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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-26 (2. Januar 1902 - 31. Januar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0139
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hier vorgekommen seien, seien immer noch zu ertragen. Man
möge nur an den außerordentlichen Druck denken, der oft
von kirchlicher Seite ausgeübt werde. Man brauche von dem
Urteil der Prüsungskommission nicht abzuhängen.

Abg. S ch w a r z e-Lippstadt (Zentr.) bittet um Kassie-
rung dcr Wahl. Abg. Franke widerspricht dem, ebenso Prietzke
(natlib.) Es folgen Bemerkungen Lenzmanns, Spahns
sowie einige persönliche Bemerkungen und ein Schlußworr des
Referenten.

Für den Kommissionsantrag stimmten die Konsewativen,
die Rcichspartei, die Antisemiten und die Nationalliberalen.
Da diese die Minderheit bilden, ist der Kommissionsantrag
abgelehnt und die Wahl also für ungiltig erklärt.

Der Kommissionsantrag auf Giltigkeitserklärung der Wahl
Graßmann-Thorn (ntl.) wird debatrelos angcnommen, ebenso
tvird die Wahl des Abgeordneten Haenel-Kiel (Freis.) nach
lebhafter Debatte für giltig erklärt.

Die Wahl des Abgeordneten v. Gersdorff (kons.) wird
gemäß dem Kommissionsantrage dcbattelos für giltig erklärt.

Die Wahl des Abgeordneten Sieg (ntl.) beantragt die
Kommission für ungiltig zu erklären.

Auf Antrag Spahn wird nach längerer Debatte die Prü-
fung der Wahl des Abgeordneten Sieg an die Kommission
zurückverwiesen.

Morgen 1 Uhr: Zweite Lesung des Etats des Reichs-
tags, des Reichskanzlers, der Reichskanzlei, des Reichsamts
des Jnnern. _

Bade».

Karlsruhe, 21. Jan. Gegenüber der Mcldung,
in der Klosterfrage habe die Kurie sich neuerdings ent-
schlossen, von der Zulassung des Benediktinerordcns abzu-
sehen und dagegen um die Zulassung des Ordens der
Kapuziner nachgesucht, wnd dem Bad. Nachrichteubureau
von insormierter Seite mitgeteilt, daß beieits seit 2
Jahren keineVer handlungen über die Ordens-
srage zwischen der Bad. Regierung und der Kurie
mehr startgesuuden haben.

Aadischer Landtag.

L.6. Karlsruhe, 21. Januar. (25. Sitzimg der
Zweitcu Kammer). Prüsideut Gönner eröffnet um
'/^10 Uhr die Sitzung. Eingegaugeu: Petitionen betr. 5per-
stellung eines Bahnübergangs bei Neuenburg, betr. Er-
richtung einer Jrrenanstalt in Adelsheim (H-iterkeit), feruer
eine Emgabe der Stadt Meßkirch um Einreihung in die
4. Ortsklasse des Gehaltstarifs. Die Beratung über das
Finanzgesetz wird weiter geführt.

