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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Samsisrg, 15. Februar 1902.

Grstes Blatt.

44. Jahrgang. — 39.

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstcllen abgcholt 40 Pfg. Dnrch die Post be-

zogen vierteljahrlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

Anzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Anfnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschricbenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitnng und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Zur Weise des ^rinzen Keinrich.

Newyork, 14. Febr. Vom Ufer des Hudsonflufses
aus sah es gestern so aus, als habe die deutscheEmpfangs-
iestlichkeit schon begonnen. Der Pier von Hoboken, wo
«ie „H o h e n z o l l e r n" liegt, ist mit Flaggen bedeckt,
Und auf der Newyorker Seite, wo die Aacht ankern wird,
lst ein prächtiger Pavillon beinahe vollendet. Prozessionen
bunt dekorierter kleiner Dampfer fahren den Fluß auf
hnd ab zwischen der „Hohenzollern" und den Kriegs-
Ichiffen „Olympia", „Jllinois" und der Brooklyner Ma-
rinewerft, wahrend die Musikkapellen die deutsche und die
amerikanische Volkshymne spielen und große Kanonen
Salute feuern für die sich besuchenden Admirale. Der
erste, welcher den Admiral Baudissin auf der Ma-
rinewerft willkommen hieß, war Kapitän Coghlän.
Man glaubt, er habe damit gut gemacht, daß er vor zwei
Pahren öffentlich ein Spottgedicht auf den Kaiser rezi-
üerte. Graf Baudissin empfing den Besuch des General-
wnsuls und Commenders Wood als Vertreter des Ad-
lnirals Barker und suchte dann den Admiral und den
General Brooks, den Kommandierenden des Ostdeparte-
Uients, auf. Dann fuhr er zu Mayor Low. Ueberall,
ivo er erkannt wurde, fand er die herzlichste Begrüßung.
Der Mayor hielt während der gegenseitigen Begrüßungs-
keden minutenlang die Hand des Grafen, der seine
Freude über den allgemein so herzlichen Empfang aus-
drückte.

Newyork, 14. Februar. Das „Journal" erklärt
llach einem Telegramm der „Frankfurter Zeitung" an
mitender Stelle, nunmehr sei festgestellt, wer der

irkIiche Freund Amerikas in schweren Zeiten
tzewesen sei. England habe wieder seine bekannte Per-
lidie an dcn Tag gelegt und seit vier Jahren immerfort
stelogen. Der Artikel schließt mit den Worten: Will-
kommen dem Prinzen Heinrich, er kommt von Deutsch-
wnd, das unser Freund war im Gegensatze zu England.
Die „Hohenzollern"-Leute werden in Anbetracht der
Blatternseuche geimpft. Das Volk begrüßt dieselben
Uberall aufs freundlichste und allenthalben sind Vor-
^eichen der kommendcn Festsümmung bemerkbar. Mayor
^ ow telegraphierte an den Prinzen Heinrich, die Än-
'Unft des „Kronprinz Wilhelm" möge so beschleunigt
Userden, daß der Prinz zum großen bürgerlichen Em-
ofang am 22. Februar früh genug eintrifft.

Deutfches Reich.

^ — Eine Berliner Zuschrift der „Süddeutschen Reichs-

Mrespondenz" stellt fest, daß für DeutfchIand durch
?en englisch-japanischen Vertrag keine be-
wnderen Rcchte oder Pflichten, namentlich aber keine Ab-
^eichung von den vom Reichskanzler im Reichstag dar-
belegten Normen für deutsches Verhalten in Ostasien
Zerzuleiten sind. Soweit es auf Deutschland ankommt,
Mn Rußland sich über die Mantschurei mit China nach
Aelieben auseinandersetzen. Deutschland stört die russi-
fchen Zirkel in der Mantschurei nicht, wir haben aber auch
^Men Anlaß, die Jnteressen zu durchkreuzen, die dort
anderen Mächten verfolgt werden.

DeirtsiHer Meichslag.

Berlin, 14. Februar.

Westerberatung des Postetats.

,, 8:ba. Hug (Zeiitrum) spiicht für bessere Regelung der Woh-
lUngKyeld-usl'üsse.

Wtaudereien von der KauMraße.

s? Heidelberg, 15. Februar.

