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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0284
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die Militärvorlage in der heutigen dritten Lesung für ge-
sichert, wahrscheinlich auf der Grundlage, daß die Ver-
stärkung der Bataillone, die der Kriegsminister noch für
unbedingt nothwendig erklärt, zwar nicht jetzt sofort er-
folgt, der Regierung aber für die nächste Zeit, noch vor
Ablauf des Quinquennals, zugesichert wird. Es wäre
zu wünschen, daß die Meldung von der angeblichen Ver-
ständigung durch die heutige Abstimmung im Reichstag
bestätigt würde. Einen Konflikt mit Reichstagsanflösung
und Neuwahlen wünscht im Grunde Niemand.
Baden. L.6. Karls r uhe, 15. März. Herr Landgerichts-
präsident Abg. Fieser ist infolge eines bösartigen Bron-
chialkatarrhs, zu dem sich noch die Influenza gesellte, bis
auf Weiteres verhindert, den Sitzungen des Landtages bei-
znwohnen. Das Befinden des Erkrankten hat sich, wie
wir hören, heute etwas gebessert, so daß vorerst zu ernsten
Besorgnissen kein Anlaß vorliegt.
Badischer Landtag. L. 0. Karlsruhe, 15. März.
In der heutigen (127.) Sitzung trat die 2. Kammer
in die Spezialberathung über den Gesetzentwurf betr. die
Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein.
Eine längere Debatte entspann sich beim Artikel 5 des ersten
Abschnitts, der die Haftpflicht des Staates für Verletzungen der
Amtspflicht regelt. Bekanntlich war nach langen mühseligen
Verhandlungen zwischen Negierung und Justizkommission ein
Kompromiß zu Stande gekommen, nach dem Art. 5 Abs. 1
folgende Fassung erhielt: „Verletzt ein Beamter in Ausübung
der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder
fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende
Amtspflicht, so trifft dem Betheiltgten gegenüber die im
Bürgerlichen Gesetzbuch bestimmte Verantwortlichkeit
an Stelle des Beamten den Staat." In Abs. 2 und 3 wird
weiter bestimmt, daß, so weit nicht die Amtshandlung eines
Beamten der streitigen oder freiwilligen Gerichtsbarkeit in Frage
steht, die nach Abs. 1 zulässige Verfolgung des Staates im
Falle des Verlangens des dem Beamten Vorgesetzten Ministeriums
an die Vorentscheidung deSVerwaltungsgcrichts-
hofs gebunden ist. Hierzu stellte Abg. Venedey (Dem.) den
Antrag, in Abs. 1 die Worte „vorsätzlich oder fahrlässig" durch
„widerrechtlich" zu ersetzen und die Worte „im Bürger-
lichen Gesetzbuch bestimmte", sowie den Abs. 2 und 3
zu streichen. Die Juristen der Kammer, die Abgg. Dr. Binz,
Straub, Obkirche r, Birkenmayer und Kopf wenden
sich einmüthig gegen den Antrag Venedcy und führen haupt-
sächlich Zweckmäßigkeitsgründe an, aus denen man den mühselig
errungenen Kompromiß nicht verwerfen dürfe. Der Regierungs-
vertreter, Ministerialdirektor Frhr. v. Neubronn, wies in
einem geistvollen ExposS auf die ungeheuerlichen Konsequenzen
des Antrags hin. Venedey habe offenbar die Folgen seines An-
trages gar nicht übersehen, der sämmtliche Schranken der Richter-
sprüche beseitige, so daß der Staat schließlich für alle Urtheile
haftbar gemacht werden könnte. Die Ergebnisse der Judikatur
und Literatur ließen sich nach Beseitigung der in 8 839 des
B. G. B. gezogenen Schranken gar nicht mehr verwerthsn. Die
Ausführungen des Regterungsvertreters brachten selbst den Abg.
