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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 150 - 175 (1. Juli 1898 - 30. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0083
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Telephon-Anschluß Nr. 82.

Kkitllg, de« 22. Juli

1898.

Universitätsstatistik.
(Straßb. Post.)
„Die starke Zunahme der Gesammtzahl der deutschen Univer-
mätsstudenten rm verflossenen Wintersemester hat im Laufe des
Sommcrhalbjahres nicht nur nicht nachgelassen, sondern sich noch
Leiter gesteigert: wir zählen gegenwärtig nicht weniger als
32230 an den deutschen Universitäten immatrikulirte Studenten,
Uber tausend mehr als im Winter (31110) und fast 1300 mehr
als im Sommer vorigen Jahres (30932). In den 6 Jahren seit
dem Winter 1892/93, da die Studentenzahl auf 27 518 herab-
«egangen war, haben wir also eine Steigerung von rund 4700,
uichr als 17 Procent der damaligen Frequenz!
Die Vertheilung der Gesammtzahl auf die einzelnen Universi-
täten ergibt sich aus der nachstehenden kleinen Tabelle, in welcher
wir, um die ziffermäßige Entwicklung der einzelnen Hochschulen
Wenigsten; anzudeuten, in Klammern überall erst die Zahlen vom
Sommer '890 und dann sie vom Sommer 1893 voranschicken:
Berlin (4781-4110) — 4882, Bonn (1424-1507) — 1975,
Breslau (1308—1263)— 1587, Erlangen (1006-1137) — 1070,
Freiburg (1254-1425) — 1545, Gießen (590-551) — 733,
Güttingen (928-762) - 1216, Greifswald (878-874) - 864,
Zulle (1626-1434) —1603, Heidelberg (1089 -1135) —1384,
6ena (656-687) — 755, Kiel (634-611) — 838, Königsberg
(782-683) — 733, Leipzig (3177—2952) — 3174, Marburg
(941-941) — 1115, München (3551-3630) — 4028, Münster
(396-418) — 537, Rostock (360-405) — 462, Straßburg
G02-903) — 1040, Tübingen (1422-1349) — 1377, und
Würzburg (1612-1276) — 1312.
. Unter der obigen Gesammtzahl befinden sich dieses Mal 2269
Ausländer, 1809 aus europäischen, 460 aus außereuropäischen
Ländern. Im letzten Winter waren es 2383, im vorigen Sommer
D45; zu Anfang der 90er Jahre bewegte sich die Zahl der aus-
mndischen Studenten im Sommer zwischen 1800 und 1900, im
Winter um 2000 herum.
Für den praktischen Gesichtspunkt kommt natürlich allein die
Zahl der Studenten in Betracht, die als Deutsche in den
llniversitätsverzeichnissen aufgeführt sind. Deren sind es dieses
Aal 29961, gegen 28727 im Winter und 28687 im vorigen
Sommer; es zeigt sich deutlich, daß die neueste starke Zunahme
der Studentenzahl in der Hauptsache auf die deutschen Studenten
selbst entfällt. Im Winter 1891/92 war ihre Zahl auf
25812 zurückgegangeu von 27 715 im Sommer 1d89, seit
Dstern 1894 aber weisen die Sommer- und Winterhalbjahre
Unter sich eine ununterbrochen starke Zunahme auf, zunächst
M Jahr zu Jahr etwa um 7-800, in den beiden
ätzten Jahren um 1000 und darüber. Um ein ungefähr
Zutreffendes Bild von der zahlenmäßigen Entwicklung des
Universitätsbesuches hinsichtlich der einzelnen Fächer zu geben,
jd.weit sich diese nach der ganzen Einrichtung der amtlichen
Universitätsstatistik überhaupt einzeln ausschetden lassen, sollen
°et den nachfolgenden Angaben überall in Klammern die be-
issenden Zahlen erst vom Sommer 1889 und dann vom Winter
1893/g4 vorausgeschickt werden: Katholische Theologen (1266
djs 1Z00) jetzt 1549, evangelische Theologen (4614-3107- —
W65, Juristen (6241-6978) - 8479, Mediciner (8318-7356)
Ts 7502, Philologen und Historiker (3057—2380) — 3671,
Mathematiker und Studirende der Naturwissenschaften (2251 bis
1981) — Z462, Pharmaceuten (972—1178) — 1086, Studirende
der Landwirthschaft (396—626) — 639, Kameralisten und Stu-
üuende der Forstwissenschaft (310—362) — 589, endlich Studi-
rende der Zahnheilkunde (290—285) 419. Im allgemeinen haben
Ku bei den katholischen Theologen und noch viel
Mr bei den Juristen eine ununterbrochene und sehr
u.arke Zunahme, bet den evangelischen Theologen
Ur ebenso starke und ebenfalls ununterbrochene
Abnahme, auf die Hälfte vom Stand zu Ende der acht-
rer Jahre; bei den Medizinern macht sich eine langsame,
Ml gleichmäßige Abnahme bemerkbar, bei den Philologen
M Historikern wie auch bei den Mathematikern und
Aaturwissensch a ftlern zeigt sich im letzten Jahrzehnt zuerst
U starker Rückgang, neuerdings aber eine um so stärkere Zu-
Mme, so zwar, daß beide Kategorien jetzt ihren Stand vor 10
Zähren weit übertroffen haben. Bei den Mathematikern und
Naturwissenschaftlern lassen sich diejenigen, die sich zum Lehr-
""ufe vorbereiten, von den anderen, die auf Verwendung im
Mdustriellen Leben htnarbeiten, nicht trennen; es ist anzunehmen,
°atz die letzteren an der grade hier sehr beträchtlichen Steigerung
wett überwiegend betheiligt find.
Deutsches Reich.
Berlin, 21. Juli.
Aus Digermulen, 21. Juli wird berichtet. Heute