Man hat es in dieser Karnevalszeit wieder sehen köuiien, was
an unserer Hauptstraße besitzen: sie ist unser Formn, imser
Mlto, unsere Zeil, und, weun mau will, imsere (Bcrliner)
Miedrichsstraße. Sie abzusetzcn, würde selbst dcn vereinigten
Alstreugungen der Rohrbacher-, Bergheimer-, Neuenheimer- nnd
-sNndschuhSheimer-Viertel-Leute nicht gelingen. Sie ist das Haupt
-4^ unserer Straßen und darum trägt sie mit Recht den Namen
Houptstraße.

Wenn am DienLtag in das Gewühl der zusammeiigeströmteii
h "tksmenge sich einige Pflästerer mischten, die als letzte Arbeit
d ^ ihrem Hinscheiden mit"großem Eifcr alle krummen Buckel
^ Straße beseitigten, so war das ein allscits froh begrllßtes
n Wbol eincr hoffentlich nahen Znkimft, die Ahnnug einer besseren
ia der die Pflasterstampfe deni Asphaltkessel weichen muß.
Freilich, die Pferde werdcn es in dieser zukünftigen Zeit nicht
tsz üut haben, mit AuLnahme der Pferdebahngänle, dic ihrer
sxi"Uoniernng mit froher Hoffnnng entgegciisehen. Die übrigen
", hiermit anfs dringendstc dem Ticrschutzverein empfohlen, der
^u warmes Herz für sie hat. Es machte sich so schön, als am
i, "ustag ein Paar Droschkenvferde, stolz mit Strohhüten auf
fis,b, bdelen Hanpt, vm ihrem Wagen trabten; vielleicht ersinnt ein
m,°'Ser Freund des Tierschutzes, nachdem der Hitze von oben
Uin. Pücklich bcgegnet wird, auch ein Mittel gegen die Glätte von
Ten vielleicht Stelzen mit Widerhaken oder dcrgleichen. Die
"U'k vermag ja hente Alles; warum nicht anch dies?
i>ie e'ues wird der Vollbürger der Hauptstraße vermissen, wenn
Vlerdebahn nicht mehr läuft: es wird ihm die Weckuhr fehlen.
Tmi 'st es doch, wcnn man im letzten Schlummer liegt, da
d»n r " und Wachen sich leise nmeinander drcben, und es tönt

ueri,^"ue her ein trauliches Trapp, Trapp, so nm '<»8 Ubr
isi U', als Zeichen, daß es nnn nicht zu frllh nnd nicht zn spät
kvükii! > Angen reiben nnd dem neuen Tag mit dein Be-
Lmsein der ganzen Kultnrmenscheiiwürdc entgegcnzublicken!
'U wirklich diese heimtückische, leise schleichende Elektrische ein-

Abg. Müller-Metningen (freis. Volkrpartel) bringt ört-
liche Wünsche vor, wünscht besserc telephonische Verbindung zwi-
schen Thüringcn und Süddeutfchland und befsere postalische Ver-
hältnisse zwischen Deutschland und der Schweiz. endlich weitere
AuSdchnung der Einheitsmarke.

Abg. Ulrich (Soz.) bemerkt gegenüber dem Abg. Crüger,
auS dcssen Rede habe ganz eigenartig der Schmerz eintger Post-
assistenten wegen Aufdrncks ihrer Etgenschaft alS Leulnant der
Reserve auf den Visitenkarten herauSgeklungen. Er (Redner)
könne namens eineS großen Teils der Postasststenten erklären,
datz ihnen daran gar nichls licge und daß sie viel lieber sähen,
wenn sie von Rechtswegen weniger in der Wahrnehmung ihrer
Jnteressen belästigt würden.

Abg. Ulrich (Soz.) wünscht Verminderung der Dienstzeit
für die Unterbeamten und Vermehrung deS männlichen und
weibllchen Versonal".

Abg. Stöcker spricht dem Staatssekretär seinen Dank aus
für die Vermehrung der Beamtenstellen. Er tritt für die Er-
Höhung des Anfangsgehaltes der Landbriefträger von 700 auf
800 Mark ein, sowie für größcre Einschränkung des Sonntags-
dienstes.

Abg. Frhr. v. Hertling (Zentr.): Jn Bayern sind alle
Kreise dcs Volkes nnd die Rcgierung darin einig, daß das Post-
reservat aufrecht zu erhalten ist.