Abg. Wilckens (natlib.) will auf die Eisenbahnreform-
vorschläge Frühaufs nicht näher eingehen, weil die Beratung
des Eisenbahnbudgets hierzu noch Gelegenheit gebe. Die Eisen-
bahnschuld halte wohl niemand für bedenklich, dagegen sei
alles darüber einig, datz es nicht angehe, unsere Eisenbahn-
schuld ins Ungemessene zu steigern. Dem Finanzminister konne
er das Zeugnis ausstellen, daß er das Haus stets in richtiger
Weise informiert und datz ihm stets eine Verschleierung der
wirklichen Lage sern gelegen hat. Die Stellung der Kommission
für Eisenbahncn und Stratzen zur Frage der Nebenbahnen
berühre ihn im ganzen sympathisch, doch möchte er daran
erinnern, datz die Regierung in dieser Hinsicht schon viel ge-
than habe. Redner ist gegen Einführung des preuhi,chen
Maaistratssystems in den badischen Städten der Städteord-
nung. Er hofft, datz die Vorlage betreffend den Wohnungs-
aeldtarif angenommen wird; an eine Rcvision des Gehalts-
tarifs niöchte er jedoch nicht herantreten, wenn dadurch enic
Erhöhung der Steuern notwendig würde. Das Programm
der neuen Regierung habe ihn befriedigt, namentlich das Ver-
sprechen, die Geschiifte im liberalen Sinn weiter zu fuhren.
Auch dagegen sei nichts einzuwcnden,.datz die Regierung neben
oder autzerhalb der Parteicn stehen will. Auch die national-
liberale Partei wolle gegenüber der Regierung ihre Selbst-
ständigkeit bewahren. Jndessen scheine ihm, als ob der Herr
Staatsminister die politischen Gesichtspunkte etwas unter-
schäüt hat. Allerdings werden die Hauptfragen im Bundesrat
und Reichstag erledigt, doch bleiben immerhin noch wichtige
Punkte dem Lande reserbiert, wie z. B. das Verhältnis von
Kirchc und Schule, das Vereins- und Versammlungsrecht, die
Verfassungsreforni usw. Die Wahlrechtsfrage habe er in seiner
letzten Rede nur deshalb nicht bcrührt, weil sie noch Gegenstand
einer besonderen Verhandlung sein wird und es nicht zweck-
mätzig ist, die Regierung jetzt schon zu einer Erklärung zu zwin-
gen. Nachdem aber einmal die Fragc angeschnitten ist, stehe
er nicht an, zu erklären, datz die nationalliberale Partei ge-
schlossen aus dem Standpunkt steht, der in ihrem Anirage
znr Versassungsänderung zum Ausdruck gekommen ist. ^.ie
nationalliberale Partei erblicke in der Wahlrechtsfrage nicht
dcn Angelpunkt, aber ste dränge doch auf deren baldige Erledi-
gung, weil diese dem Wunsche wciter Volkskreife entspricht.
Der bekannten Aeutzerung Bassermanns, datz die nationallibe-
rale Partei die Hände in den Schotz legen werde, wenn nicht
bald etwas in der Wahlrechtssrage geschehe, wolle er nicht^das
Wort redcn, aber so viel sei sicher, datz eine längere Verzoge-
rung auf das politische Leben nicht förderlich wirken könne.
Es sei nicht gnt, wenn einer populären und sachlich begründe-
ten Fordernng anf die Dauer keine Rechnung getragen wirv,
zumal sich immer mehr Gewohnheit zeigt, Leute, die sich mrr
Politik befassen, als mit einem Makcl behaftet anzusehen.
(Sehr richtigl) Durch Einführung der direkten Wahst werve
zwcifellos das Jnteresse am politischen Leben wieder reger.
(Beifall bei den Nationalliberalen.)

Abg. v. Stockhorner (kons.) hat volles Vertranen
zu der Politik des Finanzministers. Hinsichtlich des Zoll-
tarifs sei der Standpunkt der Regierung im allgemeinen
der richtige, nur scheine es ihm zweifelhaft, ob die mittlere
Linie richtig gezogen worden sei. Redner begründet die Stellung
der Konservativen zum Zolltarif und schlietzt mit dem Wunsch,
Sie Regierung möge stets eine Heimatpolitik treiben.

Abgeordneter Wacker (Zentr.) weist den Verdacht von
sich, datz er nicht alle Stände, auch die Junker, gerecht beur-
teilen könne. Burckhardts Rede war noch lange nicht das
Uebelste, was man im Hause gehört hat. Auch die Sozialde-
mokraten hätten für die halbe Stunde Unterhaltung, die er
geboten hat, dankbar sein sollen, auch wenn er vom „leeren
Stroh dreschen" gesprochen hat, was im Hause in der That
schon vorgekommen ist. (Heiterkeit.) Offenbar im Hinblick auf
die neueste Hetzrede des sozialistischen Abgeordneten Eichhorn
' gegen Wittum betonte Wacker, daß auch die Arbeiter ein Jnter-
esse daran haben, datz man rechtschaffene Arbeiter von den
Lumpen nnterscheiden müsse. Wer ein zutreffendes Wort über
die Lumpen generell auf die Arbeiter anwendet, vertrete
nicht die Jntereffen der Arbeiter. Redner interpelliert an die
Gerechtigkeit und politische Klugheit des Mnisters des Jnnern
rn der Behandlung der sozialdemokratischen Partei. Hoffentlich
wiege die Furcht vor der Sozialdenwkratie bei der Regiernng
nicht schwerer, als das gnte Recht und das Jntereffe anderer
Kretse, die einen so eigentümlichen Respekt nicht einzuflötzen
wisscn. Dem Lob des Finanzministers schlietze er sich
an; er habe sich nur gewundert, datz Buchenberger gestern
eiiie so starke Empfindlichkeit an den Tag gelegt hat. Bedauer-