Kopf, der sich in der vorigen Sitzung für den Antrag Venedey
erklärt hatte, zu einer anderen Ansicht, so daß schließlich bei der Ab-
stimmung nur noch die Sozialdemokraten und Demokraten und
die Abgg. Pfisterer und Fischer! für das Amendement
Venedey stimmten und somit seine Anträge mit allen gegen
10 Stimmen abgelehnt waren. Die übrige Debatte war be-
langlos. In namentlicher Abstimmung wurde zum Schluß das
ganze Gesetz einstimmig angenommen. Nächste Sitzung: Freitag
SV- Uhr.
Preußen. Dem Landtage ist die Gesetzesvorlage zu-
gegangen, welche die seit Jahrzehnten viel besprochene und
erstrebte Canalverbindung vom Rhein nach der
Weser und Elbe verwirklichen soll. Der für Schiffe
von 600—750 t berechnete Canal soll in der Nähe von
Ruhrort den Rhein verlassen und im Emscherthal bis Herne
aufsteigen, um von da bis Bevergern den Dortmund-Ems-
canal, welcher einige Ergänzungsaulagen erhalten müßte,
zu benutzen. Von Bevergern aus wird er die Weser bei
Minden überschreiten und über Hannover die Elbe etwas
unterhalb Magdeburg erreichen. Die Baukosten sind —
einschließlich derjenigen für 8 Seitencanäle nach Osnabrück,
Minden, Linden, Wülfel, Hildesheim, Lehrte, Peine und
Magdeburg — auf rund 261 Millionen Mk. veranschlagt.

Aus der Karlsruher Zeitung.
Karlsruhe, 15. März. Der Großherzog
ertheilte heute von 10 Uhr an einer Anzahl von Personen
Audienz, darunter den Rcgierungsbaumeistern Roth in
Eppingen und Drach in Heidelberg. Um 6 Uhr nehmen
die Großherzoglichen Herrschaften an dem Abendgottesdienst
in der Schloßkirche theil, bei welchem der Pfarrer Hinden-
lang von Sexau die Predigt hält. Nach dem Gottesdienst
empfangen Ihre Königlichen Hoheiten den Genannten in
Privataudienz.

Ausland.
Frankreich. Paris, 15. März. Der Gaulois meldet,
General Javonhay erklärt in seinem Bericht an das Mini-
sterium, daß die Explosion in Toulon infolge eines
Attentats entstanden sei.
Afrika. Der Verbindungsbahn durch Afrika, die Hr.
Cecil Rhodes plant, ist der Telegraph bereits soweit
vorausgeeilt, daß für die nächste Zeit Telegramme vom
Tanganyikasce erwartet UMden können. Seit Juli v. I.
reichte die Linie vom Kap nach Karonga am Nyassasee.
Sie ist über Buluwayo, Salisbury, Umtali (Station der
Beira-Eisenbahn), Tete am Sambesi, Schikwawa am
Schirä, Blanthre, Fort Johnston am Südende des Nyassa-
sees und westlich diesen See entlang bis nach Karonga
geführt. Von dort aus benutzt sie die Stevensonstraße
über Fife und Abercom und erreicht das Südende des
Tanganyikasees in Kiputa. Leider geht der Draht von
dort aus in westlicher Richtung am Tanganyikasce weiter,
auf dem Gebiete des Kongostaates, und zwar vorläufig
bis Sumbi, nahe bei Moliro, sodaß Meldungen aus den
benachbarten Theilen des deutschen Schutzgebietes über den
See gebracht werden müssen, um auf dem Draht weiter
befördert zu werden. Es ist daher zu hoffen, daß bei
den Unterhandlungen der deutschen Reichsregierung mit der
Gesellschaft des Herrn Cecil Rhodes nicht bloß die An-
lage einer deutschen Telegraphenlinie längs der afrikani-
schen Südnordbahn, sondern auch günstige Sätze auf dieser
Telegraphenlinie für die Benutzung der englischen Land-

und Kabellinien vereinbart werden. In Ermangelung
eigener Linien zahlt man in Deutschland weit höhere Ge-
bühren für überseeische Telegramme als in den übrigen
großen Handels- und Kolonialstaaten.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 16. März.