Staatssekretär Kraetke erwidert auf die Anregungen der Vor-
redner, es werde im Bundesrate eine Äorlage vorbereitet, welche
diese Dinge allgemein behandle. Wir sind jetzt soweit gekommen,
daß das Personal jeden zwcitcn Sonntag ganz frei hat. Den
Packetdienst vormittags weiter einzuschränken, ist vorläufig
unmöglich. Etne starke Vermehrnng des Personals hat statt-
gefunden. Der weiteren Ansdrhnnng des Telephonnetzes stehen
häusig technische Schwierigkeiten entgegen.

Abg. Müller-Sagan lfreis. Volksp.) klagt über die Un-
gleichmäßigkeit bei der Verleihnng des Sekretärtitels. Die von
Stöcker erhobenen Forderungen seien vor langer Zeit vom Hanfe
znr Zufriedenheit bereits erledigt. (Heiterkeit.) Für die Post-
verwaltung ist der gegenwärtige Chef sehr gnt.

Abg. Pens (Soz.) bemängelt die Portogebührenfreiheit der
regierenden Fürsten.

Unterstaatssekretär v. Sydow bemerkt, daß seit 1892 für
die allerhöchsten Herrschaften keinerlei Gebührenfreiheit eingeführt
wurde. Den bereits vor 1892 regierenden Fürsten und Fürstinnen-
Witwen n. s. w. sei auch Telephongebührenfreiheit für den per-
sönlichen Bedarf gewährt worden. Die regierenden Häuser haben
auf die Portofreihcit, soweit cs sich nm gcwerbliche Unter-
nehmnngen dabei handelt, seit längerer Zeit bereits verzichtet.

Nach cinigen Bemerkungen Ulrich 8 gegenüber Müller-Sagan,
der von byzantinischen Vcrhalten dcs erfteren gcsprochen hatte,
wird der Titel 1 (Gehalt des Staatssekretärs) und eine Reihe
weiterer Titel genehmigt.

Bei Tttel 22 befürwortet Abg. Dr. W i e m e r (freis. Volksp.)
einen AbänderungSantrag, wonach für Oberpostassistcnten ntcht
46 475 400, sondern 47 975 400 M. eingestellt werden sollen. Es
handelt stch um Vermehrung der Stcllen. Der Antrag will ferner
öhnliche Erhöhungen auch bei einigen folgenden Titeln einsetzen,
wie den Wohnungsgeldzuschüssen für Postpraktikanten- Dle gesamte
Erhöhung beträgt eiwas über 1 Million.

Staatssekretär v. Thielmann: Es handle stch nicht uni
die eine Milllon, um die der Etat erhöht werden sollte; die Frage
hat weitergehende Bedeutung und ist in der Budgetkommission
bereits erörtert worden. Dte Kommission habe anerkannt, daß
der Reichstag nicht kompetent set, Mehrausgaben etnzuftellen.
Korrekt wäre es, die Regierung zn ersuchen, bei der dritten Lesun;
des Etats die Erhöhung -inziistellen. Er gehe materiell auf dte
Frage ntcht cin, bemcrke aber, daß die Regieruna bereits ihrer-
seits die vorliegende Posttion erhöht habe. Die Vcrhältnisse
einer großen Anzahl Bundcsstaaten sind nicht derart, daß sie die
gesamten Mehrausgaben auf die Matrikularbeiträge übernehmen
könnten. Es müßte bekanntlich tm Gegenteil eine Anleihe von
35 Millionen in Vorschlag gebracht werden. Jch glaube, es ist
nicht ricktig, im Augenblicke, wo übec diese 35 Millionen Znschuß-
anleihe in der Budgetkommission überhaupt noch kein Wort ge-
redct worden ist, bereits neue Mehrausgaben zu fordern, die den j
ganzen Etot verschieben würden.

Abg. Singer (Soz.): Dem Hause stehe daS Recht zu, die
Pofitionen im Etat zu eihöhen.

Abg. Gröber (Zentr.) ist der gleichen Meinung.

Abg. Lenzmann (freis. Volksp.) wandelt unter Wahrung
der prinzipiellen Stellung seiner Partei dc» Antrag Wiemer in
eine Resolution um.

Die Abstimmung über die Resolution wird auf Montag auS»
gesetzt.

