des Metzer Thierarztes Antoine, der, wie es
heißt, morgen oder übermorgen von Nancy hierher kommen
wird. Von bekannteren Blättern bringt nur die radicale
„Justice" einen heftigen Ausfall, der mit den Worten
schließt: „Die Ausweisung Antoines bedeutet die Nieder-
lage der brutalen Gewalt, den Sieg des Rechtes, die Re-
vanche des menschlichen Gewissens." Der „Gaulois", der
unnöthigerweise befürchtet, die Presse möge das Losungs-
wort mißverstehen oder mißachten, mahnt zu größter Ruhe
unter folgender für die Auffassung vieler französischen
Kreise sehr bezeichnenden Begründung: „Die Ausweisung
scheine der Ausgangspunkt eines neuen deutschen Preßfeld-
zugeS gegen Frankreich zu sein. Man hoffe durch dieselbe
einen Ausbruch des Zornes und der Empörung in Frank-
reich hervorzurufen, den man dann gegen Frankreich aus-
Leuten könne. Die französische Presse dürfe hierzu unter
keinen Umständen einen Vorwand liefern." Diese vom
Gaulois ausgeführten Gründe sind thaisächlich für die Hal-
tung der Zeitungen maßgebend und die sonst so zügellose
Presse fügt sich ihnen mit erstaunlicher Disciplin. — Der
Temps bemerkt zu der Nachricht der Times, wonach Ruß-
land die Betheiligung an der französischen Au s-
stelllung von 1889 ablehnen werde, weil es sich nicht
an einer Verherrlichung der Revolution bctheiligen könne:
der französische Botschafter, Laboulayc, habe Rußland
zur Betheiligung eingeladen. Dieses habe aber noch nicht
geantwortet; doch wisse man bereits, daß Rußland aus
Gründen der Ordnung im Innern und Aeußern, besonders
auch mit Rücksicht auf seine Handelsverhältnisse, die Ein-
ladung in höflicher, sympathischer Weise ablehnen werde.
Paris, 2. April. Es wird so viel Beschränktes,
Einseitiges, Voreingenommenes und nur zu viel von blindem
Nationalhaß getragener Unsinn über das deutsche Volk,
das deutsche Reich und zumal über den deutschen
Reichskanzler in Korrespondenzen, die bald aus Ber-
lin und bald aus Wien datirt sind, in Leitartikeln, Flug-
schriften und Büchern zu Markte gebracht, daß es erklärlich
ist, wenn gegen diese Schwärme von Wasser- und Sumpf-
vögeln, die von der Seine gen Osten ziehen, an Rhein
und Spree längst Glcichmüthlichkeit und Gleichgültigkeit
herrscht. Es gibt aber doch auch erfreuliche Ausnahmen,
und zu diesen gehört, wie man der Köln. Ztg. schreibt,
ein zur deutschen Jubelfeier gewissermaßen wenn
auch nicht ausdrücklich erschienenes Buch: „I/^IIsinLKLs
aotuslls", dessen Abschnitte im Herbst 1886 geschrieben,
im „Correspondant" vom 10. und 25. Januar und 10.
und 25. Februar 1887 abgedruckt und (Paris bei Plon)
zu Anfang März als Band ausgegeben wurden. Der
Verfasser des „gegenwärtigen Deutschlands" ist Meister
des französischen Stils, Kenner der deutschen Zeitgeschichte
von den Freiheitskriegen an bis zu den jüngsten Reichs-
tagshändcln, feiner Beobachter, unbefangener Beurtheiler
deutscher Sitten, Gewohnheiten, Bestrebungen und Be-
sonderheiten — was für einen modernen Franzosen viel
sagen will, aber bei ihm nicht zu viel gesagt ist. Der
Ungenannte ist für einen Diplomaten fast zu unbefangen
und unparteiisch und weiß doch so viel, daß man einen
solchen vermuthen möchte; er ist nicht Chauvinist und nicht
Revancheur im genauen Sinne des Wortes, aber Franzose
genug, um den Deutschen die Wahrheit zu sagen — oft
freilich die Wahrheit, wie ein gebildeter Franzose sie ver-
steht. In manchen erheblichen Punkten würbe das Urtheil
richtiger ausgefallen sein, wenn das Buch nach den
jüngsten Reichstagswahlen geschrieben wor-
den wäre; namentlich hätte die Reichs treue Süd-
deutschlands, die so strahlend hervorleuchtete, eine
richtigere Darstellung gefunden. Die Stärke des Einheits-
gefühls wird vom Verfasser, der sich demselben keineswegs
verschließt, doch noch in manchen Beziehungen unterschätzt.
Mit besonderem Wohlwollen behandelt der Verfasser die
deutsche UnioersitätSjugend als Pflanzschule
Les deutschen Einheitsideals, und den Voll-
zieher des Einheitsgedankens, den Kaiser
Wilhelm mit seinen Getreuen vom Schwert und von der
Feder. Der Verfasser schließt klug und weise als wohl-
wollender, doch richtiger Franzose mit dem Orakel: „Wer
weiß, was Deutschland 1810 und Italien 1850 war, und
sieht, was sie geworden sind, der kann daraus den Schluß
ziehen, daß in unserm Zeitalter das Ergebniß der Nieder-
lagen wie das der Siege nichts Gewaltiges und selbst nicht
einmal etwas zeitweise Beständiges besitzt, und daß, wenn
den Siegern alle Klugheit vorgeschrieben ist, den Besiegten
keine Hoffnung untersagt werden kann".
Rom, 2. April. Der bisherige deutsche Botschafter
Baron von Keudell überreichte heute dem König Hum-
bert sein Abberufungsschreiben.
Petersburg, 2. April. Der Streit zwischen
dem Minister v. Giers und dem Redacteur der Mos-
kauer Zeitung, Katkow, ist nach einer Audienz von
Giers beim Czaren dahin entschieden worden, daß der
Czar dem Redacteur Katkow einen Verweis hat
rrtheilen und ihm seine Unzufriedenheit hat aus-
sprechen lassen. Der Senator Ljubeoschitzki wurde
damit beauftragt, Katkow die Unzufriedenheit des
Czaren in aller Form auszudrücken. Der
Czar will nichts von einem Rücktritt des Mi-
nisters v. Giers wissen. Er scheint sich aber auch
nicht dazu verstehen zu wollen, dem Wunsche seines Mini-
sters gemäß die Moskauer Zeitung auf einige Zeit zu
unterdrücken. Der Kampf zwischen beiden Richtungen der
russischen Politik ist also nicht gelöst, sondern ver-
tagt. Man darf jetzt auf die künftige Haltung des
Katkow'schen Blattes gespannt sein. — Gegen-
über den Depeschen aus Indien, welche dem Emir von
Afghanistan die Absicht unterschieben, den
heiligen Krieg gegen Rußland zu beginnen,
bemerkt das „Journal de St. Petersburg", daß eine solche
feindliche Haltung des Emirs gegenüber Rußland durch
nichts begründet werden könnte; übrigens würden die Ver-
handlungen, welche in Petersburg über die Feststellung der
afghanischen Grenze wieder ausgenommen werden würden,
den Beweis liefern, wie unbegründet diese Gerüchte seien.
