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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0334
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Donncrs'ak, 20 Febrnar 1902.

Htveites Biatt

44. Jahrganst — Ak. 43.

"lscheinl laglich, Sormlügs üuSgeiiommen.

PreiS viit Fauiilimblättern monallich 50 Psg. in's HauS aebracht, bei dcr Expcdition und dm Zweigstellm abgeholt 40 Psg. Dnrch die Posl be-
zogen vierteljährlich 1.85 Mk. ausschlietzlich Zustellgebühr.

nzeigenpreis: 20 Psg. die Ispaltige Petitzeile odcr dercn Raum. Reklauiczeile 40 Pfg. Für hiesige Geschästs- und Privatanzeigen ermätzigt. — Für die Aufnahme von Anzeigm an beslimmt
dorgeschriebenen Tagm wird keine Berantwortlichkeit iibernommm. — Anschlag der Jnserate auf dm Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und dm Plakatsäulen. — Fernsprech-Anschlutz Nr. 82.

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AnlerströNungen in der Soziasdemokratie.

^ Jn d.er S o z i a l d e m o k r a t i e, so schreibt der
"Schwäbische Bierkur", ist nicht mehr atles so einig, Ivie
ds Lisher schien. Der Streit zwischen Bebel und üen
Mdischen Parteigenossen, der in dem am 1. und 2. März
devorstehenden Osfenbnrger Parteitag ausgetragen wer°
sen soll, ist geeignet, anf die kinterströmnngen anfmerk-
Ichn zu machen, die in der Sozialdemokratie bestehen und
Re schon in Lnbeck hervorgetreten sind. Scheinbar handelt
sich nnr nm die Frage, ob die Sozialdemokraten fnr
i'as Bndget stimmen sollen oder nicht. Aber oie Klnft
Ss'ht doch viel tiefer. Der lckern der Frage ist, ob die
^ozialdemokratie fortfahren soll, die bestehende Staats-
°rdiinng in revolntionärer Weise zn bekämpfen, oder
"b sie einen Wasfenstillstand eingehen und anf dem BodM
ver bestehenden Gesellschaftsordnung die Lebensbedin-
Bingen der Arbeiter möglichst zn verbessern snchen soll.
Äiich die Reichstagssraktion, Bebel voran, hat sich dem
«inslnß der Zeit nickt ePitziehen können: anch sie hat
ll)r starres Nein gegen alle „Abschlagszahlnngen" auf-
Jegeben, aber sie hält doch an dem Ziele des „Zukunfts-
naates", der Vergesellschaftnng aller Prodnktionsmittel
iest und lehnt alle Fordernngen für Heer nnd Marine
si>ie nberhanpt für die Erhaltnng des bestehenden Staates
üb. Je größer die Zahl der Anhänger der Sozialdemo-
Zatie geworden ist, deslo mehr gehen die Ansichten aus-
süiander. Die Führnng der Sozialdemokratie in Baden
0t in die Hände von Lenten gelangt, die das llnsrnchtbare
Und Gefährliche der bisherigen Haltnng eingesehen zu
haben scheinen. Sie folgen der lleberzengnng, daß viel
snehr für die Arbeiterklasse zn erreichen wäre, wenn diese
ßch der nnnötigen Feindschast gegen alles Bestehende und
Oisbesondere gegxn die nationalen Znkunftsziele Dentsch-
mnds enkhalten würde. Muß denn die Sozialdemokratie
^urchans antinational sein? Ein offenes Nein sprechen
che Führer der Jungsozialdemokraten nicht aus, aber
ihr Anstreten beweist, daß sie in ihrem Jnnern die Frage
berneinen. Die helleren Köpfe nnter ihnen haben be-
griffen, daß die Welt ihren Gang geht und daß das,
Ujas Dentscksiand anf dem Gebiete der Weltpolitik er-
Angt oder verliert, insbesondere anch für die Arbei-
ser gewonnen oder verloren ist, nnd daß das Ver-
wrene nicht mehr nachgeholt werden kann. Leise nnd
Ichüchtern haben sich schon zur Zeit des Stiittgarter Par-
seitags Stimmen fiir eine dentfche Kolonialpolitik nnd
mr die Notwendigkeit einer Kriegsflotte hervorgewagt.
M Hambnrg hat man darüber gestritten, ob es richtig
ü>ar, daß die Reichstagsfraktion zn der Millionenforde-
i'.ung für die nene Artillerie schwieg nnd sozialdemokra-
üsche Fülirer haben ecklärt: Wir könnten doch unsere
Tsildaten nicht mit minderwertigen Waffen in das Feld
Liehen lassen. Ja, sogar der Schntzzoll bat mittlerweilr
«erteidiger im sozialdemokratischen Lager gefnnden, nnd
U>enn man Herzen und Nieren priisen könnte, so würde
Uian vielleicht erfahren, daß nicht alle Sozialdemo-
'raten mit dem Spektakel wegen der „Brotwucherzölle"
dinverstanden sind.

