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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0576
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Brüſſel, 20. Novbr. Seit zwei Tagen iſt Gent der
Schauplatz ernſter Arbeiterunruhen. Im Laufe der
geſtrigen Nacht beſetzten 800 Spinnerei⸗Arbeiter den In-
duſtrieplatz und mußten mit Waffengewalt auseinan-
der getrieben werden. Hierbei wurden ein Polizeicommiſſar
und mehrere Gendarmen, ſowie verſchiedene Arbeiter erheb-
lich verwundet.
Brüſſel, 20. Nov. Der ruſſiſch⸗offiziöſe „Nord“ be-
ſpricht die Abreiſe des Generals v. Kaulbars
von Sofia und meint, dies ſei kein Rückzug, ſondern das
Abbrechen der diplomatiſchen Beziehungen. Dieſe Ent-
ſcheidung bedeute keinesfalls, daß Rußland ſich mit der
bulgariſchen Frage ferner nicht mehr befaſſen werde, noch
ebenſowenig, daß es eines ſeiner beſonderen und internatio-
nalen Rechte aufgebe.
London, 20. Nov. Das „Reuterſche Bureau“ wurde
ermächtigt, dem Gerüchte entgegenzutreten, als habe der
Staatsſecretär Lord Iddesleigh die Frage des ruſſi-
ſchen Botſchafters, ob England die Candidatur des Für-
ſten von Mingrelien für den bulgariſchen Thron
unterſtützen werde, verneint. Die engliſche Regierung ſei
im Einvernehmen mit den Mächten, welche ſich für eine
Löſung der Frage intereſſirten, bei welcher die Freiheiten
des bulgariſchen Volkes gewahrt würden, und erwarte be-
treffs der Candidatur dieſes Fürſten zunächſt eine Er-
klärung der Bulgaren ſelber. — Die Nachricht,
daß die Verhandlungen zwiſchen England und Rußland zur
Regelung der afghaniſchen Grenzfrage Mitte De-
cember wieder aufgenommen werden würden, wird als irr-
thümlich bezeichnet.
Kutlowitza, 19. Nov. Zwiſchen den Regenten und
dem Prinzen Alexander von Heſſen fand heute
ein Depeſchenwechſel ſtatt, in welchem die Regenten ihr Be-
dauern darüber ausſprechen, „das der Held von Sliw-
nitza gezwungen worden iſt, uns zu verlaſſen und nicht
in unſerer Mitte weilt, um die Gedenkfeier noch feierlicher
zu geſtalten.“ Dieſe Depeſche wurde von Stambulow, Mut-
kurow, und Schifkow unterzeichnet. Die Depeſche des Prin-
zen Alexander von Heſſen lautet wörtlich: „Wir beglück-
wünſchen die Tapfern der bulgariſchen Armee gelegentlich
des ruhmreichen Jahrestages von Sliwnitza nnd bedauern,
daß der Fürſt nicht unter ihnen weilt“. Die Regenten
richteten folgendes Telegramm an deu Fürſten Alexan-
der von Battenberg: „Anläßlich des Jahrestages des
Sieges von Sliwnitza bringen wir Ew. Hoheit die wärm-
ſten Glückwünſche dar. Wir bedauern tief, daß Ew. Ho-
heit von dem Volk getrennt wurde, welches Sie innigſt
liebt. Niemals werden wir die Verdienſte, die aufopfernde
Hingebung unſeres heldenmüthigen Fürſten, des Vertheidi-
gers unſeres Vaterlandes, vergeſſen.“ — Die Regenten
treffen morgen in Sofia zuſammen.
Burgas, 20. Nov. Ein miniſterielles Rund-
ſchreiben an die Präfecten kündigte die Abſicht des Generals
Kaulbars an, mit fämmtlichen ruſſiſchen Conſuln Bul-
garien zu verlaſſen, und bemerkt, die Urſache für dieſen Bruch
könne nicht in der Haltung der bulgariſchen Regierung ge-
ſucht werden, die alles mögliche that, um die ruſſiſchen
Forderungen zu befriedigen; ſie müſſe vielmehr in dem
Vorgehen des Generals ſelbſt liegen, welches von Kalnoky
und Salisbury getadelt worden ſei; die Entſcheidung der
bulgariſchen Frage ſtehe nunmehr den europäiſchen Cabi-
netten zu. — Der Jahrestag der Schlacht von Sliwnitza
wurde hier von der Stadt und der Garniſon feſtlich be-
gangen. Nach einer Truppenſchau vereinigten ſich Officiere
und Soldaten mit den bulgariſchen Einwohnern am Ge-
ſtade im Angeſicht des ruſſiſchen Kreuzers zu einem Früh-
ſtück unter freiem Himmel, welches durch ein herrliches,
ſonniges Wetter begünſtigt wurde. Die Begeiſterung für
ein unabhängiges Bulgarien unter dem König Alexander
war allgemein. An den Fürſten Alexander wurde ein von
Major Panitza und dem Präfecten Zankow unterzeich-
netes Telegramm gerichtet, welches Segenswünſche für den
Fürſten enthält, demſelben für alles, was er für Bulgarien
gethan, dankt und die feſte Hoffnung ausſpricht, daß er

