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Heidelberger Zeitung — 1886 (Juli bis Dezember)

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https://doi.org/10.11588/diglit.52470#0630
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(hört, hörth), auch ferner zu ſichern. Ich meine, wenn wir dieſe
Vorlage ablehnen, ſo involvirt das eine ſehr ernſte Verantwort-
lichkeit, vielleicht für das Elend einer feindlichen Invaſion, eine
Verantwortung, die, von hundert Schultern getragen, dennoch für
jeden Einzelnen ſchwer geuug wiegen muß. Durch große Opfer
Ront wir erreicht, was alle Deutſche ſeit ſo viel Jahren er-

ehnt haben, wir haben das Reich, wir haben die Einheit Deutſch-

lands, möchten wir auch die Einigkeit der Deutſchen in einer
ſolchen Frage haben, wie ſie hier vorliegt. Die ganze Welt weiß,
daß wir keine Eroberungen beabſichtigen; mag ſie aber auch
wiſſen, daß wir das, was wir haben, erhalten wollen, daß wir
dazu entſchloſſen und gewappuet ſind. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Grille nberger (S.⸗D.) gegen die Vorlage. Reduer
hält ſelbſt die zweijährige Dienſtpflicht für überflüſſig und eine
einjährige für ausreichend. Die Auflöſung des Reichskages wäre
den Socialiſten beſonders willkommen. Abg. Marquardſen,
für die Vorlage, betout, daß nicht Furcht vor der Auflöſung des
Reichstages oder Mangel an ſolcher die Parteien beeinfluſſen
dürfe, ſondern nur ſachliche Gründe. In dieſer Beziehung müſſe
er den hohen Werth der Moltke ſchen Ausführungen anerkennen.
Redner erklärt ſich gegen ein Aeternat, hält die Feſtſtellung der
Präſenz von Zeit zu Zeit für die richtigere, würde aber geneigt
ſein, auf ein Septennat einzugehen. Die Stärkung der Kriegs-
bereitſchaft ſei Pflicht der Selbſterbaltung, ſie auferlege die drin-
gendſie Pflicht, zu vrüfen. wieweit die Beſchaffung neuer Mittel
unabweisbar ſei. Abg. Wöllwarth, für die Vorlage, empfiehlt
das Zuſammengehen mit der Regierung. Der Krieg sminiſter
v. Bronſart erklärt ſich mit Rückſicht auf die Ausführungen
des ſocialdemokratiſchen Redners nur dann bereit, in der Com-
miſſion eine eingehende Auskunft zu geben, wenn er auf einen
vertrauensvollen Gebrauch derſelben rechnen darf; daß die
Begründung früherer Vorlagen ähnlich der jetzigen geweſen, liege
in der Natur der Sache. Nichtsdeſtoweniger laſſe die Thron-
rede in dem Paſſus über die Beziehungen zum Auslande doch
für ein geſchärftes Auge eine Nüancirung erblicken. In der
That liege die Schwierigkeit vor, den Frieden für längere Zeit
aufrechtzuerhalten. Die Erhöhung der Verſtärkung des deutſchen
Heeres zeige, daß Deutſchland entſchloſſen ſei, ſich nicht dauernd
von feinen Nachbarn überflügeln zu laſſen. Dieſe Erhöhung könne
nicht nur bewirken, daß wir nicht in einen Krieg verwickelt wer-
den, ſondern auch, daß wir den gehörigen Nachdruck für die Auf-
rechterhaltung des Friedens anderweitig aufwenden können. Ein
Staat mit einer ſtarken Armer ſei auch ein werthvoller Verbün-
deter. Der Miniſter bemängelt nochmals die von dem Abg. Rich-
ter gegebenen Zahlen; man dürfe den Gegner nicht über⸗, aber
auch nicht unterſchätzen; man habe der guten Eigenſchaften des
deutſchen Heeres gedacht, Frankreich arbeite aber auch an der
inneren Vervollkommnung ſeiner Armee. Wenn wir auch das
volle Vertrauen haben, daß wir jeden Augenblick einer anderen
Armee entgegentreten können, ſo ſoll man uns doch die Aufgabe
nicht allzuſehr dadurch erſchweren, daß wir ziffermäßig zu weit
zurückſtehen. Für die Dringlichkeit der Vorlage wird der Mini-
ſter in der erſten Commiſſionsſitzung Erklärungen geben. An
dem bisherigen Syſtem der Urlaubsertheilnng ſoll nichts geändert
werden; die Verſtärkung des Heeres ſoll nicht durch Einberufung
von Reſerviſten erzielt werden. Der Miniſter bekämpft die zwei-
jährige Dienſtzeit, betont, daß das Inſtitut der Einjährig⸗Frei-
willigen Material für den Offiziersſtand gibt und ſchließt mit
der Hoffnung auf eine Verſtändigung. Der Abg. v. Lang-
werth (Simmern) bekämpft die Vorlage, weil er ein Gegner
des Septennats und großer Truppenmaſſen iſt, welche Annexions-
gelüſte zu erhalten geeignet ſeien. Ein Schlußantrag wird
angenommen und die Vorlage einer beſonderen
28gliedrigen Commiſſion überwieſen. Montag um
12 Uhr kleinere Vorlagen und zweite Etatsleſung.

