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Heidelberger Zeitung — 1898 (Juli bis Dezember)

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Nr. 229 - 254 (1. Oktober 1898 - 31. Oktober 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42070#0379
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^lephon-Auschlutz Nr. 82.


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Telephon-Anschluß Nr. 82.

^r.238. Zweites Klalt.Mittwoch, den 12. Oktober 1888.

Deutsches Reich.
2» — Der Evangelische Bund hat dieser Tage in
agde bürg seine Hauptversammlung abgehalten. Den

Ein Blick in die Zukunst der Landeshauptstadt.
8. 0. Karlsruhe, 7. October.
k, ..Dm Zukunft der Landeshauptstadt liegt bekanntlich w e st-
Aartz yE städtischen Mittelpunkt, wo augenblicklich viele
geschäftige Hände bemüht sind, die ehemalige Beamten-
mit einem neuen Gewände zu umkleiden. Es geht dabei
M gutes Stück jener Korrektheit, die ein Kennzeichen Alt-Kacls-
^Uhes war, und ein Stück landschaftlicher Schönheit verloren.
Mdessen wer wird dies in unserer materiell angelegten Zeit be-
suern. Der Geist der werklhätigen Arbeit geht siegreich durch
fE Lande und die Gewalt der Menschenkraft schreckt auch davor
zurück, verbessernd in das Walten der Natur einzugreifen.
A"don sind die Stadtgartenseen und der Lauterberg ein glänzen-
de Beispiel. Wenn ein Stück Bannwald von den Polypenarmen
sich reckenden und streckenden Stadt erfaßt wurde und der
Mdtwald immer weiter nordwärts vor der Bauthätigkeit flieht,
" nt das eine Entwicklung, die so sehr im Geiste der Neuzeit
M vollzieht, daß kaum Jemand daran Anstoß nehmen wird.
Am wissen nicht einmal, ov dem modernen Menschen der „kühle
rüg" im Bannwalde nicht lieber ist, als der „kühle Grund",
m dem einstmals unter dichtem Eichen- und Buchenbestand der
^gearbeitete Stadtbewohner die Lungen kräftigte. Die Bedeu-
Mg des Bannwaldes als lauschiges Idyll war iudeß bereits in
-vr Augenblick verloren, als seine Rasenflächen sich weiteten
M fröhlichen Menschen Raum zu Spiel und Tanz gewährten.
Boden, auf dem sich heute der „kühle Krug" erhebt, war
Zwecke bereits geweiht, ehe noch ein Mauerstein an die
^mlle getragen war. Menschlicher Voraussicht nach wird dieses
Unwesen nicht für lange Zett nur ein Ausflugsziel bleiben; wir
Pvuben vielmehr, daß sich innerhalb eines Lustrums daraus ein
Amehrsinittelpunkt sirr das werkthätige Volk der Südweststadt
mwickelt. Vielleicht sind wir der Stunde viel näher als Mancher
ssvubt, da in den geräumigen Säulen und Hallen des gastlichen
Avuses die Versammlungen der Bannwaldkolonie und der „Stadt-
veile" Mühlburg und Grünwinkel tagen.
Augenblicklich sind die Bauhaudwerker in eifriger Thätigkeit,
- ? die Bannwaldkolonie ins Leben zu rufen. Die Ge-
vschaft für elektrische Industrie hat einen großen Theil ihres
Mandes, das 50000 Quadratmeter groß ist, bereits überbaut.
, Hauptwerkstättc, die Montirunghalle, die Messinggießerei
und die Modellschreinerei sind fertig gestellt. Das Verwaltungs-
Waude wird augenblicklich in Angriff genommen. Sein Platz
R sihr zweckmäßig dicht an der Straße gewählt. Die geogra-
Msche Zage in der Nähe der Fabrik läßt darauf schließen,
auch längs der Alb die Bäume fallen werden, wenn
Industrie sich weiter entwickelt. Hier werden die Privat-
"whiiungen und die Arbeiterhäuser entstehen, denn die Fabrtk-
2^voeu meiden Geländeflächen, die bestimmte Grenzen haben.
Zatschen öffentlichen Weg und einen Fluß lassen sich die
j. r.vßbetriebe nicht gerne eindämmen. Gerade diese Thatsache,
ein «6s der Alb ein junger Stadttheil entstehen wird, eröffnet
me Perspektive auf neue Schönheiten, die in der Umgebung der
lvvt einst erblühen können. Mit den Häusern werden Straßen
„Mehrn, die nicht vor der Alb Halt machen, sondern sich mit