Digermuler Köllen. Das klare schöne Wetter ermöglichte
den vollen Genuß der großartigen Rundsicht. Nachmittags
nahm der Kaiser die Vorträge der beiden Kabinetschefs
entgegen. Heute wird die Reise fortgesetzt.
— In den Harz, nicht in den Haag, sind die drei
ältesten kaiserlichen Prinzen von Wilhelmshöhe aus gereist.
— Die Berliner Neuesten Nachrichten schreiben: „Wie
wir von zuverlässiger Seite hören, ist die Veröffentlichung
des Telegramms des Kaisers an den Regenten
von Lippe durch die leitenden Lippeschen Stellen nicht
veranlaßt, sondern ohne ihr Wissen und gegen ihren Willen
erfolgt. Auch ist der Wortlaut des Telegramms ungenau
wiedergegeben." Danach wird man annehmen müssen, daß
in der That ein wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch
dem Inhalte nach richtig wiedergegebener Brief- bezw. Tele-
grammwechsel zwischen dem Graf-Regenten und dem Kaiser
stattgefundcn hat.
— Staatssekretär v. Podbielski ist nach Berlin
zurückgekehrt und hat die Geschäfte des Reichspostamtes
wieder übernommen.
— Wenn der Vorwärts aus der Thatsache des R ü ck-
ganges der Verurtheilungen im vorigen Jahre den
Schluß auf die volkserziehliche Wirkung der Sozialdemo-
kratie ziehen möchte, so ist das eitel Wind und Dunst.
Nicht wegen, sondern trotz der Sozialdemokratie haben
die Verurtheilungen abgenommen, und zwar hängt das
einfach so zusammen, daß die günstige Lage der Industrie
der Zunahme der in schlechten Zeiten sich erfahrungsmäßig
häufenden Eigenthumsverbrechen entgegen wirkt. Diese
günstige Lage der Industrie, also auch der in ihr be-
schäftigten Arbeiter ist aber lediglich die Folge der von
den Genossen auf's Messer bekämpften Politik des Schutzes
der nationalen Arbeit. Ginge es nach dem Willen und
Wunsche des Herrn Singer und Genossen, so nagte die
gesammte deutsche Arbeiterschaft permanent am Hungertuche.
Den Dank dafür, daß ihnen die Politik der Regierung
dieses Kummcrloos erspart, statten die „Zielbewußten"
dadurch ab, daß sie sozialdemokratischen Leithammeln nach-
laufen. In der That, die politische Reife der Massen ist
unter sozialdemokratischer Fuchtel gar herrlich weit ge-
diehen.
— Das sozialdemokratische Centralblatt, der Berliner
Vorwärts, muß sich von einem angesehenen Bruder-
organ, derSächs. Arbeiterzeitung, bittere Vorwürfe
gefallen lassen. Den Anlaß gibt der schlechte Ausfall der
Reichstagswahlen in Berlin, wo den Sozial-
demokraten bekanntlich 2 Sitze von der freisinnigen Volks-
partei abgenommen wurden.
Das sächsische Blatt findet, der Vorwärts Hetze nicht genug.
Eine Reihe wichtiger politischer Gelegenheiten, bei denen der Unter-
schied der sozialrevolutionären Stellungnahme von der des klein-
bürgerlichen Freisinns klar zum Vorschein komme, sei vom Vor-
wärts agitatorisch sehr wenig ausgenützt worden, z. B. die Artillerie-
forderungen, die Kolonialpolitik, die Zollpolitik. Der Vorwärts
sündige gegen den alten, von Marx aufgestellten taktischen Grund-
satz, die Dinge auf die Spitze zu treiben, derart, daß er den
Dingen die Spitze abbreche. Dem Inhalt des Vorwärts entspreche
auch die Form. Viel „schärfer" als er schreibe die bürgerliche
Berliner Volkszeitung. Und das verlangten die Arbeiter, der
Vorwärts aber sei im großen nnd ganzen eine Sammlung sozial-
politischer Notizen ohne jede agitatorische Pointirung, wie sie
etwa in einer gelehrten (!) sozialpolitischen Zeitschrift am Platze
wären. Mit einem Wort, der Vorwärts habe sich zn einem par-
lamentarischen Blatt im Stile der Freis. Ztg- entwickelt, er müsse
wieder durch und durch eine Arbeiterzeitung werden. Solange
dies nicht geschehe, werde man in Berlin vergebens andere Wahl-
resultate erwarten.
Die Behauptung der Sächs. Arbeiterztg., die Zahmheit
des Vorwärts habe den Verlust zweier Berliner Wahl-
kreise verschuldet, ist Unsinn. Daran ist die Einmüthigkeit
der bürgerlichen Parteien schuld, die Mann für Mann für

