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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0376
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Häfen befindlichen spanischen Kriegsschiffe an die
spanisch-amerikanischen Republiken zu verkaufen. Diese
haben sich nämlich erboten, alles spanische Kriegsmaterial
auf den Antillen, soweit es nicht den Ver. Staaten zu-
fällt, zu übernehmen. Spanien braucht gegenwärtig viel
Geld, um den kubanischen Freiwilligen den für 6 Monate
rückständigen Sold auszuzahlen. Vor kurzem erst sandte
es hierzu 15 Mill. Frcs. nach Kuba, womit der Sold
wenigstens für 2 Monate bezahlt wurde. Den Rest dürfte
Spanien ewig schuldig bleiben. Den regulären Truppen
auf Kuba hat die spanische Regierung seit 10, ja einigen
Regimentern sogar seit 15 Monaten keinen Sold mehr
bezahlt. Man findet die Leute in der Heimath mit 100
Pesetas (Frs.) ab und gibt ihnen im fiebrigen „Wechsel
auf die Ewigkeit", wie ein satyrisches Wochenblatt sich
ausdrückt. Die Transportkosten für die Rückbeförderung
der spanischen Soldaten werden auch noch auf 25 Mill.
Frs. veranschlagt. Da muß der stolze Hidalgo das Geld
nehmen, wo es sich bietet, um so mehr, da die spanische
Bank nach einem letzten Vorschuß von 35 Mill. Frs. er-
klärte, sie sei an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit an-
gelangt. Mit den spanischen Staatsfinanzen steht es recht
schlimm.
Asien. Shanghai, 11. Oct. Wie die Times von
hier meldet, ist der kürzlich zum Gesandten in Japan er-
nannte Huang wegen Theilnahme an den Reformbe-
strebungen verhaftet worden. Alle in letzter Zeit erlassenen
Verordnungen sind auf Befehl der Kai s eri n-Re g en-
tin allein ergangen, deren allgemeine Verfolgung der
Fortschrittler ein wahres Regiment des Schreckens
bildet.
Peking, 11. Oct. Eine Verordnung ist ergangen,
die die ei n heim is ch e Presse unterdrückt und ihre
Herausgeber bestraft. Alle Beamten, die Denkschriften zu
Gunsten von Reformen unterzeichneten, sind entlassen. Das
Ackerbauamt ist abgeschafft worden.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 12. October.
T Der Cirkus Lorch gibt heute Abend seine Eröffnungs-
vorstellung. Es ist schon einige Jahre her, seit hier zum letzten
Mal ein Cirkus weilte, sodaß das Publikum sich gern wieder einmal
ein equestrisches Schauspiel ansehen wird. Der Cirkus der Gebr.
Lorch ist als ein gediegenes leistungsfähiges Unternehmen bekannt.
Er bleibt hier nur wenige Tage, sodaß es also sich empfiehlt,
mit dem Besuch nicht zu zaudern.
Eine Erbschaft. Aus Frankfurt a. M., 10. Ocrbr. wird
berichtet: Einem in der Klappergasse wohnenden Knecht in einer
Steinkohlenhandlung im Fritschengäßchen hat Fortuna ihre Huld
über Nacht in Gestalt einer amerikanischen Erbschaft
zugewandt. Demselben werden nächsten Mittwoch 500000
als Erbschaft seiner Frau hier in einem Bankhause ausgezahlt.
Ebensoviel erhält die Schwester seiner Frau. Der Kohlenknecht
versieht noch bis übermorgen seinen Dienst, wonach die Familie
nach Heidelberg, seiner Heimath, übersiedelt.
— Polizeibericht. Ein junger Mann kam wegen Abbrennens
von Feuerwerkskörpern zur Anzeige, zwei weitere wegen groben
Unfugs. Zwei Frauenspersonen wurden wegen Umherziehens,
eine Ladnerin wegen Diebstahls und ein Kaminfegergehilfe wegen
Bettelns verhaftet.
Walldürn, 8. October. Unter der Ueberschrift „Späte
Sühne" schreibt der Würzburger G.-Anz. u. a.: Am 17. Jan.