berief mich indeſſen darauf, daß ich dergleichen mehrfach
bei Andern beobachtet hätte. Und ſo gab ein Wort das
andere, und dann erzählte er weiter:
„„Nämlich, Billy Raily,““ — er redete zu mir, wie
zu ſeinesgleichen, Dick „„mit mir ſteht die Sache ſo,
daß ich mich mit 'ner jungen Kraft zuſammengeben möchte.
Hab' im vorigen Jahr hier an der Küſte alles ausgepeilt
und ſolche Verabredungen getroffen, daß bei meiner Wieder-
kehr Alles geordnet ſein ſollte. Nun hat die Angelegenheit
aber nen beſonderen Knoten. Das Mädchen muß nämlich
heimlich herbeigeſchafft werden.““ (Fortſ. folgt.)

Stadttheater.

V Seidelbrrg, 22. Nov. Frau Albrecht ſetzte als Maria
In Paul Lindau's „Marig und Maadalena“ mit großem Erfolg
ihr Gaſtſpiel fort. Die Rolle, die eigentlich nur in einer Scene
Gelegenheit bietet, einen bedeutenderen tragiſchen Aulauf zu neh-
men, war für die Künſtlerin nicht in demſelben Maße wie Donna
Diana oder Adrienne geeignet ausſchließlich hervorzutretten.
Dennoch beherrſchte ſie durch ihr lebenswaͤhres Spiel den Abend. Sie
hat die berühmte Tragödin Maria Verrina in ſtolzer Haltung und mit
vieler Würde wiedergegeben, hat die Sprache der gerechten Erbitterung
beredt zu ſprechen gewußt, hat mit Leidenſchaft den heißen
Wallungen des gekräunkten Herzens Ausdruck verliehen. Ihrer

„Converſation wußte ſie ebenſoviel herzliche Liebenswürdigkeit zu

perleihen, als ſie dieſelbe anderſeits, wo es nöthig war, mit ſar-
raſtiſcher Schärfe zu würzen verſtand. Mit vieler Innigkeit wurde
von ihr das Lied an den Mond vorgetragen. Das in großer
Zahl erſchienene Publikum ſpendete enthuſiaſtiſchen Beifall und
wurde 10 Gaſtin wirderum mit Blumen bedacht. — Ueber das
Stück ſelbſt und vie Aufführung im Allgemeinen werden wir mor-
gen noch Einiges bringen. Dr. S.

Berichtigung. In der kurzen Kritik vom letzten Samstag
iſt Zeile 6 v. u. ſtatt Metalllage — Mittellage zu leſen.

