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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0218
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Monlag, 3. Februar 1902. Zweites Blatt._44. Jahrgang — ^i. 28.

^scheinttäalich Soimtcias ouskenommen. — Preis mit Familienblättcrn monatlich SO Pfg. in's Haus aebracht, bci der Expedition und den Zwergstcllen abgeholt 40 Pfg. Durch die Posl be.

zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ansschließlich Zustellgebiihr.

^zeiacnpreis: 20 Psg die Ispaltige Petttzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigcn ermäßigt. — Für die Anfnahme von Anzeigen an bestimmt
^vrgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkcit übernommen. — Anschla g der Jnserate anf den Plakattafeln der Heidelberger Zettnng und den Plakatsänlcn. — Fernsprech-Anichluß Nr. 82.

Ker Kmpfang der Kesandlen in Weking.

Der Empsang des diplomatischen KorpS gestaltete sich
ein Bericht der „Köln. Ztg." hervorhebt, in mancher
Uehung äußerst inte ressant. Dic Kaiserin-
i?it4ve zeigte sich zum ersten Mal amtlich den aus-
-^dischen Gesandten. Sie nahm in dem Hauptaudienzsaal
"kn Thron ein, während der Kaiser hinter einem Tisch
einem niedrigen Sitz vor dem Throne seinen Platz
Mtte. Ter Kaiser wurde zum Schein als Herrscher behan-
ssit, aber das Hauptinteresse und die Hauptbedentung hatte
^ Person der Kaiserin-Witwe. Die Gesandten und das
Ulvniatische Korps zählten etwa 100 Köpfe. Bci ihrem
Mtritt verbeugten sich die Gesandten dreimal vor dem
?k>iser und nahmen ihren Platz vor dem Sitz des Kaisers.

W Gefolge der Gesandten blieb im Hintergrnnde. Der
^vhen deS diplomatischen Korps, Baron Czikan v. Wahl-
rn, der österreichische Gesandte, hielt eine Ansprache,
M der Kaiser antwortete mit knabenhafter Stimme. Prinz
^lching nahni knicend die Handschrift der kaiserlichen Rede
^tgegen und häudigte sie dem Doyen aus. Sodann wurden
'k Gesandten vorgestellt, und der Kaiser machte jedeni
?s3enüber eine allgemeine Bemerkung. Die Gesandten stiegen
Araus die Stufen zuni Throne hinauf, wo die Kaiserin-
Mwe jeden Einzelncn mit einer Verbeugung und einigen
Evrten begrüßte. Herr v. Wahlborn bezog sich in seiner
/tsde an den Kaiser auf die Wirren, die den Hof veranlaßt
^tten, seinen Aufenhalt nach dem Westen zu verlegen. Er
,blerkte, daß die llnterzeichnung des Protokolls die seit
^dger Zeit bestehenden srenndlichen Beziehnngen zwischen
fMia und den westlichen Mächten in glücklicher Weise
^ederhergestellt habe, nnd daß zn hoffen sei, daß die genauc



^chiung der Bedingungen dcs Protokolls diese Beziehungen
enger gestalten werde. Er beglückwünschte dcn Kaiser

seincr Rückkehr und sagte, daß er dessen Wnnsch, die

Aernationalen Beziehungen zu bessern und das gegenseitige
?vhlwollen dauernd zu gestalten, anerkenne. Die Bemer-
l'k>gen des Kaisers nnd der Kaiserin waren wegen der
-^rschenden Unruhe sowohl im Chinesischcn wie in der Ueber-
Aupg fast unverständlich. Mau verstand, daß die Kaiserin
Bedauern über die letzten Wirren Ausdruck gab, und
Zß sie versicherte, sie würden sich nicht wiederholen. Die
^ier bot ein prächtig buntes Bild. Eine Zahl chinesischer
j/i>liger drängte sich um dcn Thron. Die Gesandten wurden
gelben Stühlen bis in die Nähe des Eingangs getragen,
, Uhrend die Sekretäre zu Fnß gingen. Nach dem Eintritt
die verbotene Stadt wurden in der üußern Halle Er-
chichnngcn gereicht, und bei diescr Gelegenheit mischten sich
chinesischen Hofbeamten in freundlicherer Weise als bei
ichheren Gelegenheiten unter die Fremden. Daß die