Morgen 1 Uhr Fortsetzung-

Berlin, 14. Februar. Jn der Zolltarif-
komrnission des Reichstags wurde wieder stunden-
lang über den Paragrapb 12, den Termin des Jnkraft-
tretens des Zolltarifs debattiert. Posadowsky erklärte,
es sei staatsrechtlich noch nicht dagewefen, daß man für
den Erlaß einer kaiserlichen Verordnung einen Termin
vorschreiben wolle. Schließlich nahm aber die Mehrheit
boch den Antrag Spahn an, nach welchem der Zolltarif
mn 1. Jannar 1905 in Kraft treten soll, mit allen Stim-
men gegen die der Sozialdemokraten, Freisinnigen unü>
den Nationalliberalen Beumer. Dann wollte der Vor-
sitzende von Kardorfs darüber abstimmen lassen, daß ein
Antrag Gothein betreffend die landwirtschaftliche En-
quete, erst am Schlnsse der zweiten Lesnng beraten werde.
Von der Linken wurde dagegen heftig protesüert. Aus-
drücke wie Vergewaltigung, Terrorismus, Bruch der Ge-
schäftsordnung fielen in dem Tumult, der nun ent-
stand. Mitten im Tunmlt ließ der Vorsitzende abstim-
men, aber nur vier Hände erhoben sich sür den Antrag.
Wegen dieses Mißtrauensvotums legte Kardorff sein
Amt nieder. Die Mitglieder der Kommission und die
Regierungsbertreter blieben noch lange in erregter Unter-
baltung beieinander, wobei Kardorff mehrnials ausrief«
uian solle ihn doch beim Plenum verklagen.

Baden.

— Das Befinden des Abg. Pflüger hat sich der
„N. B. Landesztg." zufolge in den letzten Wochen leider
nicht wesentlich gebessert. Er muß immer noch das Bett
hüten, auch hat er die Folgen des Schlaganfalls noch nicht
völlig verwunden. Wenn auch die Hoffnung auf feine
Wiedergenesung nicht aufgegeben zu werden braucht,
so ist doä, kaum daran zu denken, daß er in den nächsten
Bconaten an den Landtagssitzungen teilzunehmen vermag«

Karlsrnhe, 13. Februar. Das heutige „Gesetzes-
nnd Verordnungsblatt" enthält eine Verordnung des
Großherzogtichen Ministeriums des Jnnern, die Be-
kämpfung der Tuberkulose bei Menschen betreffend.

R. 0. Karl s r u h e, 14. Febr. Die Budget-Kom-
mission hat den ordentlichen Etat der Straf-
a n stalte n geprüft und zu Anfragen an die Regierung
oder Einwendungen gegen die einzelnen Posten, wie auch
zu weiteren Bemerknngen keinen Anlaß gefunden; ste
beantragt daher, die Einnahmen und Ausgaben zu ge-
nehmigen. Ueber den außerordentlichen Etat behält sich
die Kommisslon die Berichterstattung sür einen späteren
Zeitpnnkt vor, da infolge der Einwendungen, welche die
Mannheimer Stadtverwaltung gegen die Erbauung eines
nenen Landesgefängnisses auf der Herzogenriedwiese er-
hoben hat, die Prüfung der örtlichen Verhältnisse an Ort
und Stelle durch die Kommission in Aussicht ge-
nommen ist.

R. 0. Karlsr n h e, 14. Febr. Landtagsabgeord-
neter Müller teilte dem „Weinh. Anz." mit, daß die
Sonder-Kommission, der die W o h n u n g s v o r l a g e
zur Beratung überwiesen ist, das Gesnch der Beamten

geführt werden sollte, dami muß entschieden etwas an ihr an-
gebracht werden, damit auch sie Trapp, Trapp machen kaim.
Sonst geht ein Teil der Poesie nnd der Bequemlichkeit, die dem
Haüptsträßler geboten werden, flöten.

Um aber anf den letzten Dienstag zurückzukommen, so war
Alles rccht schön, nur machten sich Klopfgeister zum Teil in nn-
angenehmer Wcise geltcnd. Wir meinen naturlich nicht die
spiritistischen, übersinnlichen Elscheinungen — obgleich es an
solchen in einem Haus weit im Osten der Straße auch nicht
fehlen soll — sondern die Pritschenklopfgeister, die allerlei groben
Unfug im Sinne des Z 11 dcs Reichssastnachtsgesetzes trieben.
Man koimte da drei Stufen imterscheiden. Schlug Einer formlos
mit vollcr Gewalt imd ohue Auswahl der Person zu, so war es
sicher ein A-.B-C-Schütze, der in die lctzte Gruppe dcs Faschings-
zuges, in die Eselsgruppe, gehörte; klopfte Einer die Mägdelein ohne
Zartgefühl auf Schultcr imd Rückeu, so war es ein demnächstiger
Mulus; so aber einer fein tätschelte, so dürfte es nach allgemciner
Vernmtnng ein Stndent gewesen sein. Ja, die Wissenschaft macht
nicht imr frei, sie mildcrt auch die Sitten! Jnsbesondere wenn
sie nicht mit Alkobol vermischt wird.