Berlin, 4. Decbr. Die kurze Rede des Grafen

Moltke, die mehr einer Anſprache glich, erzielte einen

dramatiſchen Effekt. Der Redner ſtand in der Mitte des
Saales, unmittelbar vor den Plätzen, auf denen Windt-
horſt und Huene ſaßen; der Kriegsminiſter ſtand
neben Moltke, ſämmtliche Bun des bevollmächtigtſe
hatten ihre Plätze verlaſſen und bildeten mit den Abgeord-
neten einen großen Kreis um den Redner. Lautloſe Stille
herrſchte, ſo daß die Worte des greiſen Feldmarſchalls
ſelbſt auf den Tribünen zu vernehmen waren. Als der
Redner verſicherte, Deutſchland werde die deutſchen
Lande Elſaß⸗Lothringen nicht herausgeben,
hatte ſich die Stimme gehoben, und zum Schluſſe bei dem
warmen Appell an die Einigkeit in der vorliegenden
Frage klang ſie bewegt. Widerſpruchslos ertönte das kräf-
tige Bravo, als Moltke geſchloſſen hatte. — In dem
Proze ſſe gegen die Mitglieder des Vorſtandes des Ver-
eins zur Vertretung der Intereſſen der Arbei-
terinnen wurden die Angeklagten Frau Dr. Hofmann,
Frau Ihrer, Frau Jagd zu je 60 ά., Frau Staege-
mann zu 100 4. verurtheilt, auch auf Schließung des
Vereins erkannt, der, obgleich er anfangs gute Zwecke ver-
folgte, ſpäter nicht ohne Wiſſen und Willen des Vorſtan-
des 1. Spielball der Socialdemokratie gewor-
den ſei.

DBDeſterreichiſche Monarchie.
WiSen, 4. Dez. In hieſigen Diplomatenkreiſen führt
man die Meldung, Oeſterreich habe die Löſung der
bulgariſchen Einheitsfrage vor der Fürſtenfrage
angeregt, auf den allgemeinen und noch nicht beendeten Ge-
dankenaustauſch zwiſchen den Mächten zurück, der dem
künftigen Fürſten die nothwendigen Daſeinsbedingungen
ſchaffen ſoll. Dieſe Beſprechungen hatten keine ruſſenfeind-

