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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Deutschland, EiiIiaiid, an dem der Weg des Prinzcn
vorbciführt, imd Amerika. (Lebhaftes Bravo!) Es ist
dies ein natürlicher und der älteste Dreibund, von dem
die Weltgeschichte erzählt (Sehr richtig!), nicht dnrch
Menschen- imd Diplomatenstücke hergestellch sondern von
Gott geschaffen. Erinnern wollen wir nns, daß wir alle
mit einander st a m mvcrwandt .sinb, sa Brüder
einer Aamilie, und das; es daher Thorhcit i/t, in nnserem
eigenen Fleische zn wühlen und erbärnilichen Hetzern auf
beiden Seiten des Mecres gestatten, uns das gegcnseitige
freundschaftliche Verhältnis zu stören und zu trichen, ein-
fach. weil sie Frcudc daran haben. Zwietracht zu säen.
(Ällseitiger, antzerordentlich lebhafter Beifall.)

Mnpartamentarisches aus Oelterreich.

Die in der Zeit zwischen der vorigen und der jetzigen
Tagung des östcrrcichischc» Abgcordnetenhauscs des
öftern laut gewordenen guten Vorsätze: Man wolls künf-
tig die eigene Volksvertretung mehr als früher achteii
und nicht dem Gespött der ganzen Welt preisgeben durch
Schimpfereien und Raufereien — diese guten Vorsätze
bildeten lediglich das „Pflaster znr Hölle". Was Ende
voriger Woche im österreichischen Abgeordnetcnhausc vor
sich gegangen ist, gehört mit zu dem Gröbsten, was
je aui parlamentarischem Boden geleistet worden ist.
Anlaß gab eine Jnterpellation des antisemitischen Wiener
Bürgermeisters Dr. L u e g e r, welcher von einigen po-
litischen Gegnern liberaler Richtung ohne jegliche Beweis-
führung behauptete, sie hätten sich deS Betrugs, der Be-
stechung und ähnlicher Verbrechen schuldig gemacht. Jn
erster Reihe richten sich die Angriffe gegen den Wiener
Ehrenbürger Lobmeyer, der 100 000 Gulden zu Gunsten
von Arbeiterwohnungen gestiftet, und eine Verwendung
für Kirchenbau abgelehnt hatte, weil er sich „seiner Her-
t'unft aus dem Arbeiterstande erinnert habe". Einige
aus dem Stenogramm des „Neuen Wiener Tagblattes"
herausgegriffene Sätze und Rcdcwendungen mögen hier
zur Kennzeichming der Lage angeführt werden:

Abg. Steiner: Die Sckande derKaufmannschaft vonWien,
Ptlli Teufcl über den Saujuden l

Abg. Pernerstorf er: Endlick ist daS erlöscnde Wort ge-
funden worden. (Stürmiscke Heitcrkeit.)

Abg. Eldersch: Der Geßmann schaut selber wie ejn Jude
auS. Sie sind ein besoffener Kerl!

Abg. Dr. Ellenbogen: Schämen Sie sich! Elende Lum»
ven seid Jhr! (Jm erregtesten Tone wiederholend:) Elende
Lumven! (Anhaltender Tumult.)

Abg. Schnetder: Jhr fahrts in einem Automobil mitein-
ander, mit diesen Leuten aus der Novaragasse: wsr ,ahlt daS?

Abg. Eldersch: Ste Lump, Sie, schämen Sie sich vor
Jhren weihen Haaren!

Abg. Rieger: Er isi schon wiedcr b-soffen, der Schneider!

Abg. Lr. Gehmann: Aber nickt so flegelhaft und so ge-
mein sollt ihr sein. (Lebhaftes Gelächter bei den Soztaldemo-
kiaten.)

Abg. Eldersch: Nein! Mit Handschuhen werden wir Euch
«ngreifcn!

Abg. Dr. Geflmann: Na also! Da haben Sie es!
(Zchreiend): Dann halten Sie das Maull (Rufe: Das ist dev
seme Tonli

Abg. Eldersch: Halten Sie Jhr geiferndes Maul, Ste
frecher Kerl!

Abg. Schuhmeier: Solche Leute, wie Sie sind, kann man
i ur mit Feuerzangen oder mit Faustlingen anzretfen. (Lebhafte
Heitrrkcit.)