Die badischen Genossen wurden auf deni Lübecker
Parteitag böse mitgenommen, weil sie für das Budget
gestimmt haben nm der darin enthaltenen überwiegenden
Äusgaben sür Knlturzwecke lvillen. Jn Offenbnrg wird
sich dieser Streit zwischen Bebel nnd Fendrich wie-
oerholen. Die bevorstehenden Erörterungen versprechen

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S8)

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.
(Fortsetzung.)

„Fräulein Cücilie ist schön und gebildet, o sehr klug und
sch lerne bei ihr, so gut ich kann. Sie ist aber niemals zu-
frieden mit mir — und ist das wohl schlecht von mir? —
'ch mache mir nichts daraus.

„Feht ist es mir, als wenn ich sehe, wie Sie ein ernstes
Gesichr machen, wie früher, wenn ich etwas recht Dummes
keschrieben oder gesagt hatte. Aber es betrübt mich, daß jeht
Vles so anders ist, seitdem die neue Gouvernante da ist.
Telbst Onkel Gerard ist anders geworden, er spielt nicht mehr
Rit mir zusammen, sondern er spielt Duos für Cello und
silavier, und Klavier spielt natürlich Fräulein Cäcilie. Erst
ivllte ich mit meiner Geige auch beglmten, aber das wollte
rhs Fräulein nicht; es könnte meiii Spiel verderben, meinte
be, und Onkel Gerard nickte dazu und gab ihr Recht. Abcr
?as ist nicht wahr, und ich dais nur nicht mitspielen, Iveil
sie mich nicht leiden mag.

. „Nnd ich mag sie auch nicht leiden und Nero auch nicht;
°sr arme Huiid dais nicht mehr im Zimmer sein, wenn musi-
Aert wird. Wir beiden verstehen nns, Nero und ich; Sie
ivllten nur sehen, wie fröhlich er mit dem Schweife wedelt,
'venn ich seinen dicken Kopf in die Arme nehme und sage:
xstlt Nero, es war doch anders, als der Doktor Zarnow noch
"a war?

„Das sage ich aber bloh Jhnen, daß Fräulein Cäcilie
"s'ch nicht leiden mag; die anderen würden es mir doch nicht
dlauben, und ich wundere mich oft über mich selbst, woher
es weih. Aber cs ist einerlei . . . ich weih es.

, „Es ist noch jcmand da, den Fräulein Cäcilie nicht leiden
siun, und das sind Sie. Sie wird immer ganz ärgerlich,
i^nn ich von Jhnen spreche und weil ich das weih, spreche
ich.von Jhnen so oft wie möglich. Dann Ivird sie so zornig,
ihre Hände zittern, namentlich, wenn ich Sie lobe und