liche Spitze, ſie würden vielmehr jedem ruſſiſchen Candi-

daten zugute kommen. — Prinz Vogorides ſoll nach

Petersburg gereiſt ſein; bisher will jedoch niemand ſeine

Candidatur ernſt nehmen. Die hieſigen bulgariſchen Kreiſe
bereiten einen feſtlichen Empfang der bulgariſchen
Abordnung an die Mächte am Bahnhof vor.
Ausland.
Bern, 4. Dez. Das Landſturmgeſetz iſt von
dem Nationalrath und dem Ständerath in Uebereinſtimmung
angenommen worden. ö
Paris, 4. Dez. Der aus Anlaß des Rücktritts
der Miniſter einberufene Miniſterrath bei dem
Präſidenten Grevy dauerte geſtern von halb 6 bis 7 Uhr.
Alle Bemühungen des Präſidenten der Republik, Freyeinet
von ſeinem Entſchluſſe abzubringen, blieben erfolglos.
Als Freyeinet ſich nach aufgehobener Sitzung in ſeine Pri-
vatwohnung begab traf er dort eine größere Anzahl von
Perſonen, die ſich gleichfalls bemühten, ihn zum Bleiben
zu bewegen; aber ebenſo vergeblich. Präſident Grevy,
der ſchon durch den Tod ſeines Generalſekretärs Pitti6 in
Trauer verſetzt worden, iſt wegen der Miniſterkriſis äußerſt
niedergeſchlagen. Von den 262 Abgeordneten, die gegen
Freycinet geſtimmt haben, gehören 175 der conſervativen

1879 Brigade⸗ und bald darauf Diviſionsgeneral.

und 87 der republikaniſchen Partei an. Unter denſelben
iſt die äußerſte Linke mit Clemenccau an der Spitze faſt
vollzählig vertreten. Die Minderheit bei der Abſtimmung
beſtand ausſchließlich aus Republicanern. Etwa 50 der
gemäßigten Republikaner, dieſe alſo faſt ſämmtlich,
haben ſich der Abſtimmung enthalten. Letzterer
Umſtand iſt es ganz beſonders, der Freycinet beſtimmte,
ſein Entlaſſungsgeſuch aufrecht zu erhalten, da er in dieſem
Vorgehen die vorbebachte Abſicht, ſeinen Sturz herbeizu-
führen, erkennt. Faſt alle republikaniſchen Blätter drücken
ihr Bedauern über Freycinets Rücktritt aus. Mehrere der-
ſelben erwarten, und vielleicht mit Recht, daß die Kammer
entſprechende Schritte thun werde, die Miniſter zum Bleiben
zu veranlaſſen. Sogar die „Juſtice“ redet einem Aus-
gleich das Wort. Sollte eine Verſtändigung nicht erzielt
werden, ſo wird wahrſcheinlich die Kammer aufgelöſt, da
es ſehr ſchwierig iſt, unter den jetzigen Verhältniſſen ein
neues Miniſterium zuſammenzubringen. Floquet weigert