... Ferner flogen Wortc w!e „fcecher Kerl", „Lump", „Laus-
bub" wiedeiholt hin m d her. . . . Die Erklärung für diese Zu-
stände gab Schuhmeier: „. . . So lange ein so parteiischer Mensch
wie Dr. Lueger Büigermeister von Wien ist, so langc wird es
k-ine Anständigkett tn politischen Dingen geben ..."

Tiese Pröbchen werden wohl für parlameiitarische
Feinfchmecker Ieiiügeii.

Deutsches Reich.

Bahern.

- Die Vcrhandlimgen des S ch u l a n s s ch n s s e s
der b a p e r i s ch e n Abgeordnet e n k a ni m e r
über den Schnldotationsgesetzeiitwnrf nehmen, so schreibt
die „Frankfurter Zeitung", in immer steigendem SNatze
die Anfmert'samkeit nicht nur der zunächst nsteressierten
Lehrer. sondern anch der breitercn Oeffcntlichkeit in An-

Kine Mademie für deulsche Litteralur.

(Köln. Zeitung".)

Der „Bresl. G.-A." verbreitek, datz im prentzischen
Mini'terium der Plan, eine deutsche Akademie
der Litteratnr nach deni Muster der französischen
zu schaffen, endgültig begraben worden sei. Diese Nach-
richt, die durch eine Neihe von, teils falschen, teils imge-
nauen Einzelheiten begleitet wird, ist in jeder Hinsicht un-
begründct. Da aber die Errichtung einer Akademie sür
deutsche Litteratnr viclfach in deutschen Schriststellerkrei-
sen erörtert worden ist, fo dürste eine Darlegimg der that-
sächlichen llnterlagen der bisherigen Bewegimg, soweit sie
uus bekaunt gewardeu sind, augebracht seiu. Eine deutjche
Akademie im Siuue dcr französischen ist uiemals ins
Auge getaßk wordeu: uiemand hat die Absicht, deu un-
endlichen Reichtum unserer Sprache in die engeu Schnür-
stiefel alademischen Zwaugeis einzuschnüreu. Ebensol-
wenig hat mit deu bisherigeu Bestrebungeu die preutzische
oder irgend eiue andere deutsche Regierung amtlich etwas
zu thim. Ausschließlich der verstorbeue Grotzherzog
Karl Alerauder von Sachsen-Weimar ist es gewesen, der
sich unter den deutscheu Fürsteu au die Spitze der Be-
strebuugeu gestellt hat, eine Akademie für deutsche Litte-
ratur in Weiniar zu crrichteu, die, über dte Greuzen der
Einzelstaten hiuaus, ganz Deutschlaud umfasseu, nur in
der gemeiusameu Sprache das verbiudende Glied er-
tennen, und daher alleu geöffnet sein sollte, die in deut-
scher Sprache dichten uud schreibcn. Die Akademie sollte
zugleich eine Nertretung der deutschen Schriftstellerschaft
herbeiführeu und der Mittelpuukt der verschiedenen Be-
strebungen auf dem Gebiete der deutschen Litteratur wer-
den. Der greise Großherzog Karl Alexauder wurde der
Hauptförderer dieses Gedankens, und zahlreiche Schrift-
steller stimm.teu ihm um so lieber zu, als ihneu gerade die
Persönlichkeit des Großherzogs als der geeignete Mittel-
Puutt imd Weimar init seinen reicheu Eriiinerungen an
die Vlütezeit deutscher Dichtung der gegebene Sitz für eine
solche Atademie für deutsche Litteratur erschien. So

