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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0124
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^rscheint täzlich, Sonntags ausgenommen. — PreiS mit Familienblättern monatlich bv Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post br-

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vorgefchriebcuen Tagen wird keine Vcrantwortlichkeit übcrnommen. — Anschlag der Jnferate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschluß Nr- 82.

Montag, 20. Jannar 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — Air. 16.

Deutsches Reich.

— Dcr Kaiser empfing am Samstag den französtt
schen, im Königl. Schauspielhause in Berlin gastierenden
Schauspieler Coquelin.

— Das tragilche Gesch ck, welchcs die Benniqse n's ch e
Familic und das Obeihaupt dcrselben, Rudolf v. Bennigien,
deiroffen hal, ruft überall dic innigste Teilnahme heror.
Diescr gaben nicht nur die engercn polilischcen Frende
des gebeugten Valers, sondern die wcitesteu Kreise Ausdruck;
auch der Reichskanzlcr Gras Bülvw bezcugle selne
Persönliche Teilnahme.

Kiel,18. Jan. DiekaiserlicheIachl „Hohenzollern*
hat heurc Vormillag 9'/^ Ubr die Ausreise nach
Amerika angetrcten. Als sie die im Hascn liegenden
Kricgsschiffe paffirte, brachten deren Manuschafteli ein drci-
rnal ges Hurrah aus.

Aeutscher Weichstag.

Berlin, 18. Januar.

Forlsetzung der Besprechunq der Jnlcrpeilation betrcffeud
Maßrcgeln gegen die A rb eitslos i g k eit.

Abg. Graf Kani tz (kons.): .Die geschäftliche Krisis ist
auf keinem Gebiet so stark hervorgetreten, wie in der Eisen-
industrie. Jn dicscr Beziehung ist Nordamerika der wichtigste
Faktor. Wir sind geneigt, in unseren neuen Zolltarif solche
Sätze einzustellen, ivelche den amerikanischen Zollsätzen gleich-
kommen. Eine Arbeiterstatistik ist sehr schwierig, weil man
Arbeitslose nicht von den Arbeitsscheucn trennen kann. Die
Schuld an der Krisis tragen auch die Syndikate, z. B. das Koh-
lcnsyndikat. Die hohen Dividenden der Zechen stehen in merk-
WLrdigen Gegensatz zu der Arbcitslosigkeit. Der Staat sollte
hier seinen Einfluß geltend machen. Das wirksamste Mittel
gegen die Arbeitslosigkeit ist die Umgestaltung unserer Handels-
Politik rmd die Sicherung der deutschen Arbeiter gegen auslän-
dische Konkurrenz. Wir legen deshalb das Schwergewicht
auf den neuen Zolltarif; wir wollen der einheimischen Arbeit
den nötigen Schutz verleihen und sind deshalb die besten
Freunde der Arbeiter. (Gelächter links, Bravo rechts.)

Abg. Hoffmann- Dillenburg (natl.) unterscheidet zlvei
Klassen von Arbeitslosen, periodisch nnd autzergewöhnlich Ar-
bcitslose. Er habe vielfach beobachtet, datz einheimische Ar-
beiter anstrengende Erdarbeiten wieder ausgaben, da sie den
Anforderungen nicht entsprechen mochten. Da sei es zu
versteheu, wcnn die Arbeitgeber Jtalicner einstellten. Eine
Versicherung gegen die Arbcitslosigkcit sei aus der Grundlage
genossenschaftltchcr Organisation wohl denkbar.

Sächsischer Bundesratsbevollmächtigter Graf Hohe n-
thal erklärt, die Behanptung Zubeils, die sächfische Staatsd
eiscnbahn hätte Arbeiter entlassen, sei nach einem ihm zuge-
gcmgenes Telegramm nnrichtig. Die sächsische Regierung
habe alles gethan, um der Arbeitslosigkeit zu steuern.