1894 wurde in dem Stadtwald von Walldürn die Leiche eines
Mannes gefunden. Die Leiche mußte schop längere Zeit, viel-
leicht schon etwa 8 Monate, im Walde gelegen haben. Der Ver-
storbene war etwa SO Jahre alt und gehörte dem Arbeiterstande
an. In den Taschen des Verstorbenen befand sich eine länglich-
runde Schnupftabaksdose aus Birkenholz. Der Hut, die Hose,
die Stiefel und das Sacktuch waren höchstwahrscheinlich nicht
Eigenthum des Verstorbenen, sondern sind erst nach dem Tode
in dessen Besitz gebracht worden. Die vorstehenden Mitthcilungen
werden jetzt, nach mehr als vier Jahren, von dem badischen
Untersuchungsrichter zu Mosbach mit der Bitte um Mittheilungen
über die Person des Todten veröffentlicht. Das Verfahren, in
dem die Veröffentlichung erfolgt, trägt die Bezeichnung: „Unter-
suchungssache gegen Michael Franz Schmitt, genannt Karreü-
franz, von Reinhardssachsen, zur Zeit in der Strafanstalt zu
Plassenburg, wegen Raubmordes."
ff Mannheim, 11. Oct. (Schwurgericht.)
3. Fall. Wegen Meineids und Betrugs resp. BetrugSversuchs
hatte sich der ledige 28 Jahre alte Lehrer Kilian Weis von
Gerchsheim zu verantworten. Weis war in Schlierstadt bei
Wertheim als Unterlehrer angestellt. Ein Privatbcleidigungs-
prozeß war von dem- Hauptlehrer Karl Steigerwald in Gamburg
beim Schöffengericht in Wertheim gegen den Maurermeister
Bernhard Wilz von Gamburg angestrengt worden, welcher eine
Aeußerung des Steigerwald, die Ehefrau des Wirthes Heinrich
in Gamburg habe in Würzburg nicht das Kochen, sondern das
H . . . . gelernt, gehört haben sollte. In diesem Prozesse wurde

der Angeklagte Weis als Zeuge vernommen, wobei er nun sagte,
daß er diese Aeußerung von Steigerwald nicht gehört habe.
Sväter fanden sich aber Zeugen, welche bekundeten, daß Weis
mit anwesend war, als Stcigerwald die Aeußerung im „Grüne»
Baum" in Gamburg am Wtrthstische fallen ließ. Weis kam mit
dem Steigerwald in sehr schlechte Beziehungen. Als er eines
Tages die Eheleute Heinrich den Steigerwald loben hörte, sagte
er zu diesen: „Wenn Ihr wüßtet, was Steigerwald über Euch
gesagt hat, würdet Ihr ihn mit Verachtung strafen." Die Ehe'
leute Heinrich drangen in Weis, zu sage», was Steigerwald ge-
äußert, und Weis ließ sich schließlich auch dazu überreden, indem
er sich zugleich bereit erklärte, Zeuguiß vor Gericht zu geben
und noch andere Zeugen beizubringen. Als der Beleidigungs-
prozeß Steigerwald-Wilz anhängig geworden, und Heinrich voll
Wilz dafür, daß steigerwald die fragliche Aeußerung wirklich
gethan habe, benannt worden war, theilte Heinrich dem Steiger-
wald dies mit, und gab zugleich als seinen Gewährsmann den
Weis an. Darauf schrieb Steigerwald an Weis, worauf dieser
am nächsten Tage dem Heinrich erklärte, er könne sich auf die
Aeußerung des Steigerwald nicht mehr besinnen, es sei schon ft
lange her. Weis machte auch vor dem Schöffen-
gericht in Wertheim daraufbezügliche Aeußerungen. Als
später die Untersuchung gegen Weis eingeleitet wurde, ver-
ließ er eiligst Schlierstadt. Da er aber keine Geldmittel besaß-
verschaffte er sich von dem Löwenwirth Ernst Trümmer in
Schlierstadt 20 Mark unter dem Vorgeben, seine Mutter s«
krank und er müsse diese unterstützen. Auch noch von drei anderen
Personen suchte er sich Geldmittel unter falschen Vorspiegelungen
zu verschaffen, was ihm aber nicht gelang. Weis wurde des
fahrlässigen Meineids für schuldig erklärt und zu 8 Monate»
3 Wochen Gefängniß abzüglich 3 Monaten 2 Wochen Unter-
suchungshaft verurtheilt.
