haben, und daß die Verhaftung Schnäbels's auf französi-
schem Gebiete stattgefuuden hat. Am tollsten geberden sich
die Nowosti, welche die deutsche Herrschaft in Elsaß-
Lothringen und ihre Greuel in so lebhaften Farben
schildert, daß man unwillkürlich den Eindruck erhält, russi-
sche Zustände haben dem Blatte für sein Gemälde Modell
gestanden. Am Schlüsse stellt das Blatt den deutschen
Reichskanzler höhnisch als einen allmählich schwach werden-
den Greis dar, eine Art der Polemik, welche selbst in
einem Tbeil der russ. Presse Anstoß erregt hat.
Deutsches Re i ch.
Karlsruhe, 29. April. (Amtlich.) Seine Königliche
Hoheit der Großherzog haben den Lehramtspraktikanten
Hermann Becker am Gymnasium in Konstanz zum Pro-
fessor an der höheren Bürgerschule in Waldshut ernannt.
Krrlsruhk, 29. April. (Ordensverleihungen.) Außer
den bereits mitgetheilten Ordensauszeichnungen und Verleihungen
von Medaillen haben Se. König!. Hoh. der Grobherzog noch
verliehen:
den Orden vom Zähringer Löwen: das Commandeurkrenz
II. Klasse: dem Vortragenden Rath im Reichseisenbahnamt, Ge-
heimen Oberregierungsrath Dr. Theodor Gerstner in Berlin,
dem Vortragenden Rath im Auswärtigen Amt des Deutschen-
Reichs, Geheimen Legationsrath Artvur von Brauer daselbst,
den Reichsgerichtsräthen Karl Wielandt und Rudolf Nokk in
Leipzig, dem Landgericht-Präsidenten Dr. Friedrich Kiefer in
Konstanz, dem Direktor des Oberschulraths August Joos in
Karlsruhe, dem Geheimen Rath Professor Dr. August Weismann
an der Universität Freiburg, dem Hofkapellmeister a. D. Vincenz
Lachner in Karlsruhe, den Geheimen Referendaren Moritz Frey
und Gustav v. Stösser beim Ministerium des Innern, dem Mini-
sterialdirektor im Ministerium der, Finanzen, Karl Freiherrn
Teuffel v. Birkensee, dem Steuerdirektor Emil Glöckner und dem
Direktor der Rechnungsabtheilung der Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen Dr. Adolf Gmeliu;
das Eichenlaub zum innehabende» Ritterkreuz I. Klasse: dem
Oberschulrath, Geheimen Hofrath Adolf Armbruster, dem Vor-
sitzenden Rath im Katholischen Oberüiftnngsrath, Geheimen Ralh
III. Klasse Bernhard Schmidt, dem Hofrath Professor Dr. Wil-
helm Jakob Behagbel an der Universität Freiburg, dem Geheimen
Hofrath Professor Dr. Wilhelm Schell an der Technischen Hoch-
schule, dem Oberamtsrichter a. D. Adolf Schütt in Bruchsal,
dem katholischen Dekan und Stadtpfarrer Josef Benz in Karls-
ruhe, dem Äerwaltungsgerichtsrath Adolf v. Feder, den Majoren
Berthold Gemehl, Kommandant des Ist Gendarmeriedistriks, und
Julius v. Stabel, Kommandant des HI. Gendarmeriedistrikts;
das Ritterkreuz I. Klasse: dem Gartendirektor Josef Pfister
in Karlsruhe, den Landgerichtsräthen Hermann Bauer in Kon-
stanz, Wilhelm Bulster, Dr. Johann Hauser und Friedrich
Weizel in Karlsruhe, Wilhelm Rupp, Karl Kamm und
August Exter in Mannheim, Maximilian Buisson in Mos-
bach, dem Eisten Staatsanwalt Hermann Dietz in Mannheim,
den Oberamtsrichtern Ludwig Kugler in Eppingen, Franz Stehle
in Bühl und Johann Jäckle in Wertheim, dem Handelsrichter
Kaufmann Johann Bernhard Götz in Mannheim, dem Straf-
anstaltsdirektor Wilhelm Löhlein in Bruchsal, dem Strafanstalts-
geistlichen Pfarrer Karl Krauß in Freiburg, den Gymnasiums-
direktoren Emil Bender in Freiburg und Dr. Emil Oster in
Rastatt, dem Realschuldirektor Dr. Friedrich Fiinhaber in Karls-
ruhe, dem Direktor der Höheren Mädchenschule Ludwig Sevin in
Baden, dem Professor Dr. Philipp Platz am Realgymnasium in
Karlsruhe, dem Vorstande der Gewerbeschule, Rektor Philipp
Huber in Pforzheim, dem Kreisschulrath Adam Goth in Mos-
bach, dem Professor Julins Pecher an der Baugewerkeschule in
Karlsruhe, dem Professor Dr. Karl von Amira an der Univer-
sität Freiburg, dem Universiläts-Wirthschaftsadministrator Ernst
Pfister und dem Studicnstiftungen-Verwalter Karl Haueisen in
Freiburg, dem Forstrath Professor Wilhelm Weise und dem Pro-
fessor Tr. Matthäus Haid, beide an der Technischen Hochschule,
dem Regens des katholischen Priestersennnars und Pfarrrektor
in St. Peter, Timotheus Knittel, dem katholischen Stadtpfarrer
Franz Winterroth in Mannheim, den evangelischen Pfarrern
Julius Haag in Neckarzimmern, Adolf Vischer in Betberg und
Dekan Wilhelm Frank in Dühren, dem Fürstlich Fürstenbergischen
Archivar Dr. Franz Ludwig Baumann in Donaueschingen, dem
Componisten Jacques Rosenhain in Baden, dem Fabrikinspektor
Regierungsrath Friedrich Wörishoffer, dem Regierungsrath
Wilhelm Becker beim Verwaltungshof, den Oberamtmännern
August Brecht in Ettenheim, Ludwig Gaddum in Oberkirch,
Adolf Föhrenbach in Schopfheim, Gustav Schaible in Engen,
Julins Wirth in Bretten, Alexander Pfisterer in Mosbach, Otto
Beck in Waldkirch und Wilhelm Haape in Villingen, dem katho-
lischen Hausgeistlichen an der Heil- und Pflegeanstalt Jllenau
Liborius Peter, deu Oberingenieuren Otto Fieser in Mannheim
und Hermann Bär in Karlsruhe, dem Stadtralh Ludwig Leiner