Sofia, 1- April. Der Prüftet von Rustschuk, M an-
tow, der sich augenblicklich in Bukarest befindet, wurde
gestern Abend auf den Boulevards von zwei sich dort auf-
haltenden bulgarischen Flüchtlingen überfallen
und durch zwei Revolverschüsse verwundet.
Die beiden Thäter sind verhaftet. Auf der Polizeipräfectur
wurden aus Anlaß des Mordversuches gegen Mantow heute
auch mehrere andere bulgarische Flüchtlinge einem Verhör
unterzogen. — Infolge seiner Aussagen wurden verhaftet
der russische Dragomau Jacobsohu, die Doctoren Drunew,
ein Neffe des Metropolitan Klement Wazow, ferner Zan-
kow, ein Neffe des Dragomau Zaukow, und Christo Iwa-
now. Iwanow äußerte vor dem Staatsanwalt, Mantow
sei ihm persönlich unbekannt, er habe überhaupt nichts
gegen ihn.
Kairo, 1. April. Als vor einigen Tagen zwei eng-
lische Offziere des Regiments von Wales, Namens
Scoffield und Leith sich in der Nähe der Pyramide von
Gizeh mit Vogelschießen beschäftigten, verwundeten sie „zu-
fällig" vier auf Kamcelen vorüberreitendc Beduinen.
Die Letzteren stiegen sofort ab und verlangten Genug-
thuung. Da aber die Beduinen und Engländer sich nicht
gegenseitig verstehen konnten, so entstand ein Streit, bei
welchem ein Beduine dem einen Offizier die Flinte zu ent-
reißen suchte. Das Gewehr entlud sich von selbst und der
Schuß streckte den Beduinen todt hin. Darauf zogen die
Einwohner des benachbarten Dorfes in Menge aus, er-
griffen und mißhandelten die beiden Offiziere. Spät am
Abend kam die Polizei und fand die Offiziere gebunden
auf der Dorfstraße liegen. Nach einer anderen Ansicht
wollten die Beduinen die Offiziere gerade hängen. Letztere
wurden heute Morgen nebst 20 Gefangenen nach Kairo
gebracht.
Aus Stadt und Land.
4- Heidelberg, 4. April. Von Berti» zurückkehrend, trafen heute
Vormittag 10 Uhr 15 Miu. Ihre Königl. Hoheiten der Groß-
herzog und die Großherzogin, sowie Se. Großh. Hoheit
Prinz Ludwig auf hiesigem Bahnhofe ein und setzten um 10
Uhr 35 Miu. die Reise nach Karlsruhe fort.
Z Heidelberg, 4. April. Am Samstag, den 2. April er., feierte
die Firma H. Fuchs, Wagenfabrik, (Inhaber die Herren Va-
lentin und Carl Fuchs) ihr 25jähriges Bestehen in hiesiger
Stadt. Am 2. April 1862 übernahm die Firma von Herrn
Philipp Schäfer hier die damals noch im Verhältniß kleine Eisen-
bahnwagenfabrik mit einem Flächenraum von ca. 443 Ruthen.
Heute verfügt die Fabrik über ein Terrain von rund 1984 Ru-
then alt bad. Maaß oder — 17 857 sJMeter. wovon 7432
dlMeter gedeckte Arbeitsräume siud, und beschäftigt etwa 190
Arbeiter. Es wurden in der Fabrik außer mehr als 3000 Stück
div. Personen-, Gepäck- und Güterwagen, alle Arien Eisencon-
structionen, Brückenbau, Weichen und Kreuzungen und sonstige
Eisenbahnbedarfs-Artikel gefertigt. Leider war es dem Gründer
der Firma, Herrn Heinrich Fuchs, Fabrikant und Stadtrath,
Ritter pp., welchem es durch unermüdliche Thätigkeit und Eifer
gelungen ist, das Geschäft auf seine jetzige Höhe zu bringen, nicht
vergönnt, die Jubelfeier zu erleben. Derselbe ist in rüstigem
Mannesalter, weit von den Seinen, in Cannes, wohin er nm
Linderung seines Leidens zu suchen, geeilt war, am 1b. Februar
1884 gestorben. Auch ist seines hoffnungsvollen Sohnes und
treuen Mitarbeiters Herrn Friedrich Fuchs, Ingenieur, zu ge-
denken, welcher im schönsten MannesaUer, inmitten seiner Thätig-
keit, plötzlich am 19. März 1882 durch den Tod dem Leben ent-
rissen wurde. Friede ihrer Asche. — Unter die Arbeiter wurden
von der Firma 1000 vertheilt; zwei Arbeiter, Johannes
Puttler von Kirchheim und Adam Müller von hier, welche seit
Bestehen der Firma in der Fabrik beschäftigt waren, erhielten
außerdem noch je ein Prämien-Gcschenk von 50. — Wir
wünschen der Fabrik ferneres Blühen und Gedeihen.
XX Heidelberg, 4. April. In dem hiesigen Verein für
Vogelschutz, Vogel-und Geflügelzucht hielt am Samstag
Abend in einer sehr gut besuchten Versammlung im Gartensaal
der Harmonie Herr LandwirthschaftSlehrer Römer, Vorstand
der Kreiswinterschule zu Freiburg, einen Vortrag über „Die
Mittel und Wege zur Förderung der Geflügelzucht". Redner
sührte im Allgemeinen zunächst die Hindernisse an, die der Aus-
breitung der Geflügelzucht entgegen stehen, so daß wir mit
anderen Ländern, wie Frankreich, Italien und England nicht
concurriren könnten. Als erstes Hinderniß nannte er, von dem
Standpunkt ausgehend, daß das Geflügel einem wärmere» Klima
entstamme, das Klima, sodann als weitere Hindernisse die Boden-
verhältnisse, maugclhaftes Füttern, die mangelnde Einsicht, das
Züchten ungeeigneter Racen, die Krankheiten des Geflügels und
den erschwerten Absatz. Das Geflügel müsse bei uns zu lange
Zeit während des Jahres im Stalle zubringen, die Ställe seien
in den meisten Fällen sehr mangelhaft und die Eigenschaften der
besten Racen gingen bald zurück. Die künstliche Heizung der
Ställe sei zu theuer und stehe jedenfalls in keinem Verhältniß
zu dem erzielten Gewinn, ebenso sei man beim Füttern von sog.