4. Fall. Ein 19jähriger Bursche, der Bohrer Ludwig A^
stätter von Rittersbach, stand unter der Anklage des Meineids
vor den Schranken. In der Nacht vom 26. zum 27. April d. 3-
wurde der Kesselschmied Christian Olto an der Lindenhofstraße
dahier von den Fabrikarbeitern Adam Wolf, Mathias Wolf und
Karl Stein mißhandelt. In dieser Sache wurde der Angeschul-
digte am 18. Juni d. I. im Ermittelungsversahren vor deM
großh. Amtsgericht hier einvernommen und erklärte hier auf Eft
wider besseres Wissen, er wisse nicht, wer den Kesselschmied
Christian Otto in der fraglichen Nacht gemeinsam mit Ada«
Wolf mißhandelt habe, obwohl er, der Zeuge des ganzen Vor-
ganges gewesen war, den Thäter genau kannte. In der Haupt-
verhandlung vor dem Schöffengericht am 1. Juli von dem Vor-
sitzenden, Oberamtsrichtec Gresselfinger, ernstlich ermahnt, bei der
Wahrheit zu bleiben, gestand Acktstätter dann zu, auf Zurede»
Wolfs die Unwahrheit gesagt zu haben. Mit Rücksicht auf diese»
rechtzeitigen Widerruf billigten die Geschworenen dem Angeklagte»
den mildernden Gesichtspunkt des Z 158 R.-St.-G.-B. zu. D«s
Urtheil lautete auf 1 Jahr 3 Monate Gefängniß, abzüglich b
Monate der Untersuchungshaft.
5. Fall. Der 27 Jahre alte Tüncher Franz Gramlift
von Hatnstadt, der am 19. Juni d. I. in der Waschküche des
Schwaneuwirthshauses in Hainstadt an der 35 Jahre alte»
Dienstmagd Anna Bachmann mit Gewalt unzüchtige Handlunge»
vornahm, wurde unter Annahme mildernder Umstände zu 1 Jalft
3 Monate Gefängniß verurtheilt.
6. Wegen Unterschlagung im Amte war angeklagt der 22
Jahre alte Expeditionsgehilfe Michael Busch von Gaukönigs-
hofen. Busch war seit März d. I. als Expeditionsgehilfe dec
Großh. Staatseisenbahnen auf Station Eubigheim angestellt-
wo er gleichzeitig den Postdienst zu versehen hatte. Sein Gehalt
von 1000 Mk reichte ihm nicht, er hatte schon in PforzheiM-
wo er in lockere Gesellschaft gerathen war, Schulden gemacht-
Als die Gläubiger, insbesondere ein Schneider Holzwarth >».
Karlsruhe, dem er für zwei Anzüge 120 Mk. schuldete, am
Zahlung drängten, unterschlug er am 21. April d. I. den a»l
eine Postanweisung eingezahlten Betrag von 366 Mk., indem er
den vorgeschriebenen Eintrag in das Postannahmebuch unterließ-
uud am 4. Mai d. I. den Betrag von 90 Mk., um die dringend-
sten Schulden zu bezahlen. Den ersteren Defekt deckte er bald
darauf, als ihm sein Vater auf seine Bitte 400 Mk. geschickt
hatte. Im zweiten Falle unterdrückte er die Postanweisung bis
zum 20. Mai. Selbstverständlich kamen die Manipulationen seht
bald ans Licht. Die Geschworenen bejahten die Schuldfrage,
worauf das Gericht auf eine Zuchthausstrafe von 8 Monate»
erkannte.
ff Mannheim, 11. Octbr. Auckyfin unserer Stadt denkt m»»
jetzt endlich ernstlich daran, das Straßenbahnwesen einer moderne»
Umgestaltung zu unterziehen, und zwar soll an Stelle des ver-
alteten Pferdebahnbetriebs der elektrische Betrieb trete»-
Schon seit Jahren beschäftigt sich der hiesige Stadtrath mit dem
Projekt, ohne daß dasselbe jedoch aus dem Stadium der Vor-
berathungen und Erwägungen herausgekommen wäre. Nackftel»
nun aber vor einigen Monaten vom Bürgerausschuß circ»
2Vi Millionen Mark zur Erstellung des städtischen Elektrizitäts-
werkes bewilligt worden sind, rückt auch die Lösung der L-traße»'
bahnfrage näher. Wer jetzt nach Mannheim kommt, wird er-
staunen über den primitiven Zustand unseres Straßenbahnwesens'
welcher vielleicht einer Stadt mit einer Einwohnerzahl unter
50 000 genügt, aber nicht einem Gemeinwesen von der Bedeutung
Mannheims, das die 100000 längstens überschritten hat und in dei»
ein so ungemein reger Geschäfts- und Handelsverkehr herrsch»
Man sagt daher nicht mit Unrecht, daß die Mannheimer haupt-
sächlich über zwei Dinge schimpfen: über ihr Theater und, d>f
Trambahn. Diese unerquicklichen Zustände in unserem Stratzew
bahnwesen sind geradezu unhaltbar. Trotzdem dürfte rft^
manches Jährlein ins Land gehen, bis wir hier in Mannheu»

sieht heute in den Straßen ein geringeres Aufgebot bewaff-
neter Macht. Nach officiellen Feststellungen beträgt die
Zahl der auf den Werkplätzen heute Arbeitenden 2500 gegen
1200 in den letzten Tagen.