ſich, auch Clemenceau erklärt, die Regierung nicht über-

nehmen zu können.
Paris, 4. Dec. Diviſionsgeneral Pittié, General-
ſecretär der Präſidentſchaft und Chef des Militärſtabs des
Präſidenten, iſt heute geſtorben. Frangois Gabriel Pittié,
geboren am 4. Januar 1829 in Nevers (Niépre), zeichnete
ſich vor Sebaſtopol aus, wurde bei Solferino verwundet
und gehörte 1870 als Major und Bataillonschef des 46.
Linienregiments zur Armee Bazaines, entwiſchte aus Metz
nach der Capitulation und bildete unter Bourbaki das 68.
Marſchregiment. Hiexauf wurde er von Faidherbe in die
Nordarmee berufen, nach der Schlacht bei Amiens zum
Oberſten und zum Chef der 2. Brigade der 1. Diviſion
des 23. Armeecorps ernannt und bei Pont⸗Noyelles ver-
wundet. Der Ausſchuß für die Rangſtufen drückte ihn
wieder zum Oberſtlieutenant herab, aber 1874 wurde er
wieder Oberſt, dann Grévys militäriſche rechte Viute
ttiô
war der ſtändige Vertreter Grévys bei allen außerelyſei-
ſchen Feſtlichkeiten und Vertretungen. Pittié war aber nicht
bloß tapferer Soldat und fein gebildeter Mann, ſondern
auch ein geſchätzter Lyriker und Mitarbeiter an den nam-
hafteſten Pariſer Blättern; ſein „Roman de la vingtième
année“ hat mehrere Auflagen erlebt: ihnen folgten
Sonnette „Vae victoribus“ und 1879 „Les Scabieuses“.
Auch ſeine metriſchen Ueberſetzungen von Gedichten Göthes,
Heines und Burns' ſind ſehr geſchätzt. — Bi hourd, der
Generalreſident in Tonkin, wird ſich am 17. in Marſeille
einſchiffen, um ſich auf ſeinen Poſten zu begeben. Maſſi-
cault, der Generalreſident in Tunis, wird gegen Ende
der nächſten Woche ſein Amt übernehmen.
Paris, 4. Dec. Ein Telegramm, das dem Marine-
miniſter zugegangen iſt, theilt mit, daß der Dampfer
„Chandernagor“ von Singapore die Heimreiſe nach
Frankreich angetreten habe.
London, 4. Dec. Die Rundreiſe der drei bul ga-
riſchen Abgeordneten Grekow, Stoilow und
Kaltſchew durch die europäiſchen Hauptſtädte wird vom
hieſigen Auswärtigen Amte ebenſo ungern geſehen, wie zur
Zeit die angekündigte Herüberkunft des Fürſten Alexander.
In den Augen der engliſchen Regierung hat ſich Rußland
durch die eigene Politik hinreichend gedemüthigt; die Rache
für Afghaniſtan erſcheint ausreichend, und der Beifallſturm,
den das bulgariſche Triumvirat hier finden würde, über-
flüſſig. Lord Iddesleigh würde ſie ebenſo ungern empfangen
wie nicht empfangen; jenes würde ihn bei Rußland, dies
beim engliſchen Volke bloßſtellen: und da doch die Abge-
ordneten ihm kaum etwas mittheilen könnten, was er nicht
durch die eigenen Vertreter in Bulgarien erfahren hätte, ſo
ergeht unter der Hand an Grekow und Genoſſen die Bitte,
England unnöthige Verlegenheiten zu erſparen und den
Kanal nicht zu überſchreiten. Man verliert Afghaniſtan,
wo England die ruſſiſche Rachſucht zu fürchten hat, nicht

aus den Augen. Aus ruſſiſchen Zeitungen, die augenſchein-

lich nach höherer Eingebung ſchreiben, erhellt, daß Stam-
bulow und Genoſſen nach Auffaſſung der Ruſſen lediglich

die Schildknappen des Battenbergers ſind und den Schweif

des Kometen von Jugenheim“ bilden. Blieben ſie

im Amte, ſo würden ſie durch die Sobranje den Fürſten

wieder wählen laſſen, und falls dieſer die ihm durch einen
Ausſchuß angebotene Krone ausſchlüge, ſelbſt ſo lange weiter
regieren, bis die Umſtände des Fürſten Einzug in Sofia
wieder geſtatteten. Die Anerkennung der Regentſchaft würde
als mit der Wiedereinſetzung des Fürſten Alexander gleich-
bedeutend ſein; und dafür iſt des Czaren Reue noch nicht
reif. Der Verſuch Rußlands, die Bulgaren durch den
Sultan zu beeinfluſſen, hat hier eine ganz ungewöhnliche
Eiferſucht erregt, weil dadurch die bloß vermuthete Bundes-
genoſſenſchaft zwiſchen Zar und Sultan eine thatſächliche
Bekräftigung zu erhalten ſchien. Hier klammert man ſich
an des Sultans angebliche Worte, daß er die Erreichung
der Ziele Alexanders III. nöthigenfalls mit den größten
Opfern unterſtützen werde; und das gilt für eine Beſtäti-
gung des Gerüchtes, daß die Annäherung des Sultans an
Rußland eine vollſtändige ſei. ö
NRom, 4. Dec. Der Kriegsminiſter läßt die an
der franzöſiſchen Grenze belegenen kleinen Feſtungen
mit Kriegsbedarf, Mundvorrath und Geſchützen verſehen
und hat mehrere Generäle, wie die in Cuneo erſcheinende
Sentinella meldet, beauftragt, ſich von dem Vertheidigungs-
zuſtande derſelben zu überzeugen.
Petersburg, 4. Dez. Der Kaiſer empfing geſtern
den deutſchen Militärbevollmächtigten Oberſt⸗Lieutenant
von Villaume.
Nus Stadt und Land. ä
§ Seidelberg, 6. Decbr. Der von Herrn Dr. Arthur Klein-
ſchmidt am Samstag Abend im Gartenſaale des Muſeums
ehaltene Vortrag hatte Jaques Necker zum Gegenſtand.
ohl wenige Städte gibt es, die der Welt eine gleiche oder

