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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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SamMg, 8. Februar 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — ^r. 33.


M.

(s


L^7> ......—. . >»-- ——— ..- —-- - >—»

kscheint täglich, Sonntags ausgtnomuien. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus aebracht, bei der Expedition und den Zweigstellcn abgcholt 40 Pfg. Durch die Post de-
d, zogeu viertcljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

"zeigenpreis: 20 Pfg. die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Psg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
"vrgeschriebencn Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschlutz Nr. 82.

Krists im sächstschen Winisterium.

, DreLd en, 7. Febr. Der Finanzminister v. Watzdorf
^tte mil dcr Finanzkommission der zweiten Kammer einen
Odemnitätsstreit. Es handelt sich um den Bau einer
kbenbahn von Chemnitz durch das Chemnitzthal nach
echselburg. Die hiefür bewilligten Summen sind im
/tachtragsetat ganz erheblich überschritten, so daß jetzt in
er einen Position statt 700 000 Mk. 1200 000 Mk. ge-
°rdert werden, während bei zwei andern Titeln die
^rsprünglich geforderte Summe von 5 334 000 Mk. um
^479 000 Mk. überschritten ist. Die Ueberschreitungen
^reichen also eine außerordentliche Höhe. Gleichwohl
^klärte die Regierung, daß sie eine Verletzung der Ver-
Mung nicht anerkennen könne und deshalb um Jndemnität
Landtage nicht nachsuchen werde. Dies hatte zur
Mge, daß die Kommission sich weigerte, dem Plenum die
"rwilligung des NachtragskreditS zu empfehlen. Nunmehr
!^sk sah das Finanzministerium sich zu der weitern Er-
iiirung veranlaßt, daß die Ueberschreitungen nicht ohne
^riteres eine Verfassungsverletzung involvierten, daß die Re-
^rungaber doch ini HinblickaufdieHöhederselben ausdrücklich
M Jndemnität nachgesucht haben wolle. Jctzt endlich erklärte
^ Kommission sich bcfriedigt unddeantragte die Bewilligung.
dxx heutigen Sitzung nun suchte der Mintster-
äsjdentdie erwähnte Zndemnitätserklärung des Finanz-
^nisters abznschwächen, worauf die beiden Vize-
"kästdentcn und Abg. Schill namens der Konseröativen
Nationalliberalen erklärten, daß sie auf dem Boden
^ Berichts der Finanzdeputation ständen. Ein konser-
^tiver Abgeordneter griff darauf die Finanzverwaltung
heftigste an. Als der Finanzminister v. Watzdorf
Wort nahm, wurde die Sitzung unter großer Erregung
°?kchlossen. Man erwartet die Demission des Finanz-
^iliisters.

i Dresden , 7. Febr. Nach Schluß der heutigen Sitzung
Zweiten Kammer hatten die Vizeprästdenten und Abg.
^chill fich mit dem Staatsministerium dahin auseinander-
??setzt, daß ste ihre Erklärungen nicht gegen das St aats-
? > njsterium, sondern nur gegen das Finanzmini-
i^rium gerichtet haben. Gegen das Gesamtministerium
?8r kein Anlaß zur Debatte vor. Dagegen ist zu er-
^rten, datz Finanzminister Watzdorf heute sein Ent-
^sungsgesuch einreichen wird.

Dresden, 7. Febr. Das „Dresdencr Zourn."

^ldet: Sämtliche Mitglieder des Staats-
^inistertums unterb r e it ete n dem König ihr
lassungs gesuch. Der KLnig hat stch die Ent-
Aießung über die Gesuche vorbehalten. Die eiuzelneu
Mnister wurden von ihm beauftragt, bis auf weiteres
^ Geschäfte fortzuführeu.

Deutsches Reich.

b — Dcr Kaiser empstng am 6. d. den Polizeipräsidentcn
id^indheim n. den Generalsuperintendenten Faber zur
^llsprache übcr Maßnahmcn gegcn die in letzter Zeck zulage
?^ttencn Eischeinungcn aus dem Gebiete desO cc ulti s mus
^sundvetei)

Maudereien vom Schkoßverg.