den Kandidaten der Ordnungsparteien stimmten und so der
wahren Majorität der betr. Wahlkreise zu ihrem berechtigten
Vertreter verhalfen. Der Vorwärts ist überhaupt alles
andere, nur nicht zahm, und wenn er trotzdem einer Anzahl
Genossen nicht „scharf" genug schreibt, so beweist das nichts
weiter als eine zunehmende sittliche Verwilderung der
Sozialdemokratie. Bemerkenswerth ist noch eine Stelle
aus der Kritik des sächsischen Blattes, die lautet: „Gäbe
es ein Parteizuchthaus, der Schreiber dieser Zeilen wäre
wohl schon in sicherem Gewahrsam untergebracht." Das
ist doch wirklich eine köstliche Illustration der „Freiheit",
die die Herren „Genossen" meinen. Nun, im Zukunfts-
staat wird das „Parteizuchthaus" zur Stelle sein zu Nutz
und Frommen aller, die so unbescheiden sind, noch nicht
überglücklich zu sein.
Baden. St. Blasien, 20. Juli. Der Groß-
herzog richtete folgende Zuschrift an den Bürgermeister
der Stadt St. Blasien:
Mein warmes Interesse an dem Wohl und Gedeihen von
St. Blasien bewegte mich, an die Einwohner dieser Stadt den
Ausdruck meiner Empfindungen zu richten, da eine so schwere
Prüfung ihr zu Theil wurde. Ich bin gewiß, daß unsere Ge-
fühle in der Ueberzeugung sich begegnen, es sei der Heimgang
des hochverehrten Geh. Kommerzienrath Krafft für die Stadt
St. Blasien ein unersetzlicher Verlust. Wir trauern daher ge-
meinsam über den Abschied von einem Mann, der mit Liebe und
Fürsorge jederzeit die Interessen dieser Stadt mit den umgeben-
den Orten gefördert hat. Mit treuem Herzen arbeitete er für
das Wohl der ihm anvertrauten Familien und für alle diejeni-
gen, die Arbeit und Verdienst bei ihm suchten. Wenn er es auch
Manchen nicht recht machen konnte, obgleich ec das beste wollte,
so ist das eine Lebenserfahrung, die Niemanden in des Lebens
Thätigkeit und Schaffenskraft erspart bleibt. Das Scheiden die-
ses edlen Mannes aus dem Kreise seiner segenvollen Wirksamkeit
läßt alle etwaigen Schatten schwinden und das Helle Licht um
so glänzender leuchten, mit dem seine Werke der Liebe in unse-
ren Augen erglänzen. Aber nicht nur für uns erscheinen diese
Werke erhebend, auch für künftige Geschlechter wird der theuere
Heimgegangene als ein verehrungswürdiger Wohlthäter erschei-
nen, dessen edler Wille die höchsten Ziele menschlicher Thätigkeit
erstrebte. Er bat sich in den Herzen aller Angehörigen der
Stadt St. Blasien ein bleibendes Denkmal treuer Dankbarkeit
errichtet, das in gesegnetem Andenken bewahrt bleiben wird.
Ich richte diese Worte dankbaren Gedächtnisses an die Einwohner
dieser Stadt, da es mir eine Herzenssache ist, unseren gemein-
samen Empfindungen Ausdruck zu verleihen, und damit zu be-
kunden, daß meine seit Jahren stets wiederkehrenden Aufenthalte
hier mich zu den dankbarsten unter den vielen Dankbaren er-
scheinen lassen. Indem ich Sie, Herr Bürgermeister, ersuche,
diese Zuschrift zur Kenntniß Ihrer Mitbürger zu bringen, füge
ich meine wärmsten Wünsche für das fernere Aufblühen und
Wohlergehen der Stadt St. Blasien bei, auf daß die gesegnete
Saat unseres theueren Heimgegangenen mehr und mehr reifen
möge. St. Blasien, den 12. Juli 1898. Friedrich.
8. 0. Karlsruhe, 21. Juli. Die Krisis im
Badischen Lehreroerein. Der plötzliche Rücktritt
des gejammten engeren Vorstandes des Bad. Lehrervereins,
der am 10. Juli auf der Kreisvertreterversammlung zu
Offenburg im Anschluß an die Erörterungen über den
„Fall Heyd" erfolgte, hat in weiten Kreisen überrascht.
So allgemein der Rücktritt Heyds erwartet wurde, so wenig
dachte Jemand daran, daß auch die übrigen Vorstands-
mitglieder ihr Amt niederlegen würden, zumal die Ver-
sammlung nur zu dem Zweck einberufen war, um über
den „Fall Heyd" Klarheit zu schaffen. Die Fachorgane
melden lakonisch, daß die in Offenburg versammelten
Kreisvertreter auf Grund der Verhandlungen den übrigen
Mitgliedern des engeren Vorstandes den Wunsch nahe
legten, sich dem Rücktritt des Obmanns und seines Stell-
vertreters anzuschließen; über den Gang der Verhand-
lungen schweigen sie sich aus. Unter solchen Umständen
verdient eine, drei Tage nach der Offenburger Versamm-
lung in Mosbach abgehaltene Konferenz besondere
Beachtung. Namens derselben erlassen die Herren Klein