spruch. Jn Bayern herrscht zur Zeit das Zentrum
und in ihm der katholische Klerus, der ohue Rücksicht auf
Gedeihu oder Verderb des Ganzen dieVormacht im Parla-
mente dazu ausnützt, um seiue Herrschaft auf eine niög-
ltchst lauge Daiier zu sicheru, uud der bei diesem Be-
giunen leider die( Uiiterstützuug des 5lultusmiiiisters
vou Landmaun findet. Deu Lchrern gilt zuuächst die
„Fürsorge" der Verbüiideten. Die bayerischen Volksschul-
lehrer, uameutlich aber die der städtischeu Schuleu, haben
in deu letzten Iahreii Spureu vou einem in fortschreiteu»
der Eutwickeluug begriffeuen SelbstäudigkeitLdrang ge-
zeigt, die den ktlerus um seiue Herrschaft über dür Schule
baugeu ließen. Dem. nmtzte Eiuhalt gethau und deu
„aufsässigeii" Lehrern gezeigt werden, datz sie iiicht im-
gestrast wider den geistlicheii Stnchel löcken kömien. Die
malerielle Abhäiigigteit. so kalkulieren dic geistliclM
Herren, verbiirgt wenigsteus bis zu eiuem gewissen Grade
die geistige, und so wpr deiiu ihr Bestrebeu darauf ge-
richtet, beim iieueu Schuldotationsgesetz die finanzielle
Lage der Lehrerschaft so zu gestalteu, daß diese beileibe
nicht dcr Sorge um das tägliche Brot und uni ihre Hiuter-
llliebeneu euthoben, vielmehr uoch abhäugiger gestellt
wurde wie bisher imd diirch die täglicheu Eutbchrimgeu
darau ermnert wurde, datz ihr uoch maucheS von dem
Wohlwollen der Getstlichteit imd deren polttischem Wcrk-
zeuge zu hosfen bleibe. Deshalb wurde beschlossen. deu
staatlichcu Zuschutz zur Lehrerbesoldung für die Städte
über 10 000 Eiuwohucr durch eiue auch bei steigendeu
Aiifweudimgeu nicht zu erhöhende Pauschalsiimme zu er-
setzen imd deshalb soll der Versuch gemacht werdeu, das
freie, von der Lehrerschaft aus eigeuer.Kraft geschafseue
Waiscnstift, von ebeu deu Faktoren abhäugig zu macheu,
die jetzt ihr „Wohlwollen" gegeu die Lehrer so glänzend
bethätigen. Die erste Blaßnahme würde zur Folge ha-
beu. datz die städtischen Lehrer, da die Stadtgemeiuden
minmehr bei der Errichtuug neuer Klasseu uud Schuleu
geuauer rechuen miltzten. in absebbarer Zeit überlastet
und dazu in ihrem Einkommeu schlcchter gesteüt würden.
die letztere, daß das Band, welches bisher die Lehrer-
vereiue zusammeuhielt, gelockert würde und das ein-
mütige Zusammenhalten in alleu S'tandesfragen ins
Waukeu gertet. Uud gerade darauf zieleu die geistltchen
Herren ab: Sie wolleu Zwietracht in die Reibeu der
Lehrer säen, iim diese sodaun umso uugchinderter knechten
zu köuuen, und sie haben deu Anfang bereits damit ge-
macht, indem sie zwischen Stadt uud Land eineu Gebcn-
satz koustruierteii, der seine zersetzendeu Folgen zeitigeu
mutz. Datz danebeu Beschlüsse zur Erleichterung der
Neiierrichtung von Koufessiousschuleu imd zur stärtereu
Charakterisierung dec Volksschulen als Gemeindeaustal-
teu gefatzt werden. ist eine uatürliche Ergänzung des
ganzen traurigeu Bildes, deuu die Simultanschule wic
die StaatSschule, die dem beherrscheuden Einflutz der
.Kirche denn doch uicht so schrantenlos Preisgegebeu wä-
reu uud tii deu Lliuberu das Gefühl der konfessionellen
Duldsamkeit Pflegeu töuuten, sind dem imduldsauien
Klerus uaturgemäß ein Greuel. Erlaugeu die Be-
schlüsse des Schulausschusses in ihrer lmverhüllt klerika-
len Teudeuz Gesetzkraft. dauu geht die baverische Volks-
schule traurigen Zeiten entgegeu.

Ausland.

Afrika.

