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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 44 - Nr. 52 (1. Juni - 29. Juni)
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Neger war ohne Kopf. Man bemerkte ſodann nicht ohne
Schaudern, wie ſich die Haie um den abgeriſſenen Kopf
ſtritten!

(Ein komiſcher Vorfall) hat ſich bei der Durch-
reiſe der Birmaniſchen Geſandten durch Rom ereignet.
Als ſie dem König Victor Emanuel vorgeſtellt wurden,
überreichte derſelbe dem Chef der Geſandtſchaft das Groß-
kreuz des Ordens der italieniſchen Krone. Der Birmane

war in großer Verlegenheit. Er zog das Band eine Zeit

lang hin und her, da er nicht wußte, wie er es anlegen
ſollte; endlich faßte er einen heroiſchen Entſchluß, machte
ſich einen Gürtel daraus und knüpfte es feſt um ſeine
Taille. Dann kroch er, um ſeiner Dankbarkeit Ausdruck
zu geben, dreimal auf allen Vieren um den König herum.

(Das Teſtament.) Ein Mann zu Paris beſaß
in Staatspapieren ein Vermögen von 15,000 Franken
Einkünfte. In dem Augenblicke, wo er mit dem Tode
rang, verſah ſich ſeine Gattin alle Augenblicke ihrer Nie-
derkunft. Er ſtarb, und hatte in ſeinem Teſtamente, das
er erſt einige Tage vor ſeinem Tode gemacht hatte, auf
folgende Weiſe über ſein Vermögen verfügt: „In dem
Falle, daß meine Gattin mit einem Knaben niederkommt,
ſoll mein Sohn zwei Dritttheile des Vermögens bekom-
men, und das andere Drittel der Mutter verbleiben;
kommt ſie dagegen mit einem Mädchen nieder, ſo ſoll
meine Tochter nur ein Dritttheil bekommen und die bei-
den andern ſollen meiner Frau zufallen.“ Die Frau
brachte nun aber Zwillinge zur Welt, einen Knaben und
ein Mädchen! Die Sache kam vor Gericht. Auf der
einen Seite behauptete man, daß wenn man den Willen
des Vaters vollſtrecken wollte, welcher zwei Drittel ſeinem
Sohne und ein Drittel ſeiner Tochter vermachte, die Mut-
ter leer ausgehen müßte und ihr bloß der Nießbrauch des
Vermögens zukäme.
ein, es wäre ſtets und in allen Fällen der Wille des Va-
ters geweſen, daß ein Drittel der Mutter verbleiben ſollte;
man müßte es ihr daher verabreichen und die beiden an-
dern Drittheile nach dem ausdrücklichen Wunſche des Te-

ſtators unter die beiden Kinder theilen, nämlich ſo, daß

nach Theilung dieſes neuen Theiles in drei gleiche Theile
der Sohn deren zwet und das Mädchen einen erhalten
ſollte. Die Verlaſſenſchaft ward daher nach dem Aus-—
ſpruche des Gerichts in neun Neunteltheile getheilt, von
denen drei die Mutter, vier der Knabe und zwei das
Mädchen bekam. ö

(Eine Dame) in Baltimore, die von Gaſſenbuben
viel geplagt wurde, welche die Thürklingel zogen und ſich
dann aus dem Staube machten, ließ eine Vorrichtung an-
bringen, durch welche ſich dem Klingelnden beim Ziehen
der Klingel ein Eimer Waſſer über den Kopf ergoß. Der
erſte, der die Klingel zog, nachdem die Vorrichtung ange-
bracht, war der Paſtor ihrer Gemeinde. Er empfing die
Taufe, zog ſich dann aber ſchleunigſt zurück, ohne von
Neuem Einlaß zu begehren. ö

(Das Berliner) „Tagblatt“ erzählt: Als der
Kronprinz des deutſchen Reiches in Civilkleidern vor eini-

Von der andern Seite wandte man.