Reizfnttcrmitteln, um die Eierprodnction zu erhöhen, auf manches
Hindcrniß gestoßen. Bezüglich der Bodenverhältnisse erklärt
Redner, daß der Grund und Boden bei uns zu theuer sei und
auf kleinen Räumen sich größere Gcflügelbestände nicht halten
lassen. Als Futter sei nur immer das Beste zu nehmen, Morgens
Weichfutter, des Abends Körnerfutter. Auch dürfe dem Geflügel
die Fleischuahrung nicht fehlen. Redner ist der Ansicht, cs wür-
den bei uns zu viele Racen gezüchtet und bei dem Import von
fremdem Geflügel seien vielfach Krankheiten eingeschleppt worden,
die zuvor noch völlig unbekannt waren. Der Vortragende schlug
vor, dahin zu streben, eine konstante Race zu züchten, die allen
Anforderungen, die man an das Geflügel stellt, genügt. Richtige
Auswahl der Zuchtthiere, Kreuzer nach einer bestimmten Rich-
tung und zwar von Racen, die bereits bei uns acclimatisirt sind,
gute aus Stein und unter Ausschluß der Verwendung von Holz
gebaute Ställe, reinliches Halten derselben bezeichnet er als die
erste Bedingung zur Förderung der Geflügelzucht in unserem
Lande. Bezüglich Verhütung der Einschleppung der Krankheiten
glaubt Redner, es müsse dahin gestrebt werden, daß auch für Ge-
flügel, wie für andere Thiere, 'Gesundheitsscheine vorgeschrieben
würden, die insbesondere von herumziehenden Händlern mitzu-
führen wären. Verschiedene Anfragen von Seiten der Zuhörer
beantwortete Herr Römer in bereitwilligster Weise und reicher
Beifall der Anwesenden lohnte ihn für seine lehrreichen Aus-
führungen. Der Vorstand des Vereins, Herr Rathschreiber
Kaufmann, dankte dem Redner im Namen des Vereins auf's
herzlichste und sprach die Hoffnung aus, daß das Gehörte auch
von den Züchtern in nutzbringender Weise verwendet werden
möge. Eine reiche Verloosung — es wurden 15 Poulets und 4
Satz Bruteier gratis unter die anwesenden Mitglieder verloost —
schloß den Vereinsabend. Wir wollen nicht unerwähnt lassen,
daß der Verein in der jüngsten Zeit ein außerordentliches Lebe»
entfaltet und sich immermehr in gedeihlichster Weise entwickelt.
ffft Heidelberg, 4. April. Am gestrigen Sonntag Vormittag
wurde in der hiesigen Gewerbeschule die öffentliche
Prüfung abgehalten, zu welcher sich die Herren Stadtdirector
v. Scherer, Oberbürgermeister Dr. Wilckeus, eine Anzahl
von Mitgliedern des Stadtraths, des Gewerbeschulraths, des Ge-
wcrbcvercins, sowie Angehörige der Schüler und Freunde der
Schule eingefunden batten. Die unter der bewährten Leitung
des Herr» Lender stehende Schule zählte im Jahr 1886/8'
424 Schüler, was gegenüber den Vorjahren einer bedeutende»
Vermehrung gleichkommt. Allerdings trug zu dieser letztere» das
inzwischen in Kraft getretene Ortsstatut über den obligatorische»
Besuch der Gewerbeschule nicht unwesentlich bei. Die von de»
Herren Lender, Steinbrenner, Breinlinger und Kohler vorgeuoM-
mene Prüfung ergab recht zufriedenstellende Ergebnisse. Die ge-
stellten Fragen wurden meist rasch und richtig von den Schüler»
aufgefaßt und sicher beantwortet, verschiedene ziemlich complizirte
Aufgaben an der Tafel mit Verständniß und zutreffend gelöst.
Eine große Zahl von Zeichnungen gab Zengniß von dem Fleiß-
dem Eifer und dem Geschick vieler Schüler. Nach Schluß der
Prüfung wandte sich der Vorstand der Schule, Herr Architekt
Lender, mit einer kurzen Ansprache an die Anwesenden, in
welcher er auf die Wichtigkeit und Bedeutung des theoretische»
Unterrichts hinwies; durch denselben erhalte die praktische Aus-
bildung in der Werkstätte erst vollen Werth, ohne ihn sei letztere
nur eine einseitige. Die Erfahrung lehre, daß tüchtige Meister
stets solche seien, die auch theoretischen Unterricht mit Erfolg ge-
nossen. Leider sei aber unter den Meistern da und dort noch ein
gewisser Widerstand gegen den Besuch der Gewerbeschule Seitens
ihrer Lehrlinge auzntreffen, doch wolle er hoffen, daß derselbe
immer mehr abnehme, daß die Meister es sich angelegen sein
lassen werden, die Bestrebungen der Gewerbeschule nach Kräften
zu fördern. Herr Lender ging sodann zur Preisverthcilung über.