licherweise sei der Fall Heimburger in die Debatte gezogen
worden; er möchte nur konstatieren, datz er aus den Darle-
gungen des Justizminifters die Ueberzeugung gewonnen habe,
datz Heimbnrger an der Abfassung des Flugblattes nicht beteiligt
war. Wenn er den Kollegen Wittum gegen die ungerechten
Angriffe Eichhorns in Schutz genommen habe, so sei er dadurch
nicht mit sich selbst und dem Zentrum in Widerspruch gekommen.
Aiif ein gutes Zeugnis von der Sozialdemokratie verzichte
er von Herzen gern.. Weiin wirklich die Erhöhung der Ge-
treidezölle eine Erhöhung des Brotpreises znr Folge hat,
was nach seiner Ansicht noch lange nicht bewiesen sei, dann
wären jedenfalls die Arbeiter am ehesten in der Lage, den
Ausfall tvettzuschlagen, iveil das allgemeine Publikum höhere
Arbeitslöhne bezahlen muh, die von der Sozialdemokratie
leicht erzwungen werden. (Fendrich: Es iväre ja schön, wenn
es so wäre l) Nün, vergleichen Sie doch die heutigen Lohnver-
hältnisse mit den srüheren. Die Hanptsache, was er sagen wolle,
konime jetzt. (Heiterkeit. Wacker hat bereits über eine Stunde
gesprochenl) Herr von Brauer habe eine nagelneue, hochinter-
essante Rede gehalten . So etwas sei schon seit zehn Jahren
nicht mehr vom Regiernngstisch gcsprochen worden. Dcr Pas-
sus, daß bei der Crncnnilng Reinhards die Konfeffion eine
Rolle spielte, scheine Frühmif in seinen staatspolitischen An-
schauungen berletzt zu habcn. Frühauf meine, das sei der
Triumph der konfeffionellen Politik Wackers. Wer ihn oder
das Zcntriim der konfessionellen Politik beschuldige, der kenne
bcide nicht. (I) Er lehne für sich und erst recht für das Zentrum
den Vorwurf der konfeffionellen Politik auf 8as allerweiteste
znrück. Voll einverstanden sei er mit den Worten des Staats-
minifters, dah bei jeder Ernennung eines Beamten nur die
Tückitigkeit enlscheiden soll. Wenn die Regierung sage, bei dcr
Ernenmmg Reinhards habc die Rücksicht auf die katholische
Konfession eine Rolle gespielt, so nehme er das als eine Art
Zugeständnis gerne entgegen. Wenn aber die Regierung wirklich
zu Zngcständnissen an die Katholiken bereit ist, die gerecht
imd sachlich angemeffen sind nnd der politischen Klugheit ent-
sprechen, dann werde es an Gelegenheit dazu nicht fehlen.
Hättc cr üürigcns das Konzcpt der Rede des Staatsministers
zur Durchsicht vorgelegt bekommen, so hätte er dicsen Satz
nicht etwa unterstrichen oder mir einem Nusrufungszeichcn ver-
sehen, sondern er hätte gesagt: „Cxcellcnz, diesen Satz wollen
wir streichenl" (Grotze Heiterkeit.) Jn einer Beziehung begrühe
er die Ernennüng Reinhards, insofern dadurch bekundet wird,
datz die katholische Konfession aus keinem Gebiet ein Hindernis
ist, daß ein tüchtiger Anwärter eine Stelle bekommt. Nach
langer Zeit scheint sich endlich die Ansicht durchgernngen zu ha-
bc», datz man auch an die katholische Konfeffion denken mutz.
Wir glauben den neuen Ministern gerne, datz sie neben oder
außerhalb der Parteien stehen. Möge unser Glaube niemals
auf die Probe gestellt werdenl Möge auch das Wort, dah der
Landesherr über den Parteien stehe, endlich wahr gcmacht
wcrden. Dann wird das Zentrnm gerne darüber hinwcgsehcn,
datz man Jahre hindurch miders sagen mutzte. Redner ersucht
die Regierung, dahin zu wirkcn, datz die badischen BnndeSrats-
bevollmächtigten im Bnndesrat recht kräftig ihre Stimme er-
hcben in Sachen dcr imicren und äutzeren Politik. Durch
Zitate sncht Redner darzuthun, datz die Haltung der natinal-
liberalen Partei in frühercn Jahren nicht mit der heutigen
Erklärimg Wilckens im Einklang steht. Der Abgeordnete Klein,
der einzig der aus der Kulturkampfzeit her auf nationallibe-
raler Seite noch im Hause ist, iverde nicht bestreiten, datz die
nationalliberale Partei in den 80cr Jahren die Rechte der
Krone ernstlich gefährdet hat. Ob Herr von Brauer das gleiche
hätte hören lassen, wenn die nationalliberale Partei noch die
alte Mehrheit hätte, möchte er sehr bezweifeln. Er möchte
seinen Kopf wetten, daß die Erklärung anders gelautet hätte,
wenn die nationalliberale Fraktion 44 statt 22 Mitglieder
zählte. Wenn der Staatsministcr scin Programm durchführe,
dann werden vör allem die Rechte dcr Krone gewahrt. Diese
werden überhaupt um so beffer gewahrt, je mehr Leute vom
Zentrum in die Regieruüg genommen werden. (Heiterkeit.
Rufe: Oho l Das glaüben wir!) Glanben Sie ja nicht, datz es
uns iim die Herrschaft zu thim ist. Wenn die nationallibcrale
Partei wieder erstarkt, ist zu befürchten, daß sich die Dinge
ivicder ändern. Die Regicrimg sollte endlich der alten Miß»
stände, das indirekte Wahlrecht, die veraltete Wahlkreisein-
teilung, gewiffe konfesiionelleVoreingenommenheiten und Vorur-
tetle beseitigen. Möge das Ministerium Brauer noch recht
lange lebcn und zwar in scincm ganzen Bestand, auch den
Minister des Jnnern nehme er nicht aus (Heiterkeit) und möge
ihm dereinst das Zeugnis ausgestellt Iverden: Das Ministerium
dcr Geradheit, das Ministerimn der GerechNgkeit! (Bravo!
im Zentrum und auf der Gallcrie.)