ßParis, 11. Oct. Heute Vormittag wurden drei Aus-
ständige verhaftet, die Arbeiter zum Ausstande zwingen
wollten. Ferner wurde eine Anzahl Verdächtiger verhaftet,
die die Ausständigen zu Gewaltthätigkeiten gegen die
Arbeitswilligen aufzureizen suchten. Die Vertreter der
ausständigen Gewcrkvereine klagen darüber, daß
die Ausständigen gestern kein Ausstandsgeld, sondern nur
Brodzettel erhalten hätten. Bis jetzt hat der Stadtrath
keine entscheidenden Schritte gethan, um die Ausführung
der Ausstellungsarbeiten zu unternehmen. Es scheinen er-
hebliche Schwierigkeiten entstanden zu sein. Die end-
giltige Antwort der Unternehmer wird auch erst heute Abend
dem Seinepräfekten zugestellt werden. In der Arbeitsbörse
fanden heute verschiedene Versammlungen statt; indessen es
fehlten die Hauptredner und auch der Besuch war schwächer.
Trotzdem lauteten die Beschlüsse auf Fortsetzung des Aus-
standes.
Paris, 11. Oct. Der Eclair hatte behauptet, daß
sich unter den Dreyfusakten kein Brief des deutschen
Kaisers, weder ein echter, noch ein gefälschter befinde.
Darauf antwortete heute Clemenceau in der Aurore: Das
Blatt Eclair, das den Ruhm für sich behalten wird, die
erste Fälschung in der Dreyfusangelegenheit veröffentlicht
zu haben, scheint mir nicht berufen zu sein, um meine Be-
hauptungen zu widerlegen, die ich aus einer Quelle geschöpft
habe, die keinen Zweifel zuläßt. Uebrigens habe ich selbst
nicht gesagt, daß sich im Dreysusbündel ein Brief, sondern
daß sich darin Photographieen von des Kaisers Briefen
befänden. Vielleicht rechtfertigt auch diese Richtigstellung
des Eclair, daß der Generalstab dem Cassationshof keine
Briefe des Kaisers überreicht hat. Jedenfalls halte ich
meine Behauptung vollkommen, ohne auch nur ein Komma
daran zu ändern, aufrecht und füge hinzu, daß ich noch
mehr hätte sagen können, wenn ich nicht hätte fürchten
müssen, der Regierung dadurch Schwierigkeiten zu bereiten."
Die Behauptung Clemenceaus vom Vorhandensein von
Photographieen gefälschter Briefe des deutschen Kaisers
sowie seine Annahme, daß sie dem Cassationshofe nicht
unterbreitet worden seien, deckk sich mit der von der Straßb.
Post jüngst gebrachten Nachricht über diese Angelegenheit.
Aus guter Quelle kann dieselbe heute noch hinzufügen, daß
nicht nur die erwähnten Photographieen bestehen, sondern
auch die früher genannte Pho togr aphie, die Picquart
mit v. Schwartzkoppen Arm in Arm zeigt. (!)
Wenn man jetzt diese Photographieen verschwinden lassen
oder ableugnen will, so darf man daraus schließen, daß
man vor dem Schritte zurückschreckt, sich mit ihnen in
aller Oeffentlichkeit zu bla mir en.
Paris, 11. Oct. Der Berichterstatter der Kreuzztg.
ist aus gewiesen worden, weil er gemeldet hatte, daß in
Paris ein Aufruhr ausgebrochen sei und daß das Waaren-
haus Bon Marchs in Flammen stehe.
Paris, 11. Oct. Der heutige Ministerrath im Elsyoe
setzte als Termin des Wiederzusammentretens der
Kammern den 25. October fest.