** Der Gewerbe- und Zndustrieverein Heidelberg hielt
gestern Abend i» einem Saale des Bürgerkasinos seine regel-
mäßige jährliche Hauptversammlung ab. die von dem 1. Vor-
itzcndcn des Vereins, Herrn Altoberbürgermeister B i l a b e l,
geleitet wurde. Derselbe erstattete zunächst den Jahresbericht.
Der Vorstand hielt 15 Sitzungen, in denen 64 Gegenstände er-
ledigt wurden. Eine besondere Thätigkeit war auf die Ge-
winnung neuer Mitglieder gerichtet, die denn auch die erfreuliche
Folge hatte, daß sich die Mitglicderzahl von 128 auf 216 hob.
Außerdem trat dem Verein die freie Vereinigung der Blechner
und Installateure als Korporation bei. Unter den erledigten
Gegenständen führte der Vorsitzende die Berathung des Gesetz-
entwurfs über den Schutz der Bauhandwerker, für den sich
übrigens in hiesiger Stadt weniger als anderwärts ein Bedürfniß
zeigte, an, ferner den Erlaß des Großh Ministeriums des
Innern über die einheitliche Regelung der Sonntagsruhe im
Handelsgewerbe, der das Handwerk hiesiger Stadt ebenfalls
wenig berührte. Zur Besprechung kam weiter die Einführung
einer Zwangsinnung für das Schuhmachergewerbe. Der Ge-
werbevcrein sprach sich für die Bildung einer freien Innung
aus. Jndeß wurde die Zwangsinnung errichtet. Es wird
sich nun zeigen, ob dieselbe die gewünschten Folgen für das
Schuhmachergewerbe zeitigen wird. Der Vorstand hatte sich so-
dann mit der Aenderung des Ortsstatuts wegen des Besuchs der
Gewerbeschule zu befassen; seine hierauf bezüglichen Wünsche
wurde» berücksichtigt. Das neue Ortsstatut ist vom Bürgeraus-
schuß bereits angenommen worden. Die Frage der Errichtung
der Handwerkerkammern hat den Verein vielfach beschäftigt.
Langjährige Bemühungen der Gewerbevereine zur Schaffung einer
Organisation des Handwerks haben mit dem betreffenden Gesetze
den erwünschten Abschluß gefunden. Im Novbr. v. I. fand ein
interessanter Vortrag des Herrn Gewerbelehrers Luger über Klein-
motoren statt. Die für die Ausstellung von Lehrlingsarbeiten
— eine solche fand auch im Vorjahre mit großer Betheiligung
statt — vorgeschriebenen Arbeiten wurden auf Anregung des
Vereins vermehrt. Außer der üblichen Generalversammlung
wurde im Juli v. I. noch eine außerordentliche Hauptversamm-
lung abgehalten. Der Verein betheiligte sich an der Sitzung des
Landesausschusses der Gewerbevereine, außerdem wohnte der
Vorsitzende der Hauptversammlung des Verbandes deutscher Ge-
werbevereine an. Im Anschlüsse an seinen Bericht nahm Herr
Altoberbürgermeister Bilabel Veranlassung, die gegen die Be-
strebungen der Gewerbcvereine von gegnerischer Seite gerichteten
Bemängelungen energisch zurllckzuweisen. Die Gewerbevereine
hätten sich mit den Angelegenheiten der Handwerker schon zu
einer Zeit befaßt, als noch von keiner anderen Seite daran ge-
dacht wurde; ihnen sei es vor allem zu danken, daß das Hand-
werkergesctz in's Leben trat. Eine vollständige Unwahr-
heit sei die gegnerische Behauptung, daß die Gewerbe-
vereine zum größten Theile aus Nichthandwerkern beständen.