Abg. Gamp (Reichsp.) führt aus, die Frankfurter Kra-
lvalle scien autzerordentlich bcdauerlich. Die Stadtverwaltung
hätte rechtzeitig für Arbeitsgclegenheit sorgen sollen, dann wäre
es errnöglicht worden, die Krawalle gegcnstandlos zu machen.
Redner empfiehlt dic obligatorische Kündigungsfrist für
Arbeiter und Verlcgung gewisser Jndnstriebranchen auf das
Platte Land.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowskh bemerkt,
datz die Wohlfahrtspolizei in den Händen der Einzelstaaten
liege und datz das Reich nicht mit Rcchtsmitteln in das Gebiet
der Zuständigkeit der Einzelstaaten eingreifen könne. Eine
Reform der Armcngesetzgebung werde in dcn preutzischen Mini-
stcricn behandelt, wcrdc aber in dicser überlastctcn Session nicht

mehr vorgelegt werden können. Die Armengesetzgebnng darf
nicht mittelbar oder unmittelbar in die Freizügigkeit eingreifen.
Jch wiederhole datz man zugestehen muh, dah sür eine Reihe
von Jndustriezwcigen die Verhältnisse nicht rwrmal sind und
daß Staat und Kommunen verpflichtet sind, für Arbeitsgelegen-
heit soviel als möglich zn sorgen. Aber von einem allgemeineu
Notstande kann nicht die Rede sein. Man wird gut daran thun,
die Lage nicht düsterer darzustellen, als sie es ist.

Nach einigen weiteren Bemerkungen Lenzmanns, Posa-
dolvskys, Dietrichs und Hahns vertagt sich das Haus vor 6 Uhr.

Weiterberatnng Montag Mittag 1 Uhr. Vorher wird am
Montag über einen Antrag Arendt verhandelt betreffend Nach-
tragsetat für Veteranenbeihilfe.

Aadischer Landtag.

Karlsruhe, 18. Jan. (3. öffentlichs Sitzung der
Erstcn Kammcr.)

Am Regierungstische: Präsident des Großh. Miui-
steriums des Jnnern, Geh. Rat Dr. Schenkel, späler
Finanzminister Dr. Buchenbergcr; Ministerialdirektor
Geh. Rat Heil, Geh. Rat Zittel, die Ministerialräte
Dr. Böhm und Dr. Nikolai.

Nach Anzeige der nenen Einläufe und Mitteilung der ein-
gekommenen Petitionen übergab der Präsident des Ministe-
riums des Jnnern, Geh. Rat Dr. Schenkel, zwei Gesetzent-
würfe zur Beratnng und Zustimmung, von denen der eine die
Verhütung der Zerstückelung landwittschastlicher Anweseni,
der andere die Fahrnisversichernng betrifft.

Durch den Bericht der Vudgctkommission über die Nach-
weisung der in den Jahren 1899 und 1900 eingegangenen
Staatsgelder und deren Verwendung (1. Beilageheft) —
Berichterstatter Frhr. v. Göler — wurde eine Disknssion über
die allgemeine Finanzlage eröffnet, an der sich die Herren
Geh. Rat Dr. Engler, Finanzminister Dr. Biuchenberger und
Geh. Rat Frhr. v. Nenbronn beteiligten. Die Diskussion wurde
abgebrochen und wird in der nächsten Sitzung fortgesetzt werden.

Die Art der Erledigung der der Grohh. Staatsregierung
während des Landtages 1899—1900 von der ersten Kammer
überwiesenen Petitionen —> Berichtcritatter Frhr. v. Rüdt —
wnrde nicht beanstandet und nach kurzem Bericht des Frhrn.
v. Göler namen s der Budgetkommission wnrde dem Archivar
bezüglich der Rechnung über die Kosten der erften Kammer vom
Landtag 1899—1900 Decharge erteilt.

Karlsruhe, 18. Ian. (32. Sitzunq der Zweiten
Kammer.) Präsident Göiincr eröffnel die Sitzung nm
9'/4 Uhr. Auf Antrag des Abq. Dr. Wilckens wird
der Gcsetzentwnrf betreffcnd Ueberleitung der ehelicheu
Güterstäude des älteren Rechts in das Reichsrcchts zur
Vorberatunq einer Sonderkommission und dcr Gesetzcnt-
wurf betreffend Aenderung dcs Elementarunterichtsqesetzes
der Kommission für den Gesetzcntwurf betreffend das Woh-
nungsgeld überwiesen.

Es folgt die Fortsetzung der Finanzdebatte.

Abg. Wittum (nat.-lib.) ist nicht für den Zolltarif,
der einen einseitigen Schutz der Landwirffchaft bicte. Die Jn-
dustriezölle seien im wcscntlichen nur Anstcmdszölle nnd doch
bedürfe die Jndustrie denselben Schutz.