in Konstanz, dem Kommerzienrath Friedrich Engelhorn in Mann-
heim, den Fabrikanten Peter Gülich in Pforzheim und Johann
Hiller daselbst, dem Kaufmann Julius Wassermann in Mann-
heim, dem Holzhändler Gottlieb Klumpp in Gernsbach, den
Gutsbesitzern Otto Stein in Kudach und Ferdinand Reiß in
Karlsruhe, dem Ministerialrath Wilhelm Sachs beim Finanz-
ministerium, dem Domänenrath Eugen Becker bei der Domänen-
direktion, dem Forstrath Friedrich Schweickbard ebendaselst, dem
Finanzrath Theodor Klaub bei der Steuerdirektion, dem Negie-
rnngsrath Robert Stutz bei der Generaldirektion der Staats-
eisenbahucn, dem Baurath Theodor Goßwcyler ebendaselbst, dem
Vorstand der Eisenbahnhauptkasse, Hauptkassier Wilhelm Sievert,
dem Vorstand der Eisenbahnhauptkontrole I., Oberrechnungrath
Hermann Lorentz, dem Oberbetriebsiusp.ktor bei der Main-Neckar-
Eifenbahn, Großherzoglich Hessischen Bauralh Heinrich Gehner
in Darmstadt, dem Maschinen-Jngenieur bei der Main-Ncckar-
Eisenbahn Großherzoglich Hessischen Baurath Philipp Ferdinand
Becker ebendaselbst, dem Domänenverwalter Julius Bulster in
Freiburg, den Oberförstern Karl Asal in Wertheim, Eduard
Hartweg iu Pforzheim, Albrecht Freiherr v. Göler in Karlsruhe,
Wilhelm Held in Bretten und Karl Krutina in Freiburg, dem
Oberzollinspektor Emil Neumann in Karlsruhe, dem Oberein-
nehmer Julius Beutler in Rastatt, den Obereinnehmern und
Domänenverwaltern Heinrich Bach in Tauberbischofsheim und
Hermann Böckh in Oberkirch, dem Betriebsinspektor Karl Becht
in Offenburg, dem Bezirksbauinspektor August Braun in Kon-
stanz und den Postdirekioren Wilhelm Malzacher in Offenburg
und Ludwig Hermann Möller in Mannheim;
das Ritterkreuz II. Klasse: den Gerichtsnotaren Ludwig Was-
mer in Freiburg, Karl Stricker in Bruchsal, Florian Schroth in
Mannheim, Ernst Georg Kühndeutsch in Oberkirch und Karl
Heinrich Reutti in Karlsruhe, dem Oberlehrer Martin Brügger
am Gymnasium in Konstanz, dem Gewerbeschulhauptlehrer Eduard
Kuhn in Rastatt, dem Maler Rudolf Gleichauf in Karlsruhe,
dem Bezirksarzt Dr. Wilhelm Hauser in Triberg, dem Hospital-
verwalter Nikolaus Strauß in Freiburg, dem Bezirksgeometer
Albert Krieger in Durlach, dem Vorsitzenden des Kreisausschuffes
Waldshut, Gustav Straubhaar in Waldshut, dem Mitglied des
Kreisausschusses Mannlieim, Ludwig Klein in Weinheim, den
Stadträthen Wilhelm Engelhardt und Friedrich Weber in Karls-
ruhe, dem Vorschußvereinsdirektor Wilhelm Hepp in Pforzheim,
dem Commandauten der freiwilligen Feuerwehr Jakov Schnee-
berger in Achern, dem Vorstand der Viehzuchtgenossenschaft, Be-
zirksthierarzt Bartholomäus Heitzmann in Meßkirch, demPremier-
lieutenaut a. D. Jakob Nückles in Rastatt, dem Gutsbesitzer
Wilhelm Paravicini in Bretten, dem Occonomen Heinrich Beck
in Meßkirch, dem Uhrenfabrikanten Karl Maier in Villingen, den
Fabrikanten Gustav Siegle in Pforzheim, Otto Maurer in Lahr
und Ferdinand Seneca in Karlsruhe, dem Direktor der Dampf-
sckleppschifffahrtsgesellschaft Johann Keßler in Mannheim, dem
Mechaniker Wendelin Bouquet daselbst, dem Rcchnnngsrath Georg
Baumann bei der Domänendircktion, den Oberstenercommissären
Friedrich Karl Lambinus in Baden und Leopold Tröndle in
Bruchsal, dem Gütervcrwalter Jgna, Eglau in Offenburg:
die große goldene Verdienstmedaille: dem Hauslehrer Friede.
Seelig am Landesgekängniß in Mannheim, dem Reallehrer Karl
Josef Karlein in Offenburg, dem Bürgermeister Josef Oser in
Steinbach, Amts Bühl, dem Werkmeister Johann Keßler in
Karlsruhe, dem Bahnmeister Josef Sprauer in Konstanz und dem
Magaziiismeister Johann Karl Hollerbach in Karlsruhe.
Außerdem wurde noch in großer Zahl die kleine goldene und
die silherne Verdienstmedaille verliehen. Erstere erhielten —
außer den bereits in gestriger Nummer Erwähnten — im
Kreis Heidelberg Werkmeister Georg Klingmann in Rappenau u.
Bahnmeister Gg. Adam Klug in Waibstadt; die silberne Ver-
dienstmedaille Gerichtsvollzieher Karl Mader, Amtsgerichtsdiener
Franz Hauck, beide in Eppingen, Stiftswaldbüter Georg Michael
Goll in Hoffenheim, Steuereinnehmer Mathias Waldvogel in
Sinsbeim, Postschaffner Johann Heinrich Krebs in Meckesheim.
Karlsruhe, 29. April. Der Staatsanzeiger für das
Großherzogthum Baden Nr. 15 vom 29. April enthält
Unmittelbare Allerhöchste Entschließungen Seiner Königlichen
Hoheit des Großherzogs, Dienstnachrichten, Ordens- und
Medaillenverleihungen betreffend.
Berlin, 29. April. Der Kaiser nahm heute Vor-
mittag mehrere kurze Vorträge entgegen, empfing später im
Beisein des Staatssekretärs Grafen Herbert v. Bismarck
den neuernannten Gesandten von Uruguay zur Über-
reichung seines Beglaubigungsschreibens und conferirte dann
noch mit dem Staatssekretär Grafen v. Bismarck und
dem Wirkt. Geheimrath v. Wilmowski. Nachmittags
machte der Kaiser eine Spazierfahrt, empfing dann den
Generalquartiermeister Generallieutenant Grafen Waldersee
und den Grafen Stolberg.