Vizepräsident LaUck übernimmt das Präsidum.

Abg. Binz (natlib.) ist für die Beibehaltung der Städte-
ordnung und begrützt die Rheinregulierimg als die Erschließ-
nng eines neuen Verkehrswcges mit Frenden. Redner bekennt
sich als Freund des Zolltarifs und polemisiert gegen die Ans-
führungen Musers. Das gcmatzigt liberale Programm der
Regicrung sei zu begrützen. Wacker habe dasselbe nach eigenem
Gntdünken ansgelegt. Wenn die Regierung auf die Schalmeien
imd Flötentöne Wackers hereinfiele, werde die nationalliberale
Partei allerdings ihr Vertraucn zu den neuen Mäimcrn ein-
schränken müffen. Jn der Mitteilung des Herrn Staats-
ministers über die Gründe, die zur Beriifung Reinhards ge-
führt haben, erblicke er nichts Auffallendes. So sehr er es
als eine beklagenswerte Verwirrung ansehen würde, wenn
die Rcgierung im Widcrspruch mit der gutcn badischen Tradi-
tion bei der Berufung eines Ministers auf die Konfcsiion Rück-
sicht nchmen würde, so sehr begrütze er es an sich, daß ein
Katholik als Mitglied dem Staatsministerilim angehört. Darin
finde er kein politisches, sondern ein sachliches Moment. Die
Bcmerkungen Wackers, datz die nationalliberale Partci früher
eine andere Haltung eingenommen habe, seien nicht stichhaltig.
Die nationalliberale Partei vertrat immer die Ansicht, datz
bei Besehung der Staatsstellen die Konfeffion des Bewerbers
keine Rolle spielen darf, sondern nnr die persönliche Tüchtigkeit.
Wackers Charakteristik der nationalliberalen Partei weise er
als dnrchans unzutreffend zurück. Wir haben niemals eine
konfesiionelle, sondern immer eine echte, liberale Politik ge-
trieben. (Bravol) Was wir bekämpfen, sind die politischen
Machtbestrebungen der Kirche. Er glaube im Namen seiner
Feunde versichern zu können, daß sie stets die Rechte des
Staates gegen klerikale Machtbestrebungen verteidigen wer-
den. Was Wacker mit seinen Anschmcichelmigen der Minister
im Auge hat, werdcn wir stets bekämpfen. Wenn auch andere
Parteien auf konfessionellen Grundsähen beruhten, so wäre dies
ein llnglück für Deutschlcmd. Die durchsichtigen Versnche des
Zentrums, die nationalliberale Partei in ihrer grundsätzlichen
Auffaffung dcr Dinge in Widersprnch mit ihrer Vergangenheit
zn bringen, werdcn an dcm gesimden Sinne des badischen
Volkes scheitern. (Lebhafter Bcifall bei den Nationalliberalen.)