ähnliche Zahl berühmter Männer gegeben haben wie Geuf. Auch
Jaques Necker zählt zu dieſen Berühmtheiten. Er wurde in Genf

im Jahte 1732 geboren. Sein Vater, wirkte an der dorti 40

Hochſchule als Lehrer des deutſchen Staatsrechta. Trordem der
ium Jüngling herangewachſene Knabe viel Begabung und Neigene
zu literariſchen Studien zeigte, beſtimmte ihn der Vater doch 17
den Handelszſtand und gab ihn zur Erlernung des Bankgeſchäft 4*
in ein großes Wariſer Handelshaus. Trotz der tiefen Abneigung
die er gegen den ihm gufgezwungenen Beruf hegte, eignete er 10
gründliche Geſchäftskenüftniſſe an. In wenig Jahren Fabſiinet
geworden, wurde , Vurch Glücksumſtände begünſtigt, bald e.
reicher Mann. Als Miniſterrefident ſeiner Vaterſtadt trat
auch mit der franzöſiſchen Regierung in Beziebungen. Er wuß —
ſich dieſer gegenüber bald als eine Finanzautorität aufzuſpielen.
bekämpfte in finanzpolitiſchen Streitſchriften den großen Reforn
miniſter Turgot und hatte den Erfolg, zum Generaldirector!
franzöſiſchen Finanzen ernannt zu werden. Der nun an 0
herantretenden Aufgabe, die zerrütteten Finanzverhältniſſe in Or
nung zu bringen, war er in keiner Weiſe gewachſen. Die en
ihm betriebene Auleihewirthſchaft führte den Staatswagen immig
tiefer in den Sumpf, ſo daß auch denjenigen, welche ihn für 4
wahres Finanzgenie gehalten hatten, die Augen aufgingen, 1
ſich die immer mehr ſchwindende Volksgunſt zu erhalten, ſchrie
er jetzt zu ſeiner Rechtfertigung „Compte rendu au roi“,
er dem Volke die Verſchwendung der Hofhaltung klarleate. 604
Hofe immer keine persona grata, wurde er jetzt ſeiner Stellum,
enthoben. Aber was er mit der Schrift bezweckte, hatte er.
reicht — die Volksgunſt hatte ſich ihm wieder zugewendet. 0
ben Jahre ſpäter mußte er von Ludwig XVI. wieder zurücbernge
werden und zwar als Generalcontroleur und Staatsminiſter. u⸗
der Organiſation der Reichsſtände bewies er jetzt ſo viel 110
geſchick und Unentſchloſſenheit, daß er der Urheber des Confli
wurde, der zur Conſtituirung der Nationalperſammlung füytie
Necker bildete ſich in ſeiner Verblendung und Eitelkeit ein, l.
immer mächtiger werdende revolutionäre Bewegung beherrſch 84
zu können, ſein allezeit ſchwächliches, aller beſtimmten Ziele 3
Grundſätze bares Auftreten ebunete derſelben aber gerade den u
Nachdem die Nationalverſammlung einen von ihm vorgelegne
Finanzplan zurückgewieſen, dagegen aber denjenigen ſeines groß
Gegners Mirabeau angenommen, gab er ſeine Entlaſſung. 8⁰
ſtarb im Jahre 1804 auf ſeinem Landgute Coppet bei Genf. 1᷑
an ſein Lebensende hatte er die höchſte Meinung von ſich ,
ſeiner Wirkſamkeit. In ſeiner Tochter, der berühmten Frau v. Stas
erſtand ihm ein überſchwünglicher Panegyriker. b4
+ Echeelberg, 6. Decbr. Die gefelligen Veranſtaltungen„
Harmonie⸗Geſellſchaft erfreuen ſich und zwar mit Rere
einer großen Beliebtheit der Mitglieder. Einen neuen Bem u,
dafür lieferte der am letzten Samstag abgehaltene Familie W
Abend. Geraume Zeit vor Beginn war der große Saal 9 4*
Nebenräumen beſetzt und in animirteſter Stimmung ſah man 16•
mannichfaltige Abwechſelung bietenden Genüſſen entgegen, we lbe 4
das reich ausgeſtattete Programm in Ausſicht ſtellte. Daſſe
enthielt Vorträge des Stadtorcheſters unter Leitung des
Muſikdirektors Roſenkranz, des unter der Leitung des Herrn
pell meiſter Heber ſtehenden Mäunerchors, Solovorträge beſonde
ſtimmbegabter Sänger und last not least zwei theatraliſche Litz
führungen. Sämmtliche Leiſtungen fanden lebhafteſte und da
barſte Anerkennung ſeitens der Zuhörer und Zuſchauer ſch.
in beſonderen Maße wurde dieſe den Darſtellern der beiden 100