Die Wahlprüfungscommission des Reichstages hat am
Donnerstag die Wahl des freiconservativen Abgeordneten
Neubarth für Qu e rfurt-M er se b u r g für ungiltig
erklärt. Neubarth hatte bekanntlich ebensoviel Stimmen
erhalten, wie der frühere freisinnige Abgeordnete des Wahl-
kreises, Panse. Demgemäß wurde das Loos gezogen,
welches für Neubarth entschied. Aus den Wahlakten aber
hat sich nunmehr ergeben, daß 75 Stimmzettel, welche auf
Panse lauteten, mit Unrecht von den Wahlvorständen der
Abstimmungsbezirke für ungiltig erklärt worden sind. Es
waren dieses sümmtlich Stimmzettel, auf denen der gedruckte
Name Neubarth durchstrichen und der Name Panse mit
Tinte verzeichnet war. Der Referent, Abgeordneter
Schmieder, beantragte, daß der Reichstag neben der Un-
giltigkeitserklärung der Proclamirung von Neubarth zugleich
Herrn Panse als rechtmäßigen Abgeordneten des Kreises
anerkennen möge. Die Mehrheit der Commission lehnte
aber den Antrag auf Einberufung des Herrn Panse als
Reichstagsabgeordneter ab und hat demnach eine Neuwahl
in Querfurt-Merseburg zu erfolgen.
Die Reichstagscom Mission erledigte in zweiter
Lesung das Kun stbuttergesetz. Die bedenklichsten
Beschlüsse der ersten Lesung wurden beseitigt, so das Ver-
bot, Margarin zu färben und die Vorschrift, daß Kunst-
butter nur in besonderen farbigen Fässern verkauft werden
dürfe. Aufrecht ^erhalten wurde das Verbot, Margarin
und Butter zu mischen.
Die Zuckersteuer soll eine Herabsetzung der Rüben-
steuer auf eine Mark, eine Rendement von I zu 10 und
eine Constumsteuer von 10 M. für den Doppelcentner in
Aussicht nehmen.
Heute verlautete hier nach dem Frkf. I., die Verhän-
gung des Kriegszustandes über Elsaß-Lothringen
sei zur Abwehr landesverrätherischer Anzettelungen zu ge-
wärtigen.
Danzig, 29. April. Die Danziger Ztg. meldet: Der
Staatsanwalt erhob gegen 26 hiesige Socialisten
wegen Theilnahme an geheimen Verbindungen, gegen 11
derselben auch wegen Aufreizung zu Gewaltthätigkeiten und
gegen 11 andere wegen Verbreitung verbotener Schriften
Anklage.
Straßburg, 29. April. Der Straßburger Musik-
verein „Fanfare Selenique" ist lt. Frkf. Ztg. von der Be-
hörde aufgelöst worden.
Metz, 29. April. Der französische Specialcommissär
Schnäbel« ist von der deutschen Behörde wieder in
Freiheit gesetzt worden. Dieser Schritt der deutschen
Regierung wird, begründetem Vernehmen nach, dadurch
veranlaßt, daß Schnäbel« die deutsche Grenze in Gemäß-
heit einer Aufforderung deutscher Beamten überschritten hat.
Dies kommt einem freien Geleite gleich, und die Gefangen-
haltung würde sich unter diesen Umständen nicht rechtferti-
gen lassen.
Äesterreichische Monarchie.
Wien, 29. April. Im Reichsrath wies der Finanz-
minister v. Dunajewski in einer großen Budgetrede den
Gedanken des Branntweinmonopols als unerprobt zurück
und betonte vor allem die ungeheuren Kosten der Ueber-
wachung. — Den Gerüchten von einem bevorstehenden
Systemwechsel in Serbien wird durch Belgrader Berichte
bestimmt widersprochen. Mehrere Mitglieder der bisherigen
Regierung, als entschiedene Vertreter des derzeitigen Systems
bekannt, treten auch in das neue Kabinet ein, dessen Er-
gänzungen, wie versichert wird, jedenfalls aus der Fort-
schrittspartei erfolgen werden.
Wien, 29. April. Die Herrenhauscommission
zur Berathnng des Antrags Schmerling wegen des
Särachenerlasses nahm den von der Mittelpartei gestellten
Antrag an, welcher besagt, die Gesetzwidrigkeit des Sprachen-
rrlasscs könne aus den bestehenden Verordnungen nicht ab-
geleitet werden, die Regierung werde jedoch aufgefordert,
den von ihr selbst anerkannten bisherigen Bestand der deut-
schen Sprache als den des inneren Dienstes bei den Be-
hörden und den Gerichten aufrecht zu erhalten.
Ausland.
Haag, 29. April. Die Zweite Kammer hat den
Gesetzentwurf, betreffend die Verlängerung der Dienstzeit dec
Milizen um 1 Jahr, mit 40 gegen 19 Stimmen ange-
nommen.
Paris, 29. April. Der französische Botschafter Her-
bette telegraphirt aus Berlin, das Auswärtige Amt werde
heute oder morgen eine Verfügung betreffs der Freilassung
des Spions Schnäbel« dem Kaiser zur Unterschrift ver-
legen. Wie verlautet, wird Schnäbel« von Pagny verseh
werden. — In der neuesten Depesche meldet der Botschafter
Herbette aus Berlin, er habe die vollständigen Unter-
suchungsakten abgeschickt und habe Grund, anzunehmen,
daß Schnäbel« noch heute freigelassen werde.
London, 29. April. Wie das Bureau Reuter erfährt,
sei noch immer ein Grund zur Annahme vorhanden,
werde dem Emir von Afghanistan gelingen, sti«?
Autorität über die Insurgenten wieder herzustellen. Sollte
jedoch der Emir gestürzt werden, so seien bereits die Plä«e
zur Verhinderung von Verwicklungen erwogen, sodaß der
Sturz des Emirs England und Rußland Gelegenheit gebe«
dürfte, gemeinsame Vorkehrungen zu treffen, um einen Krieg
der afghanischen Stämme zu unterdrücken und Afghanis!«"
unter einen von England und Rußland geschützten, beiden
Mächten genehmen Herrscher zu stellen.