(?) Heldelberg, 8. Februar.

tz»,Der Schloßberg, ein zu allcn Jahreszeiten von der Be-
t.j'erung stark besuchter Stadtteil, bietet im Hochsommer, in
Haupt-Reisesaison, an schönen Tagen ein Bild buntbeweg-
K.Lrbens. Wer Zeit und Gelegenheit hat, der kann an einem
l^sten warmen Sommertag sich durch Bjeobachtung des Trei-
!s,-^ dort oben manche Zerslreuung verschaffen und dabei inter-
s^te Studten über das Benehmen der verschiedenen Stände
il„)e das Austreten von Angehörigen fremder Nationen an-
^en.

z>, Dtit Droschke, Automil, oder mit der Bergbahn, oder auch
auf den Berg gclangt, strömen die Völkerscharen dem
h. dlichxa Schloßeingang zn. Ein mitleidiges Lächeln erregen
it»; chmal korpülente Personen oder auch solche, die das Berg-
!ß,8cn nicht gewöhnt sind, wenn diese die 294 Stufen des
iiDen Buckels hinaufsteigen u. oben angekommen, in völlig er-
^dftern Zustande nach Atcm ringen. „Das soll der Kurze
^>,s,el seinl" rufen sie dann gcwöhnlich aus. Einc spindcldürre,
äußerste zusammengeschnürte Engländerin hielt sich neu-
hql' diesem Wege oben angekommen, an einem Geländer
^ü^mgte mit einem ganz eigenartig verzerrten Gesichtsaus-
„Kurrrzeer Buckheel!"

uß tm eigentlichcn Schlotzgebiet Leben herrscht, kann der
Schloßeingang beobachten. Wenn das Schlotz
^on ^kly und von den Franzosen belagert wurde, so ge-
das Gleiche jetzt durch die F r e m d e n f ü h r e r. Mit
F^olicher Miene und ehrerbietiger Haltung bieten diese den
^ ihre Dienste an und treten sofort in Aktivität, falls
^«tttzu'mscht wird. Leider wird von den Führern das Sprich-
cki s) -,Zeit ist Geld" allzu sehr beherzigt. Jn der Reisesaison
m A'kem Andrang wird der Fremde in grötzter Hast und Eile
4'Unkt zu Punkt geführt und mit den stereotypen Redens-
den oder jenen Bau belehrt, und so hat der Fremde
Wcktch pjcht so viel Zeit, das wirklich Sehenswerte richtig

— Jm Reichstag hat gestern der Staatssekretär der
Marine v. Tirpitz seinen vom „Vorwärts* veröffent-
lichtcn Geheimerlaß verteidigt. Hätte der Staats-
sekretär nur Leute vor sich, die ein Verständnis für die
Weltstellung Deutschlands und die damit zusammcnhängen-
den Anforderungen besttzen, dann hätte er garnicht nötig
gehabt, seinen Erlaß, der auf eine Steigerung des Aus-
landsdicnstes der deutschen Flotte abhebt, zu verteidigen.
Wahrscheinlich hätte er garnicht nötig gehabt, ihn zu
schreiben. Ein anders zusammengesetzter Reichstag würde
der Regierung das für die Marine Erforderliche bewilligen,
ohne daß es nötig wäre, es stückweise aus ihm heraus-
zupressen. Wenn der Tirpitz'sche Erlaß etwas beweist, so
ist dies die Kläglichkeit des Zustandes, der im Reichstag
heute noch in Sachen von hervorragend nationaler Be-
deutung herrscht.

— Bezüglich geplanter deutscher Befestigungen an
der schweizerischen Grenze schrcibt die „Süddeutsche
Reichskorrespondenz": Seit Jahren sind alle Grenzfragen
zwischen Deutschland und der Schweiz in gutnachbar-
ltchem Sinne geregelt worden, der sich auch bei dem
neuesten Anlaß nicht verleugnet hat. Man wird darüber
in der schweizerischen Bevölkerung ebenso befriedigt seien,
wie in Deutschland.

— Wie die „Kreuzzeitung" hört, soll die erst iin
Vorjahre von Kiel nach Wilhelmshaven verpflanzte
Marincingcnieurschule von dort nach Danzig verlegt und
der neuen technischen Hochschule angeschlossen worden.
Die Marinefeuerwerkerschule, bisher mit der Armee-
feuerwerkerschule verbunden, svll von Berlin nach Wil-
helmshaven verlegt werden.