A'erin-Witwe höher saß als der Kaiser, bedeutet
^t unbedingt die Anmaßung eines höheren Ranges,
?>l der Kaiser nicht höhcr sitzen dars als ein Ver-
^Ndter des ältern Geschlechts. Daß man die
^fferin den Thron einnehmen ließ, war die Folge
spätern Einsalles. Als Prinz Tsching das Pro-
Mbini ordnete, teille er den Gesandten mit, daß die Kai-
ZR-Witwe zur Seite des Kaisers fltzen werde. Unter
Gesandten hat seit der Rückkehr des Hofes die Politik

'h

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.

(Fortsetzung.)

^ "Lasteu ivir doch dasl" sagte er. „Das ist ja nicht die
Jch will einmal aimehmen, Jhre Behauptung wäre
j>,^ündet. Es ist aber auch dann nicht weise und vorsichttg,
sij'öe Leute in Subtilitäteu und Spitzfindigkeiten einzuweihen,
si« ^fren Beurteilung und Würdigung sie denn doch noch nicht
nörige Reife des VerstandeS haben."

"Darf ich mich ganz offen und rückhaltlos verteidigen?"
iq, --Dafür sind wir ja als Freunde zusammen. Das fordere
^ don Jhnen. Also?"

tzx, "So darf ich mir Ivohl -— was ich nttr sonst nicht herauS-
^j?Pmen haben würde — die Frage erlauben, ob Sie nicht
lene Periode des Zweifels und der inneren Kämpfe durch-
Itz^cht haben, die kcinem Menschcn, wenn er andcrs seine
^nken den höchsten Dingen zuwendet, erspart bleiben?"
w, "Sehr wahr. Nur ein Stumpfsinniger wird das Gegen-
öon sich rühmen können. Jene finsteren Tage, jene schlaf-
^jsi^ Nächte, jenes Grübeln, jenes ohnmächtige Bohren und
ist auch nttr ittcht fern geblieben. Aber was beweisen

. dainit?"

!ijz"Älles Herr Pastor. Der junge Nkensch, der die Univer-
bezieht, nach seiner und seiner Eltern Meinung fest im
^Men und gefeit gegen alle Zweifel, gerät in die schlimmste
mge Bcdrängnis, sobald ihm dort die Stützen, die er für

.Hk . . .

^M.unantastbar hielt, weggezogen werden. Datz dies ittcht
^i- -fibt, daß es vielmchr sehr bald geschieht, das werden
bcherlich nicht bestreitcn, Herr Pastorl"

^P^ie käme ich dazn, eine so allbekannte und unleugbare
?zu Apxx gerade das spricht gegen Sie. Wel-

hy^^^utzen können Sie davon erwarten, datz dann, iveiin der
Mensch noch weniger fähig, wenn er gar nicht im
ist, den Kampf zu beftehen, der unausbleiülich ist,
IPäter einen befser gerüsteten Streiter vorfiichet."

an Boden gewonnen, dieKaiserin als den alleinigen
Herrscher anzuerkennen. Die oben beschriebene
Feicr würde vor eincm Monat noch auf Widerspruch ge-
stoßen sein, aber die Bcrichte ans dem Palast haben die
Unfähigkeit des Kaisers so klar bewicsen, daß selbst
die Gesandten, die bisher darauf drangen, daß die Mächte
den Rücktritt der Kaiserin-Witwe durchsetzen sollten, ihre
frühere Anschauung aufgaben.

Warnung für Suswanderer.