gelungen aufgeführten Theaterſtückchen zu Theil, welche zu 0
ſchönen Verlauf des Abends weſentlich beigetragen hatten. Ne 41
einigen von früher ſchon aufs beſte bewährten Kräften freuten wir h 1
einigen neuen Darſtellern zu begegnen, die ſich mit Gewandhant

auf den weltbedeutenden Brettern zu bewegen wußten und 1
denen für die Folge wohl noch bei mancher ähnlichen Gelegen die
hübſche und anſprechende Leiſtungen zu erwarten ſtehen. ic
humoriſtiſchen Einſchaltungen, namentlich in dem erſten Stuh
gaben der Aufführung eine in doppeltem Sinne lokale Färbm
die ihre Wirkung nicht verfehlte. Zum Schluß gebührt noch
Veranſtaltern des Abends alle Anerkennung. Sie verſtehen U4
vortrefflich, die Anziehungskraft der Harmonie nicht nur zu
halten, ſondern auch vortheilhaft zu erhöhen. 4
** gridelberz. 6. Dec. Rächſten Freitag den 10. ds. findet 4
der Aula der Realſchule wieder eine Sitzung des Bürgagſg
ausſchuſſes ſtatt. Indem wir bezügl. der Tagesordun
auf die in der heutigen Nummer d. Bl. enthaltene Beto ſen
machung des Herrn Oberbürgermeiſters Dr. Wilckens hinwe,
bemerken wir, daß, wie wir vernehmen, vom Stadtverordue
vorſtande ſämmtliche Vorlagen zur Annahme empfohlen wer +
Weitere Mittheilungen über diefelben behalten wir uns vor. 4 4
beſchränken wir uns darauf, zum 3. Gegenſtand der Tagesordu tag
den Umbau des Ratbhauſes betr. den Autrag des Stadtreſchg
„die Ausführung der Pläne in Bezug auf das Schützendorſ n
Haus mit einem auf die Jahre 1887 und 1888 zu vertheilenen
vorausſichtlichen Aufwande von 73 000 . gutzuheißen un L
zwiſchen dem Stadtrath und Herrn F. Popp abgeſchloſſenen D
trag vom 4. November d. J. zu genehmigen.“ mitzutheilen „ +4
Kaufpreis für das Popp'ſche Haus beträgt bekanntlich 90 000˙
wozu noch eine Entſchädigung von 1500 . für Umzugskoſten
an Herrn Popp geleiſtet wird. pun
O hridelberg, 6. Decbr. Den zweiten in der Reihe deng 964
Volksbildungsverein veranſtalteten öffentlichen ſ
träge wird nächſten Mittwoch den 8. d. M. der Profeſſo anf
Literaturgeſchichte an der hieſtgen Univerſität, Herr Collegieal
Dr. Friedrich Meyer von Waldeck halten. Der diesm
Vortrag wird „die deutſchen Volksmärchen“ behandeln und, ind)
er die Entnehung und tiefere Bedeutung derſelben nachweiſheſ 4
Zuhörer in das germaniſche Alterthum zurückführen, aus 9