als König eines unabhängigen Bulgariens wieder-
kehren werde. ö

Aus Stadt und Land.
X heidelberg, 22. Nov. In der Angelegenheit der Scheide-
mauer in der Heiliggeiſtkirche bringt das Frankf. Journal
eine Nachricht, nach welcher der altkatholiſche Biſchof Dr. Rein-
kens in Bonn durch einen Erlaß an den Vorſtand der hieſigen
altkatholiſchen Gemeinde ſeine Zuſtimmung zur Vereinbarung des
Simultaneums mit der evangeliſchen Gemeinde vom 10. Auguſt
verweigert und daran die Mittheilung ſchlietzt, daß er die Großh.
Staatsregierung um Wiederherſtellung der Mauer und des status
quo ante erſuchen werde. Um Mißverſtändniſſen vorzubeugen,
dürfte die Verſicherung am Platze ſein, daß ſeitens der hieſigen
Altkatholiken noch nirgendwo das geringſte Verlangen nach Wieder-
aufrichtung der Scheidemauer laut geworden iſt und durch die
altkatholiſche Gemeindevertretung alles geſchehen iſt, um die Kicche
ihrer jetzigen architectoniſchen Schönheit und Einheit niemals
wieder beranbt zu ſehen. Die Altkatholiken haben dieſem ihrem
Wunſche, die Scheidemauer fern zu laſſen, nicht bloß wiederholt
in dem hieſigen Altkatholiſchen Boten Ausdruck verliehen, ſondern
auch am 5. Februar 1885 in einer Gemeindeverſammlung ihre
Zuſtimmung zur Niederlegung der Mauer an keine andere Be-
dingung geknüpft als die, daß die Kirche nach dem Jubiläum zur
Abhaltung des Gottesdienſtes wieder hergeſtellt werde, was be-
kanntlich auch ohne Aufrichtung der häßlichen Wand geſchehen
konnte und geſchehen iſt. An eine Wiedererrichtung der Tren-
nungsmauer kann außerdem ein Altkatholik, dem das Wohl ſeiner
Gemeinde am Herzen liegt, im Ernſte gar nicht denken. Jeder,
welcher vor und nach der Niederlegung der Mauer den Gottes-
dienſten im Chortheile angewohnt hat, weiß, daß man früher von
dem am Altare Geſprochenen faſt nichts, das auf der Kanzel
Geſprochene aber nur in gewiſſen Theilen der Chorkirche verſtehen
konnte, während die Akuſtik jetzt für das Eine wie das Andere
eine vorzüaliche iſt. Durch das am 10. Auguſt mit der evan-
geliſch⸗proteſtantiſchen Gemeinde getroffene Uebereinkommen hat
die altkatholiſche Gemeinde außerdem noch andere Vortheile, wie
den Mitgebrauch einer größeren Orgel, Heizung der Kirche u. ſ. w.,
ſo daß das Begehren der Bonner Synodalrepräſentanz nur auf
einem Irrthume beruhen kann. Nachdem die altkatholiſche Ge-
meindevertretung die Synodalrepräſentanz aufgeklärt hat, wird
dieſe wohl ihren an Großh. Miniſterium geſtellten Antrag zurück-
ziehen. Im anderen Falle dürfte Großh. Miniſterium ſich wohl
für den gemeinſamen Wunſch der hieſigen Altkatholiken, es beim
jetzigen Zuſtande zu belaſſen, entſcheiden. Die altkaltholiſche
Gemeindevertretung hat noch in jüngſter Zeit das Großh. Mini-
ſterium gebeten, die Mauer nicht wieder aufrichten zu laſſen und
u. 4. geſagt: „In der ungetheilten ſo würdig reſtaurirten Kirche findet
die Andacht der Gemeinde und die Würde des Gottesdienſtes eine
erhebendere Stätte als in der durch die Mauer wiederum ge-
theilten und in ihrer architektoniſchen Schönheit verletzten Kirche..
Es fehlt jeder Grund, den status quo ante wiederhergeſtellt zu
ſehen, zumal dieſes auf Monate hin der evangeliſch⸗proteſtantiſchen
wie unſerer Gemeinde die Abhaltung der gewohnten Gottesdienſte
unmöglich machen würde. Wir ſind wie alle Mitbürger unſerer Stadt
von Vank gegen unſeren allergnädigſten Großherzog, die hohe