Minister Schenkel giebt Wacker zu, daß bezüglich sciiXr
Person noch einige dunkle Punkte existieren (Heiterkeit), auf
Wackers Befferungsversuche wolle er nicht näher eingehen, son-
dern nur der Behauptung entgegentreten, „datz die Regicrung
einen mtt Angst verbimdcnen Respekt vor der Sozialdemokratie
an den Tag lege". Die Regiernng beklage an der Sozialdemo-
kratie nnr das, daß sie die Klaffen gegen einander aufhetze, ge-
gen alle Fragen der nationalen Ehre eine Abneigung zeige und
dem Volke die Religion und alle Jdeale zu verleiden suche. Aus
diesem Grimde werde sie von der Rcgterung für gefährlich ge-
halten. Die Sozialdemokratie habe so lange eine Cxistenz-
berechtignng, als sie nur eine radikale Partei bleibt, die sich
der Arbeiterintereffen annimmt; so lange wird sie von der
Regiernng behandelt wie jede andere Partei. Sobald sie aber

ändere Ziele verfolgt — und die Gefabr sei nach seiner An--
sicht nicht ausgeschloffen — werde die Regierung mir Ruhe
nnd Stärke ihres Aufsichtsrechrs gegenüber der Sozialdemokratie
ausüben.

11m halb drei llhr wird die Veratung abgebrochen und auf
Donnerstag vertagt

Preuße«.

Berlin, 20. Jan. Jm Abgeordnetenhause brachten
die Abgeordneten Langerhans und Baith den Antrag auf
Einführung der fakultativen Fe ue r b e sta t tu n g W
Prcußcn wieder ein.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben beM
Briesträger Ferdinand Hank in Freiburg die silberne Verdienst-
medaille verliehen, den außerordentlichen Profeffor Dr Georg
Böhm an der Universität Freiburg zum Honorarprofcssor er-
iiamit, den Hoflakaien Anton Keilbach, August WiedtemanN
und Alois Hartmauu in Karlsruhe die Erlaubnis zur An-
uahme und zum Tragen der ihnen von dem König von Schweden
und Norwegen verliehenen silberneii Verdienstmedaille mit der
Krone erteilt, dem Lehramtspraktikanten Anton Bruder von
Ohlsbach unter Ernemiimg desselben zmn Professor eine etat-
mäßige Professorenstelle an der Realschule zu Ueberlingen iiber-
tragen, den außerordcntlichen Profeffor der Volkswirtschaftslehre
an der Techntschen Hochschnle Dr. Walter Troeltsch, auf sein
Ansuchen auf 1. April d. I. ans dem StaatSdienste entlassen.

— Dem nichietatmäntqen V-rwaltungsaisiitent-m Antou
Brenzinger beim Landesgefängnis M-mnheim wurde di-
etatmäßige Amtsftelle eines Verwaltungsassistenten daselbst
Übertragen.

Karlsruhe, 21. Jan. Heuts Vormittag halb 11
Uhr sand die Eröffnung der Aussiellung des unter de«
Protekwrat Jhrer Königiichcn Hoheit der Kronprinzeffin von
Schweden und Norwegen stchende.i Vereins „Freunde der
Handarbeit" iu Strckholm in de» Räumen des Kunstvereins
statt. Die Großherzoglichen Herrschaften begaben sich u«
diese Zeit in das Kunstvereinsgebäude, wo dieselben von
der Kronpnn-essin erwariel und empfangen wurden. Die
höchsten Herrschaften verweilten etne Stunde zur genauen
Besichligung der Ansstellung und kehrren sodann mil der
Kronprinzessin sehr befriedigt zum Schloß zurück. Jhre
Königlichen Hoheiien begeheu heute im engen Kreise die
Geburtstagsfeier dcs Köuigs von Schweden und Norwegeil-
Dieselben halten die Frende, gestern zu erfahren, daß der
älteste Sohn Jhrer Königlichen Hoheit oer Kronprinzessin,
PrinzGustav das Offiziersexamcn ganz voitrefflich bestanden
hat. Der Prinz sieht heuie Seiner Ernennung zum Offizicr
entgegen. Der Großherzog und die Großherzogin erwarten
morgen den Besuch des Prinzen Adolf zu Schaumburg-
Lippe mit Gimahlin, geborenen Prinzessin Viktoria von
Preußen, sowie der Ecbprinzessin von Sachsen - Meiningen,
geborcneu Prinzessin Charlotie von Preußen.