Nach Mitteilungen aus kaufmänmschen Kreisen, welche
mit den betreffenden Verhältnissen vertraut sind, hat die
pernanische Regierung mit einem Unternehmer
Namens Giiillermo Speedie einen Vertrag abgeschlossen
behnfs Urbarniachung der Landereien am Pachitea-Flnß
durch Ansiedelmig curopäischer und nordamerikanischer Ein-
wanderer. Aufgrmid von Erfahrungen, die man mit dem
pp. Speedie bei frühercii'stlnternehmungen gemacht hat, muß
demselben mit Mißtrauen begegnet werden. Es kommt
hinzu, daß die Landstrecken, welche den Pachites nud die
übrigen oberen Nebenslüsse des Amazonas dilrchlaufen, wegen
der dort herrschenden Snmpsfieber fast ohne Ausnahme ein
sehr ungesiindes Klima haben. Die Einwanderer haben
von der Küste einen beschwerlichen Weg größtenteils zu Fnß
durch Urwald znrückzrilegen, dessen Gefahren noch durch das
Auftreten von wilden Jndianern in jenen Gegenden er-
höht werden. Ansiedler, welche dorthin gehen, wären der
Willkür des pp. Speedie preisgegeben und während der
ersten Zeit auf die Lebensmittel angewiesen, welche er ihnen
in den Urwald senden würdc. Es erscheiut hiernach an-
gebracht, vor der Answanderung nach den Län-
dercien des Speedie zn warnen.

Deutfches Reich.

— Der Kaiser hat den Kapitänleutnant Karvf mit
der Ueberführung seiner ueuen Segeljacht von Amerika »ach
England beauftragt. Der genannte Osfizier tritt die Reise
am 15. Februar mit dsm Prinzen Heinrich an. Kaipf
führte während dcr letzten Kieler Wochen die „Jduna"-
Aacht der Kaiserin.

— Dcr ständige Hilfsarbeiter in der Kolonialabteilung
des Auswärtigen Amts, Legationsrat Dr. Bumiller,
wird in nächster Zeit in dcn Konsulardicnst übeitrcten und
vorausfichtlich einen Posten in Egypten erhalten.

Ieutscher Weichstag.

Berlin, 1. Fcbrmir.

Fortsetzung der Etntslcratung.

Bei dem Tiiel „Seefischerei" forderr Fürst zu In » - und
Knyphausen (kous.) Festsetzung vvu Schonzeiteu uud
Schourevieren für die Hochfeefischerei.

Graf PosadowZkp crkenut die Notwendigkeii dieser
Einrichtungen vollkommen au. Wir habeu uus der internatio-
nalen Kommijsiou zur Erforschuug der nordischen Meere an-
geschlossen, die am 15. Februar iu Thätigkeit ireten soll, um
wissenfchaftliches Maierial zusammen zu tragen, auf Grund
defseifi hoffeutlich ein interuatiouales Abkommen über Schou-

„Darauf könute es uur eine Autwort geben. weun die
Frage richtig gestellt Ivüre. Aber — vcrzeihcn Sie meiue
Kühnheit — die FragesteUuug ist falsch."

„Bitte erklären Sie sichl"

„Nach meiner Ansicht ist jeue Periode des Jweifels, die
ja für viele leider zu eiuer vollständigeu Abkehruug vom Glau-
ben führt, darum so verhüngnisvoll, weil der Jüngliug Gruud-
lageu, die er für felsenfest hielt, ius Wmikeu kommeu sieht.
Was folgert er darans? Datz es übcrhaupt keine verlässigen
Giamdlageu für jcneu Glauben giebt. Ganz anders aber,
wenn ihm vvrher schon gezeigt wurde, datz er sich auf jene
Grundlageu -nicht unbedingt verlassen dürfe, datz er sich darauf
vorbereiten müsse, sie wegfallen zu seheu und für andere
zu sorgeu; dann wird dic Krisis ihrer schlimmsteu Gefahr be-
raubtsi Wer da meiut, ciu Schiff, dem er sich auvertraut,
küune niemals uniergehcn, wirdj nicht schwimmcn lerneu, und
weuu dami der Schiffbruch erfolgt, sinkt er uuter, hilflos
und schwerfällig wie ein Stein. Wer aber dem Fahrzeug nicht
Nuverletzbarkeit zutraut, wird schtvimmen lernen, und wenu
das Schiff zu Grunde geht, imstande sein, schwimmend das
Laud zu erreichen. Vielleicht ist dies zu weit enfferut, feiue
Kräfte reichen nicht aus, und er ertriukt doch. Vielleicht! Aber
der andere ertrinkt gewitz!"

Das Gleichnis fand deu Beifall des erfahreuen Kanzel-
redners.

„Gut ausgeführt!" bemerkte er freundlich. „Aber Bilder
und Gleichnisse sollen dazu dieuen, den Sachverhalt zu kläreu
und zu erhelleu, nicht, ihn zu verschleiern und zu verduukelu.
Und, wenu ich geuauer zuschc, scheint mir dies denn doch bei
Jhrem Bilde der Fall zu sein."