Staatsregierung und alle erfüllt, welche in hochherziger, von echt
chriſtlichem Friedensſinne durchdrungener Thatkraft unſere ſchöne
badiſche Stadt um ein ſolches Gotteshaus bereichert haben.“
+ Beidelbers, 22. Nov. Wie wir vernehmen, ſind dem evange-
liſchen Theile der Heiliggeiſtkirche hier verſchiedene aus
frommer Geſinnung gefloſſene Gaben zutheil geworden, zu einer
Ausſchmückung, deren Ausführung Glasmaler Beiler hier über-
tragen worden iſt. Derſelbe gedenkt bis Weihnachten die Beſtel-
lungen ausführen zu können. Mit den halbrunden in Teppich-
muſter zuſammengeſetzten farbigen Fenſtern über den drei Seiten-
thüren iſt ſchon früher das Innenfenſter über dem Thurmportal
„zAr Eriunerung an ein verſtorbenes Familien-
glied“ und das Fenſter der; chemaligen Sakriſtei „zur Erin-
nerungan dort abgehaltene Konfirmandenſtunden“
geſtiftet worden. Ebenſo wurde früher das große Außenfenſter
des Thurmes „zur Erinnerung an eine ſilberne Hoch-
zeit“ geſtiftet. Da dasſelbe nun durch Verſetzung der Orgel verdeckt iſt,
hat die Regierung dem Wunſche der Stifter, der Gemeinde das
Teppichmuſterfenſter ſichtbar zu erhalten, entſprechend, Befehl er-
theilt, dieſes Fenſter in die zwei der Südſeite der Kirche einzu-
ſetzen. Es wurde deshalb, da das erſte (das weſtliche) der Süd-
ſeite von Glasmaler Beiler ſeit 2 Jahren geſtiftet iſt, Fenſter
2 und 3 nach Oſten zu eingeſetzt und ebenſo das 4. Fenſter, da
bereits ſchon ſeit einiger Zeit Gaben dafür eingelaufen ſind. Am
letzten Reformationsfeſte, als am erſten nach Wiederbenützung der
Kirche, wurde nun auch „iin dankbarer Erinnerung an
Rettung aus Lebensgefahr“ das der Kanzel zunächſt
liegende Fenſter der Nor dſeite (Steingaſſeſeite) ebenfalls wie
alle anderen in Teppichmuſterfarben herzuſtellen gewünſcht. Hoffen
wir, daß im Laufe der Zeit weitere Gaben fließen, um die noch
übrigen Fenſter des Schiffes (die zugleich durch Drahtgeflechte
nach Außen zu ſchützen ſind) mit den das Auge wohlthuend be-
rührenden und doch nicht die Andacht ablenkenden farbigen Teppich-
muſtern zu verſehen. Es würde damit der ſchönen Kirche gegeben.
was ihr entſpricht, das unſchöne Hereinſcheinen der Dächer der
umliegenden Häuſer aber unmöglich gemacht. Ueber ſonſtige
Stiftungen (den Altar, die Liedertafeln, die Kanzel⸗ und Altar-
bekleidungen, die Tauf⸗ und Abendmahlsdecken, die Knieſchemel
für Konfirmationen und Trauungen ꝛc. 2c.), welche im Laufe der
letzten. Jahre ſeit Erneuerung des Schiffes (1881) gemacht worden
ſind, iſt ſ. Zt. Mittheilung geſchehen. Wir zweifeln nicht, daß
auch weiterhin der fromme Sinn in der evang. Gemeinde Mittel
ſpendet, um noch Entbehrtes zu beſchaffen, und durch Bekannt-
machung der Gaben zu weiteren Stiftungen angeeifert wird.
§ deidelberg, 22. Nov. Im Gartenſaale des Muſeums hielt
Herr Dr. Arthur Kleinſchmidt am Samstag Abend den
erſten ſeiner angekündigten öffentlichen Vorträge. Das Thema
lautete: Philippine Welſer. Der Herr Vortragende
gab an der Hand des belannten geſchichtlichen Materials eine
lebendige, farbenreiche Schilderung der ſeltſamen und feſſelnden
Lebensſchickſale dieſer Augsburger Bürgerstochter. Um die her-
vorragenden Charaktereigenſchaften Philipyinens zu würdigen,
muß man ſich ihr edles Wirken an der Seite ihres Gemahls im
Lande Andreas Hofers, des ſchönen Tyrol, vergegenwärtigen. Sie
war dem Lande eine treue, edle Landesmutter, die ungetheilte