Der inzwischen verstorbene Gönner der Schule, Herr Johannes
Werner, hatte, wie der Redner mitthcilte, auch in diesem Jahre
einen Betrag zur Anschaffung von Prämien an fleißige Schüler
überwiesen, und wurden an eine ziemlich erhebliche Reihe vo»
solchen, die sich durch Fleiß und Eifer ausgezeichnet, schöne Bücher
und ferner eine größere Zahl v n Tuschkasten als Prämien
ausgetheilt. Dem uns vorliegenden Jahresbericht der Gewerbe-
schule entnehmen mir noch, daß Herr Werner der Gewerbeschule
testamentarisch ein Stiftungskapital im Betrage von 4600 Mark
hinterließ, dessen jährliche Zinsen fernerhin als Preise zur Ver-
theilung kommen. Der hochherzigen Stiftung wird ehrend ge-
dacht. Weitere Beträge flössen der Schule aus der Reutzler'schen
und Zllllig'schen Stiftung zu. — In dem an den Prüfungssaal
anstoßenden Zimmer war die auf Veranlassung des Gewerbe-
vereins veranstaltete Ausstellung von Lehrlings-
arbeiten nntergebracht. An derselben durften sich nur Schüler
der Gewerbeschule bctheiligen, und hatten von diesen etwa 22
Arbeiten eingesandt, deren Beurtheilung Tags zuvor durch ei»-
geladene Preisrichter stattgefunden halte. Die Arbeiten fanden
im Allgemeinen alle Anerkennung und waren die Preisrichter in
der Lage, eine Reihe von Preisen zu erthcilen. Der Vorstand
des Gewerbevcreins, Herr I. Trau, verkündete nach einer kurzen
Ansprache, in welcher er dem Stadtrathc für die Ueberlassung
des Betrags von 100 zur Verwendung von Prämien besten
Dank aussprach und die Lehrlinge ermunterte, sich auch au den
ferner stattfindenden Ausstellungen zu betheiligen, das Urtheil des
Preisgerichts. Danach wurden dre! erste Preise zu 9^/L, 9zweite
Preise zu 6 und 3 dritte Preise zu 3 zncrkannt und solche
den Preisträgern sofort in baar ausgebändigt. Zu bemerken ist,
daß die mit dem 1. und 2. Preis bedachten Lehrlinge, welche im
2. oder 3. Lehrjahr stehen, auch um den Staatspreis bei der
Landesausstellung von Lehrlingsarbeiten sich bewerben dürfen.
Kosten entstehen den Verfertigern der Arbeiten dadurch nicht. Die
Ausstellung kann noch heute und morgen, jeweils Nachmittags von 2
bis 4 Uhr, besichtigt werden, und soll den Preisträgern noch ein
Diplom zngestellt werden.
-- Heidelberg, 4. April. Am Samstag Nachmittag schlich sich
ein Bettler in ein Haus in der Unternstraße und entwendete
dort ans der Küche 1 Paar neue Stiefel, indem er dieselben gegen
seine eigenen schlechten Stiefel, die er in der Küche zurückließ,
eintauschte. Der Dieb wurde sehr bald ermittelt und zur Haft
gebracht; die entwendeten Stiefel wurden ihm abgenommen. —
Ebenfalls am Samstag Nachmittag wurde eiu Handwcrksbnrsche
verhaftet, welcher mit einem Kollegen in einer Wirthschaft
Karten spielte und demselben hierbei 5 Pfg. wegnehmen wollte.
Als derselbe nicht so „collegial" war, sich dies gefallen zu lassen,
bedrohte ihn der freche Bursche mit — Todtstechen. — Ferner
wurde am Samstag eine wegen Betrugs verfolgte Kellnerin be-
treten und verhaftet. — Einem Tagelöhner wurde gestern Abend
lO Uhr in einer Wirthschaft dahier das Portemonnaie mit 25
Pfg. und eine Schlafkarte, für die er kurz vorher einen Betrag
von 25 Pfg. bezahlt hatte, entwendet. Thäter ist ein Schnei-
der von Wieblingen, welcher verhaftet wurde. — In der ver-
gangenen Nacht kam es auf dem Hcumarkt zwischen einigen jungen
Leuten zu Thätlichkeiten, wobei der eine einen Hammer, der
ihm gerade zur Hand war, ergriff und damit nach dem Kopfe des
Gegners entweder warf oder schlug, so daß letzterer erhebliche
Verletzungen erlitt und sich im akademischen Krankenhause verbin-
den lassen mußte.
* Heidelberg, 4. April. Endlich hatten wir gestern wieder ein-
mal einen angenehmen Frühlingstag, der in der trostlosen
Wüste von Regen- und Nebeltagen, welche uns bisher so über-
mäßig geplagt, eine freundliche Oase bildete. Die Höhen ringsum
waren von zahlreichen Spaziergängern belebt, welche sich aus
vollem Herzen des schönen Tages freuten. In verschiedenen
Gärten bemerkte man sogar bereits einige Gäste, die dort im
Freien kneipten oder Erfrischungen einnahmen. Auch heute ist
das Wetter freundlich. Wir wollen hoffen, daß der Frühling
jetzt ernstlich seinen Einzug hält und die sich nur noch ganz
schüchtern hervordrängenden Blattknospen recht bald ihren vollen
Schmuck entfalten werden.
(I Heidelberg, 4. April. Letzten Samstag Nachmittags zwischen
3 und 4 Uhr brach in der Lackfabrik von Daecke dahier in einem
Siedhäuschen Feuer aus, das schnell um sich griff und am Ge-
bäude einen nicht unerheblichen Schaden anrichtete; ebenfalls ver-
brannte ein Quantum Firniß von erheblichem Werthe. Der Brand
wurde mit Hilfe einiger Personen aus der Nachbarschaft und durch
das Fabrikpersonal möglichst schnell gelöscht, so daß er keinen
größeren Umfang erreichen konnte. Ueber die Entstehung des
Brandes ist nichts Sicheres bekannt.
** Heidelberg, 4. April. Bei der heute Mittag vorgenommenen
Wahl eines Stadtrath es wurde Herr Privatm. Hch. Bohr-
mann mit 71 von 78 abgegebenen Stimmen gewählt.
Millicheim, 1. April. (Strafkammer II.) Taglöhner Phi-
lipp Beier le Ehefrau von Heidelberg ist des Verbrechens gegen
Z 218 R-St.-G.-B. beschuldigt. Dieselbe wird jedoch Mangels
Beweises von der erhobenen Anklage freigesprochen. — Wegen
Verbrechens gegen 8 176 Ziff. 3 R.-St.-G.-B. wird der 16jähr.