Rom, 29. April. Der Finanzminister Magliani hat
soeben das Budget vorgelegt. Die neuen militärischen
Aufwendungen betragen fünfzig Millionen. Das genaue
Deficit für 1886/87 beträgt 91 310 480 Lire. Die neu-
lich eingeführten Zölle sollen 79 Millionen dieses Deficit
decken.
Petersburg, 29. April. In der gestrigen Nacht wur-
den die Personen, welche der Betheiligung an deM
Mordan schlage vom 13. März beschuldigt werdem
unter starker Gendarmeriebedeckung aus der Festung nach
dem Untersuchungsgefängniß gebracht. Dort stellten sich dir
Gendarmen in langen Reihen mit einem Schritt Zwischen-
raum auf und auf beiden Seiten nahmen Offiziere Stellung!
dann wurden die Gefangenen einzeln aus ihren Zellen ge-
rufen und, als sie vortraten, von je zwei Gendarmen
die Mitte genommen; viele der Gefangenen bewahrten eine
erkünstelte Ruhe, einige, auch eine Frau, zeigten ein höh-
nisches Lächeln. Auffallend ist die Jugend der meisten An-
geklagten. Der Gefängnitzdirektor ließ sich vom Gendarmerie-
Offizier eine schriftliche Quittung darüber geben, daß er
ihm alle Gefangenen überliefert habe. Dann ging es ooi«
Gefängnis; durch einen langen unterirdischen Gang, in dein
alle fünf Schritte Militärposten aufgestellt waren, nach dein
Gerichtssaal. Dort nahmen die Angeklagten auf 3 Bänke«
Platz. Die Gendarmen stellten sich mit gezogenem Säbel
zu ihren Seiten ans; vor den Angeklagten saßen die Vel-
theidiger. Das Publikum wurde nicht zugelassen. Um lst
Uhr hieß es, die Richter kommen; alle, auch die Gefangene«
standen auf. Die Sitzung begann nun mit der Verlesung
der langen Anklageschrift. Am meisten bloßgestellt erschiene«
unbedingt Generalow und Androjews ki, beide St«-
denteu von kosakischer Abstammung. Im ganzen befinde«
sich neun Studenten unter den Angeklagten, unter diese«
zwei mit den polnischen Namen Lukaschewitz und Pilsutzki,'
auch der Apotheker aus Wilna, der die Gifte für die
Bomben geliefert, ist Pole. Die Frauen sind 2 Hebamme«
und eine ganz junge Volksschullehrerin; letztere ist durch
einen Brief bloßgestellt, welcher den Anschlag angekündigt.
Die Bücher, welche die Bomben enthielten, sind Bände der
Gynäkologie von Herz; das Innere war aus denselben
herausgeschnitten, das Aeußere dagegen unverändert geasstm
Aus Stadt und Land.
ch Heidelberg, 30. April. Morgen wird hier innerhalb dec
evangelische» Gemeinde ein Fest gefeiert, welches zwar im ein-
fachsten Nahmen gehalten, um so mehr aber von den aufrichtige«
und herzlichen Glückwünschen weiter Kreise getragen sein wird-
Herr Decan Schellen berg — soeben auch vom Großherzog
mit dem Titel „Kirchenrath" ausgezeichnet — feiert das Jubi-
läum seiner 25jährigen Wirksamkeit in hiesiger
Gemeinde. Im Jahre 1862 war er von der Pfarrei Gem-
mingen an die diesige Heiliggcistgemeinde und zugleich als zweiter
Lehrer an das Predigerseminar berufen worden. Nachdem er
1867 an die Providenzgemeiude übergelreten war, übernahm ec
nach dem Tode des Decan Herbst als Vorsitzender die Leitung
der ganzen Gemeinde und gleichzeitig, durch Wahl berufen, das
Decanat der Diöcese Mannheim-Heidelberg. Es ist eine umfang-
und arbeitsreiche Thätigkeit, welche Decan Sche.-enberg innerhalb
25 Jahren entfaltet hat, aber er hat seinen Beruf mit solcher
pflichttreuen Hingebung, mit solcher religiösen Wärme und ächtcr
Menschenliebe erfüllt, daß die Zahl derer keine geringe ist. die ihm
nicht nur die allgemeine Achtung vor beruflicher Tüchtigkeit und
vor einem reinen Charakter widmen, sondern auch die dankbare
Verehrung, welche sich der treue, theilnehmcnde Seelsorger i«
ihren Herzen erworben hat. Wenn das kirchliche Leben in hiesiger
Gemeinde ein lebendiges und reges ist, so hat Herr Dec-«
Schellenberg und seine eifrige 25jährige Arbeit daran ein wesent-
liches Verdienst, und Misere drei schön restaurirten Kirchen, die
> in Stolz unserer Stadt sind, werden ans lange auch ein Denkmal
bleiben für die unermüdliche Thätigkeit dessen, der auch immer
die Seele dieser Restanrationsarbciten gewesen ist. Wir wünschet
von Herzen, daß dec Herr Kirchenrath, der von schwerer Kra«'-
he t tu den letzten Jahren wieder zur alten Kraft zurückgekehrt
ist, auf noch lange Jahre seine segensreiche Thätigkeit an der
hiesigen Gemeinde entfalten möge.
8 Hridlibrrg, 30. April. Nachdem Se. König!. Hoh. der Groß-
herzog »uterin 24. d. M. giiädigst geruht haben, dem Amtsge-
richisregistrator Theodor Heim die kleine goldene und dem
Gerichtsvollzieher Stefan Köberlin die silberne CivU-
Verdienstmedaille zu verleihen, versammelten sich auf er-
gangene Einladung gestern Mittag 12 Uhr die Herren Beamten
sowie die Angestellten des Großh. Amtsgerichts, ein Vertreter
des Grdßh. Bezirksamtes und der Großh. Staatsanwaltschaft-
die Herren Amtmann v. Krafft und Amtsanwalt Referendar
Bonns, der Hr. Polizeicommissär und der Gendarmeriewacht-
meister mit einem Theile ihrer Mannschaften in dem Schöffe«-
gerichtssaale, woselbst der Herr Oberamtsrichter B ü ch n er >M
Auftrage Sr. Exc. des Herrn Justizministerialpräsidenteu, nach-
dem er die Verdienste der Dekorirteu und der Gnade desLandeS-
fürsteii in schwungvoller Rede gedacht, denselben die Medaille«
feierlichst überreichte. Mit einem Dank derDekorirten und einem
Hoch der Versammlung auf Se. Königl. Hoh. den Großherzog
schloß die Feier.
schem Gebiete stattgefuuden hat. Am tollsten geberden sich
die Nowosti, welche die deutsche Herrschaft in Elsaß-
Lothringen und ihre Greuel in so lebhaften Farben
schildert, daß man unwillkürlich den Eindruck erhält, russi-
sche Zustände haben dem Blatte für sein Gemälde Modell
gestanden. Am Schlüsse stellt das Blatt den deutschen
Reichskanzler höhnisch als einen allmählich schwach werden-
den Greis dar, eine Art der Polemik, welche selbst in
einem Tbeil der russ. Presse Anstoß erregt hat.