Verehrung, welche ſie bei der Bevölkerung genoß, zeugt dafür.

Niemals hat Philippine Welſer danach geſtrebt, in politiſchen
oder öffentlichen Dingen eine Rolle zu ſpielen. Ihr ſanftes, echt
weibliches Weſen bewahrte ſie davor, ſie wollte nur das Vorbild
einer dentſchen Hausfrau und Mutter ſein. Oskar v. Redwitz hat
das Weſen Philippinens in ſeinem Drama in trefflicher Weiſe
gezeichnet. Sehr intereſſant war das Bild, welches Redner von
dem Leben und Treiben des Erzherzogs Ferdinand und ſeiner
Gemahlin Philippine auf Schloß Ambras entwarf. Durch den
hier faſt allzu verſchwenderiſch offenbarten Kunſtſinn hat Ferdinand
ſancn Namen bekannter gemacht. Die berühmte Ambraſer Samm-
ung, ein Muſeum alles Sehenswerthen auf dem Gebiete der
Natur, Kunſt und Wiſſenſchaft, gibt aber Zeugnit davon, daß
derſelbe auch mit tiefem Eruſt und großem Verſtändniß ſein Kunſt-
intereſſe bethätigt hat. Die meiſt aus Damen beſtehende Zuhörer-
ſchaft folgte dem Vortrage mit erſichtlich regem Intereſſe.
— Heidelbers, 22. Novbr. Vor einigen Tagen wurde in der
Friedrichſtraße dahier aus einem verſchloſſenen Koffer, der in
einem unverſchloſſenen Zimmer ſtand, eine neue Hoſe und 6 .
in Geld entwendet. Der Thäter, welcher noch unbekannt iſt,
hatte den Koſſer gewaltſam ervrochen, um den Diebſtahl auszu-
führen. — In verfloſſener Nacht wurde in einer Wirthſchaft da-

hier von jungen Leuten eine Ruheſtörung verübt. Die Bethei-

„Kellner, und J. Brunemer von Weingarten verübten in Hei'

ligten mußten, um die Ruhe und Ordnung herzuſtellen, in Haft
gebracht werden.

88 HKeidelberg, 22. Nov. Der übliche Feſtakt zur Feier des Ge-
burtstags des Wiederherſtellers der Univerfität, Karl Friedrich,
welcher heute Vormittags 11 Uhr ſtattfand, war um deswillen
dieſem Jahre von erhöhter Bedeutung, als er ſich in der anläßti
des Jubiläums neu hergerichteten Aula vollzog. Herr Prorektor
Geh. Rath Bekker gedachte mit einigen Worten des verfloſſenel
Jubiläums, würdigte die Verdienſte Karl Friedrichs um diz
Ruperto⸗Carola und hielt ſodann einen etwa einſtündigen Vor
trag über den Unterſchied der hiſtoriſchen und philoſophiſchen
Schule der Jurisprudenz. deren Vertreter Savigny und Thibau
Es ſchloſſen ſich hieran Mittheilungen aus der Univerſitätschron
und Preisvertheilung für die Seitens Studirender eingereichte
wiſſenſchaftlichen Arbeiten. Preiſe erhielten: Wilhelm Karz
aus Seckenheim für eine theologiſche und Auguſt Baer au
Frankfurt a. M. für eine philoſophiſche Arbeit. In der Uni
verſitäts⸗Chronik erwähnte Herr Geh. Rath Bekker, datz nach
der ſtattgehabten dritten Immatrikulation die Zahl der neu ein,
geſchriebenen Studirenden ſich auf 273 beläuft, ſo daß die G0
ſammtzahl der Studirenden in dieſem Semeſter über 800 betrage
wird, eine Zahl, wie ſie ſeit 1847/48 nicht erreicht worden ſel-
An den Feſtakt reiht ſich heute Mittag ein Feſtmahl im Muſeum-