Staatsminister v. Brauer: Der Abg. Wittum habe heute
nnd Abg. Wilckens neulich von eincr Aenderung im Ministerium
gesprocyen; auch er möchte hicrzu einige Bemerkungen machen,
obgleich er befnrchte, datz das, lvas cr zu sagen, weder neu,
noch interessant sei. Mit der Veränderung sei ein System-
wechsel in der Richtung der Gesamtpolitik nicht beabsichtigt
und auch nicht eingetreten. Jm Juli v. I. habe der hochver-
diente Staatsmann Ilokk aus Gesnndheitsrücksichten um seine
Znrnhcsctzung gebeten und dcr Grotzherzog habe dcm Gesuchc

stattgebcn müssen, weil Nokk besürchtete, datz er ciner parlamen-
tarischcn Wintertampagne nicht gewachsen sei. Zum Nachfol-.
ger wurde derjcnige berufen, der als dienstältestes MitglieÄ
dem Staatsministerium angehörte. Dreiviertel Jahre borhev
sei der in seinem Bernfe so sehr gewandte Minister des Jnnern
im wensentlichen auch aus Gesundheitsrücksichten zurückgetre--
ten und dcr Mann in sein Amt getreten, der die rcchte Hand des
abgegangcncn Ministers gcwesen. Das neue Ministerium
sei also organisch aus dem alten herausgewachsen, so datz dev
Kurs der alte bleiben werde. Es werde auch dadurch nichts
gcändert, datz noch ein fünftes Mitglied in das Ministerium
berufen, nicht wic es heitzt, als fünstes Rad am Wagen,
sondcrn als^ Korreferent in wichtigen Gesetzesangelegenheiten,
der zngleickv da er keine Ressottinteressen habe, ein unpartei-
ischer Mitbcrater sein werde. Jch leugne anch nicht, datz bei
dieser Answahl ein Umstcmd noch mit entscheidend tvar, der
sonst niemals eine Rolle spiele nnd auch nicht spielen dürfe^
nämlich die Konfession. Weil alle vier Ressottchefs der evange-
lischen Konfession angehören, so schien es angemessen, einen,
Angchörigen der katholischen Konsession zu nehmen. Und wenn
er fcrner sage, datz sie bestrebt sein würden, sich autzerhalb der
Patteien zu halten, nicht über denselben, was unmöglich sci„
so unteffcheide sich das neue Ministerium nicht von dem frühe--
ren, das die gleiche Erklärung abgegeben habe. Das heutige
habe vielleicht den Votteil, datz man es ihm leichter glaube^
weil sich niemand unter demselben befinde, der eine pattei-
politische Vergangenheit habe. Für einen Staatsminister
komme es hente auch nicht darauf an, viel Politik zu machen,,
sondern darauf, auf allen Gebieten des staatlichen LebenI
für eine gerechte und gute Verwaltung zu sorgen. Alle ent--
scheidenden Fragen der äuheren und inneren Politik würderr
im Reichstag durchgekämpft und durchberaten. Darum habe eiiH
Einzelstaat-Mnisterium Zeit, sich mit den .wirffchaftlichen
Aufgaben seines Landes zn beschäfttgen. Jn einem Münchenex
Blatt habe cr gelesen, die badischen Minister hätten eigentlichs
seit Zollys Abgang eine recht mittelmätzige Polittk gctriebcnx
mit eincm solchcn Lob wäre cr schon zufrieden, Ivenn unter die-
scr Politik zu verstehen sei eine gerechte und unpatteiische vom
modernen Geist durchwehte Verwalttmg, die sich frei gewutzt
habe von jedcm falschen Bureaukratismus. (Beifall.) Das
Ministerium werde fortfah»en, die Verwaltung nach gemätzigt
ffiberalen Grundsätzen zu sühren, die seit langem mit Effolg
matzgebend gewesen; es werde auch bestrebt sein, dic bei unS
so schaff ausgeprägten Parteigegensätze thunlichst auszugleichen.
und zu versöhnen. Die Politik werde cmch immer eine natto-
nale sein ,im Jnteresse des Landes. Das seien im allgemeinen
die Grundsätze, nach dencn das Ministettum die Geschäfts
führen werde. (Beifall.)