10)

Trotz des süßen Rausches, in den ihr Jawort und der
Reiz des Augenblickes ihn versetzt, erkannte er doch schnell
die Veränderung, die mit ihr vorgtng, und mit der un-
gestümen Dringlichkeit berechtigter Liebe forschte er nach der
Ursache.
Scham und Pein verschlossen erst ihre Lippen, aber dann
quoll es über wie ein Waldbach nach Gewitterregen, und
Alles, was ihr Herz bedrückte, machte sich Luft in angstvoll
flüsternden, verzagenden Worten.
Er hatte sie aus eine der vielfach angebrachten Ruhebänke
nicdergezogen und hörte ihr stumm und nachdenklich zu. Nur
manchmal flog ein Lächeln über das hübsche, offene Gesicht,
und seine Hand fuhr zärtlich beruhigend über ihre schamvoll
gesenkte Stirn.
Es sollte klar sein zwischen ihnen, und so erzählte sie ihm
auch das, was bis jetzt noch nie über ihre Lippen gekommen,
die Geschichte ihres kurzen Jugendtraums, die Schatten,
die er sogar auf ihre Ehe geworfen und die unruhigen
Beklemmungen, die das Wiedersehen anfänglich in ihr
erregt.
Es ist nicht gerade angenehm für einen Mann, in der
ersten Stunde eines heiß ersehnten Glückes derartige, immer-
hin etwas abkühlende Geständnisse zu hören, aber er liebte
sie nicht nur aufrichtig, sondern er war auch klug und ver-
ständig und erkannte daher die Größe ihres hingebenden Ver-
trauens, das sie bewog, sich ihm so völlig zu erschließen.
Und dann fühlte er auch deutlich, daß er trotz Allem jetzt
und für alle Zukunft der Alleinherrscher in ihrem Herzen
war und ihm gegenüber die Vergangenheit keine Macht
mehr hatte.
(Fortsetzung folgt.)