Deutsches Re i ch.
Karlsruhe, 29. April. (Amtlich.) Seine Königliche
Hoheit der Großherzog haben den Lehramtspraktikanten
Hermann Becker am Gymnasium in Konstanz zum Pro-
fessor an der höheren Bürgerschule in Waldshut ernannt.
Krrlsruhk, 29. April. (Ordensverleihungen.) Außer
den bereits mitgetheilten Ordensauszeichnungen und Verleihungen
von Medaillen haben Se. König!. Hoh. der Grobherzog noch
verliehen:
den Orden vom Zähringer Löwen: das Commandeurkrenz
II. Klasse: dem Vortragenden Rath im Reichseisenbahnamt, Ge-
heimen Oberregierungsrath Dr. Theodor Gerstner in Berlin,
dem Vortragenden Rath im Auswärtigen Amt des Deutschen-
Reichs, Geheimen Legationsrath Artvur von Brauer daselbst,
den Reichsgerichtsräthen Karl Wielandt und Rudolf Nokk in
Leipzig, dem Landgericht-Präsidenten Dr. Friedrich Kiefer in
Konstanz, dem Direktor des Oberschulraths August Joos in
Karlsruhe, dem Geheimen Rath Professor Dr. August Weismann
an der Universität Freiburg, dem Hofkapellmeister a. D. Vincenz
Lachner in Karlsruhe, den Geheimen Referendaren Moritz Frey
und Gustav v. Stösser beim Ministerium des Innern, dem Mini-
sterialdirektor im Ministerium der, Finanzen, Karl Freiherrn
Teuffel v. Birkensee, dem Steuerdirektor Emil Glöckner und dem
Direktor der Rechnungsabtheilung der Generaldirektion der Staats-
eisenbahnen Dr. Adolf Gmeliu;
das Eichenlaub zum innehabende» Ritterkreuz I. Klasse: dem
Oberschulrath, Geheimen Hofrath Adolf Armbruster, dem Vor-
sitzenden Rath im Katholischen Oberüiftnngsrath, Geheimen Ralh
III. Klasse Bernhard Schmidt, dem Hofrath Professor Dr. Wil-
helm Jakob Behagbel an der Universität Freiburg, dem Geheimen
Hofrath Professor Dr. Wilhelm Schell an der Technischen Hoch-
schule, dem Oberamtsrichter a. D. Adolf Schütt in Bruchsal,
dem katholischen Dekan und Stadtpfarrer Josef Benz in Karls-
ruhe, dem Äerwaltungsgerichtsrath Adolf v. Feder, den Majoren
Berthold Gemehl, Kommandant des Ist Gendarmeriedistriks, und
Julius v. Stabel, Kommandant des HI. Gendarmeriedistrikts;
das Ritterkreuz I. Klasse: dem Gartendirektor Josef Pfister
in Karlsruhe, den Landgerichtsräthen Hermann Bauer in Kon-
stanz, Wilhelm Bulster, Dr. Johann Hauser und Friedrich
Weizel in Karlsruhe, Wilhelm Rupp, Karl Kamm und
August Exter in Mannheim, Maximilian Buisson in Mos-
bach, dem Eisten Staatsanwalt Hermann Dietz in Mannheim,
den Oberamtsrichtern Ludwig Kugler in Eppingen, Franz Stehle
in Bühl und Johann Jäckle in Wertheim, dem Handelsrichter
Kaufmann Johann Bernhard Götz in Mannheim, dem Straf-
anstaltsdirektor Wilhelm Löhlein in Bruchsal, dem Strafanstalts-
geistlichen Pfarrer Karl Krauß in Freiburg, den Gymnasiums-
direktoren Emil Bender in Freiburg und Dr. Emil Oster in
Rastatt, dem Realschuldirektor Dr. Friedrich Fiinhaber in Karls-
ruhe, dem Direktor der Höheren Mädchenschule Ludwig Sevin in
Baden, dem Professor Dr. Philipp Platz am Realgymnasium in
Karlsruhe, dem Vorstande der Gewerbeschule, Rektor Philipp
Huber in Pforzheim, dem Kreisschulrath Adam Goth in Mos-
bach, dem Professor Julins Pecher an der Baugewerkeschule in
Karlsruhe, dem Professor Dr. Karl von Amira an der Univer-
sität Freiburg, dem Universiläts-Wirthschaftsadministrator Ernst
Pfister und dem Studicnstiftungen-Verwalter Karl Haueisen in
Freiburg, dem Forstrath Professor Wilhelm Weise und dem Pro-
fessor Tr. Matthäus Haid, beide an der Technischen Hochschule,
dem Regens des katholischen Priestersennnars und Pfarrrektor
in St. Peter, Timotheus Knittel, dem katholischen Stadtpfarrer
Franz Winterroth in Mannheim, den evangelischen Pfarrern
Julius Haag in Neckarzimmern, Adolf Vischer in Betberg und
Dekan Wilhelm Frank in Dühren, dem Fürstlich Fürstenbergischen
Archivar Dr. Franz Ludwig Baumann in Donaueschingen, dem
Componisten Jacques Rosenhain in Baden, dem Fabrikinspektor
Regierungsrath Friedrich Wörishoffer, dem Regierungsrath
Wilhelm Becker beim Verwaltungshof, den Oberamtmännern
August Brecht in Ettenheim, Ludwig Gaddum in Oberkirch,
Adolf Föhrenbach in Schopfheim, Gustav Schaible in Engen,
Julins Wirth in Bretten, Alexander Pfisterer in Mosbach, Otto
Beck in Waldkirch und Wilhelm Haape in Villingen, dem katho-
lischen Hausgeistlichen an der Heil- und Pflegeanstalt Jllenau
Liborius Peter, deu Oberingenieuren Otto Fieser in Mannheim
und Hermann Bär in Karlsruhe, dem Stadtralh Ludwig Leiner
in Konstanz, dem Kommerzienrath Friedrich Engelhorn in Mann-
heim, den Fabrikanten Peter Gülich in Pforzheim und Johann
Hiller daselbst, dem Kaufmann Julius Wassermann in Mann-
heim, dem Holzhändler Gottlieb Klumpp in Gernsbach, den
Gutsbesitzern Otto Stein in Kudach und Ferdinand Reiß in