Maunhtim, 19. Nov. (Strafkammer.) Es kamen folgend
Fälle zur Verhandlung: Jakob Rauch vou Schwenningen wir
wegen Diebſtahlsverſuchs zu 9 Monaten und 8 Tagen Gefängnib
verurtheilt. — Die ſchon öfter beſtrafte Eliſe Sutter von Schlier
bach erhält, weil ſie ſich der Entwendung von 6 . ſchuldih
machte, 4 Monate Gefängniß. — Konrad Rehberger von
Darsberg, der mit ſeinem Fuhrwerk ein Kind überfuhr, wir
wegen fahrläſſiger Tödtung in eine Gefängnißſtraͤfe von 4 Wochen
verfällt. — Friedrich Martini von Emmingen wird wegen
Urkundenfälſchung mit 3 Monaten Gefängniß, an denen 3 Wochen
erlittener Unterſuchungshaft in Abrechnung kommen, beſtraft. —
Gottfried Heck Ehefrau von Mannheim, welche vom Schöffen
gericht wegen Uebertretung des § 361 Ziff. 5 R.⸗St.⸗G.⸗B. miſ
4 Wochen Haft beſtraft wurde, wird mit der gegen dieſes Urthen
eingelegten Berufung koſtenpflichtig abgewieſen. — Der nich
weniger denn 26 Mal vorbeſtrafte Heinrich Seiler von Heidel,
berg erbält wegen Entwendung eines Ue berziehers 1 Jahr 6 Mo
nate Gefänguiß. — Die Berufung der Margaretha Rödel von
Schweigern, welche vom Heidelberger Schöffengericht wegen Ueber-
tretung des § 361 Ziff. 6 R.⸗St.⸗G.⸗B. 4 Wochen Haft erhalten
hatte, wird als unbegründet verworfen. — Karl Gottlieb Andreas
Heidecke von Schönbeck, Georg Jakob Kreis von Soden, beide

delberg in Gemeinſchaft einen Einbruchsdiebſtahl, bei dem ſie
hauptſächlich Kleidungsſtücke entwendeten; hiefür erhalten die
beiden erſtgenannten Angeklagten je 2 Jahr 9 Monate, Bruneme·
2 Jahr 6 Monate Zuchthaus; außerdem wird gegen Alle dret
auf Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 4
Jahren, ſowie auf Stellnng unter Polizeiaufſicht erkannt; vo
jeder der erkannten Zuchthausſtrafen kommt je 1 Monat erlittener
Unterſuchungshaft in Abrechnung. (NRach Mannb. Blättern.) ů
XXAdelsheim. 20. Nov. Die Wintervergnügungen haben
in unſerem Städtchen durch ein Concert, wodei eine ungariſche
Sängerin und ein Declamator auſtraten, ihren Anfang genommen,
Dieſes Concert zählt nicht zu den gelungenſten; denn wenn diEé
Sängerin auch einigen Beifall erntete, ſo waren doch die Künſte
des Declamators ziemlich dürftig. Einen höheren Genuß ver
ſprechen wir uns, wenn uns unſere Herren Dilettanten, die ſich
gegenwärtig auf ihren Streichinſtrumenten üben, mit einem Vor
trag erfreuen. Wiſſen wir doch, daß ſie ihrer Inſtrumente vo 4
kommen Meiſter ſind. Zu wünſchen wäre noch, daß ſich der zum
Ausſchank kommende Gerſteuſaft ein wenig verbeſſern würde, da,
mit man nicht hierdurch in ſeinem vollen Genuß beeinträchtigt
wird. . *
24 Hardheim, 20. Nov. Unſere hieſige Bevölkerung betheiligt
ſich ſehr lebhaft an der Waſſerleitung, die unſer Städtchen
erhält und kann man vorausbeſtimmen, daß nicht nur die Zinſen
aus den 50 00) , die unſere Gemeinde zu dieſem Zwecke aufge
nommen, vollſtändig gedeckt werden, ſondern daß die Leitung bald
eine ſtändige Einnahmquelle für die hieſige Gemeinde bildet.
+ Aus dem Bezirke Raſtatt, 20. Nov. Daß ſelbſt das aumuthige
beſcheidene Veilchen für manche Orte eine nicht unbedeutende
Einnahmequelle bildet, ſehen wir au dem Orte Staufenberg,
das ſchon längſt durch ſeine Erdbeerkulturen weithin bekannt iſt.
Seit einigen Jahren ziehen viele Bewohner dieſes Ortes au
Veilchen für den Verkauf. Die Bewohner bemühten ſich, fremdé
Veilchenſorten — ruſſiſche und italieniſche — zu erhalten und ſeit
dem dieſe eingeführt ſind, kann man das Veilchen das ganze Ja 1
hindurch in St. blühen ſehen. Beſonders in unſerer gegenwärti-
gen Spätherbſtzeit blühen obgenannte Sorten reichlich auf; die
werden in Büſchelchen gebunden und verſchickt in die größeren ö
Städte und ein ſchönes Erträgniß hierdurch erzielt. Zur jetzigen
Zeit erfreuen uns ſolche Frühlingskinder viel mehr, als im
Sommer und ſind uns willkommener als zur ſchönen Jahresze
die ſchönſte andere Blume. Unter den Veilchen widerſteht der
Winterkälte am beſten das Viktoria⸗Veilchen, nach der Kronprin,
zeſſin des deutſchen Reiches benanut. Dieſes würde ſich ſehr qu 4
zur Winterzucht eignen und an Abſatz für Winterblumen wür · 4
es nicht fehlen.
Aus haden. Das Verordn ungsblatt der Generaldirection der
Großh. Bad. Staats⸗Eiſenbahnen Nr. 58 enthält eine all-
geineine Verfügang über die nachträgliche Löſung von Billeten
und ſonſtige Bekanntmachungen bezü glich der Organiſation des
Eiſenbahnbetriebsdienſtes, der Vereinskartenliſte, der Handhabung
der Bahnpolizei, der Vorſchrif ten für den Fahrdienſt, des Thier-
transports, des Niederländiſch⸗ſüdweſtdeutſchen bezw. ſchweizeriſchen
Verkehrs, betreffs der Eröffnung neuer Stationen und Einfuhr
von Gütern nach Rumänien. — Hinſichtlich der nachträglichen
Löſung von Billeten iſt neuerdings folgende Beſtimmung
getroffen worden: „Der Reiſende, welcher mit einem Billet fü.
eine niedrigere Wagenklaſſe oder Zugsgattung in höherer Wagen