— Wsgen der deutschfemdlichen Demonstrationen
gegen Professor Schiemann hat der Senat cher Berliner
Universität wieder gegen zwei weitere polnischc Studcn-
trn anf Entsernnng erkannt; ferner wnrden wiederum
drei ansländische Polen ausgewiesen.

Aeulscher Weichstag.

Bcrlin, 7. Februar.

Etatsberaiung: Marineetat.

Stcmtssckretär von Tirpitz: Die verbündctcn Regie-
rungen beabsichtigten» nach Erlatz des Flottengesetzes zunächst
ein komplettes zweites Linienschiffgeschwader von zwölf Linien-
schiffen in Bau zu geben, einschlietzlich der nötigen Material-
reserven. Jm vorliegenden Etat sind nur das dritte und
vierte Linienschiff dieses Geschwaders gefordert. Voraussicht-
lich käme das neunte und zehnte im Jahr'e 1905 zur Ver-
wendung. Jnzwischen wnrden im Reichsmarineamt neue Be-
rechnungen und Diskussionen über diese erste Periode bis
1905 angestcllt. Er hoffe, datz man mit den veranschlagten
Summen auskommen werde. Einzelne Verschiebungen zwrschen
den einzelnen Jähren und einzelnen Positionen mützten natür-
lich vorbehalten bleiben. Der vor cinigen Tagen im „Vor-
warts" veröffentlichte Erlah zwinge ihn, auch von dieser
Stelle aus auf ihn einzugehen. Man werde sich ermnern,
daß schon bei der Beratung des Flottengesetzes die verbündeten
Regierungen es für notwcndig hielten, unmittelbar nach dem
Bauplan'des Linienschiffgeschwaders an die Vermehrung der
Auslandsflotte heranzutreten. Dementsprechend würde die
erste Vei-mehinng 1906 zur Anwendung gekommen sein und
die entsprechende Novelle dcm Reichstag ein Jahr vorher zur
Beschlutzfassung vorgelegt worden sein. „Der von mir an
verschiedene Abteilungen des Reichsmarineamts gerichtete Er-
latz entbält die Anordnung, in die Vorarbciten für diese

in's Auge zu fassen oder über das Gehörte einen Augenblick,
nachzudenken.

Bei grotzer Hitze werden die Führer natürlich durch das
viele Sprechen und Laufen müde und abgespannt und um sich
srisch zu erhalten, wird in einer der Wirtschaften vor dem
Schloßeingange von Zeit zu Zeit der Jnhalt eines Bier- oder
Weinglases hinter die Binde gegossen, und so kann es nicht
fehlen, datz gegen Abend bei dem cinen oder cmderen jener ver-
änderte Klang in der Stimme hörbar wird, den man als
„Zungenschlag" bezeichnet. Dann ist es hochinteressant, dcn
Belehrungen und Erklärungen zu lauschen, die im höchsten
Grade — geistreich und logisch zugleich ausfallen. So begann
am späten Rachmittag im August ein Führer mit einem fremden
Herrn den Rundgang durch das Schlotzgebiet mit den Worten:
„Heute ist eA schwül, aber angenehm kühl, weil die Sonne auf
dcn Schatten scheint." — „Sehcn Sie, hier steht ein Epheu-
baum, der neben dran ist ein Jüngling davon; dort untcn ist
das Brunnenhaus, wer hundert Jahre bon diescm Wasser
trinkt, wird hundert Jahre alt. Das hier ist das Brückenhaus;
man hat später einen Stock darauf gebnut und dort steht der
Torn, der Torn, der Torn —" — „Nun, legen Sie einmal
losl" unterbrach ihn etwas boshaft der Fremde; „was hat es
sür eine Bewcmdtnis mit diesem Turm? — Daß es kein Manl-
beerbaum ist, sehe ich selberl"

Ein cmderes Mal ereignete es sich, daß ein Führer, während
er einen fremden Herrn begleitete, hin und wieder krampfhaft
die Augen zudrückte und dcn Mund aufsperrte. Als der Rund-
gang beendet war, gab der Fremde dem Führer die doppelte
Taxe, also 2 Mark, und zwar, wie er versicherte, aus Freude
darüber, datz cr nicht gebissen wurde.