Karlsruhe, dem Ministerialrath Wilhelm Sachs beim Finanz-
ministerium, dem Domänenrath Eugen Becker bei der Domänen-
direktion, dem Forstrath Friedrich Schweickbard ebendaselst, dem
Finanzrath Theodor Klaub bei der Steuerdirektion, dem Negie-
rnngsrath Robert Stutz bei der Generaldirektion der Staats-
eisenbahucn, dem Baurath Theodor Goßwcyler ebendaselbst, dem
Vorstand der Eisenbahnhauptkasse, Hauptkassier Wilhelm Sievert,
dem Vorstand der Eisenbahnhauptkontrole I., Oberrechnungrath
Hermann Lorentz, dem Oberbetriebsiusp.ktor bei der Main-Neckar-
Eifenbahn, Großherzoglich Hessischen Bauralh Heinrich Gehner
in Darmstadt, dem Maschinen-Jngenieur bei der Main-Ncckar-
Eisenbahn Großherzoglich Hessischen Baurath Philipp Ferdinand
Becker ebendaselbst, dem Domänenverwalter Julius Bulster in
Freiburg, den Oberförstern Karl Asal in Wertheim, Eduard
Hartweg iu Pforzheim, Albrecht Freiherr v. Göler in Karlsruhe,
Wilhelm Held in Bretten und Karl Krutina in Freiburg, dem
Oberzollinspektor Emil Neumann in Karlsruhe, dem Oberein-
nehmer Julius Beutler in Rastatt, den Obereinnehmern und
Domänenverwaltern Heinrich Bach in Tauberbischofsheim und
Hermann Böckh in Oberkirch, dem Betriebsinspektor Karl Becht
in Offenburg, dem Bezirksbauinspektor August Braun in Kon-
stanz und den Postdirekioren Wilhelm Malzacher in Offenburg
und Ludwig Hermann Möller in Mannheim;
das Ritterkreuz II. Klasse: den Gerichtsnotaren Ludwig Was-
mer in Freiburg, Karl Stricker in Bruchsal, Florian Schroth in
Mannheim, Ernst Georg Kühndeutsch in Oberkirch und Karl
Heinrich Reutti in Karlsruhe, dem Oberlehrer Martin Brügger
am Gymnasium in Konstanz, dem Gewerbeschulhauptlehrer Eduard
Kuhn in Rastatt, dem Maler Rudolf Gleichauf in Karlsruhe,
dem Bezirksarzt Dr. Wilhelm Hauser in Triberg, dem Hospital-
verwalter Nikolaus Strauß in Freiburg, dem Bezirksgeometer
Albert Krieger in Durlach, dem Vorsitzenden des Kreisausschuffes
Waldshut, Gustav Straubhaar in Waldshut, dem Mitglied des
Kreisausschusses Mannlieim, Ludwig Klein in Weinheim, den
Stadträthen Wilhelm Engelhardt und Friedrich Weber in Karls-
ruhe, dem Vorschußvereinsdirektor Wilhelm Hepp in Pforzheim,
dem Commandauten der freiwilligen Feuerwehr Jakov Schnee-
berger in Achern, dem Vorstand der Viehzuchtgenossenschaft, Be-
zirksthierarzt Bartholomäus Heitzmann in Meßkirch, demPremier-
lieutenaut a. D. Jakob Nückles in Rastatt, dem Gutsbesitzer
Wilhelm Paravicini in Bretten, dem Occonomen Heinrich Beck
in Meßkirch, dem Uhrenfabrikanten Karl Maier in Villingen, den
Fabrikanten Gustav Siegle in Pforzheim, Otto Maurer in Lahr
und Ferdinand Seneca in Karlsruhe, dem Direktor der Dampf-
sckleppschifffahrtsgesellschaft Johann Keßler in Mannheim, dem
Mechaniker Wendelin Bouquet daselbst, dem Rcchnnngsrath Georg
Baumann bei der Domänendircktion, den Oberstenercommissären
Friedrich Karl Lambinus in Baden und Leopold Tröndle in
Bruchsal, dem Gütervcrwalter Jgna, Eglau in Offenburg:
die große goldene Verdienstmedaille: dem Hauslehrer Friede.
Seelig am Landesgekängniß in Mannheim, dem Reallehrer Karl
Josef Karlein in Offenburg, dem Bürgermeister Josef Oser in
Steinbach, Amts Bühl, dem Werkmeister Johann Keßler in
Karlsruhe, dem Bahnmeister Josef Sprauer in Konstanz und dem
Magaziiismeister Johann Karl Hollerbach in Karlsruhe.
Außerdem wurde noch in großer Zahl die kleine goldene und
die silherne Verdienstmedaille verliehen. Erstere erhielten —
außer den bereits in gestriger Nummer Erwähnten — im
Kreis Heidelberg Werkmeister Georg Klingmann in Rappenau u.
Bahnmeister Gg. Adam Klug in Waibstadt; die silberne Ver-
dienstmedaille Gerichtsvollzieher Karl Mader, Amtsgerichtsdiener
Franz Hauck, beide in Eppingen, Stiftswaldbüter Georg Michael
Goll in Hoffenheim, Steuereinnehmer Mathias Waldvogel in
Sinsbeim, Postschaffner Johann Heinrich Krebs in Meckesheim.
Karlsruhe, 29. April. Der Staatsanzeiger für das
Großherzogthum Baden Nr. 15 vom 29. April enthält
Unmittelbare Allerhöchste Entschließungen Seiner Königlichen
Hoheit des Großherzogs, Dienstnachrichten, Ordens- und
Medaillenverleihungen betreffend.
Berlin, 29. April. Der Kaiser nahm heute Vor-
mittag mehrere kurze Vorträge entgegen, empfing später im
Beisein des Staatssekretärs Grafen Herbert v. Bismarck
den neuernannten Gesandten von Uruguay zur Über-
reichung seines Beglaubigungsschreibens und conferirte dann
noch mit dem Staatssekretär Grafen v. Bismarck und
dem Wirkt. Geheimrath v. Wilmowski. Nachmittags
machte der Kaiser eine Spazierfahrt, empfing dann den
Generalquartiermeister Generallieutenant Grafen Waldersee
und den Grafen Stolberg.