?Ochniackvoller Eisenkonstruktton kühn über die klaren Fluthen
Schwarzwaldkindes schwingen. Bereits streben von der
.^Mtraße her die neuen Baugelände der Alb zu; von der
Mren Seite wird die Bannwaldkolonie entgegenkommen und
dp Ä^icht ein Jahrzehnt dahinrauscht, wird sich Karlsruhe in
-v Wellen der regulirten Alb spiegeln. An den Quaimauern
werden schattige Akazien- und Kastanienalleen der alten
BMen spotten, da ein Eichen- und Buchenwald dort auf moosigem
runde ruhte. Vielleicht auch schaukeln leichte Gondeln in den
o unen Fluthen, während in der Ferne die Rheinflotille den
rl, durchfurcht. Das sind Zukuuftsträume, die in einem
Svollen Gegensatz stehen zu dem Baustile, der sich allmählich
.6UUZ Karlsruhe schlingt. Die innere Stadt strotzt, wie wir
bei bemerkten, von Korrektheit und Regelmäßigkeit. Selbst
s.ben Neubauten auf der Kaiserstrabe entfaltet sich kein kühner
„.Mung. Ionische oder dorische Säulen, Arabeskengiebel,
s,l!Mche Thorcingänge und ähnliche Stilschönheiten lassen sich
Win. st"ben. Es sind einfache, nüchtere Geschäftsbauten, die
Hel» Dunbar den Typus eines marktenden Spekulantenthums
?°u. Mr fürchten, daß viele Neubauten in zwanzig
" wieder zu eng sind und daß manche Häuser dann
g„5wniengeschweißt werden müssen, um Platz . für das
ist den Fugen gehende Geschäft zu schaffen. Es
dj. auch kein gesunder Zug, daß alle größeren Geschäfte
sttnL Nebenstraßen verlassen, um sich auf der Kaiser-
stim "«rusiedeln. Dadurch entwickelt sich eine gewisse Hausse-
jj!,"'vung bei den Bauwerthen, die auch auf andere Gegenden
, "greift und vorübergehende Wohnungsnoth der aus dem Cen-
te.A, vertriebenen Miether steigert die Bau- und Kauflust mit
^Vischer Gewalt. Es liegt dadurch die Gefahr nahe, daß kleine
g^rer, verlockt durch die hohen Miethserträge zu Hauskäufen
bild ^Wietzen, die vielleicht augenblicklich eine Annehmlichkeit
di? m' die aber manche Existenzen zertrümmern werden, wenn
N, Bauthätigkeit das Bedürfnitz übersteigt, oder wenn die neuen
m1?ehrsverhältnisse eine Aenderung der günstigen Lage bringen.
.möchten, ehe wir zur Betrachtung der neuen Karlsruher
iek>„ »urückkehren, die kleinen Kavitalisten davor warnen, im
Ein, ? der Entwicklung geweihten Stadium allzu waghalsig mit
- und Bauspekulationen vorzugehen. Im übrigen läßt sich
di? ^.unterscheiden, wo die Spekulation und wo der Eigenbesitz
d??l§aufir In der Hardwaldtstraße west- und ostwärts
vkn.r fstvhlstraße ist künstlich ein alter Stadttheil in's Leben
worden. Es ist, wie wenn gerade in der badischen
d?? Mvuptstadt der menschliche Geist persiflirend in die Rechte
Er ^dwPferischen Natur und der enteilenden Zeit eingreifen wollte,
dem "N geschaffen und Berge versetzt und nun spiegelt er
al».?.fiisen Wanderer auch künstlich ein Alt-Karlsruhe vor. Die
xr.^dolische Kirche und das mittelalterliche Pfarrhaus sind
l°„T.ewachend in jener Gegend gewesen. Es läßt sich nicht
„,i?ven, daß erst jetzt die volle Schönheit der von Prof. Schäfer
d,K Ästuen Bauten hervortritt. Wie es nun eine muntere Laune
di? » chichsvls will, hat sich in der Nähe der Auferstehungskirche
^vnzel an die Außenseite eines Hauses verirrt. Der Balkon
lick, r "vrtigen Villa macht in seinen „oberen Extremitäten" näm-
dab ganz den Eindruck einer Predigtstätte; der Volkswitz wird
? ebenso willkommene Ausbeute finden, wie bei dem
Dns r/ines bekannten Künstlers in der nördlichen Westendstraße.
seb?„ bethürmte und im Erdgeschoß mit Traillenfenstern ver-
Gebäude heißt nämlich in vieler Leute Mund das neue
N?A,'gefängniß und dieses selbst wird als Villa bezeichnet. Der
mÄ, M einen stadtunkundigen Besucher mit diesem heiteren Qui-
täuschen, soll nach glaubwürdigen Zeugen vollständig
Zungen sein. (Schluß folgt.)