Gerade das Gegentheil sei der Fall. Von den Mitgliedern
gehören 80 Prozent dem Handwerkerstande an; daß die übrigen
20 Prozent aus Freunden des Handwerks beständen, könne
diesem sicher nicht zum Rachthcil gereichen. Wenn man etwa
glaube, daß die Regierung jemals in die Aufhebung der Ge-
werbefreiheit einwillige, gäbe man sich einer großen Täuschung
hin. Redner theilte sodann noch mit, daß auch in diesem
Jahr eine Ausstellung von Lehrlingsarbeiten staltsinden werde,
mit der eine Gesellenprüfung verbunden werden solle,
und machte auf die Wichtigkeit der letzteren für die
selbständige Niederlassung junger Handwerker aufmerksam,
da es solchen ohne Ablegung der Prüfung nach dem Handwerker-
gesetz erst nach Ablauf von 5 Jahren gestattet sei, Lehrlinge an-
zunehmen. Auf Anfrage des Herrn Buchbinder Hoh Meister
gab der Vorsitzende nähere Aufllärun» über die abzuhaltende
Prüfung. Dieselbe bestehe aus der Betheiligung an der Lehr-
lingsarbeitenausstellung, außerdem habe der Lehrling ein ge-
nügendes Zeugniß der Gewerbeschule vorzulegen. Die sodann
erfolgende Rechnungsablage ergab an Einnahmen Mk. 1142.—,
an Ausgaben Mk. 1127.03, so daß ein Kassendestand von Mk. 324.97
vorhanden ist. Das Grundstocksvermögen beziffert sich auf
Mk. 1496.57. Dem Rechner, Herrn Architekt O. Sanier, wurde
Entlastung ertheilt. Der folgende Gegenstand der Tagesordnung
betraf die Berathung der Normalsatzungen für die Badischen Ge-
werbevereine, die nach längerer Besprechung mit einigen kleinen
Abänderungen auch für den hiesigen Verein angenommen wurden.
Bei der hälftigen Neuwahl des Ausschusses wurden die aus-
tretenden Mitglieder, die Herren Beiler jr., Bilabel, Dieffen-
bacher, Emmerling, Lender, Mangelsdorf und W. Pfaff alle fast
einstimmig wieder- und an Stelle des durch Tod ausgeschiedenen
Mitglieds Flaschner Faulhaber, Herr Mechaniker Löw mit großer
Mehrheit neugewählt. Der Vorsitzende sprach sodann noch der
Bürgerkasinogesellschaft für die Ueberlassung der Räumlichkeit zur
Abhaltung der Versammlung den Dank des Vereins aus. Herr
Beiler jr. dankt dem Vorsitzenden für seine den Interessen des
Vereins gewidmete erfolgreiche Thätigkeit, worauf Herr Bilabel
bemerkte, daß er den Vorsitz noch bis zur Errichtung der Hand-
werkerkammern beibehalten wolle, daß er es dann aber für er-
forderlich halte, daß ein dem eigentlichen Handwerkerstande An-
gehöriger denselben übernehme. Zum Schluß erhoben sich die
Anwesenden, zum Gedäwlniß des verstorbenen langjährigen
Vereins- und Vorstandsmitgliedes A. Faulhaber von den Sitzen.
* Bergbahn. Gestern fand eine Besichtigung der Bergbahn
durch die Wasser- und Straßenbau-Jnspection und Herrn Ober-
amtmann Dr. Klotz unter Mitwirkung der Bahndirection statt.