darum ein weitgeheiides Jnteresse. Zum Verständnis
sei angefügt, datz die badischen Genvssen sich dnrch die
Lübecker Vorkommnisse bewegen ließen, das „Endziel"
wieder öster nnd stärker zu betonen, das bei ihnen ganz
von der Bildfläche verschwnnden gewesen war. Trotz-
dem sind sie aber nach wie vor „Opportnnisten" geblie-
ben. Müssen sie sich nicht selbst sagen, daß die Sozial-
demokratie einen potitischen Fehler macht, indem sie durch
ihre Haltnng alle bürgerlichen Parteien gegen sich-aus-
bringt und dadurch der Reaktion Vorschnb leistet? Vielen
der Jnngen würde ein Bündnis mit den liberalen bürger-
lichen Paickeien anf nationaler Grnndlage znm Kampf
gegen engherziges Junkertmn nnd nltramontane Volks-
verdnmmnng mehr znsagen. Wäre die Arbeiterpartei
national, so würde in den bürgerlichen Kreisen das Miß-
trauen gegen Erweiternng der Volksrechte vollends ver-
schwinden. Eine nationalgesinnte Sozialdemokratie, die
Verständnis für die Aufgaben deutscher Weltpolitik be-
sitzt, würde Dentschland nach anßen zu dem mächtigsten
Staat Enropas nüd nach innen znm freiesten, volks-
tüinlichst regickrten Staat der Welt machen. Dieses
Jdeal konnte den Führern der Sozialdemokratie nicht
verborgen bleiben. Es ringt nach Geltung nnd Durch-
bruch, aber vorerst nur örtlich nnd mik schwachen Mitteln.
Wahrscheinlich wird Bebel in Osfenbnrg einen äußer-
lichen Ncehrheitssieg erringen, aber, was er selbst so
oft betont hat, daß man geistige Bewegungen nicht mit
Gewalt nnterdräcken kann, daS wird sich anch gegen ihn
bewahrheiken. Es ist hart für einen Parteisührer, der
soviel sür seine Partei gethan und gelitten hat wie
Bebel, am Ende seiner Tage nicht mehr mitznkommen
nnd znsehen zu müssen, wie die alten Jdeale schwinden
nnd dnrch nene ersetzk werden. Die Partei wird es
an der Pietät für die bisherigen Führer nicht fehlen
lassen. Sie wird sich nicht dnrchmansern, so lange die
Alten wie Bebet, Singer nsw. noch ani Leben sind. Aber
anch hier muß man die nenen tlnterströmnngen wolsi be°
achten. Das Zentrnin ist ein anderes geworden, seit
Windthorst vom Schanplatz abgetreten ist, die Sozial-
demokratie ohne Bebel nnd Singer wird künftig auch ein
anderes Anssehen darbieten.

Don der deulschen Murenzentrate in München

geht der „Allg. Ztg." folgende Mitteilung zn: Au.s 27
K o n z e n t r a t i o n s l a g e r n liegen verlätzliche
Nachrichten vvr, daß die englische Militärbehörde die
W o h l t h ä t i g t e i t, soweit sie in Warenverteilnng
besteht, nicht belsindert. Die Antwort der englischen Re-
giening an den Bnrenhülssfonds sagt ja dasselbe. Die
nns vorliegenden Januarberichte ans 9 Konzentrations-
lagern enthalten zwei init bedentender Venringernng
der Senchen und Sterblichkeit, nnd zwar Mafeking nnd
Pietermaritzburg, alle anderen klagen über Mangel an
Kleidung, Decken, Wäsche und besonders Schuhwerk, da
die Lager sich fortwährend dnrch nenen Nachschub von
Gefangenen vergrößerten. Aus den Berichten von Jo-
hannesburg nnd Bloemfontein entnahmen wir vor eini-
gen Wocheu, daß dort 'die Preise für Wäsche, Stoffe nsw.
ivieder normal sind, sodaß wir dorthin fortgesetzt Geld
an nnsere Vertrauenspersonen schickten, welche dafür die
nötigsten S>achen tanften. Aus verschiedenen anderen
Orten sind fotgende Waren als dringend erwünscht be-
zeichnet: Leinwand nnd Zeng zur Verarbeitnng von

erzähle, wie gemütlich es hier gcwesen ist, so lange Sie da
waren, und wie gern wir alle Sie gehalit haben, der Onkcl
und die Mädchen und Nero und ich. Bcsonders thue ich cs,
wenn Onkel Gerard dabei ist, weil der immer Fcner iind
Flamme ist, wenn die Rede anf Sie kommt; dmin darf Fräu-
lein Cücilie doch nicht sagen wie zu mir: Höre einmal aus
mit dcinem etvigen Doktor Zarnowl Aber ich sehe ihr an, wie
sie innerlich zittert und am liebsten recht von Herzen mit mir
schelten müchte.

„Nun muh ich aufhören, denn Marie kvmmt und Ivill
den Brief holen. Denken Sie nur uicht, Lah ich boshaft
und schlecht bin, weil ich Früulein Friedrichsen gern ärgere.
Uud vergessen Sie nicht Jhre dankbare Schülerin Juanita
Mitena."