Dienstknecht Georg Sickmüller von Kirchheim zu 5 Monaten
Gefängnis;, abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft vernrthcilt. —
Der ledige Schuhmacher Heinrich Dickert von Essen fiel auf
offener Straße ohne jedweden Anlaß einen still seines Weges
gehenden Passanten an, warf denselben zu Boden und mißhan-
delte ihn auf eine ganz rohe Weise. Es liegt, wie der Staats-
anwalt bemerkt, ein sehr naher Verdacht vor, daß der Angeklagte
die Absicht eines Raub an falls gehabt hat, doch fehlen die
uöthigen Beweise, um hierauf die Anklage stützen zu können. Es
liegt demnach nur eine schwere Körperverletzung vor. Außerdem
leistete der Angeklagte dem ihn verhaftenden Polizeibeamten
gegenüber energischen Widerstand. Dickert, welcher schon mehr-
fach vorbestraft ist, erhält eine Gefängnißstrafe von 1 Jahr. —
heißt, morgen oder übermorgen von Nancy hierher kommen
wird. Von bekannteren Blättern bringt nur die radicale
„Justice" einen heftigen Ausfall, der mit den Worten
schließt: „Die Ausweisung Antoines bedeutet die Nieder-
lage der brutalen Gewalt, den Sieg des Rechtes, die Re-
vanche des menschlichen Gewissens." Der „Gaulois", der
unnöthigerweise befürchtet, die Presse möge das Losungs-
wort mißverstehen oder mißachten, mahnt zu größter Ruhe
unter folgender für die Auffassung vieler französischen
Kreise sehr bezeichnenden Begründung: „Die Ausweisung
scheine der Ausgangspunkt eines neuen deutschen Preßfeld-
zugeS gegen Frankreich zu sein. Man hoffe durch dieselbe
einen Ausbruch des Zornes und der Empörung in Frank-
reich hervorzurufen, den man dann gegen Frankreich aus-
Leuten könne. Die französische Presse dürfe hierzu unter
keinen Umständen einen Vorwand liefern." Diese vom
Gaulois ausgeführten Gründe sind thaisächlich für die Hal-
tung der Zeitungen maßgebend und die sonst so zügellose
Presse fügt sich ihnen mit erstaunlicher Disciplin. — Der
Temps bemerkt zu der Nachricht der Times, wonach Ruß-
land die Betheiligung an der französischen Au s-
stelllung von 1889 ablehnen werde, weil es sich nicht
an einer Verherrlichung der Revolution bctheiligen könne:
der französische Botschafter, Laboulayc, habe Rußland
zur Betheiligung eingeladen. Dieses habe aber noch nicht
geantwortet; doch wisse man bereits, daß Rußland aus
Gründen der Ordnung im Innern und Aeußern, besonders
auch mit Rücksicht auf seine Handelsverhältnisse, die Ein-
ladung in höflicher, sympathischer Weise ablehnen werde.
Paris, 2. April. Es wird so viel Beschränktes,
Einseitiges, Voreingenommenes und nur zu viel von blindem
Nationalhaß getragener Unsinn über das deutsche Volk,
das deutsche Reich und zumal über den deutschen
Reichskanzler in Korrespondenzen, die bald aus Ber-
lin und bald aus Wien datirt sind, in Leitartikeln, Flug-
schriften und Büchern zu Markte gebracht, daß es erklärlich
ist, wenn gegen diese Schwärme von Wasser- und Sumpf-
vögeln, die von der Seine gen Osten ziehen, an Rhein
und Spree längst Glcichmüthlichkeit und Gleichgültigkeit
herrscht. Es gibt aber doch auch erfreuliche Ausnahmen,
und zu diesen gehört, wie man der Köln. Ztg. schreibt,
ein zur deutschen Jubelfeier gewissermaßen wenn
auch nicht ausdrücklich erschienenes Buch: „I/^IIsinLKLs
aotuslls", dessen Abschnitte im Herbst 1886 geschrieben,
im „Correspondant" vom 10. und 25. Januar und 10.
und 25. Februar 1887 abgedruckt und (Paris bei Plon)
zu Anfang März als Band ausgegeben wurden. Der
Verfasser des „gegenwärtigen Deutschlands" ist Meister
des französischen Stils, Kenner der deutschen Zeitgeschichte
von den Freiheitskriegen an bis zu den jüngsten Reichs-
tagshändcln, feiner Beobachter, unbefangener Beurtheiler
deutscher Sitten, Gewohnheiten, Bestrebungen und Be-
sonderheiten — was für einen modernen Franzosen viel
sagen will, aber bei ihm nicht zu viel gesagt ist. Der
Ungenannte ist für einen Diplomaten fast zu unbefangen
und unparteiisch und weiß doch so viel, daß man einen
solchen vermuthen möchte; er ist nicht Chauvinist und nicht
Revancheur im genauen Sinne des Wortes, aber Franzose
genug, um den Deutschen die Wahrheit zu sagen — oft
freilich die Wahrheit, wie ein gebildeter Franzose sie ver-
steht. In manchen erheblichen Punkten würbe das Urtheil
richtiger ausgefallen sein, wenn das Buch nach den
jüngsten Reichstagswahlen geschrieben wor-
den wäre; namentlich hätte die Reichs treue Süd-
deutschlands, die so strahlend hervorleuchtete, eine
richtigere Darstellung gefunden. Die Stärke des Einheits-
gefühls wird vom Verfasser, der sich demselben keineswegs
verschließt, doch noch in manchen Beziehungen unterschätzt.
Mit besonderem Wohlwollen behandelt der Verfasser die
deutsche UnioersitätSjugend als Pflanzschule
Les deutschen Einheitsideals, und den Voll-
zieher des Einheitsgedankens, den Kaiser
Wilhelm mit seinen Getreuen vom Schwert und von der
Feder. Der Verfasser schließt klug und weise als wohl-
wollender, doch richtiger Franzose mit dem Orakel: „Wer
weiß, was Deutschland 1810 und Italien 1850 war, und
sieht, was sie geworden sind, der kann daraus den Schluß
ziehen, daß in unserm Zeitalter das Ergebniß der Nieder-
lagen wie das der Siege nichts Gewaltiges und selbst nicht
einmal etwas zeitweise Beständiges besitzt, und daß, wenn
den Siegern alle Klugheit vorgeschrieben ist, den Besiegten
keine Hoffnung untersagt werden kann".
Rom, 2. April. Der bisherige deutsche Botschafter
Baron von Keudell überreichte heute dem König Hum-
bert sein Abberufungsschreiben.
Petersburg, 2. April. Der Streit zwischen
dem Minister v. Giers und dem Redacteur der Mos-
kauer Zeitung, Katkow, ist nach einer Audienz von
Giers beim Czaren dahin entschieden worden, daß der
Czar dem Redacteur Katkow einen Verweis hat
rrtheilen und ihm seine Unzufriedenheit hat aus-
sprechen lassen. Der Senator Ljubeoschitzki wurde
damit beauftragt, Katkow die Unzufriedenheit des
Czaren in aller Form auszudrücken. Der
Czar will nichts von einem Rücktritt des Mi-
nisters v. Giers wissen. Er scheint sich aber auch
nicht dazu verstehen zu wollen, dem Wunsche seines Mini-
sters gemäß die Moskauer Zeitung auf einige Zeit zu
unterdrücken. Der Kampf zwischen beiden Richtungen der
russischen Politik ist also nicht gelöst, sondern ver-
tagt. Man darf jetzt auf die künftige Haltung des
Katkow'schen Blattes gespannt sein. — Gegen-
über den Depeschen aus Indien, welche dem Emir von
Afghanistan die Absicht unterschieben, den
heiligen Krieg gegen Rußland zu beginnen,
bemerkt das „Journal de St. Petersburg", daß eine solche
feindliche Haltung des Emirs gegenüber Rußland durch
nichts begründet werden könnte; übrigens würden die Ver-
handlungen, welche in Petersburg über die Feststellung der
afghanischen Grenze wieder ausgenommen werden würden,
den Beweis liefern, wie unbegründet diese Gerüchte seien.