Abg. Fendrich (Soz.) interpelliert dcn Minister des
Jnnern über die besondere Bcaufsichtigung sozialdemokratischev
Versammlungen und wendct sich gcgen den Abg. Burkhard,
Der Zolltarif Iverde für jede Ärbeiteffamilie eine erhebliche
Mehrbelastung zur Folge haben.

Abg. Dr. Heimburger (Dem.) steht der neuen Re-
gierrmg skeptisch gegenübcr. Bevor er ihr sein Vertrauen aus-
spreche, wolle er Thatcn schen. Redner kritisiert die Voffchlägs
zur Reichsfinanzreform nnd kommt zu dem Schlusse, datz es
besser sei, vorerst den gegenwättigen Zmstcrnd beizubehalten.
Eine mätzige Erhöhung dcr Kornzölle scheint im ganz cmge-
bracht zu sein als Aeguivalent für die durch die Jndustriezölle
erhöhten Anfwendungen für Gerätschaften. Doch dürfe durch
die Zollerhöhung nicht der Abschlutz von Handelsverträgen
verhindert werden.

Minister b. Schenkel will nicht über die Getreidezoll--
srage sprechen, in welchcr der Vorredner die Stellung der Re-
gierung klar wiedergegeben habe. Wenden müsse er sich aber
gegen die Ausführungen Dreesbachs, in welchen die Vetettnär-
matzregeln hinsichtlich dcs Verbotes dcr Vieheinfuhr bemängelt
worden seien. Die Reichsregierung habe allen Grund, die
Einftlhrung von fremdem Vich möglichst hintan zu halten mit
Rücksicht auf die Seuchengefahr. Seit den strengeren Matz-
nahmcn sei die Rindvieh- nnd Schweinezucht in erfreulichem
Wachscn bcgriffcn. Das Einsuhrvcrbot sei aber auch kein

Stadttheatcr.

-r- Heidelberg, 19. Jan.

„R c i f-R eislingen." Schwank von G. v. Mosc r.

„Jch bin sozusagen auch in Arkadien geborcn", sagt bon
Reif. Wcnn cr deshalb auch kein Schäfer mit einer Flöte ist,
so tanzt doch Alles (hier bei Moser) nach seiner Pfeife, er ist
der spirittis rcctor und der grotze Ehevcrmittler anf dem Grund
Und Boden des Hanses v. Folgen. Herr R u d o l p h, der nm-
sicbtige Regisseur hcut Abend, verlieh dem mitzkannten Wohl-
thäter v. Reif so vicl Licbenswürdigkcit, Drolerie, Frische,
datz man die wirren Szenen des Stückes, für die man gar
kein Ende absehen kann, doch mit einem gewissen Vergnügen
«n sich vorbeiziehen ließ, Der Schauplatz ist bald das
Gut Folgens ,bald das Föffterhans, bald dic Apotheks. Fol-
gens und ihre Gäste wurden mit dcm nötigen Chic dargestellt
von den Damcn H e r t e r, I u n g m a n n, Jelly, K ö gl
und den Herren B e r n a u, W i e g n e r, Bra n dt. Eine
hübsche, charakteristische Gestalt war der alte Baron (Herr
Schneidcr ). Priska, die schöne llngarin zweiter Auf-
lagc, gab Frl. Milde Gelegenhcit, wiedernm ihre Bühnen-
ftcherheit zu zeigen. Zu den Figuren von „Krieg und Frie-
den" sind der Förster und seine Tochter nen hinzugekommen.
Hcrr Grotzmann nahm den alten, schweren, brummigen
Herren nicht leicht und wuhte auch diese Figur knapp und
schaff hinzustelleii. Nnr ganz Rühmliches sei dann über
die sttsche Försterstochter des Frl. Mnller gesagt. Der
schüchterne Apotheker (des älteren Stückes) zog heure zeitweilig
ttne Feuerwehruniform an und hatte einen Provisor, der als
Hvetisch vermilagte Natur alle Konflikte meidet. Der Herren
^assen imo Winter sei verdientermatzeii mit besonderer
"'Nerkennung gedacht. Das Publikum schien sich vortrcfflich zu
Nntcrhalten; der Eifer dcr Darstellcr trug das Stück. Denn,
v.n sjch genommen, gehört es zu dem Genre, von dcm man am
ttebstcn sagen möchte, um emen v. Rciffschen Ausdrnck zu ge-
"raucheri: Dcmke- Kommal K. W.