England. London, 11. Oct. In der Faschoda-
sache herrscht heute eine kleine Windstille, nur unterbrochen
durch aufregende Gerüchte der in den Kriegshäfen wach-
samen Reporter. Richtig daran ist hauptsächlich, daß das
gestern fällige Auslaufen der Canalflotte nach Vigo und
dem Mittelmeer hinausgeschoben wurde, wahrscheinlich bis
nächste Woche. Ein ausreichender Grund dafür liegt übri-
gens in der Thatsache, daß mehrere Schiffe ihre Schieß-
übungen noch zu beenden haben. Die Uebungsfahrt der
Caualflotte dauert nach dem gewöhnlichen Herkommen zwei
Monate, nach einem Gerücht würden diesmal jedoch Pro-
viant und Munition für sechs Monate eingenommen. Fach-
leute versichern dagegen, es würden regelmäßig Vorräthe
für sechs Monate, die sogenannten eisernen Bestände, ein-
genommen, überhaupt aber sei die Ausrüstung für sechs
Monate an sich nicht auffallend. Die angebliche Einberu-
fung beurlaubter Offiziere wird als unbegründet bezeichnet.
Spanien. Spanien rüstet ab, aber nicht dem Zaren
Zuliebe, sondern aus Geldnoth. Ministerpräsident Sagasta
ermächtigte den Marineminister, die noch in kubanischen

lon ein. „Sagt' icb's doch!" rief der letztgenannte sofort,
„unfern kleinen Seckendorf finden wir schon hier' und im
traulichsten töte L ttzts mit dem Herrn Direktor. Guten
Abend meine Herren! Na, Freund Matze, das Bier frisch?
Nun, mein lieber Seckendorf, die Mütze wieder trocken?"
— „Gewiß, gewiß, Alles in bester Ordnung!" lautete die
Antwort der Angeredelen. „Herr Graf," fügte von Secken-
dorf noch hinzu, indem er eine dienstliche Stellung annahm,
das heißt die hohen Stiefelabsätze zusammennahm, daß die
Sporen klirrten, „ich muß noch einmal wegen meines unfrei-
willigen Rencontres heute Morgen" — „Paperlapapp!" schnitt
dem jungen Otfizier der Major das Wort ab, „davon, lieber
Kamerad, sprechen wir nie mehr, oder wenn wir einmal
wieder davon sprechen, im Scherz und nur zur allgemeinen
Erheiterung. Haben Sie es der kleinen Agnes schon erzählt?"
„Herr Graf!" erwiderte verlegen der Gefragte.
„Nun nichts für ungut, mein lieber Seckendorf," scherzte
der Major weiter, „ich meine es gut mit Ihnen und möchte
Sie bitten, der kleinen Agnes ja nicht zu viel zu verrathen;
denn schweigen können die Weiber bekanntlich alle nicht, und
wenn von Ihrer Agnes unsere Stadttrompete, Fräulein
Aurora Feuerstahl, etwas über unser Rencontre erfahren sollte,
dann werden wir Beide mindestens auf vierzehn Tage hinaus
das Kaffeeklatschgespräch der ganzen Stadt und wir würden
uns dann zusammen im Rinnsteine herumgesudelt und dar-
nach mit einander ein halbes Dutzend Kugeln gewechselt
haben. Ja, ja, die Frauen, die Frauen! Hahaha! — Arme
Aurora!" Unterdessen hatten sich auch die übrigen Herren
begrüßt und ihre Plätze eingenommen, am oberen Ende der
Tafel als Präses der Gesellschaft — denn als solcher wurde
er nun einmal betrachtet, ohne daß jemals ein Statut be-
rathschlagt oder eine offizielle Wahl getroffen worden wäre —
Freund Matze, links neben sich den Herrn Grafen und rechts
neben sich Herrn von Seckendorf habend, an welche sich die
Herren v. Kesselheim und v. Bülow, beide Premierlieutenants,
anschlossen. In etwas weiterer respectvoller Entfernung
hatte sich der Fähnrich niedergelassen, welchen Herr v. Secken-
dorf vorhin den Goldprotzen-Fähnrich genannt' hatte. Dieser

junge Mann wurde im Offiziercorps nicht nur, sondern bei-
nahe im ganzen Regiment so genannt, weil er, der Sohn
eines Großindustriellen, welcher seinen Reichthum nach einigen
Millionen schätzen konnte, auf diesen väterlichen Reichthum
in unangenehm dumm-stolzer Weise zu pochen pflegte.