— lleber ein Iuterview mit Frau de
W e t, der Gemahlin des bekannteu Burenführers, die
sich zur Zeit iu dem ZufluchtSlager zu Maritzburg be-
ftudet, weiß der Berichterstatter der „Daily Mail" Fol-
gcndes zu erzählen: „Als ich eintrat, bemerkte ich zu
bciden Seiten nahe der Thür die Wappeu des Traus-
vaal und Oraugc-Freistaates sowie die PorträtS von
Ai'r. Krüger, Steijn, LoutS Botha und De Wet; auf dem
Tisck-e stand ciu Bougett weitzer Blumeu . . . Frau
De Wet ist eiue kleine. schmächtige Gestalt, sie trug weitze
Kleidung uud verweigerte in euglischer .Sprache zu
autworteu. Ju Holläudisch sprach sie sehr lebhaft. Sie
raisouierte über die Zufluchtslager und verlaugte eiu
Haus iu Pietcrmaritzburg zugewieseu zu erhalten, wie
es die Frau des General Smit, der ihrem Gatten im

bildete sich unter der Lrchutzherrschaft des Großhcrzogs

eiu grötzeres Privatkomitee hervorrageuder Litteratiir-
freunde: deu Vorsitz führte der Herzog von Ratibor. Vou
deu Mitgliederu uenuen wir u. A. die Professoreu Erich
Schmidt, Wilhelm Dilthey, Adolf Harnack, Bernhard
Suphau. den Geh. Rat Dr. -Oechelhäuser, deu Wirkl. Geh.
Rat Freiherru v. Liliencron, die Reichstagsabgeordlietett
Prtnz v. Arenberg imd Priuz v. Schönaich-Carolath, so-
wte vom preußischen Krlltilsmittisterium den Ministerral-
direktor Dr. Althoff uud die vortragendeii Räte Dr.
Köpkc, Dr. Naumann und Dr. Fr. Schmidt. Dieses
private 51omitee hat die Satzuugen entworfeu und au
zahlreiche Litteraturfreuude die Bitte gerichtet, das tlnter-
nehmen durch Stiftung eines .Kapitals.zu unterstiitzeu.
Tiese Bitte fand vielfach werkthätige Ilnterstützung. weuu
auch schließlich das in AuSsicht geuommeue Stistungs-
tapital von eiuer Million bet wettem nicht erreicht worden
ist. Als Aufgabe der Atademie wird in deu Satzungeu
bezeichnet: 1. Gutachten über Frageu zu erstatteu, wetche
die deutsche Litteratur uud ihre Vertreter betreffen: 2.
Ehreupreise an Schriftsteller oder Schriftstellerinneu zu
perleihen, die sich durch besouders auerkenuenswerte
Leistuugen ausgezeichnet haben: 3. Preisaufgabeu zu
stellen: 4. das Andenken perstorbeuer Schriftsteller uud
Schrtftstellerinuen durch Aufbewahruug ihres hand-
schriftlichen Nachlasses und Mitwirkuug bei der Heraus-
gabe hinterlassener Arbeiten zu ehren: 5. Anstalten zur
Ünterstützung würdiger Schriststeller uud Schrift-
stelleriuucn zu fördern und 6. eine Zeitschrift herauszu-
geben. Ebenso soll der Akademie die Befugnis verliehen
werdeu, zum Zwecke der Förderung der deutschen Littera-
tur u. der Jnteresseu ihrer Vertreter Immediatelngabeu
an den Großherzog von Wcimar zu rtchten. Die Zahl
der Mitglieder sollte auf 25 festgestellt werden, zu deuen
nur S-christstejler und Schrlststellerinueu gewählt werden
sollteu, die iu deutscher Sprache schreibeu und sich auf dem
Gebiete der deutschen Litteratur ausgezeichnet haben.
Die ersten 18 Mitglieder sollteu vom Grotzherzog eruannt
werden: für die übrigeu Stelleu und die erledigten
Stelleu sollte eine geheime Wahl der Akademiker erfolgeu.

RanAe uachskehe, besäße. Tabei bemerkte sie. datz
Personlich bemittelt sci und datz sie in Pekuuiärer
ziehimg. wie auch bezüglich Bedienung, nicht die leiE
Unterstützuiig der britischeu Militärbehörden wünM-
Feruer war sie sehr imgehalteu, datz mau ihr verweigei'^
mit ihrem Gatteu zu korrespoiidiereu. Die kleine Fra>s
wäre sicher, datz ihr im Felde stehender Gatte sich wodej
gefangeu geben noch jemals „erwischt" werdeu wiirde>
lieber würde sie ihu im Grabe seheu, als datz er
den Engländeru selber stelle. Zwei ihrer Söhue be'
fiuden sich noch imnier beim Vater. währeud ein Drittel
bei Paardeberg gesaugeu geiiommeu uud uach Savü
Heleua in Krlegsgefaugenschaft überführt worden ist.