Zwei per Bahn hier eingetroffene Frcmde wollten sich der
Dienste cines am Bahnhofe stationicrten Fremdenführers be-
dienen. Nm seine Gebühr möglichst rasch zu verdienen. mar-
schierte der Führer, den Schirm nmer dem Arm, mit bcschleu-
nigtcn Schritten dcn Herren durch die Anlagen voran und den
alten Schloßweg hinauf. Oben am Schloßeingang angekom-
mcn, sagte dcr Führer:.„So, da wären wir jetztl" Als er sich

Novelle einzutretcn und ist gewissermatzen eine Studie. Jch
habe den Erlatz als geheim bezeichnet, weil er lediglich als
interne Angelegcnheit des Reichsmarineamts beurteilt werden
kann. Um den matzlosen Uebertreibungen in der Verwendung
des Erlasses entgegenzutreten, bitte ich zunächst seinen materiel-
len Jnhalt zn betrachten. Er geht davon aus, daß an dem
bisherigen Schiffbautempo nichts geändert werden könne. Eben-
so verhält es sich mit den sonstigen einmaligen Ausgaben für
Docks und andere Bauten. Anders verhält es sich bei den
fortdauernden Ausgaben, Ivo durchschnittlich sechs Millionen
Mark ausgegeben werden. Jch habe, veranlatzt durch die Be-
richte des Geschwaderchefs in Ostasien, mit der Wahrschein-
lichkeit gerechnet, dah wir die Vermehrung der Auslands-Jn-
diensthaltung bis 1911 zurückschieben können und mutzte, um
cine Unterlage für die Beratung zu geben, ein fingiertes
Tablean der Vermehrung angeben. Nach diesem Tableau
setzte ich die Mchrausgabcn auf acht Millionen Mark gegen-
iiber den jetzt angegeben sechs Millionen an. Diese Steige-
rung ist der cinzige finanzielle Effekt, der aus dem Erlaß her-
vorgeht, wenu er sich in einer Nobelle verdichten sollte. Den
Zeitungen zufolge, wird mir aus dem Erlatz der Vorwurs
gemacht, datz ich den Reichstag über die finanziellen Konsequen-
zen des Flottengesetzes getäuscht hätte; in der Budgetkom-
mission ist mir ein solcher Vorwurf nicht entgegengetreten. Ei-
nige Blätter beschränkten sich allerdings darauf, zu sagen, ich
hätte die Vermehrung der Auslandsschiffe als nicht aus-
reichend beim Flottengesetz bezeichnct. Erstens hielt die Re-
gierung schon im Jahre 1900 eiste Vermehrung der Auslmids-
Jndiensthaltung um acht grotze Schiffe für erforderlich, wovoir
bei der Beschutzfafsung nur drci bewilligt wurden. Drei Schiffe
für die Efsektivvcrtretung Deutschlands auf der ganzen Weltk
Zweitens ist der Drnck für die Auslandsin'dlensthaltung stärker
geworden; die chincsischcn Wirren konnte ich nicht voraussehen.
Die ganze Entwickelung, wic sie sich in Ostasien vollzog.
lätzt diesen Drnck stärker erscheinen. Wenn ich mir darüber klar
werden wolltc, wie würde der finanzielle Effekt einer solchenl
Vermehrung der Flotte sein — kann man da'dem Chef der
Behörde einen Vorwurf machen? Jch habe einfach meine Pflichk
gethan. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Bebel (Soz.): Die Anschuldigungen gegen den
Staatssekretär wurden nicht nur in links-, sondern auch in
rechtsstehendcn Blättern erhoben. Wenn Worte noch einen Sinn
haben und deutsch bleiben sollen, dcmn ist der Passus anders
zu verstehen, als der Staatssekretär beliebte, ihn auszulegen.
Offenbar stellte er damals in der Kommission für das Flotten-
gesetz eine Bercchnung auf, die sich mit der Währheit nicht
deckte, weil er sich sagte: Wenn ich die Wahrheit sage, werden
neue Steuern erforderlich. Es licgt eine Tänschung des
Rcichstags vor und das ist das Stärkste, was der Volksver-
tretung passierte. Weitcr mteressant ist auch dic Kenntnis
der Thatsache, datz die Unrichtigkeit der damaligcn Aufstellun-
gen des Staatssekretärs auch anderen Jnstanzen im Reichs
bekannt war, z. B. dem Rcichskanzler. Jch möchte auch
wisscn, ob es richtig ist, datz innerhalb dieser kommenden acht
Jahre auf der ostasiatischen Station vier Linienschiffe und eine
entsprechende Anzahl Krcuzer und Kanonenboote in Dienst
gehaltcn werden sollen. Der Staatssekretär solle scinen Ab-
schicd nehnien. Jm Sinne des Erlasses gewinne auch die
Sozialpolitik der Regierung eine besondere Ansicht.