Herr Storchberg — so war der eigentliche Name des
Galdprotzen-Fähnrichs — bekleidete diese Charge beim Regi-
ment schon seit anderthalb Jahren, und im OffizierkorpS war
es längst beschlossene Sache, daß er entweder seinen Abschied
nehmen oder ewig Fähnrich bleiben müsse; denn der junge
Storchberg, so klug er auch in der Wahl seines Vaters ge-
wesen war, paßte zum Offizier, wie der lnüppelbewchrte
Tölke zum königlichen Hofmarschall. Hätte er etwas mehr
Verstand besetzen, als er in Wahrheit nur besaß, so hätte er
längst den Dienst quittirt; denn er mußte gar zu oft die
Zielscheibe des Witzes für seine Herren Vorgesetzten abaeben.
(Fortsetzung folgt.)
Concert^» Gunsten der Luiseuheilanstalt.
Q Heidelberg, 12. October.
Auf ein schön gelungenes Concert kann der Veranstalter des
Abends, Herr K. A. Sienold jun., zurückblicken. Gleich die
erste Nummer brachte eine Perle der Kammermusik. Spohr's
klangprächtiges Dovpelquartett in D-moll erfuhr eine gut
nüancirte, schwungvollejWiedergabeund es gebührt den 8 Interpreten
uneingeschränktes Lob. Primospieler waren Herr Concertmeister
Grau, der auch die Militair-Fantasic von Leonard später, nach
technischer wie geistiger Seite hin, trefflich durchführte, und Herr
Ku st ermann. Die Soli dieser Herren, sowie der die Durch-
führung übernehmenden Instrumente klangen recht tonschön und
ausdruckswarm. Die Compofition selbst erfreut durch gesunde,
prägnante Themen und geistvolle Kontrapunktion. Die Streich-
instrumente sind natürlich von Spohr meisterhaft behandelt.
Das zweite Kammermusikwerk brachte uns Jadassohn's neues
Klavierquartett, in dem Herr Sienold jun. seiner schweren
Aufgabe, den Klavierpart wirksam durchzuführen, nach Kräften

gerecht wurde. Angenehm berührte die runde Tongebung des
Pianisten, sowie die Bewältigung der rhythmischen und technjk
scheu Schwierigkeiten, die eine tüchtige Schule verrathen. Aus»
von den Herren Streichern können wir nur dasselbe sagen; d»
Herren Concertmeister G rau, Hoffmann und Brumm wäre»
eifrig bestrebt, Licht und Schatten richtig zu vertheilen, auch »»?
Seiten der Form erfuhr das des öfteren, beschaulichen Höre»-
werthe Quartett eine angemessene Wiedergabe. Ich erinnere n»r
an die straffe Rhythmisirung des Fugado im letzten Satz-
Jadassohn's Ruf als formgewandter Componist steht fest »»»
auch sein neues Opus wird sicher wieder viele Freunde edler
Kammermusik gewinnen.
Als Vokalsolistin lernten wir zu unserer Freude die Ge-
mahlin unseres städt. Kapellmeisters Herrn Radig kenne»'
Frau Radig verfügt über einen ausgiebigen Sopran »b»
Heller Färbung und vorzüglicher Tonbildung. Die Aussprach
ist deutlich und klar. Bei den gewählten Liedern von Lasse»'
Schmidt, Hofmann, Reisiger und Raff können wir den liebens
würdigen stilvollen Vortrag rühmlich betonen. Herr Kape»-
meister Radig führte die Begleitung zu den Liedern gewa»«
und schmiegsam durch. Wie wir hören, hat Herr Sienold ß.
das Concert arrangirt und beglückwünschen wir den jungen Man»
und seine wackeren Mitwirkenden herzlich zu dem die San»»
würdig eröffnenden Concert-Abend. A--

Bermischtes.
— (Deutsche Abstammung als Mild erungsgründ-)
In Algerien gibt cs einige wenige deutsche Kolonieen, die de
französischen Gerichtspflege unterstellt sind. Einer jener Kolonisten'
Herwegen einer Uebertretung der Gesetze vor dem Schwurgerichts
Hofe in Algier zur Rechenschaft gezogen wurde, erhielt eine»
französischen Advokaten als Verthetdiger, der seinen Klienten da-
durch zu entschuldigen suchte, daß er seine Rede mit folgend«
Worten anfing: „Dieser Mann ist wirklich kaum zurechnungs-
fähig. Aufgewachsen in einem Lande des Nordens, Name»
Mannheim, sah er von Jugend auf nur die gehässigen« B«,
spiele seiner in Barbarei versunkenen Landsleute vor sich-
 
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