A Variötö zum Zwinger. Mit dem heutigen Tage erscheint
im Zwinger-Variöls ein neues Repe rtoir. Wie aus dem
Jnseratemheil ersichtlich, sind es durchweg erstklassige Speziali-
täten, welche engagirt sind, so daß sich ein Besuch dieses Etablisse-
ments wohl lohnen dürste. Wir nennen in erster Linie Miß
Sayda, welche am sogenannten asiatischen Luftreif und in einer
zweiten Nummer mit einer Creolin am Trapez ihre Künste zeigt.
Das Damenensemble vervollständigen Frln. Mazelly und Frln
Namsberger. Hr. Charles Christon, der vorzügliche Damem
Imitator, bleibt dem Programm bis 25. ds. Mts. erhallen.
Wir empfehlen den Besuch des VariStss bestens.
O Fußball Bei dem gestrigen Wettspiel zwischen Heidel-
berg College und Neuenheim College gewann Heidelberg in der
ersten Halbzeit 1 Versuch und 1 Treffer. Da in der zweiten
Halbzeit keine Partei einen Vortheil erzielen konnte, siegte
Heidelberg College mit 8 Punkten.
* stratzerrreinigung. Ueber die Verpflichtung zur Reinigung
der Gehwege in hiesiger Stadt herrschen unter den Hausbesitzern
mancherlei irrige Auffassungen. Das Großh. Bezirksamt hat
daher die hierüber maßgebende ortspolizeiltche Vorschrift ver-
öffentlicht, die im 2. Blatt der heutigen Nr. der Heidelberger
Zeitung wiederholt abgedruckt ist. Wir machen auf dieselbe an
dieser Stelle noch besonders aufmerksam; die Nichtbeachtung der
Vorschrift hat selbstverständlich keine gerade angenehmen Folgen
für die Betreffenden.
üi Schosfengerichtssttzung im Stadtrathssaale vom 15. März.
1) Albert Richter. Schlosser, erhielt wegen Landstreicherei 3
Wochen Gefängniß und wurde der Landespolizei überwiesen.
2) Joseph Steinbächer, Maurer aus Ziegelhausen erhielt wegen
Sachbeschädigung eine Geldstrafe von 15 Mk. ev. 3 Tage Haft.
3) Ludwig Anton Hag, Taglöhner in Petersthal erhielt wegen
Hausfriedensbruch und Körperverletzung eine Geldstrafe von
25 Mk. ev. 5 Tage Gefängniß. 4) Leonhard Gassert, Gerber
^.n Eberbach erhielt wegen Sachbeschädigung, Bedrohung und

Ruhestörung eine Geldstrafe von 10 Mk. ev. 2 Tage Gefängmö-
5) Anna Marte Lenz, Blumenmacherin dahier, erhielt wegen
Unzucht 3 Wochen Gefängniß und wurde der Landespolizei über-
wiesen. 6) Johann Klein, Schlosser dahier, erhielt wegen groben
Unfugs eine Geldstrafe von 10 Mk. ev. 3 Tage Gefängiß. 7) Jo-
hann Adam Hemmerich, Zimmerman von Wieblingen, angeklagt
wegen groben Unfugs, wurde freigesprochen.
— Polizeibericht. Ein unsicherer Militärpflichtiger wurde
gestern verhaftet; zwei Personen kamen wegen Ruhestörung zur
Anzeige.