Staatssekretär von Tirpitz: Aus den Andeutungen
des Borrcdners über China ersehe ich, daß er auch den Rest
des gestohlenen Erlasses kennt, (Heiterkeit.) Bei allem sitt-
lichen Pathos in der Brandmarkung meiner Handlungsweise
vermisse ich mit Erstaunen, datz Bebel des „Vorwärts" mit
keinem Wort gedenkt, der doch den gestohlenen Erlatz ver-
öfsentlichte. Jch fordere Bebcl auf, cmgesichts dieses Hauses
den zu nennen, der ihn gestohlen hatl (Gelächter bei den
Sozialdemokraten.)

Abg. M ü l l c r - Fnlda (Zentr.) bemerkt, auch er habe
den zweiten Teil dcs Erlasses gesehen. Er sei ihm vom Reichs-
marincamt zur Kenntnis gebracht worden. Bebel kennt ihn
auch, aber sonstwo her. Gegenüber der Behauptung, der Reichs-
tag sei getäuscht worden, bemerke cr, datz die Kommission doch

aber nmdrehte, mußte cr sehen, daß die beiden Herren ver-
schwunden waren; dieselben waren an einer Kreuzungstelle der
alten mit der neuen Schloßstraße abgebogen und ließen den
Führer davonrennen.

Ein anderer Fall! Ein Führer stand mit einem Fremden
vor dem Bibliotheksbau. Frcmder (auf den Erker zeigend):
„Was ist denn das da oben?" — Führer: „Das ist das histo-
rische Eckfensterl" — Fremder „Jch dachte, das historische Eck-
fcnster wäre am kaiserlichen Palais in Berlinl" — Führer:
„O neinl Das hier ist das echte historische Eckfenster! Das
Bcrlincr ist nnr nachgeniacht!"

Jn scinem Gelderwerbscifer vcrlor ein am Bahnhof
stehender Führer seine Sinnc so weit, datz er seincn leiblichen
Sohn, der auf ihn zukam und ihn begrützcn wollte, mit den
Worten anredete: „Ein Führer gefällig?"

Wirklich großartig ist das Menschengewühl am Sonntag
Nachmittag in den Sommermonaten. Bon drei Uhr ab strömen
nnaushörlich die Menschen durch das westliche Eingangsthor
der Schlotz-Restauration zu. Aber auch in den beiden Wirt-
schaften vor dem Thorcingangc geht es lebhaft her und die
Menschheit bcwegt stch hier oben, angercgt durch die frische
Luft und den dcm Auge gcbotenen weiten Blick, manchmal in
ausgelassener Freude, froh, dcm unten herrschenden beengendcn
Dunst entrückt zu sem.. Und so spielt sich demi in der oberhalb
des Schlotzeingangs eingerichteien Gartenwirtschaft „mit
schöner Äussicht" und in der BTrgbahnwirtschaft manche heitcre
Szene aü. Jn dcr letzgeiiannten drängen sich auf einem eng-
begrenztcn Raum Menschen aus alleii Ständen. Ueber dieser
Wirtschaft, dic, richtig betrachtet, eine zum Essen und Trinken
eiiigcrichtete nnterirdische Höhle darstellt, soll ein eigcnartigcS
Verhängnis walten. Es geht die Sage, die Wirtsfamilie
müsse, sobald das Körpcrgcwicht der Wirtin 200 Pfund über-
steigt, wieder abziehen. Das ist bis jetzt auch in rcgelmätzigen
Jntervallcii von drei zu drei Jahren cingctreten, was bei der
gcsunden, den Appetit vcrmehrenden Lust des Schlotzberges
nicht Wunder nehmcn kann.

Jm Altweibcrsommer, wcnn der Frcmdeiistrüin etwas nach-

Die heutige Nummer besteht aus drei Vlättern mit zusammen 14 Sesten.
 
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