Sofia, 1- April. Der Prüftet von Rustschuk, M an-
tow, der sich augenblicklich in Bukarest befindet, wurde
gestern Abend auf den Boulevards von zwei sich dort auf-
haltenden bulgarischen Flüchtlingen überfallen
und durch zwei Revolverschüsse verwundet.
Die beiden Thäter sind verhaftet. Auf der Polizeipräfectur
wurden aus Anlaß des Mordversuches gegen Mantow heute
auch mehrere andere bulgarische Flüchtlinge einem Verhör
unterzogen. — Infolge seiner Aussagen wurden verhaftet
der russische Dragomau Jacobsohu, die Doctoren Drunew,
ein Neffe des Metropolitan Klement Wazow, ferner Zan-
kow, ein Neffe des Dragomau Zaukow, und Christo Iwa-
now. Iwanow äußerte vor dem Staatsanwalt, Mantow
sei ihm persönlich unbekannt, er habe überhaupt nichts
gegen ihn.
Kairo, 1. April. Als vor einigen Tagen zwei eng-
lische Offziere des Regiments von Wales, Namens
Scoffield und Leith sich in der Nähe der Pyramide von
Gizeh mit Vogelschießen beschäftigten, verwundeten sie „zu-
fällig" vier auf Kamcelen vorüberreitendc Beduinen.
Die Letzteren stiegen sofort ab und verlangten Genug-
thuung. Da aber die Beduinen und Engländer sich nicht
gegenseitig verstehen konnten, so entstand ein Streit, bei
welchem ein Beduine dem einen Offizier die Flinte zu ent-
reißen suchte. Das Gewehr entlud sich von selbst und der
Schuß streckte den Beduinen todt hin. Darauf zogen die
Einwohner des benachbarten Dorfes in Menge aus, er-
griffen und mißhandelten die beiden Offiziere. Spät am
Abend kam die Polizei und fand die Offiziere gebunden
auf der Dorfstraße liegen. Nach einer anderen Ansicht
wollten die Beduinen die Offiziere gerade hängen. Letztere
wurden heute Morgen nebst 20 Gefangenen nach Kairo
gebracht.
Aus Stadt und Land.
4- Heidelberg, 4. April. Von Berti» zurückkehrend, trafen heute
Vormittag 10 Uhr 15 Miu. Ihre Königl. Hoheiten der Groß-
herzog und die Großherzogin, sowie Se. Großh. Hoheit
Prinz Ludwig auf hiesigem Bahnhofe ein und setzten um 10
Uhr 35 Miu. die Reise nach Karlsruhe fort.
Z Heidelberg, 4. April. Am Samstag, den 2. April er., feierte
die Firma H. Fuchs, Wagenfabrik, (Inhaber die Herren Va-
lentin und Carl Fuchs) ihr 25jähriges Bestehen in hiesiger
Stadt. Am 2. April 1862 übernahm die Firma von Herrn
Philipp Schäfer hier die damals noch im Verhältniß kleine Eisen-
bahnwagenfabrik mit einem Flächenraum von ca. 443 Ruthen.
Heute verfügt die Fabrik über ein Terrain von rund 1984 Ru-
then alt bad. Maaß oder — 17 857 sJMeter. wovon 7432
dlMeter gedeckte Arbeitsräume siud, und beschäftigt etwa 190
Arbeiter. Es wurden in der Fabrik außer mehr als 3000 Stück
div. Personen-, Gepäck- und Güterwagen, alle Arien Eisencon-
structionen, Brückenbau, Weichen und Kreuzungen und sonstige
Eisenbahnbedarfs-Artikel gefertigt. Leider war es dem Gründer
der Firma, Herrn Heinrich Fuchs, Fabrikant und Stadtrath,
Ritter pp., welchem es durch unermüdliche Thätigkeit und Eifer
gelungen ist, das Geschäft auf seine jetzige Höhe zu bringen, nicht
vergönnt, die Jubelfeier zu erleben. Derselbe ist in rüstigem
Mannesalter, weit von den Seinen, in Cannes, wohin er nm
Linderung seines Leidens zu suchen, geeilt war, am 1b. Februar
1884 gestorben. Auch ist seines hoffnungsvollen Sohnes und
treuen Mitarbeiters Herrn Friedrich Fuchs, Ingenieur, zu ge-
denken, welcher im schönsten MannesaUer, inmitten seiner Thätig-
keit, plötzlich am 19. März 1882 durch den Tod dem Leben ent-
rissen wurde. Friede ihrer Asche. — Unter die Arbeiter wurden
von der Firma 1000 vertheilt; zwei Arbeiter, Johannes
Puttler von Kirchheim und Adam Müller von hier, welche seit
Bestehen der Firma in der Fabrik beschäftigt waren, erhielten
außerdem noch je ein Prämien-Gcschenk von 50. — Wir
wünschen der Fabrik ferneres Blühen und Gedeihen.
XX Heidelberg, 4. April. In dem hiesigen Verein für
Vogelschutz, Vogel-und Geflügelzucht hielt am Samstag
Abend in einer sehr gut besuchten Versammlung im Gartensaal
der Harmonie Herr LandwirthschaftSlehrer Römer, Vorstand
der Kreiswinterschule zu Freiburg, einen Vortrag über „Die
Mittel und Wege zur Förderung der Geflügelzucht". Redner
sührte im Allgemeinen zunächst die Hindernisse an, die der Aus-
breitung der Geflügelzucht entgegen stehen, so daß wir mit
anderen Ländern, wie Frankreich, Italien und England nicht
concurriren könnten. Als erstes Hinderniß nannte er, von dem
Standpunkt ausgehend, daß das Geflügel einem wärmere» Klima
entstamme, das Klima, sodann als weitere Hindernisse die Boden-
verhältnisse, maugclhaftes Füttern, die mangelnde Einsicht, das
Züchten ungeeigneter Racen, die Krankheiten des Geflügels und
den erschwerten Absatz. Das Geflügel müsse bei uns zu lange
Zeit während des Jahres im Stalle zubringen, die Ställe seien
in den meisten Fällen sehr mangelhaft und die Eigenschaften der
besten Racen gingen bald zurück. Die künstliche Heizung der
Ställe sei zu theuer und stehe jedenfalls in keinem Verhältniß
zu dem erzielten Gewinn, ebenso sei man beim Füttern von sog.