ch Mannheim, 15. März. Nach dreitägiger Verhandlung m
heute der große Sackdievstahlsprozeß zu Ende gegange»-
Die zwei ersten Verhandlungstage wurden ausgefüllt mit der
Einvernahme der Angeklagten und der Zeugen, während heute
die Plaidoyers erfolgten. Der Vertreter der Staatsbehörde wie»
in seinen einsründigen Ausführungen hin auf die Aehnlichkeu
dieses Sackdiebstahlprozesses mit der vor einigen Monaten statt-
gefundenen Kohleudicbstahlsaffatre; hier wie dort seien die Hehler
schwerer belastet wie die Diebe. Die angeklagten Bäckermeister
hätten die unerhörteste Hehlerei getrieben durch den Ankauf der
gestohlenen Getreidesäcke. Zirka 136 000 Säcke im Werthe von
50 OM Mk. seien gestohlen worden. Gegenüber dieser große»
Zahl seien die ermittelten Einzrlfälle gering. Die Diebe habe»
wahrscheinlich noch weit mehr gestohlen, als ihnen nachgewiese»
ist, und große Trupps von Dieben sind offenbar »»entdeckt ge-
blieben. Sodann sprachen die 14 Verlheidiger, au« deren Pla>-
doyers der Hinweis auf das tiefe moralische Niveau
einiger Kategorien von Hafcnarbeitein hervorgehoben sei. Der
Kohlendiebstahlsprozeß habe die gleichen laxen Moralbegriffe a»
den Tag gebracht. Die Berathung des Unheils dauerte mehrere
Stunden. Die der Hehlerei angeklagten Bäckermeister erhielte»
Zuchthausstrafen, und zwar Karl Sauer 2 Jahre, Josef Stam
2 Jahre, Franz Geiger, Eduard Lorenz, Ludwig Feuerstein l?
l'/s Jahre. Bäcker Emil Bender bekam 10 Monate Gefängniß,
der wegen Hehlerei ebenfalls angeklrgte Fouragehändler Nathan
Nirndörfer von Oehringen wurde freigesprochen, der Einkäufer
Johann Weckesser wegen Hehlerei zu 1 Jahr Gefängniß ver-
urtheill. Von den Sackd'.eben bekamen Gefängniß: Karl Fertig
3 Jahre, Friedrich Ebert 2 Jahre, Hugo Kaiser 1 Jahr, Wilh-
Kraulh l'/i Jahr. Die übrigen Diebe, sowie die Fuhrleute,
welche die gestohlenen Säcke zu den Bäckern verbracht hatte»,
bekamen Gefängnißstrafen von 7 Monaten bis zu 20 Tagen.

Theater- und Kunst-Nachrichten.
Heidelberg, 11. März. (Stadltheater.) Als letzte Lust-
spietnooität dieser Saison geht morgen. Freitag, Lublin's neueste«
Werk „Das fünfte Rad" in Scene, das neueste Zugstück des Ver-
liner Hoftheaters, eine geisl- und gemüthoolle Comödie, welch?
mit Fug und Recht ein Charakterlustsviel genannt werden kan»-
Mit einer ganz besonders dankbaren Rolle ist in der Novität Hr-
Rudolph bedacht, nicht viel minder wirksame Aufgaben sind i»
den Händen der Damen Hoheneck, Mehrer, Sander und Jung,
und der Herren Blank, Göbel, Siener, Sigl und Weinmann.
Darmstadt. (Gr. Hoftheater.) Freilag, 17. März: „Cyra»»
von Bergerac". Sonntag, 19. März: „Der fliegende Holländer -

Handel und Berkehr.
Frankfurt, 15. März. Effektensocietät. Abends 6'/« Uhr-
Oefterr. Credit 231b. Diskonto.Kommandit 201.10-20 b. DarS-
städter Bank 154.10 b. Deutsche Bank 213.40 b. Dresdener
Bank 165.30 b. Ottomane 114 40 B. 30 G- Berliner Bank1l7.A
b. G. Berliner Handelsgesellschaft 167 b. Northern 79.30—
bis 40 b. Gotchard-Aktien 142 90 b. Schweizer Central 14210
Schweizer Nordost IM b. Schweizer Union 77.50 b. Jurp-
Simplon 88 b. 5pCt. Italiener 95.20 B. 10 G. ult. 3pEl-
Portugiesen 27.10-20 b., 4'/,pCt. dto. 40.80 b. 3pCt. Mexi-
kaner 26.10 b., 6pCt. dto. 98.70 B. 60 G. 4pCt. Spantt?