Die Wahlprüfungscommission des Reichstages hat am
Donnerstag die Wahl des freiconservativen Abgeordneten
Neubarth für Qu e rfurt-M er se b u r g für ungiltig
erklärt. Neubarth hatte bekanntlich ebensoviel Stimmen
erhalten, wie der frühere freisinnige Abgeordnete des Wahl-
kreises, Panse. Demgemäß wurde das Loos gezogen,
welches für Neubarth entschied. Aus den Wahlakten aber
hat sich nunmehr ergeben, daß 75 Stimmzettel, welche auf
Panse lauteten, mit Unrecht von den Wahlvorständen der
Abstimmungsbezirke für ungiltig erklärt worden sind. Es
waren dieses sümmtlich Stimmzettel, auf denen der gedruckte
Name Neubarth durchstrichen und der Name Panse mit
Tinte verzeichnet war. Der Referent, Abgeordneter
Schmieder, beantragte, daß der Reichstag neben der Un-
giltigkeitserklärung der Proclamirung von Neubarth zugleich
Herrn Panse als rechtmäßigen Abgeordneten des Kreises
anerkennen möge. Die Mehrheit der Commission lehnte
aber den Antrag auf Einberufung des Herrn Panse als
Reichstagsabgeordneter ab und hat demnach eine Neuwahl
in Querfurt-Merseburg zu erfolgen.
Die Reichstagscom Mission erledigte in zweiter
Lesung das Kun stbuttergesetz. Die bedenklichsten
Beschlüsse der ersten Lesung wurden beseitigt, so das Ver-
bot, Margarin zu färben und die Vorschrift, daß Kunst-
butter nur in besonderen farbigen Fässern verkauft werden
dürfe. Aufrecht ^erhalten wurde das Verbot, Margarin
und Butter zu mischen.
Die Zuckersteuer soll eine Herabsetzung der Rüben-
steuer auf eine Mark, eine Rendement von I zu 10 und
eine Constumsteuer von 10 M. für den Doppelcentner in
Aussicht nehmen.
Heute verlautete hier nach dem Frkf. I., die Verhän-
gung des Kriegszustandes über Elsaß-Lothringen
sei zur Abwehr landesverrätherischer Anzettelungen zu ge-
wärtigen.
Danzig, 29. April. Die Danziger Ztg. meldet: Der
Staatsanwalt erhob gegen 26 hiesige Socialisten
wegen Theilnahme an geheimen Verbindungen, gegen 11
derselben auch wegen Aufreizung zu Gewaltthätigkeiten und
gegen 11 andere wegen Verbreitung verbotener Schriften
Anklage.
Straßburg, 29. April. Der Straßburger Musik-
verein „Fanfare Selenique" ist lt. Frkf. Ztg. von der Be-
hörde aufgelöst worden.
Metz, 29. April. Der französische Specialcommissär
Schnäbel« ist von der deutschen Behörde wieder in
Freiheit gesetzt worden. Dieser Schritt der deutschen
Regierung wird, begründetem Vernehmen nach, dadurch
veranlaßt, daß Schnäbel« die deutsche Grenze in Gemäß-
heit einer Aufforderung deutscher Beamten überschritten hat.
Dies kommt einem freien Geleite gleich, und die Gefangen-
haltung würde sich unter diesen Umständen nicht rechtferti-
gen lassen.
Äesterreichische Monarchie.
Wien, 29. April. Im Reichsrath wies der Finanz-
minister v. Dunajewski in einer großen Budgetrede den
Gedanken des Branntweinmonopols als unerprobt zurück
und betonte vor allem die ungeheuren Kosten der Ueber-
wachung. — Den Gerüchten von einem bevorstehenden
Systemwechsel in Serbien wird durch Belgrader Berichte
bestimmt widersprochen. Mehrere Mitglieder der bisherigen
Regierung, als entschiedene Vertreter des derzeitigen Systems
bekannt, treten auch in das neue Kabinet ein, dessen Er-
gänzungen, wie versichert wird, jedenfalls aus der Fort-
schrittspartei erfolgen werden.
Wien, 29. April. Die Herrenhauscommission
zur Berathnng des Antrags Schmerling wegen des
Särachenerlasses nahm den von der Mittelpartei gestellten
Antrag an, welcher besagt, die Gesetzwidrigkeit des Sprachen-
rrlasscs könne aus den bestehenden Verordnungen nicht ab-
geleitet werden, die Regierung werde jedoch aufgefordert,
den von ihr selbst anerkannten bisherigen Bestand der deut-
schen Sprache als den des inneren Dienstes bei den Be-
hörden und den Gerichten aufrecht zu erhalten.
Ausland.
Haag, 29. April. Die Zweite Kammer hat den
Gesetzentwurf, betreffend die Verlängerung der Dienstzeit dec
Milizen um 1 Jahr, mit 40 gegen 19 Stimmen ange-
nommen.
Paris, 29. April. Der französische Botschafter Her-
bette telegraphirt aus Berlin, das Auswärtige Amt werde
heute oder morgen eine Verfügung betreffs der Freilassung
des Spions Schnäbel« dem Kaiser zur Unterschrift ver-
legen. Wie verlautet, wird Schnäbel« von Pagny verseh
werden. — In der neuesten Depesche meldet der Botschafter
Herbette aus Berlin, er habe die vollständigen Unter-
suchungsakten abgeschickt und habe Grund, anzunehmen,
daß Schnäbel« noch heute freigelassen werde.
London, 29. April. Wie das Bureau Reuter erfährt,
sei noch immer ein Grund zur Annahme vorhanden,
werde dem Emir von Afghanistan gelingen, sti«?
Autorität über die Insurgenten wieder herzustellen. Sollte
jedoch der Emir gestürzt werden, so seien bereits die Plä«e
zur Verhinderung von Verwicklungen erwogen, sodaß der
Sturz des Emirs England und Rußland Gelegenheit gebe«
dürfte, gemeinsame Vorkehrungen zu treffen, um einen Krieg
der afghanischen Stämme zu unterdrücken und Afghanis!«"
unter einen von England und Rußland geschützten, beiden
Mächten genehmen Herrscher zu stellen.