„Wieso, wenn ich fragcn daff?" . . .

„Nehmen wir au, das Schiff iu Jhrem Bilde sei die De-
weisführung für das Dasein Gottes. Dies Schiff ist ja, auch das
sei zugegebeu, nicht unverletzlich. Was aber ist jeue andcre
Stütze, was versteheu Sie in der Religion uuter der Kunde
des Schwimmens?"

„Die Forderungeu der prakiischen Vernunft."

Zeit und ischonrevierc zustaiide kommr. Die kleiuen Fischereieu
werdeu wciter uuterstützt werdeu.

Auf ciue eutsprcchende Ausrage dcs Avg. P a ch n i ck e
sfrs. Vp.) erklärt Graf Posadowsky, für die Bimien-
schiffahri wllrden mit Hinzuzichuug der gemachteu Crspariiisse
ii, diescm Jahre 700 000 M .verwaudt werdeu.

Abg. Paasche (nat.-lib.) üemcrtt beim Titel „Ausgabe
der Berichte für Handcl und Judustrie", das in dieseu Be-
lichicn vcröffentlichte Material werde nicht geniigend gcwür-
digt.

Staaissekreiür Pvsadowsky empfiehlt diese Berichte
als wertvolle Ouellen der Jnformation für dcu Autzeuhandel.

Beim Tirel „Kosten der Matzregclu gegeu die Rcblauskrank-
heit" ermmirert Abg. Deiuhard (nat.-lib.) die Regierung
zu energischcr Durchführuug der bestchenden Gesetzgebung.

Der Direttor im Reichsgesundheitsamr Köhler bemertt,
die Regierung werde in der Zustimmung der beteiligten Kreise
eiue Ermunterung sehen, sich durch die schweren Opfer nicht
irre machcn zu lasseu, ivclche die Revlausbekämpfung crfordert.

Abg. Herold (Zentr.) wüuscht amtliche Statistiken
über die Gestaltung des Gctreidemarktes.

Staatssekrerür Posadvwsky erklärt, ivir können nur
Thaisacheu veröffentlichcn. Vielleicht köuuteu die grotzen land-
wirrschafilichen Verbändc eine Organisation gründen, die dieses
statisrische Material ohne jede Polemik eiuwaiidfrei veröffeitt-
lichen tömiteu. Er habe sich schvn au dcu Eisenbahuminister
getvandt, ob er uicht in Form eiuer Zcitschrift diejenigen
sratistischeii Daten geben wolle, die sich auf die Beivegung des
Getreides auf den dcurschcu Bahnen bezieheu. Er würde daun
bczüglich der Biuuenschiffahrt eiue ähuliche Anregung geben.

Bei Tiiel „Rcichskommissariat" wünscht

Abg. Cahensly (Zemr.), datz die AusivaudeningS-
tommissäre auch für aus Nmcrika Ziirückkehrcnde sorgen uud
datz ein Preis für die beste Effinduug zur Rettung Schiffbrüch-
iger ausgesetzr werde.

Staatssekretär Posadowsky will die erivähuten
Puukce den Austvauderungskommissäreu mitteileii.

Bcim Tirel „Reichsschulkommission" bemerkt

Abg. Eickhoff (frs. Vp.), daS richtigste Iväre, dcn
tz)ym»as>en, Renlgymnasiei! und Oberr.'a!schule.i die gleichen
Rrcht.'. zuzugestehen, nachdem der Kaiser -ie Gleichiveriigkeit
der drei Diidungsanstalten ausgcsprochcu haoe

Staatssekretär Posadowsky erklärt, das Staars-
miuisrerium habe sich bereits schlüssig gemacht, datz die Real-
g y m n a s > o s: e n mid O b c r r e a l s eh ii l e i naeü de.n
A b i t ii r i e n t e ncra m e n zum juri st i s ch e ,, Stu -
dium zugelassen sind. Es werde Sache dieser Aviturienten
sein, den Beweis zu führen, datz sie die erfvrderlichen llassi-
schen Kenntittsse besitzeii.

