ohne im Laufe inne zu halten. ö
„Nun die vor dem brennenden Magazin!“
Aber der Gefreite hörte nicht mehr, er dachte nur an
die eigene Rettung. Da wendet ſich der Kommandant zu
dem vor dem Magazin ſchildernden Manne, der ſchon auf
Augenblicke ganz von dem Qualm verhüllt wurde, und
ruft ihm mit lauter Stimme zu: ö
„Hetteſch! Verlaß Deinen Poſten, ich befehle es Dir!“
„Das werde ich nicht thun, ich werde den Poſten nicht
verlaſſen, außer es holt mich, wie es Vorſchrift iſt, der
Gefreite!“ entgegnete Heteſch entſchieden dem Kommandan-
ten und er blieb auch richtig auf ſeinem Poſten.
Hetteſch war ein ſeltſamer Menſch; er hatte wie er
 
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