Höhepunkt der Magdeburger Tage bildete unstreitig die
öffentliche Haupt-Versammlung im Rathhause am Vor-
mittag des 5. October. Hier hat nach einer bedeutenden
Begrüßungsrede des Vorsitzenden Grafen Wintzingerode,
nach Absenkung eines Telegramms an S. M. den Kaiser,
nach den Begrüßungen von feiten hervorragender Korpo-
rationen, darunter der Deutschen in Siebenbürgen —
Superintendent Meyer-Zwickau durch seinen Vortrag:
„Die Sammlung der Evangelischen", die Zeitlage und
das daraus hervorgehende Programm des Evang. Bundes
so geistreich und klar und umfassend dargestellt, daß man
diesem Vortrag die weiteste Verbreitung unter allen denken-
den Deutschen wünschen muß. Unter dem tiefen Eindruck
dieses Vortrages wurden einstimmig folgende Reso-
lutionen beschlossen:
1. Durch die stetig vordringende Macht des Ultramon-
tanismus auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens wachsen
die Gefahren für unser deutsch-evangelisches Volk in immer be-
drohlicherem Umfange. Allein die Kräfte des evangelischen
Geistes und Glaubens sind im Stande, diese Gefahren zu
besiegen und unser deutsches Volk auf der Höhe wahrer Religiö-
sität, christlicher Kultur, christlicher Gesittung und christlichen
Familiensinnes zu erhalten. Die im evangelischen Geist und
Glauben ruhenden Kräfte erlangen ihre volle Wirkung und Macht-
entfaltung nur durch Geschlossenh eit und Einheit. Die
Generalversammlung des Evangelischen Bundes richtet daher die
Aufforderung an das deutsch-evangelische Volk, sich mehr als
bisher auf dem Grunde des Evangeliums zusammenzufinden,
mehr als bisher im Glauben an Christus und sein erlösendes
Heilswerk eine Brudercinheit zu bilden. Diese Einheit ist mög-
lich trotz aller Verschiedenheit. In unserer Mannigfaltigkeit liegt
unser Neichthum und unsere Freiheit. Durch brüderliche Einig-
keit werden wir unüberwindlich sein.
2. Weite Kreise der Arbeiterbevölkerung stehen in Ge-
fahr, sich zugleich von der evangelischen Kirche und dem natio-
nalen Staatsleben innerlich abzuwenden. Die Generalversamm-
lung des Evangel. Bundes richtet an alle deutsch und evangelisch
fühlenden Männer die dringende Bitte, unbeirrt durch herrschende
Zeitströmungen, in dem Streben nicht müde zu werden, diese
Kreise von neuem für die Wahrheit des Evangeliums und für
echte Vaterlandsliebe zu gewinnen und durch die That zu be-
weisen, daß die evangelische Kirche ein warmes Herz für die
sozialen Nöthe unseres Volkes hat.
Württemberg. In Göppingen hatten am Abend
der Reichstagswahl, am 24. Juni, ebenfalls böse Kra-
walle stattgefunden, deren zu befürchtenden Eindruck auf die
öffentliche Meinung die Sozialdemokraten dadurch zu ver-
nichten suchten, daß sie die Sache als den Streich unreifer
Burschen hinstellten, der nicht viel auf sich habe. Die
Gerichtsverhandlungen in Mm haben nun Folgendes
ergeben:
Erstens: Die nationalen Wähler haben nicht den mindesten
Anlaß zu einem Aufruhr gegeben! sie waren ruhig im Gasthof
„Zu den Aposteln" versammelt, um die Ergebnisse entgegen-
zunehmen. Zweitens: die Nachricht von dem nationalen Sieg
genügte, um eine Menge von einigen hundert Menschen gegen
den genannten Gasthof in Marsch zu setzen, wobei eS zu einem
Steinhagel gegen den Saal kam und die Drohung fiel, man
solle den Saal absperren und dann „die Bude anzündeu".
Drittens: allen Mahnungen des (notabsns demokratischen) Stadt-
schultheißen Altinger, der auf Grund des Gesetzes die Menge
aufforderte, auseinanderzugehen, wurde mit Hohn und massiven
Rohheiten geantwortet, die man anständigerweise besser nicht
wiederholt. Viertens: erst vor dem Aufgebot von 20—30 Land-
jägern wichen die Aufrührer endlich zurück. Fünftens: die
Rädelsführer bei diesem Gebühren waren stadtkundige Agi-
tatoren und Schreier der Sozialdemokratie und, was besonders
betrübend ist, deren Frauen.
Das Urtheil lautete für 13 Angeklagte auf Gefängniß-
strafen von 2 bis 12 Monaten. Drei Angeklagte wurden
freigesprochen:

Ausland.
Rußland. Petersburg, 9. Oct. Gegenüber ander-
weitigen Darstellungen veröffentlicht die Nowoje Wremja
nachstehende autoritative Mittheilung über die letzten
Vorgänge in Peking. Es entstanden während des
letzten MondfesteS Unruhen, wobei die Chinesen gleichzeitig
mehrere Ueberfälle auf die Ausländer ausführten, denen
gegenüber sich die chinesischen Behörden vollständig in-
different verhielten. Dieser Umstand veranlaßte die euro-
päischen Vertreter in China, darunter den russischen Ge-
schäftsträger in Peking, von den Kommandanten ihrer Ge-
schwader im Stillen Ozean die Herbeisendung von Lan-
dungstruppen zu verlangen. Diesen Aufforderungen wurde
sofort entsprochen, wobei Admiral Dubassow das Kanonen-
boot „Grenyastchy" mit 30 berittenen Kosaken nach Taku
sandte. Da später aus Peking beruhigende Nachrichten
eintrafen, woraus zu ersehen war, daß die chinesische Re-
gierung Maßnahmen zur Herstellung der Ordnung getroffen,
so ist Grund vorhanden, anzunehmen, daß die europäischen
Landungstruppen baldigst wieder zurückberufen werden.
Asien. Der reformfreundliche Chinese Kang, der
eine Zeit lang Rathgeber des Kaisers von China war
und, von diesem gewarnt, vor dem Hereinbrechen der
Palastrevolution sich noch retten konnte, hat ziemlich aus-
führliche Mittheilungen über die Rathschläge gemacht, die
er dem Kaiser gegeben hat. Sie bestätigen, daß er ihm
Anschluß an die europäische Civilisation und Durchführung
desselben durch junge, nicht in der Tradition verknöcherte
Kräfte gerathen hat. Am Morgen des 18. September er-
hielt Kang zwei Briefe des Kaisers, die vom 16.
bezw. 17. September datirt waren. Der erste lautete:
Wir wissen» daß das Reich sich in sehr unruhigen Zeiten be-
findet. Wenn wir nicht westliche Methoden annehmen, ist es un-
möglich, dasselbe zu retten. Wenn wir nicht die widerstrebenden
konservativen Minister entfernen und so durch junge intelligente
Leute, die westliche Angelegenheiten kennen, ersetzen, sind Re-