Rom, 29. April. Der Finanzminister Magliani hat
soeben das Budget vorgelegt. Die neuen militärischen
Aufwendungen betragen fünfzig Millionen. Das genaue
Deficit für 1886/87 beträgt 91 310 480 Lire. Die neu-
lich eingeführten Zölle sollen 79 Millionen dieses Deficit
decken.
Petersburg, 29. April. In der gestrigen Nacht wur-
den die Personen, welche der Betheiligung an deM
Mordan schlage vom 13. März beschuldigt werdem
unter starker Gendarmeriebedeckung aus der Festung nach
dem Untersuchungsgefängniß gebracht. Dort stellten sich dir
Gendarmen in langen Reihen mit einem Schritt Zwischen-
raum auf und auf beiden Seiten nahmen Offiziere Stellung!
dann wurden die Gefangenen einzeln aus ihren Zellen ge-
rufen und, als sie vortraten, von je zwei Gendarmen
die Mitte genommen; viele der Gefangenen bewahrten eine
erkünstelte Ruhe, einige, auch eine Frau, zeigten ein höh-
nisches Lächeln. Auffallend ist die Jugend der meisten An-
geklagten. Der Gefängnitzdirektor ließ sich vom Gendarmerie-
Offizier eine schriftliche Quittung darüber geben, daß er
ihm alle Gefangenen überliefert habe. Dann ging es ooi«
Gefängnis; durch einen langen unterirdischen Gang, in dein
alle fünf Schritte Militärposten aufgestellt waren, nach dein
Gerichtssaal. Dort nahmen die Angeklagten auf 3 Bänke«
Platz. Die Gendarmen stellten sich mit gezogenem Säbel
zu ihren Seiten ans; vor den Angeklagten saßen die Vel-
theidiger. Das Publikum wurde nicht zugelassen. Um lst
Uhr hieß es, die Richter kommen; alle, auch die Gefangene«
standen auf. Die Sitzung begann nun mit der Verlesung
der langen Anklageschrift. Am meisten bloßgestellt erschiene«
unbedingt Generalow und Androjews ki, beide St«-
denteu von kosakischer Abstammung. Im ganzen befinde«
sich neun Studenten unter den Angeklagten, unter diese«
zwei mit den polnischen Namen Lukaschewitz und Pilsutzki,'
auch der Apotheker aus Wilna, der die Gifte für die
Bomben geliefert, ist Pole. Die Frauen sind 2 Hebamme«
und eine ganz junge Volksschullehrerin; letztere ist durch
einen Brief bloßgestellt, welcher den Anschlag angekündigt.
Die Bücher, welche die Bomben enthielten, sind Bände der
Gynäkologie von Herz; das Innere war aus denselben
herausgeschnitten, das Aeußere dagegen unverändert geasstm
Aus Stadt und Land.
ch Heidelberg, 30. April. Morgen wird hier innerhalb dec
evangelische» Gemeinde ein Fest gefeiert, welches zwar im ein-
fachsten Nahmen gehalten, um so mehr aber von den aufrichtige«
und herzlichen Glückwünschen weiter Kreise getragen sein wird-
Herr Decan Schellen berg — soeben auch vom Großherzog
mit dem Titel „Kirchenrath" ausgezeichnet — feiert das Jubi-
läum seiner 25jährigen Wirksamkeit in hiesiger
Gemeinde. Im Jahre 1862 war er von der Pfarrei Gem-
mingen an die diesige Heiliggcistgemeinde und zugleich als zweiter
Lehrer an das Predigerseminar berufen worden. Nachdem er
1867 an die Providenzgemeiude übergelreten war, übernahm ec
nach dem Tode des Decan Herbst als Vorsitzender die Leitung
der ganzen Gemeinde und gleichzeitig, durch Wahl berufen, das
Decanat der Diöcese Mannheim-Heidelberg. Es ist eine umfang-
und arbeitsreiche Thätigkeit, welche Decan Sche.-enberg innerhalb
25 Jahren entfaltet hat, aber er hat seinen Beruf mit solcher
pflichttreuen Hingebung, mit solcher religiösen Wärme und ächtcr
Menschenliebe erfüllt, daß die Zahl derer keine geringe ist. die ihm
nicht nur die allgemeine Achtung vor beruflicher Tüchtigkeit und
vor einem reinen Charakter widmen, sondern auch die dankbare
Verehrung, welche sich der treue, theilnehmcnde Seelsorger i«
ihren Herzen erworben hat. Wenn das kirchliche Leben in hiesiger
Gemeinde ein lebendiges und reges ist, so hat Herr Dec-«
Schellenberg und seine eifrige 25jährige Arbeit daran ein wesent-
liches Verdienst, und Misere drei schön restaurirten Kirchen, die
> in Stolz unserer Stadt sind, werden ans lange auch ein Denkmal
bleiben für die unermüdliche Thätigkeit dessen, der auch immer
die Seele dieser Restanrationsarbciten gewesen ist. Wir wünschet
von Herzen, daß dec Herr Kirchenrath, der von schwerer Kra«'-
he t tu den letzten Jahren wieder zur alten Kraft zurückgekehrt
ist, auf noch lange Jahre seine segensreiche Thätigkeit an der
hiesigen Gemeinde entfalten möge.
8 Hridlibrrg, 30. April. Nachdem Se. König!. Hoh. der Groß-
herzog »uterin 24. d. M. giiädigst geruht haben, dem Amtsge-
richisregistrator Theodor Heim die kleine goldene und dem
Gerichtsvollzieher Stefan Köberlin die silberne CivU-
Verdienstmedaille zu verleihen, versammelten sich auf er-
gangene Einladung gestern Mittag 12 Uhr die Herren Beamten
sowie die Angestellten des Großh. Amtsgerichts, ein Vertreter
des Grdßh. Bezirksamtes und der Großh. Staatsanwaltschaft-
die Herren Amtmann v. Krafft und Amtsanwalt Referendar
Bonns, der Hr. Polizeicommissär und der Gendarmeriewacht-
meister mit einem Theile ihrer Mannschaften in dem Schöffe«-
gerichtssaale, woselbst der Herr Oberamtsrichter B ü ch n er >M
Auftrage Sr. Exc. des Herrn Justizministerialpräsidenteu, nach-
dem er die Verdienste der Dekorirteu und der Gnade desLandeS-
fürsteii in schwungvoller Rede gedacht, denselben die Medaille«
feierlichst überreichte. Mit einem Dank derDekorirten und einem
Hoch der Versammlung auf Se. Königl. Hoh. den Großherzog
schloß die Feier.