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gen Tagen in der Wilhelmsſtraße luſtwandelte, näherte ſich

ihm ein Kaufmann mit der Frage: „Keine alten Sachen?“
Dem Kronprinzen mußte der Sinn derſelben wohl unver-—
ſtändlich geblieben ſein, denn er erwiederte: „Was wün-
ſchen Sie?“ — „Haben Sie keine alten Sachen zu ver-
kaufen?“ wiederholte der Händler. „Lieber Freund“, ver-
ſetzte der Kronprinz, „ich habe eine große Familie, was
ich ablege, das wird für meine Kinder verwendet.“

(Einiges von Ludwig dem Vierzehnten.) Wer
bisher vielleicht nur mit gewiſſem Grimme den Namen
Ludwig des Vierzehnten au sgeſprochen hat, mag einmal
hören, welche Worte er ſterbend zu ſeinem Thronfolger
ſprach und ſich durch dieſelben einigermaßen mit dem ſtol-
zen Selbſtherrſcher ausſöhnen: „Du wirſt bald König ei-
nes großen Reiches werden. Das, was ich Dir vor Al—-
lem anempfehle, iſt, daß Du niemals Deine Pflichten ge-
gen Gott vergißt. Denke daran, daß Du ihm Dein gan-
zes Sein ſchuldeſt. Suche den Frieden mit Deinen Nach-
barn aufrecht zu erhalten. Ich habe den Krieg zu ſehr
geliebt. Nimm mich in dieſem Punkte nicht zum Vor-
bilde, ebenſowenig wie in dem großen Aufwand, den ich
gemacht. Nimm in jeder Sache Rath an und ſuche immer
den Beſten kennen zu lernen, damit Du ihm ſtets folgen
kannſt. (Voltaire ESsay sor I'zhistoire générale ac).“
Erkennt man wohl noch in dieſen Worten des Greiſes den
Herrſcher wieder, der ſeinen Feldherrn Melac die Pfalz
mit unmenſchliſcher Grauſamkeit verwüſten ließ, und der
mit der Reitgerte vor das ſtörrige Parlament trat und
ihm zurief: „L'Etat c'est moi.“ („Der Staat bin ich.“)
Als er noch ein Knabe war, und ihm einſt die Köni-
gin Mutter ſagte: „Mein Sohn, werde Deinem Großva-
ter, nicht Deinem Vater ähnlich“, fragte er nach dem
Grunde dieſes Rathes. Da antwortete ſie: „Beim Tode
Heinrich des Vierten weinte, bei dem Ludwig des Drei-
zehnten lachte das Volk.“
Als er in Frankreich den Calvinismus abzuſchaffen be-
ſchloß, ſoll er geſagt haben: „Mein Großvater liebte
die Hugenotten und fürchtete ſie nicht, mein Vater liebte
ſie nicht und fürchtete ſie; ich liebe ſie weder, noch
fürchte ich ſie.

(Stock-Engliſch.) Anfangs dieſes Jahrhundert-
ereignete ſich ein äußerſt charakteriſtiſcher Vorfall zu Lon-
don. Eine Prozeſſion war auf dem Wege nach dem Kirchs
ſpiel St. George und traf unterwegs auf eine jener alten
ſchwerfälligen Karoſſen des Adels, welche grade quer auf
dem Damm Poſto gefaßt hatte und ihren Beſitzer erwar-
tete. Der Kirchendiener bat den Kutſcher, etwas Platz zu
machen, letzterer aber verweigerte dies, weil ihm ſein Herr
befohlen habe, hier zu halten. Der Kirchendiener öffnete
mit größter Seelenruhe den Kutſchenſchlag, trat in den Wa-
gen, ging auf der andorn Seite wieder heraus und — die
ganze Prozeſſion that desgleichen! Als der Herr des Wa-
gens kam, fragte er den Kutſcher: „Nichts Neues? — „Nein,
Mylord, 's iſt nur eine Prozeſſion durch die Kutſche paſſirt!“
— „Nichts entzwei geſchlagen?“ fragte Mylord mit ſtoiſcher
Ruhe. „Nur dem Kaplan den Talar abgetreten!“ — „Am
Wagen meine ich!“ fragte Mylord ärgerlich. „Nein, My-

lord.“ „All right! Vorwärts!“ Er ſtieg ein und ſauſte davon.
 
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