Ausland.

Jtalien.

Rom, 20. Jan. Ats Ferri heute eine Vor'
lesung begann, entstand eine großc Rau f erei zwischeN
monarchischen Studcnten, welche den Apostel der Obstruküon
inederpfeifen wollten und ihn mit Namen wie Prahlhans,
Gascogner Cyrano begrüßten, und Sozialisten, welche sich
am Eingang des Lcsesaales aufstellten und den Monar-
chistsn mit Gewalt den Eintritt verwehiten. Als Cara-
binieri eintrafen, mußten fünf Studenten, durch Stock-
und Schlüsselhiebe verletzt, durch Ambulanzwagen ins
Hospital geschafft werden.

Amcrika.

N e w t> o r f, 20. Jan. Der deutsche Botschafter voir
Holleben hat, wie dem „Newyorker Herald" aus
Washington gemekdet wird, gestern erklärt, dec
Deutsche Kaiser und er sekbst empsinden aufrichtige
Genrigthuung darüber, daß die amerikanische Regierung
und das amerikanische Volk ein so weitgehendes Jnteresse
an dem Besuch des Prinzeu Heinrich nehme. Er glaube,
daß durch die Vorbereitungen, die von der Regierung
und dem Volke zum Empfang des Prinzen Heinrich ge-
troffen werden, alle hin und wieder austretenden Mel-
dungen, daß in Amerika eine feindliche Gesinnung ge-
gen Deutschland herrsche, widerlegt werden. Diese Mel-
dungen seien Verleumdungen, die von Leuten verbrei-
tet würden, um Zwiespalt zwischen zwei Nationen zU
säen, die duffch so viele Bande verknüpft seien, die Deutsch-
land noch enger zu ziehen wünsche. Die Absendung des
Prinzen Heinrich und hoher Würdenträger könne mrc
anfgefaßt werden als ein Beweis der warmen Freund-
schaft, die der Deutsche Kaissr für den Präsidenten urrd
das Volk der Vereinigten Staaten hege.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 22. Januar.

X Von der Universität. Cinem langjährigen LungenleideN
von welchem er früher längere Jahre hindurch in Königsfeld
im Taunus Genesung zu erlangen suchte, ist der a. o. Professor
an der hiesigen Universität und frühere Assistent am hygieni-
schen Jnstitut Herr Dr. E. Cramer, der in litterarische»
Kreisen besonders durch seine kurzgefaßte Hygiene bekannt ge--
worden ist, in Aachen, wo er seit zwei Jahren im Luisenspital
thätig war, gestorben. Der Verblichene hat ein Alter von 39
Jahren erreicht. Die Beisetzung findet am 28. ds. M. in Mcrr-
burg statt. Ein Bruder des Verstorbenen ist Professor de«
Psychiatrie an der Universität Göttingen und Direktor der
Jrrenanstalt dortselbst.

Zum Duell Bennigsen. Auch der jüngere Bruder des Ober--
präsidenten v. Bennigsen, der jetzt den Tod seines Sohnes
betranert, ist, wie mitgeteilt wird, im Zweikampf geblieben-
Vor nicht ganz fünfzig Jahren erschoß ein Dr. Wollhart aus
Gießen den damaligen stud. jur. v. Bennigsen hier in Heidel--
berg. Der ältere Bruder, der zum Begräbnis des hoffnungs-
vollen Jünglings kam, war der Gegenstand allgemeiner Teil-
nahme.

8 Ein Kunstwerk in Stickereiausführung, die Sixtimsche
Madonna nach dem Original in Dresden, ist augenblickliH
im hiesigen Rathaussaale ausgestellt. Es klingt unglaublich-
ein Gemälde getreu mit Nadel und Faden zu kopieren. Dec
Künstlerin Clara Ripberger ist es jedoch gelungen, sogac
eines der bedeutendsten Meisterwerke altitalienischer Kunst-
Raphaels Sixtinische Madonna meisterhaft und in allen Tes-
len dem Original getreu in einer eigentümlichen Seidenstickerei-
technik wiederzugeben. Die Künstlerin hat annähernd sech^



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