naiven Anſchauungen jene reizvollen Gebilde der Phantaſie V.
ſtammen. Das intereſſante Thema, das der beliebte Reduenaſeef
Duauun mit Geſchmack darſtellen wird, dürfte auch auf rabe ö
rauenwelt Anziehungskraft üben; es iſt dafür Sorge getrastg
daß für dieienigen Damen, die zum Vortrage ſich einfindenm
ſondere Sitzplätze reſervirt ſein werden.
—= deidelberg, 6. Dezbr. Ein ſtellenloſes Frauenzimme. 4
ſchwindelte im vorigen Monat von einem hieſigen Dienſtueh
ein ſog. Eiswolletuch im Werth von 6 Mk. dadurch, daß ſie
ſelben vorſpiegelte, ſie komme in eine Stelle als Kellnerin ⸗
fie möge ihr das Tuch ſo lange leihen, bis ſie ihre Stelle 707
treten fertef Die augehl. Kellnerin trat aber weder in eine 00 +
noch lieferte ſie das entliehene Tuch ab, iſt vielmehr mittlerweile eg
verſchwun den. — Einige junge Leute (Arbeiter) verurſac
in verfloſſener Nacht in der Rohrbacherſtraße durch Singe e
Schreien ruheſtören den Lärm und wurden zur Anzeibe

bracht. ö
* Heidelbtri, 6. Dez. Einem an uns gerichieten Wunſch.
ſprechend, veröffentlichen wir folgende Zeilen: Die am 551 ö
dekorirte treue Dienerin Louiſe Wiedmayer welche ſeit 1 +
meiner Familie dient, iſt ſeit zehn Jahren als Kinderfr 13
meinen Dienſten. Neuenheim bei Heidelberg, 5. Dezember
Max Graf zu Leiningen⸗Neudenau. 54
Maunhrin, 4. Decbr. Ein Mord und Selbit mo tin 1
heute wieder einmal unſere Stadt in Aufregung verſetzt. 4
der Kaufmann'ſchen Kunſtmühle beſchäftigter Arbeiter,
Bechthold, hat ſeine ſeitherige Geliebte, Hortenſig
die das Verhältniß zu ihm geloͤſt hatte, tödtlich verwundee,
ſich ſelbſt entleibt. Die Matt arbeitete als Näherin bei cieg
Quadrat Q 4, 23 wohnenden Frau Liebtreu, welche 9900
Uhr ihre Wohnung auf kurze Zeit verließ, um nach dem. 105.N
hof zu gehen. Um die gleiche Zeit begab ſich Becht ig
die Wohnung derſelben, drang unter Drohungen mit rich *
Raſirmeſſer auf ſeine Geliebte ein und verſetzte de 4
einen fürchterlichen Schnitt, vom Auge ausgehend, aſer 4
herunter durch den vorderen Theil des Halſes. Mit dieſegg
ſetzichen Verwundung ſprang das Mädchen die Treppe lt *
in die im gleichen Hauſe befindliche Sänger'ſche Wirthſchaft
fiel blutüberſtrͤmt und ohnmächtig am Buffet zuſammen
zwiſchen hatte ſich Bechthold mit der gleichen Waffe die

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