„Arme Juanita!" sagte Zarnow mitleidig, als er diescn
Brief erhalten und gelesen hatte. „Du weißt noch nicht, was
Eifersucht ist. Cäcilie eisersüchtig!"

Jn dem sonnigen Lächcln, das bei diesen Gedankeu über
seine Züge flog, ging das Mitleid mit der armcn Juam'ta,
deni schuldlosen Opfcr weiblicher Eifcrsucht, gauz vcrloreu.

Aber durch diese selbstsüchtige Freude hätte sich Zarnow
bielleicht doch nicht so heiter stimmen lasseu, wemi er das
Gespräch belauscht hätte, das ungefähr um dieselbe Zeit, da
er im Schatten eines duftenden Oraiigenbaumes den Brief
Juaiutas las, im Hammerbrok zwischen Fräulein Cäcilie Fried-
richscn und ihrer Schwester Helene stattfand.

Helene glich dcm echten Golde, das im Feuer klar wird.
Sie gehörte zu den Menschen, deren cigeutlicher Wert sich
erst im Uuglück zeigt. Wohl war sie eiu heiter vcranlagtcr
Charakter, der mit Vorliebe au Menschen uud Dingeu die
komischc Seite herausfand, aber das verhmderte uicht, dah
sie den jähen Umschwung des Familieuglücks schmerzlich em-
pfaud. Der Znsammenbruch der altcn Firma, das Herab-
siiiken ihrer Geschwistcr in untergeordnete Stellungen, das
Vertauschen der herrschaftlichen mit einer schlichten klein-
bürgerlichen Wohnung uud vor allen Dingen der Unrergang
ihres eigenen Liebesglücks, wenn es anch nur ein sehr mähiges

Wäsche und Kleidern, tetztere stofse cini iiebsten schwarz,
La die ineisten Msitter in Trauer sind!, solide Schnhe
nnd Sliefet, eingemachte Genisise, getrocknete Früchte,
tondensierte Milch nnd Stärknngsinittel für Rekonvales-
zenten. Alle diese Sachen wnrden vom Kapstädter Hülss-
toinitee massenhast mit Zustinnnnng dcr englischen Be-
hörde nach Norden geschickt, z. B. 74 Ktsten nach Aliwal
Noorth. Wir sind deshalb nach wie vor bereit, alle
obigen Waren kostenfrei nnd versichert in die Konzen-
trationslager zu befördern und ersnchen, in Erwiderung
ans zahlreiche Anfragen, ob wir noch Waren annehmen,
die obgenannten nnsrankiert per Fracht an nnser Export-
hans L. Rascher n. Co. in Hambnrg, Ferdinandstraße 4t,
zn senden, nachdem man nns die betreffende Sendung
vorher mit Jnhaltsangabe angemeldet hat! Da uns
gediegenes, wasserdichtes Schuhwerk sehr billig angeboten
wnrde, nehrnen wir auch Geld znm Ankanse und Vecsandt
der dringend nötigen L-chnhe an. Alle Geldsendungen
fsir nns stnd zn richten an die Bayerische Hypotheken-
nnd Wechselbank, Checkkonto 466, München, welche in
nnserm Auftrag bis setzt 106 551,35 Ac. an die Not-
teidenden in Bar verschickt hat.

Kngkand, Deutschtand und AmeriktU

Eine interessante Rede hielt am Freltag der amerita-
nische Konsnl H. W. Diedrich ans der Schaffermahlzeit
in Äremen. Er sagte in dentscher Vprack)e:

Nc'eine hochgeehrten Herren! Prinz Heinrich tritt am
15. seine Ämerikafahrt an, die in den nächsten Wochen
wahrscheinlich wohl die Anfmertsamkeit der ganzen civi-
lisierten Welt. ans sich ziehen lvird. Es ist keine Ver-
gnügnngsreise, die er antritt, sondern er geht im Aus-
trage seines erlauchten Brnders, des deutschen Kaisers,
nm deni amerikanischen Volke eine Liebenswürdigkeit zn
erweisen. Er geht nicht, rnn einen nenen Frenndschafts-
bnnd zn stiften, sondern um die alten freundschaftlichen
Gefühle nnd Beziehungen anfs nene zum Ansdruck zn
bringen. (Lebhaftes Bravo!) Prinz Heinrich geht, um
die gegsnseitige Hochaüstung nnd Wertschätzung zn ver-
mehren nnd svmit den atten Bnnd zu trästigen. (Bravo!)
Doch, meine Herren, ich lvill nicht vorgreifen denen,
die berufen sein werden, drüben in der allernächsten Zeit
der Welt zn zeigen, wie sehr das amerikanische Volk diese
Anfmertsamkeit, diese noble Behandlnngsweise des
Deutschen Kaisers schätzt nnd wiirdigt (Lebhaftes Bravo),
nnd mie sehr es ihm gelungen ist, wie mit einem Zanber-
schlage nnser aller Herzen zn erobern. (Bravo!) Jch will
nicht denen vorgreifen, die der Welt zeigen werden, datz
lvir ans nnserer Seite von denselben Gefsihlen beseelt
sind wie er, nnd die zeigen wcrden, wie hoch wir den kai-
serlichen Gast, den Prinzen, zn ehren wissen. Doch,
meine Herren, anf eines möchte ich bei dieser Gelegenheit
anfmerksam machcn. Wir sind hier versammelt ans einem
Boden, wo einst vor eineinhakb Jahrtansenden die Wiege.
der angelsächsischen Rasse gestanden hat. Es geht ein
dentscher Prinz, der Brnder des Dentschen Kaisers, dessen
'Mnttep eine englische Königstochter gelvesen ift, hinüber
in ein Land und zu einem Volk, in dem nnd unter dem
weiiigstenS zehn Äcillionen Bürger sich befinden, die
entweder ans Dentschland staminen oder die doch wenig-
stens von deutschen Eltern abstammen. Wir können nicht
anders sagen, als daß wir eingedent 'sein sollen, dieses
natü r l i ch e n Z n s a m m e n h ange s zwischen

gewesen lvar — das alles hatte ihr manche im Stillen gewemie
heihe Thräne gekostet. Aber des geliebten Bruders wegen
hatte sie tapfer ihren Knmmer bekämpft und, so oft er bei
ihr war, ihre Thräncn verschluckt. Nachdem sie nun einmal
den Kampf aufgenommcn, war es ihr ergangcn, wie es so
oft zu gehcn pflegt; sie fand, dah es ihr mit jedcm Tage leichler
wurde,' die gckünstelte Heiterkeit zu zeigen, und eincs Morgens
überraschte sie sich selbst dabei, wie sie beim Aufräumen der
Zimmer mit ihrem Kanarienvogel nm die Wette snng, daß
es schallte. Sie schickle sich in die böse Zcit, nnd was sie
des Bruders wcgen begonnen hatte, die tapfere Selbstbe-
herrschung kam ihr nun selbst zu Gute. _

Cäeilie hatte von der Hochzeit Pauls gclesen. Tie meinte,
wcnn ihre Schivester denUnwürdigen auch längst vergessen haben
mochte, so wiirde sie doch jetzt des Trostes bedürftig sein. Sie
nahm sich also eine Droschke und fnhr in den Hammerbrook
hinans.

Helene machte nicht den Eindrnck, als ob sie wirklich des
Trostes bedürfte. Cäcilie bcwnnderte die ruhige, keine Spnr
von Niedergcschlagenheit verratende Art, wie sie stch in dem
kleiiien Haushalt/bewcgte und den Pflichten einer bcscheidenen
Gastlichkeisi nachkam. Da sie von dem Ereignis noch nichts
zu wissen schien, so war Cäcilie zweifclhaft, ob es gist wäre,
sie zu unterrichtcn. Aber Helene selbst fing zuerst dabon cm,
nachdem sie sich gegenseitig alles Neue und Wissenswerte aus
dcm Kreise ihrer gemeinschaftlichen Bckamiten mitgetcilt hatten.

„Hast Du gestern die Familien-Anzeigen in den Ham-
burger Nachrichten gelescn?" fragte sie.

„Das rhue ich immer. Und Du?"

„Ebciiso", antwortete Helene lachend. „Da kennst Du also
das gwße Creignis. Was sagst Du dazu?"

„Sage mir lieber, was Du darüber denkst."

Cäcilie nahm die Hand ihrer Schwester imd sah sie mit
liebevollcr Besorgnis an.

(Forisehung folgt.)
 
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