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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44620#0003
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lort, „weiß ich nicht zu erklären. — Jedenfalls war
dieſelbe eine verſöhnende und gütige. — Sind Sie be-
reit, geehrte Frau, den Kindern Ihres Herrn Vaters

gegenüber zu kreten?ꝰ 2
Frau Agnes war bei der Rede des Juſtizraths ſehr
aufgeregt geworden, ſie ſprang, als er geendet, mit
deklommener Miene von ihrem Stuhle auf. ö
„„Die Kinder meines Vaters ſind hier?“ ſtammelte
ſie, vergeblich bemüht, ruhig zu erſcheinen. —
„Dort in jenem Zimmer“, entgegnete der Juſtiz-
rath und deutete auf eine geſchloſſene Thür: „Ich weiß
wohl“, ſagte er, „daß dieſes Zuſammentreffen für beide
Theile peinlich ſein muß — aber die Teſtamentsvor-
ſchrift gebietet mir, darauf zu beſtehen.“
Frau Agnes neigte ſtumm das Haupt. Ihr Blick
richtete ſich mit peinvoller Erwartung auf die Thür
des Nebenzimmers, die der Juſtizrath eben mit tiefer
erbeugung gegen die Eintretenden öffnete.
An der Seite eines hochgewachſenen, bleich ausſe-
henden Offiziers trat eine Dame ein. Angſtvoll blickte
Fraſt Agnes den Ankommenden entgegen; ihre Nerven,
durch das geſtern Erlebte ſchon heftig erregt, erbebten
in fieberhafter Spannung — vor ihrem Auge breitete
es ſich aus, wie ein Schleier, ſie vermochte nichts mehr
zu ſehen — —
Die Daue ſchritt lächelnd mit der Grazie, die der
vornehmen Geſellſchaft eigen iſt, auf ſie zu — aber
plötzlich blieb ſie erbleichend ſtehen — auch Frau Ag-
nes zuckte zuſammen — einen Augenblick ſtarrten ſich
die beiden Frauen wie von Entſetzen gelähmt an.
„Frau Gräfin Landsfeld“, ſtellte jetzt der Juſtizrath
vor, „Herr Rittmeiſter von Plato!“ —
Frau Agnes hörte nichts mehr — es wirbelte in
ihrem Gehirn, ſie ſchwankte, ohnmächtig ſank ſie in die
Arme des hilfreich beiſpringenden Juſtizraths.
„Jedenfalls hat die Aufregung der armen Frau
den unangenehmen Zufall zugezogen!“ rief der Juſtiz-
rath gutmütvig, und netzte die Stirn der Ohnmächtigen
mit kühlendem Waſſer, das glücklicher Weiſe neben ihm
auf dem Tiſche ſtand.
„ Es wird gleich vorüber ſein!“ wandte er ſich an
die neben ihm Stehenden. ö
Herrn von Plato's Auge ruhte finſter auf der
Schweſter. ö
„Was bedentet das, Conſtanze?“ fragte er. „Kennſt
Du dieſe Frau?“
‚ (Fortſetzung folgt.

Deutſche Sprüche.

„Welch' ſchönes Land“, ſagte der Blinde, als er
durch die Lüneburger Haide fuhr.
„Das wollen wir kriegen“, ſagte der Advokat, da
meinte er dem Klienten ſein Geld.

ter in's Auge traf.

„Wenn ich Mehl hätte“, ſagte die Mutter, „düke ich
Kuchen, es fehlt blos noch Butter, Waſſer habe
ich ſchon.“ 2—
„Das war ein entſchiedener Mißgriff“, ſprach der
Bettler, als ihn der Hund in ſeine Krücke biß.
„Das war doch nicht ganz vorbei“, ſprach Häns-
chen, als er nach dem Hunde warf und die Grosmut-

„Habe ich nicht recht gethan, daß ich gegangen bin“,
halte der Schneider, als man ihn hinausgeworfen
atte.
„Recht thun iſt Gott lieb“, fprach der Getreidedieb,
„hätt' ich blos einen Sack genommen, dann wär' ich
geſaß davongekommen“ — da hatte ihn der Bauer ab-⸗
gefaßt.
„Dem Reinen iſt Alles rein“, ſagte der Betrunkene
und fiel in den Rinnſtein.
„Himmelan geht unſre Bahn“, ſagte der Dachdecker
als er vom Thurme fiel.
„Was hilft das Reden“, ſagte der Bauer, „das
Haus iſt doch abgebrannt.“
„Wenn die Mäuſe dein Korn nicht freſſen ſollen“,
rieth der Schwabe, „ſo ſchenke es ihnen, dann freſſen
ſie ihr Korn.“ ö
„Ich habe zwar nichts bekommen“, ſagte der Bett-
ler, „aber meinen Bruder haben ſie verhauen.“
„So was habe ich noch gar nicht geſehen,“ ſprach
Jochen, da legte ihm der Henker die Schlinge um den
als.
„Jetzt hört jeder Reſpekt auf“, ſagte der Fiſcher,
als ihm der Hecht in's Geſicht ſprang.
„Ich bin eine Reſpektsperſon“, ſagte der Friſeur
zum Barbier, „vor mir nimmt man den Hut ab und
vor Dir doch nicht.“
„Das iſt ja ein ſonderbarer Fall,“ ſagte der Pa-
ſtor, als er das Kind bei der Taufe hinfallen ließ.
„Es iſt ſchon richtig,“ ſagte der Bettler, als er
Heelt eines Dreiers aus Verſehen einen Dukaten er-
hielt'
„Vom Rückenſtreicheln werde ich nicht ſatt,“ ſagte
die Katze und nahm ein Stück Braten vom Teller.
„Ich mache einen rührenden Eindruck“, ſagte die
Magd und rührte Kartoffelbrei um.
„Meine Mutter iſt eine arme Frau, aber Fleiſch
haben wir doch zu Mittag“, ſagte der Junge, als er
einen Regenwurm im Salat fand.
„Was jetzt doch die Nadeln ſchlecht ſind“, ſagte der
Schneider, als er aus dem Wirthshaus kam, und nicht
einfädeln konnte.
„Es ſind viele Handwerke in der Welt“, ſagte der
Kapuziner, „aber Betteln iſt das beſte.“
„Handwerk hat goldenen Boden“, ſagte der Weber,
als die Sonne goldig in den leeren Brotſchrank ſchien.
„Hänge Dich“, ſprach der Doktor zum Kranken,
als ihm der klagte, daß er weder ſtehen, noch gehen
noch liegen, noch ſitzen könnnte.
„Muß es durchaus ſein?“ ſagte Chriſtian Stoffel,
und da küßte er ſeine Braut.
 
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