Reizfnttcrmitteln, um die Eierprodnction zu erhöhen, auf manches
Hindcrniß gestoßen. Bezüglich der Bodenverhältnisse erklärt
Redner, daß der Grund und Boden bei uns zu theuer sei und
auf kleinen Räumen sich größere Gcflügelbestände nicht halten
lassen. Als Futter sei nur immer das Beste zu nehmen, Morgens
Weichfutter, des Abends Körnerfutter. Auch dürfe dem Geflügel
die Fleischuahrung nicht fehlen. Redner ist der Ansicht, cs wür-
den bei uns zu viele Racen gezüchtet und bei dem Import von
fremdem Geflügel seien vielfach Krankheiten eingeschleppt worden,
die zuvor noch völlig unbekannt waren. Der Vortragende schlug
vor, dahin zu streben, eine konstante Race zu züchten, die allen
Anforderungen, die man an das Geflügel stellt, genügt. Richtige
Auswahl der Zuchtthiere, Kreuzer nach einer bestimmten Rich-
tung und zwar von Racen, die bereits bei uns acclimatisirt sind,
gute aus Stein und unter Ausschluß der Verwendung von Holz
gebaute Ställe, reinliches Halten derselben bezeichnet er als die
erste Bedingung zur Förderung der Geflügelzucht in unserem
Lande. Bezüglich Verhütung der Einschleppung der Krankheiten
glaubt Redner, es müsse dahin gestrebt werden, daß auch für Ge-
flügel, wie für andere Thiere, 'Gesundheitsscheine vorgeschrieben
würden, die insbesondere von herumziehenden Händlern mitzu-
führen wären. Verschiedene Anfragen von Seiten der Zuhörer
beantwortete Herr Römer in bereitwilligster Weise und reicher
Beifall der Anwesenden lohnte ihn für seine lehrreichen Aus-
führungen. Der Vorstand des Vereins, Herr Rathschreiber
Kaufmann, dankte dem Redner im Namen des Vereins auf's
herzlichste und sprach die Hoffnung aus, daß das Gehörte auch
von den Züchtern in nutzbringender Weise verwendet werden
möge. Eine reiche Verloosung — es wurden 15 Poulets und 4
Satz Bruteier gratis unter die anwesenden Mitglieder verloost —
schloß den Vereinsabend. Wir wollen nicht unerwähnt lassen,
daß der Verein in der jüngsten Zeit ein außerordentliches Lebe»
entfaltet und sich immermehr in gedeihlichster Weise entwickelt.
ffft Heidelberg, 4. April. Am gestrigen Sonntag Vormittag
wurde in der hiesigen Gewerbeschule die öffentliche
Prüfung abgehalten, zu welcher sich die Herren Stadtdirector
v. Scherer, Oberbürgermeister Dr. Wilckeus, eine Anzahl
von Mitgliedern des Stadtraths, des Gewerbeschulraths, des Ge-
wcrbcvercins, sowie Angehörige der Schüler und Freunde der
Schule eingefunden batten. Die unter der bewährten Leitung
des Herr» Lender stehende Schule zählte im Jahr 1886/8'
424 Schüler, was gegenüber den Vorjahren einer bedeutende»
Vermehrung gleichkommt. Allerdings trug zu dieser letztere» das
inzwischen in Kraft getretene Ortsstatut über den obligatorische»
Besuch der Gewerbeschule nicht unwesentlich bei. Die von de»
Herren Lender, Steinbrenner, Breinlinger und Kohler vorgeuoM-
mene Prüfung ergab recht zufriedenstellende Ergebnisse. Die ge-
stellten Fragen wurden meist rasch und richtig von den Schüler»
aufgefaßt und sicher beantwortet, verschiedene ziemlich complizirte
Aufgaben an der Tafel mit Verständniß und zutreffend gelöst.
Eine große Zahl von Zeichnungen gab Zengniß von dem Fleiß-
dem Eifer und dem Geschick vieler Schüler. Nach Schluß der
Prüfung wandte sich der Vorstand der Schule, Herr Architekt
Lender, mit einer kurzen Ansprache an die Anwesenden, in
welcher er auf die Wichtigkeit und Bedeutung des theoretische»
Unterrichts hinwies; durch denselben erhalte die praktische Aus-
bildung in der Werkstätte erst vollen Werth, ohne ihn sei letztere
nur eine einseitige. Die Erfahrung lehre, daß tüchtige Meister
stets solche seien, die auch theoretischen Unterricht mit Erfolg ge-
nossen. Leider sei aber unter den Meistern da und dort noch ein
gewisser Widerstand gegen den Besuch der Gewerbeschule Seitens
ihrer Lehrlinge auzntreffen, doch wolle er hoffen, daß derselbe
immer mehr abnehme, daß die Meister es sich angelegen sein
lassen werden, die Bestrebungen der Gewerbeschule nach Kräften
zu fördern. Herr Lender ging sodann zur Preisverthcilung über.