formen unmöglich, aber die Ka i s e r i n-W i t twe will dem
nicht zustimmeu. Ich habe wiederholt Jdrer Majestät Rath er-
theilt, aber sie wird wüthend. Ich fürchte, daß ich nicht
im Stande sein werde, meinen Thron zu schützen. Sie erhalten
hiermit Befehl, mit Ihren Kollegen zu berathcn und zu erwägen,
welchen Beistand Sic mir geben können, um mich zu retten.
Ich bin sehr besorgt und betrübt. Ich erwarte ängstlich Ihren
Beistand.
Der zweite Brief war in folgenden Worten gefaßt:
Ich habe Ihnen gerathen, die Herstellung eines offiziellen
Organs zu überwachen. Es ist sehr gegen meinen Wunsch; ich
habe große Sorge, die ich mit Tinte und Feder nicht beschreiben
kann — Sie müssen sich sofort hinaus begeben und Mittel er-
sinnen, um mich ohne Verzug zu retten. Ihre Loyalität
und Treue berührt mich tief. Sorgen Sie auch für sich selbst.
Ich hoffe, daß Sie in Kürze mir wieder bei der Reorganisation
des Reiches und dabei helfen werden, alles auf die richtige Grund-
lage zu setzen. Das ist mein Wunsch.
Kang behauptet, daß den größten Einfluß in Peking
Li Luen Jan, ein angeblicher Eunuch, ausübt und daß
der uneheliche Sohn der Kaiserin-Wittwe, Chan Ming,
wahrscheinlich zum Kaiser werde gemacht werden. ,
— Die Times meldet aus Peking vom 8. d.: Die
Kaiserin-Wittwe that einen weiteren reaktionären
Schritt, indem sie am 6. d. den Gouverneur von Hunau,
Chen-Pao-Chen, den aufgeklärtesten chinesischen Gouverneur,
ab setzte. Chao-Tsu-Chao, der frühere Gouverneur von
Kiangs», ist als Nachfolger Tschang-Iin-Huan's zum Di-
rektor der Eisenbahn- und Minenverwaltung ernannt wor-
den. Dieser sei so fremdenfeindlich, daß er beispielsweise
nicht mit einem Dampfschiff fahren würde.
Amerika. Ueber die Ursachen des neuen Indianer-
aufstand wird jetzt folgendes Nähere berichtet: Der
Jndiancrstamm der ChippewayS im Staate Minnesota hat
sich erhoben, weil die Amerikaner sich weigerten,
ihnen Grundstücke, die ihnen zur Bebauung entzogen wur-
den, zu vergüten und weil einige Indianer, die ver-
botenen Branntwein verkauften, ins Gefängniß geworfen
wurden. Die Indianer machten darauf einen Anführer
der Polizeitruppen nieder und nahmen seine Leute gefangen.
Man glaubt, die Zahl der Indianer, die sich auf dem
Kriegspfad befinden, belaufe sich vorläufig nur auf 300;
doch befürchtet man, sie könnte auf die Höhe von 4000
gebracht werden. Man hat also die Indianer wieder ein-
mal durch ungerechte Behandlung zum Aeußcrsten ge-
trieben. Mucken sie auf — wie das jetzt der Fall ist —
so ist das für die Amerikaner eine erwünschte Gelegenheit,
das Werk der Ausrottung des rothen Mannes fortzusetzen.
Bald wird es völlig beendet sein.