Abg. Kirsch (Zeittr.) hült die Kemunis der lateiuischen
Sprache für Juristen für selbstverstüudlich, weuiger uorwendig
sei sie bei deu Naiurimsteuschaftlern.

Abg.Heine (Soz.) wünscht Vorlage eines Gesetzenrwurss,
der gewisse Mindeslbedingmigeu und Abstellung der Dienstver-
träge der Voltsschullehrer, sowie lleberwachung dieser Bor-
schriften durch das Reich vorsieht.

Abg. M üllcr- Lagan (freis. Vg.) bcmerk^Kirsch gegen-
über, eS seit ratsani, weittgsteus den höheren Schulcn einen
einheitlichcn Nrtterbau zu gebcu, so dah die Eltern uud die Kin-
der in der Lage seien, erst auf einer höheren Stufe zu wählen
ztvischen den verschiedenen Wegen, dic zu einer höhereu Bil-
duug emporführeu.

Es folgen weitere Aeutzeruugeu der Abgg. E i ck h o f s,
P a ch n i ck e, Kirsch uud Er'pel, welcher wüuscht, daß
man alleu Schulen Gleichberechtigung zugestehe.

Abg. Bäumer (uar.-lib.) vcrlangt freie Bahu über
allc Austalren ohue Zwischenexameu.

Bei dem Titel „Normalaichungskommission" fragt
M ü l l e r - Meiittngen nach dem Schicksal der eingebrachien
Resolutioueu, berrcffcud Aichung der Bieffässer.

StaatZsekretür Posadowsky führt auS, es schwebteu

„Jn welchem Sinne?"

„Die rcine Vernunft weitz von Bewciscn für die Grund-
lagen der Religion uichts. Wcnn ich die Jüngliuge schwimmcn
lerucu will, so heitzt das, sie sollen lcrnen, sich auf die Postulate
der praktischeu Vernuuft zu stützen."

„Das lätzr sich höreu!" sagre der Hauprpastor. Aver weun
er airch mit der Thcorie des juugen Lchrers ciuverstandeir/war,
so verwarf cr doch seine Praxis. Nicht ohne Humor führte er
aus, datz wcun die reine Veruunft auch Aufrichtigkeit uud folge-
richtigeS Haudelu nach Grundsätzeu verlauge, die praktische
Veruunft doch Ausnahmeu siatuiere. Und eine solche Aus-
nahme liege hier vor. Die Rcligioiissiunden in der Sekunda
fingeu mit den Beweisen für das Dascür Gortes an, und da
fei es doch absolnt uttzulüssig, wenu der Lehrer privatim
erklürte, alle von ihm offiziell vorgetrageucu Beweise leisieteu
»icht das, waS vou ihnen vorgegcben werde.

Zaruow wollte sich nicht überzeugen lasseu, Ritzau be-
stand auf seiner Ansicht, und nach einstündigcr llittcrredung
war man von eiuer Einigung noch geuau so weit eutferut ivie
zu Anfang. Endlich sagte der würdige Hauptpastor:

„Beschlafeu Sie sich die Sache, meüi Freuud. Guter Rat
kommt über Nacht. Vergessen Sie uicht, daß vou Jhrem
Entschlusse die Möglichkeit für Sie abhängr, Ordiuarius von
Sckunda zu werdeu. Nicht Heuchelei wird von Jhnen ver-
laugr, sondern rrur ciu wenig Zurückhaltmrg. Jch erwarte
biS übermorgen Jhreu schriftlicheu Bescheid.

Zarnow stand auf, um zu gehcn.

„Noch ein Wort, mein lieber Freund", begaun der Geist-
liche noch einmal. „Mau sagt mir, Sie wären mit einem
hübschen und reichen Mädchen verlobt. Jst das wahr?"

„Nur halb. Eiu offizielles Verlöbuis hat noch iiicht statk-
gefundeu. Aber Fräulein Cäcilie Friedrichseu hat m!r ver-
sprocheu, meiue Frau zu werdeu."

Nitzau uickie gedankeuvoll. „Su ist es—ffa — daS hat man
mir so mtter der Hand mitgeteilt. Sie sind ein glückliches
Menschenkind!"

„Ich weih, dah ich viel glücklicher bin, als ich verdiene,"
 
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