Der inzwischen verstorbene Gönner der Schule, Herr Johannes
Werner, hatte, wie der Redner mitthcilte, auch in diesem Jahre
einen Betrag zur Anschaffung von Prämien an fleißige Schüler
überwiesen, und wurden an eine ziemlich erhebliche Reihe vo»
solchen, die sich durch Fleiß und Eifer ausgezeichnet, schöne Bücher
und ferner eine größere Zahl v n Tuschkasten als Prämien
ausgetheilt. Dem uns vorliegenden Jahresbericht der Gewerbe-
schule entnehmen mir noch, daß Herr Werner der Gewerbeschule
testamentarisch ein Stiftungskapital im Betrage von 4600 Mark
hinterließ, dessen jährliche Zinsen fernerhin als Preise zur Ver-
theilung kommen. Der hochherzigen Stiftung wird ehrend ge-
dacht. Weitere Beträge flössen der Schule aus der Reutzler'schen
und Zllllig'schen Stiftung zu. — In dem an den Prüfungssaal
anstoßenden Zimmer war die auf Veranlassung des Gewerbe-
vereins veranstaltete Ausstellung von Lehrlings-
arbeiten nntergebracht. An derselben durften sich nur Schüler
der Gewerbeschule bctheiligen, und hatten von diesen etwa 22
Arbeiten eingesandt, deren Beurtheilung Tags zuvor durch ei»-
geladene Preisrichter stattgefunden halte. Die Arbeiten fanden
im Allgemeinen alle Anerkennung und waren die Preisrichter in
der Lage, eine Reihe von Preisen zu erthcilen. Der Vorstand
des Gewerbevcreins, Herr I. Trau, verkündete nach einer kurzen
Ansprache, in welcher er dem Stadtrathc für die Ueberlassung
des Betrags von 100 zur Verwendung von Prämien besten
Dank aussprach und die Lehrlinge ermunterte, sich auch au den
ferner stattfindenden Ausstellungen zu betheiligen, das Urtheil des
Preisgerichts. Danach wurden dre! erste Preise zu 9^/L, 9zweite
Preise zu 6 und 3 dritte Preise zu 3 zncrkannt und solche
den Preisträgern sofort in baar ausgebändigt. Zu bemerken ist,
daß die mit dem 1. und 2. Preis bedachten Lehrlinge, welche im
2. oder 3. Lehrjahr stehen, auch um den Staatspreis bei der
Landesausstellung von Lehrlingsarbeiten sich bewerben dürfen.
Kosten entstehen den Verfertigern der Arbeiten dadurch nicht. Die
Ausstellung kann noch heute und morgen, jeweils Nachmittags von 2
bis 4 Uhr, besichtigt werden, und soll den Preisträgern noch ein
Diplom zngestellt werden.
-- Heidelberg, 4. April. Am Samstag Nachmittag schlich sich
ein Bettler in ein Haus in der Unternstraße und entwendete
dort ans der Küche 1 Paar neue Stiefel, indem er dieselben gegen
seine eigenen schlechten Stiefel, die er in der Küche zurückließ,
eintauschte. Der Dieb wurde sehr bald ermittelt und zur Haft
gebracht; die entwendeten Stiefel wurden ihm abgenommen. —
Ebenfalls am Samstag Nachmittag wurde eiu Handwcrksbnrsche
verhaftet, welcher mit einem Kollegen in einer Wirthschaft
Karten spielte und demselben hierbei 5 Pfg. wegnehmen wollte.
Als derselbe nicht so „collegial" war, sich dies gefallen zu lassen,
bedrohte ihn der freche Bursche mit — Todtstechen. — Ferner
wurde am Samstag eine wegen Betrugs verfolgte Kellnerin be-
treten und verhaftet. — Einem Tagelöhner wurde gestern Abend
lO Uhr in einer Wirthschaft dahier das Portemonnaie mit 25
Pfg. und eine Schlafkarte, für die er kurz vorher einen Betrag
von 25 Pfg. bezahlt hatte, entwendet. Thäter ist ein Schnei-
der von Wieblingen, welcher verhaftet wurde. — In der ver-
gangenen Nacht kam es auf dem Hcumarkt zwischen einigen jungen
Leuten zu Thätlichkeiten, wobei der eine einen Hammer, der
ihm gerade zur Hand war, ergriff und damit nach dem Kopfe des
Gegners entweder warf oder schlug, so daß letzterer erhebliche
Verletzungen erlitt und sich im akademischen Krankenhause verbin-
den lassen mußte.
* Heidelberg, 4. April. Endlich hatten wir gestern wieder ein-
mal einen angenehmen Frühlingstag, der in der trostlosen
Wüste von Regen- und Nebeltagen, welche uns bisher so über-
mäßig geplagt, eine freundliche Oase bildete. Die Höhen ringsum
waren von zahlreichen Spaziergängern belebt, welche sich aus
vollem Herzen des schönen Tages freuten. In verschiedenen
Gärten bemerkte man sogar bereits einige Gäste, die dort im
Freien kneipten oder Erfrischungen einnahmen. Auch heute ist
das Wetter freundlich. Wir wollen hoffen, daß der Frühling
jetzt ernstlich seinen Einzug hält und die sich nur noch ganz
schüchtern hervordrängenden Blattknospen recht bald ihren vollen
Schmuck entfalten werden.
(I Heidelberg, 4. April. Letzten Samstag Nachmittags zwischen
3 und 4 Uhr brach in der Lackfabrik von Daecke dahier in einem
Siedhäuschen Feuer aus, das schnell um sich griff und am Ge-
bäude einen nicht unerheblichen Schaden anrichtete; ebenfalls ver-
brannte ein Quantum Firniß von erheblichem Werthe. Der Brand
wurde mit Hilfe einiger Personen aus der Nachbarschaft und durch
das Fabrikpersonal möglichst schnell gelöscht, so daß er keinen
größeren Umfang erreichen konnte. Ueber die Entstehung des
Brandes ist nichts Sicheres bekannt.
** Heidelberg, 4. April. Bei der heute Mittag vorgenommenen
Wahl eines Stadtrath es wurde Herr Privatm. Hch. Bohr-
mann mit 71 von 78 abgegebenen Stimmen gewählt.
Millicheim, 1. April. (Strafkammer II.) Taglöhner Phi-
lipp Beier le Ehefrau von Heidelberg ist des Verbrechens gegen
Z 218 R-St.-G.-B. beschuldigt. Dieselbe wird jedoch Mangels
Beweises von der erhobenen Anklage freigesprochen. — Wegen
Verbrechens gegen 8 176 Ziff. 3 R.-St.-G.-B. wird der 16jähr.
Dienstknecht Georg Sickmüller von Kirchheim zu 5 Monaten
Gefängnis;, abzüglich 1 Monat Untersuchungshaft vernrthcilt. —
Der ledige Schuhmacher Heinrich Dickert von Essen fiel auf
offener Straße ohne jedweden Anlaß einen still seines Weges
gehenden Passanten an, warf denselben zu Boden und mißhan-
delte ihn auf eine ganz rohe Weise. Es liegt, wie der Staats-
anwalt bemerkt, ein sehr naher Verdacht vor, daß der Angeklagte
die Absicht eines Raub an falls gehabt hat, doch fehlen die
uöthigen Beweise, um hierauf die Anklage stützen zu können. Es
liegt demnach nur eine schwere Körperverletzung vor. Außerdem
leistete der Angeklagte dem ihn verhaftenden Polizeibeamten
gegenüber energischen Widerstand. Dickert, welcher schon mehr-
fach vorbestraft ist, erhält eine Gefängnißstrafe von 1 Jahr. —