58.60 b. 4'zpCt. äußere Argentinier 74.30 b. G. 5pCt. amortn-
Mexikaner 8. Ser. 40.60 b. G. Madrider Loose 44.50 b. G-
Bochumer 245 70 B. 60 G. Bad. Zucker 52.50 b. G. Hilpert
132 50 b. G. ^
6V.—6'/r Uhr: 5pCt. amortis. Mexikaner 3. Ser. 40.70 P-
60 G.
Bei ruhigem Verkehr erfuhren die Kurse wenig Veränderung-
Ausländische Fonds zeigten recht feste Haltung.
Berlin, 15. März. Heidelberger Straßen- und Bergbah»-
gesellschatt 159.85 g.
Sinsheim, 14. Mä>z. Heute war der hiesige Schwei»?-
markt mit 36 Stück Milch- und 00 Läuferschw einen befahr?»'
Bezahlt wurden für das Paar Milchschweine 25—30 M
Läuferschwetne 00-00
Wasserstandsnachrichten.

Neckar.
Heidelberg, 16. 1,27, gef.0,03m
Heilbronn 15., 0,69, gef 0,03m
Mannheim, 15., 2,65, gef. 0,06m

Rhein.
Sauterbnrg, 15., 3,09, gest.0,03^
Maxau. 15.. 3,10, gest. 0,E
Mannheim. 15.. 2,55, gcf.O.Ol^

Neueste Nachrichten. .
Berlin, 16. März. Cecil Rhodes reist heute na«
dem Haag ab. — Dem Kleinen Journal zufolge ist
Herrenhauspräsident Fürst zu Wied, welcher sich gegen-
markig in St. Margarethe bei Cannes befindet, an JN-
fluenza schwer erkrankt. Der Vicepräsident von
teuffel nimmt an der Beisetzungsfeier in Friedrichs^
theil. — Der Lokalanzeiger meldet ans Friedrichs!»-!'
Fürstin Herbert Bismarck und Gräfin Rantzau sind infolge
Krankheit verhindert, an der Beisetzungsfeier theilzunehmcN'
Berlin, 15. März. Die Krisis ist, wie der N»t^'
Korresp. von wohlunterrichteter Stelle mitgethetlt wir»-
als behoben zu betrachten und zwar ist eine Verstän-
digung auf folgender Grundlage zu erwarten:
Herresverwaltnng beharrt auf dem Standpunkte, daß ^
in der Vorlage geforderte Präsenzziffer nicht »e^
ringelt werden darf, wenn nicht die Wehrhaftigkeit d?
Armee zu Schaden kommen soll. Die Regierung wird
aber, zumal die Verstärkung der Präsenz erst am 1. Oktob^
d. I. einsetzt, in Rücksicht auf die endlose Reihe von
ersprießlichkeiten, die jede Auflösung des Reichstages
Folge hat und im Hinblick auf die unliebsamen Eindrück^
die durch eine so schwerwiegende Differenz im Ausla»
hervorgerufen würde, damit begnügen, wenn ihr in ei»
den Reichstag verpflichtenden Form Sicherheit geg?^
wird, daß sobald das Bedürfniß eintritt,
Reichstag die noch fehlenden Mannschaften bervill^(
In dieser Beziehung gab bereits gestern der Vertreter »
Centrums eine Zusicherung. Diese Zusicherung müßt? ,,
bestimmter Form erfolgen, sodaß die Militärver»>,"
tung sich der Zuversicht hingeben kann, im Falle des ^
tretenden Bedürfnisses vom Reichstag das Fehlende n
gesäumt bewilligt zu erhalten.
Wien, 15. März. Das zu octroyirende
ge setz ist bereits im Großen und Ganzen ferligges^ .
jedoch ist die Publikation jedenfalls nicht vor Schliß. ^
Landtagsscssion zu gewärtigen. Auch will das Ministes ^
die Publikation der nationalpolitischen Forderungen
Deutschen abwarten.
 
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