klaſſe oder Zugsgattung zu fahren verſucht, hat den doppelten Betrag

des Werthes des zuzukaufenden Billets nachzuzahlen; hat jedoch der 4
Reiſende vor dem Einſteigen den Schaffneroder Zugmeiſter von ſeiner

Abſicht verſtändigt, ſo wird die Nachzahlung auf die einfache *

Mehrtaxe beſchränkt.“ — Ermuthigt durch das gute Gelingen der
Soiamer eime alter babiſcher Pionniere, welche im vergangenen
ommer eine Zuſammenkunft hatten, beabſichtigen auch dit
alten badiſchen Kanoniere im kommenden Jahre ein-
kameradſchaftliche Zuſammenkunft zu veranſtalten. Als Ort dieſe-
Zuſammenkunſt iſt vorläufig die Reſidenzſtadt Karlsruhe ausel
ſehen. Kanoniere aller Jahrgänge, welche die Abſicht hegen, ſi
daran zu betheiligen, werden erſucht, ſich bei dem Vorſitzenden

des Feſtkomites, Herrn C. Stelzer, Bahnhofreſtaurateur B.

Meckesheim, ſchriftlich oder perſönlich anzumelden. — Die N. B.
Ldsztg. berichtet: „Wegen des in unſerer Nummer 558 erſchienenen x
Leitartels „Unſer bureaukratiſches Eiſenbahnweſe g ö
iſt vom Großh. Finanzminiſterium wegen einer darin angebli
vorhandenen Beleidigung des Betriebsinſpektors Hartmann
Heidelberg gegen unſeren verautwortlichen Redakteur Anklag
erhoben worden. Die Verhandlung ſoll in der Mitte Dezember
beginnenden Seſſion des Schwurgerichts ſtattfinden.“ — Vor den,
Schöffengericht uu Bonndorf hatte ſich ein 14 jähriger Hirten,
knabe aus Leenbach zu verantworten, der ſeinem Kameraden an
läßlich eines geringfügigen Streites auf der Waide das Taſchen
meſſer in den Leib ſtieß. Die Wirkung war eine entſetzliche, in
dem durch den Stich Darmtheile austraten. Nur einem alückliche-
Zufall iſt es zu verhanken, daß durch den Stich kein Darm be.
ſchädigt wurde und der Verletzte nach 5 wöchigem ſchmerzhaften-
Krankenlager aus den Städtiſchen Spital entlaſſen werden konnte-
Der Thäter erhielt 14 Tage Gefängniß. ö
 
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