Herz mit Entzücken zu erfüllen. Sie fühlte, wie Liebe und
Leidenschaft, einer dunklen Woge gleich, über ihr zusammen-
schlugen. Aber merkwürdig, mitten in diesem sinnverwirren-
den Entzücken tauchte ganz deutlich das Antlitz Fritz
Dellings vor ihr auf, blaß und müde und der ironisch ver-
zogene Mund schien zu sagen: „Wir sind alle Sklaven der
Schönheit."
Wie eine kühle Hand griff es ihr ans Herz und glättete
die heißen Wellen ihres Blutes.
Sklaven der Schönheit l War sie es und war es auch der
Mann an ihrer Seite? Und wenn es der Fall, was sollte
daraus werden?
In den Gluthauch ihres Glückverlangens fiel wie ein
Nachtfrost die Reflexion.
Mit Blitzesschnelle zog ihr Leben an ihr vorbei, ihr ver-
gangenes und ihr zukünftiges, und wie ein Heller Stern
strahlte daraus die Gegenwart.
Sie war nie ganz glücklich gewesen, und sie batte ein
Recht, der beißen Liebeskraft, die noch unverbraucht in ihr
gährte, Befriedigung zu verschaffen. Aber seltsam, noch nie
war sie sich so klar bewußt gewesen, daß sie Lider das Alter,
das der Leidenschaft der Frau eine Grenze zieht, hinaus war,
als eben jetzt. Es beißt zwar: „eine Frau ist nur so alt,
als sie aussieht,' und darnach war sie jung und schön, be-
rechtigt zu höchstem Lebensgenuß. Aber wie lange wird es
dauern — höchstens noch zehn Jahre — und sie war eine
alte Frau. Der Mann an ihrer Seite war kaum zwei Jahre
älter als sie, er stand dann noch in der Vollkraft schöner
Männlichkeit, während sie — ihr schauderte.
Die erste halbe Stunde ihres neuen Glückes wurde gründ-
lich getrübt durch Erwägungen, die sie vernünftiger Weise
batte früher anstellen müssen.
Leider sind derartige Empfindungen manchmal so un-
galant, in der allerunpassendsten Zeit den Menschen zu über-
fallen, und nicht Jeder hat die Kraft, sie leichtlebig beiseite
zu schieben.

Sklaverei der Schönheit.
Novelle von M. Jmmisch.
(Fortsetzung.)
. Iran von Senken war selbst eine leidenschaftliche Reiterin
M me sah sie hübscher aus, als in dem knapp anliegenden
-tteide aus dem Rücken ihres edlen Thieres, das sie mit
ll°U Druck der schmalen Hand zu lenken und in seinem
Udermuthe zu bändigen verstand. Nach einem solchen Ritte
K/A.e? auch, daß Oberst von Giese, hingerissen von ihrer
tu« - it, ihrer Kraft und ihrem Muthe, seine Zurückhal-
.Mg Men ließ und in heiß überströmenden Worten um
ue warb.
Es war im Park, durch den sie langsam gingen. Käthe
nut Helmhorst, dem Adjutanten, und Fräulein Heinig,
r Gesellschafterin, auf der Veranda zurückgeblieben. Sie
s.Muptete, hör Hunger nicht mehr weiter zu können und
i.arzte sich mit Feuereifer auf die appetitlich lockenden Früchte,
wU" goldgerändeter Schale auf dem Tische standen. Sie
UK "och Kind genug, um ihren Appetit auch in Gegenwart
d-". -hübschen, jungen Offiziers ungenirt zu befriedigen, trotz
„U,.seurigeu Blicke Herrn Helmhorsts. und dem unnach-
.^Mchen Chick, mit dem er sein blondes Bärtchen
--Also mein, endlich mein, Du süßes, süßes Weib", sagte
L-m u von Giesen in den bebenden Lauten unterdrückter
«venfchaft und stürmisch hervorbrechenden Jubels. „O Hedwig,
e lange liebe ich Dich schon und wie schwer hast Du es
n... gemacht. Dich zu erringen. Aber nun bist Du mein,
dev"a-?.?,ich ks seit, mein holdes Glück, und keine Macht
Welt soll cs mir entreißen."
^h 'hr tief in die Augen und in heißem Verlangen
duckte er die Küsse von ihrem schönen Munde.
li.sMch.ihr Herz klopfte schnell und wild, und willig über-
U? ne sich seiner stürmischen Zärtlichkeit. Er sah so schön
"0 ritterlich aus, so ganz dazu geschaffen, eines Weibes

Musikschule zu Heidelberg.
Heidelberg, 22. Juli. Auch die Schüleraufführung am letzten
Mittwoch legre Zeugniß davon ab, mit welch' ernstem Streben
man an den hohen Aufgaben der musikalischen Erziehung in
 
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