Wird sic mit Spiritus triukbarer Art vermcngt, dann aller-
dings sinkt die Kopfarbeit je länger je mebr znr Handarbeit
Kerab, wie solche sich durch Scharren mit Stöcken, Rasspcln an
Rollläden, Ausdrehen von Gaslaternen n. s. w. kund zn geben
pflegt. Aber das Ange des Gcsetzes wacht, und am anderen
Morgen heißt es dann: so imd so viele kamen wegen Unfugs znr
Anzeige. Das ist danu wenigstens eine kleine Geimgthuimg für
die gestörte Nachtruhe dcs stenern- imd umlageiizahlenden Bürgers.
Befser ist cs schou, die Wissenschaft geht einen Bimd mit der
Voraussetzimgslosigkeit ein, worüber ja in letzter Zeit ganze
Mommsenadressen geschrieben worden sind. Man hat dabei auf-
fallenderweise immer imr eine Seite dieser Voranssetzungslosigkeit
betont, aber die zweite ist ebenso wichtig nnd nötig. Wenn der
Ledrer beim Jünger der Wisscnschaft sehr weuig oder gar nichts
voraussetzt, daim wird er der Wahrheit immer am nächsteu sein.

Auch der Jesuitenpater, der nächstcnS hier gastweiss zu untcr-
richtcn gedenkt, wird bei dcn Hörern, bei denen er reüssieren

will, nicht viel voraussetzen. Schade, daß er nicht dasselbe Thema
gewählt hat, das sein Ordensbrndcr Usleber hier im Jahre 1715
öffentlich behandelte, den Satz nämlich, daß die „Ketzer" rechtlos
seien. Daß die Jesuiten heute ans demselben Standpnnkt stehen,
wie damals, ist zweifellos. Vom Saalbau kann der Pater so schön
nach der Stätte herüberschielen, wo seine Vorfahren im Ordens-
kleid mit solchem Erfolg gewirkt haben, daß in der Ruperto-
Carola — um das beliebte Wort eines Hauptsträßlers zu ge-
vranchen — völlig totes Leben berrschtc. Gras in dcn Straßen,
Heu in den Köpfen, fllrwahr eine Blüte der Landwirtschaft, aber
einc solche, für die selbst imsere Agraricr keinen Zollschntz be-
antragen möchten.

Jn miserer Hauptstraße wird bekanntlich Landwirtschaft nur
in Blumentöpfeii getrieben imd die Viehzucht erstreckt sich nur
auf Hunde, Katzen nnd Kanarienvögel, aber doch hat der Haupt-
sträßler große Sympathie fllr die Landwirtschaft. Unverfälschte
Milch, weiße Brödchen, hansgemachte Würste sind ihm Bedllrfnis
nnd Erquickung; er lebt also soznsagen cmch von der Landwirt-
schaft nnd hat für das, was sie bringen kaim, 'Berständnis.
Hauptsache aber ist ihm dcr Handel, der bekanntlich, wcnn die
Geschäfte gut gehen imd die Ladenmieten nicht teuer sind, viel
Geld embrmgt. Bei dem großen Geldbentclwaschen am Ascher-
mittwoch hat man so verstohlencrweise da und dort eineii Blick
in Portemoimaies werien können. Es wäre ja verlockend, das
Ergebnis der einschlägigen Wahrnehmimgcn hier des Lüngeren
imd des Breiteren behaglich anszuvlauderii; aüer, wer plaudert,
umß auch verstehcn, diskret zu sein. Uebrigens weiß es ja ein
Jeder selbst am besten, wie es in seiuem Geldlientel aussieht,
nnd dariim sagen wir imr: — Schwamm drüber!

Rührender Adschied. Frcmder, der in cin miserables
Hotel geraten ift, läßt bei sciner Abreise den Wirt kommen.
Er umarmt üiesen, schluchzt und ringt nach Worren. —
Wirr: „Aber, mcin Herr, beruhigen Sie sich doch — was
haben Sie denn auf dem Herzen?" — Gast: „Ach — wir
sehen uns niemals wiederl"

Die heutige Nummer -esteht aus drei Blättern mit zusammen 14 Seiten.
 
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