Aus Stadt und Land.
2 Ladenburg, im Oct. An der lan dwirthsch östlichen
Winter sch ule des Kreises Mannheim zu Ladenburg wurden
in den 30 Jahren ihres Bestehens 885 Schüler unterrichtet und
zwar besuchten von 1868/78 im Ganzen 198, von 1878/88 259,
von 1888/98 423 Schüler die Anstalt. In Folge dieser stetig
wachsenden Schlllerzahl erwiesen sich die von der Stadt Laden-
burg zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten als unzureichend,
wie überhaupt die ganze Ausstattung der bekanntermaßen unter
allen landwirthschaftlichen Schulen des Landes bestbesuchten An-
stalt den heutigen Anforderungen nicht mehr entsprechend und
anderen Einrichtungen des Kreises keineswegs ebenbürtig war.
Dank der großen Fürsorge der diesjährigen Kreisversammlung
für Förderung der Landwirthschaft wurde es durch Bewilligung
der erforderlichen Geldmittel ermöglicht, Lehrsääle für etwa 60
bis 70 Schüler und Wohnräume nebst Geschäftszimmern für die
ständigen Lehrer der Anstalt zu schaffen. Die baulichen Ver-
änderungen sind nunmehr beendet, sodaß der Unterricht wie all-
jährlich für den ersten Kurs am 3. November d. I., für den
zweiten Kurs am 24. November beginnen kann.
Bruchsal, 10. Oct. In der vorgestrigen Bürgerausschußsitzung
wurde die Festsetzung des Dien st Vertrags mit dem neu-
gewählten Oberbürgermstr., Hrn. Notar Stritt in Freiburg berathen.
Danach soll dessen Gehalt im ersten Dienstjahre 7000 Mk., für
die Folge 7500 Mk. betragen und mit einer Wohnungsentschädi-
gung von 1500 Mk. verbunden sein. Ferner erwirbt der Ober-
bürgermeister mit dem endgiltigen Uebertritt in den Gemeinde-
dienst das Recht auf Ruhegehalt, und zwar beträgt dieser für
das darauffolgende erste Dienstjahr 30 pCt. des Gehaltes von
7000 Mk. und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr um 1V,pCt.
dieses Gehaltes. Erst in der zweiten Dienstperiode steigt der
pensionsberechtigte Gehalt auf 7500 Mk. Bezüglich der Htnter-
bliebenenversorgung wird bestimmt, daß der Oberbürgermeister
auch nach endgiltigem Uebertritt in den Gemeindedienst die
staatliche Hinterbliebenenversorgung sich erhalten wird und daß
die Stadt nur dasjenige zu übernehmen hätte, was die Hinter-
bliebenen eines. Landgerichtsraths im Höchstgehalt (z. Z. 6120 M.)
mehr erhalten würden, als der Betrag des den Hinterbliebenen
des Oberbürgermeisters nach 8 67 des Beamtengefetzes zustehen-
den ermäßigten Versorgungsgehalts. Erst nach dem 15. Dienst-
jahre wird der Berechnung des Versorgungsgehalts der Gehalts-
betrag von 7000 Mk. zu Grunde gelegt. Für die Umzugskosten
wird eine Pauschalvergütung von 500 Mk. festgesetzt. Zur Be-
gründung feiner Gchaltsanfprüche hat sich Herr Stritt u- A.
darauf berufen, daß er im letzten Jahre ein Einkommen von
9150 Mk. gehabt. Die Vorlage wurde nach längerer Debatte
mit 46 gegen 27 Stimmen angenommen.
8.0. Karlsruhe, 9. Oct. Das neue Gebäude der „Allgem.
Versorgungsanstalt Karlsruhe" wurde heute Vor-
mittag in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben. Zu dem
Festakt hatte sich eine illustre Versammlung eingefunden, u. a.
Staatsminister Dr. Nokk, Minister Eis enlohr, kom. General
v. Bülow, Oberstkammerherr Freih. v. Gemmingen, die
Ministerialdirektoren Freih. v. Neubronn und Schenkel,
kurz: die höchsten Beamten der staatlichen und kirchlichen Be-
hörden, zahlreiche Mitglieder des Stadtraths und Bürger-
ausschusses, sowie das gesammte Personal der Anstalt.

Kleine Zeitung.
— Wien, 8. Oct. Der Bürgermeister Dr. Lueger hat unter
Ander« den Plan gefaßt, Wien von der englischen Gasgesell-
schaft zu befreien. Die Stadt wollte der Gesellschaft ihr Unter-
nehmen abkaufen, da aber ein zu hoher Preis gefordert wurde,
trat Lueger dafür ein, daß die Stadt ein eigenes Gaswerx
 
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