Kleine Zeitung.

— Bascl, 18. Jan. Jm zoologischen Garten tötete
heute ein Eber im Gehege der Wildschweine den Wärter
Emil Schoepflin. Dieser hinterläßt Fran und zwei
Kinder. Er ist versichert.

— Hannover, 18. Jan. Ueber das Ende des Land-
r«ts v, Bennigsen wird noch gemeldet: Der im Duell
verwundete Landrat v. Bennigsen hat den gestrigen Tag
zumeist in bewußtlosem Zustande anscheinend ohne Scknmrzen
verbracht und ist abcnds in Geqcnwart seines Bruders,
des Landesha.iptmanns von Ncuguinea, sanft entschlafen.
Die Kugel war in die rechte Banchseite eingedrungen und
hatte das Gedärm viermal durchschlagen. Jm Henriettenstift
zu Hannover wurde eine Operation vorgcnommen, und man
hatte auch vermockt, die Kugel zu entftrnen. Trotzd^m
gelaug es der Kunst der Aerzte nicht, das Leben des schwer
Verwundcten zu erhalten.

— Der Kronprinz in Bonn. Das „Berliner Tage-
blatt" schreibt: Mehr oder weniger versteckt wurde in dicsen
Tagen davon geschrieben und gesprochen, daß der Kronprinz
sich in Bonn „infolge verschiedencr persönlicher Unbehag-
lichkeiten nicht mehr wohl fühle", ja , daß der soziale
Abstand zwischen dem Kaisersohne und anderen Kommi-
litonen zuweilen nicht voll innegchalten werde, was eine
baldige Rückkehr des Kronprinzen zur Folge haben werde.
Wir haben von diesen „Sensationsgerüchten" keine Notiz
genommen, weil wir es nicht tragisch nehmen können, wenn
bei einer studcntischen Kneiperei die Frage, ob der cine
oder andere „in die Kanne steigen" soll, oder andere

ähnliche Dinge Gegenstand scherzhafter AuSeinandersetzungen
werden oder „Biergerichte" beschäftigen. Jetzt wird von
der „B. B. Z.", die darüber sogar „beste Jnformationen"
eingeholt hat, unsere Ansichi bestätigt. Das Blatt teilt mit,
daß der Kronprinz ffeine Stndicn in Bonn bis zum vor-
gesteckten Ziele vollenden wird, daß er sehr fleißig ist und
Frenndschaften schloß, die für später nicht ohne Folgen
erfreulicher Art sein werden, da sie sich auf Kommilitonen
erstrecken, die nicht gerade in goldenen Wiegen als Neu-
geborene lagen oder Kreisen angchören, deren Vorfahren
schon Hofämter in Erbpacht hatten. Daß zuweilen kleine
„Erfahrungen" nicht ausbleiben, muß zugegeben werden.
Als eine solche jüngst dem Kaiser gemeldet wurde, lachte
der Vater des Kronprinzen nnd ließ ihm sagen, „daß man
nur anf solchem Wege Welt und Menschen kennen lerne".
Somit bleibt alles beim Alten, und der Kronprinz wird
noch oft von „begeisterten" Zechern übersprndelnde Frcund-
schaftsbeweise oder lcichte Anrempeleien erfahren, denn der
Jugend dars „der Becher überschäumen" —, ohne daß davon
weiter Aufhebens zu machen wäre.

— Die Lehrfabrik von Georg Schmidt u. Co-,
Jlmenau, die sich znr Aufgabe gemacht hat, künftige Be-
sncher technischer Lehranstaltcn in besonderS zu dicseN
Zwcck cingerichteten Fabrikwerkstätten praktisch vorzubilden,
verzeichnet andauernd eiven starken Besuch. Die Ein-
richtungcn, die jctzt sür etwa 100 Volontäre ansreichen,
sowie die Fabrikationszweige, die flch aiif den allgcmeinen
Maschinenbau und dcn Äau von WclkMzmasch-nen.
Dynamomaschinen und elckirischen Apparat.n erstrecken,
werdcn alljährlich erweitert. So hat im vergangenen
 
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