?°hl

Tite

L.

^isatz



Aus Stadt und Lano.

V. Akademischer Bortrag znm Brstcn dcs Frauenvercilst'

Niemand ivird leugncn, dah das deutsche Volksmärchen e'"
köstlicher Schatz unseres Volkstnms ist. Wie sind nun dieMärchc"
entstanden imd welche Bedeuiung besitzen sie? Das dürste ivcü»
Kreise intercssieren, die sich mit diesen Fragen vielleicht schl"j
oft bcschäfligr haüen, ohne zum Ziel zn kommen.

Geh. Hofrat C r u s i u s behandelte in dem Vortrage ,.Ueb°^-
Volksnrärchen in altcr und neucr Zeit" llrsprnng nnd Bcdcu-
tung der Märchen imd den ihnen anhaftenden Zauber iu
rcdter. erschöpfender Weise. Das Märchen oder die Mäck
bcdeutct eine Ueberlieferung aus alter Zeit. Es ist in übe'^
tragener Bedcutimg eine Erzählung für Kinder, da es sich
mit seincm Jnhalt sast ansschlietzlich in das Familienleben
hcineinstellt. Die Träger und Verbreiter der Märchen si'r
vornehmlich die Frauen, vereinzelt auch die Soldaten, wse
Redncr anführte. Richt zu verwechseln sind die Märchen Nw
dem Mpthns und dcr Sage: diese sind Dichtungen der Thoi-
Das deutsche Volksmärcheu fand weitere Verbreitung im aäsis
zehntcn Jahrhundert und entwickelte sich zu jener Zeit dek
Sturm- und Drangperiode der Freiheitskriege unter dci"
Einflutz der Arbeiten der Gcbrüder Grimm autzer-
ordentlich. Vor diesen aber befürwortete schon Johanncs vov
Müller die Pflege der deutschen Volksmärchen und aucb
in Goethes Werken finden wtr vicl davon (man denke uur
an Faust Mephistopheles und Gretchen). Jn Süddeutschlai'd
waren derzeir Ernst Meyer in Tübingen nnd H. I. Wolff
Hcidelberg die bekanntesten Märchendichter. Die AnschauungcU
der Gelehrten über deu Ursprung der Märchen gingen abei'
schr auseinander. Lange herrschte die Ansicht bor, datz das
Märchen aus dem Orient stamme und datz es den Sagc»
des Ostens entlehnt sei. (Musäns, Wieland waren Vertretei:
dieser Ansicht). Nenere Forschungen haben jedoch ergebcn, datz
dcm nicht so ist. Die klassische Philologic hat durch vergleichende
Darstellung der Sagen und Märchen der verschiedenei'
Völkerstämme feskgestellt. daß, wenn der Stoff auck Lbcrau
derselbe ist, unscre Volksmärchen dennoch kein exotisches Pr»'
dukt, keine Herbariumsexemvlare siud, (wie Gebrüdst
Grimni sagen), datz sie bielmehr urivüchsig und bodenständ'8
sind nnd nichts Fremdcs in sich bergen. Bei diesen Forschüiu
gen hat sich nntcr anderen auch der verstorbene Geheimrat
Professor Erwiu Rohde hier ein großes Verdienst erworbe»:
Professor Crusius schilderte den Verlauf der Entdeckungcn aul
diesem Gebiete an zahlreichen Beispielen, die Märchenthpe»
bci nns wie bei den Griechen, Römcrn usw. vom grauen Altere
tum bis zur Neuzeit der Redner vorfübrien, gebcu ein auschaUs
lichcs Bild von der Mannigfaltigkcit dicscr Bildnngcn.'Späier
kam Rcdner dann auch auf den Märchenstyl zu sprechen, de"
überschwenglichen. der sich in den sogenannten KunstmärcheU
vorfindet und jencm kindlichcn einfachen schlichten Tone in de"
cchten Volksmärchen. Die Stellung der Märchen zur Kunst
und Musik streifte Herr Professor Crusius zum Schlutz kurz aU«
nocl,, wic sie z. B. in Wagner's BLrenhäuter, Hans Thornas
Jlmgbrunnen und scinem Bilde der allcgorisicrenden Fliegest
zinn Ausdruck kommt und veranschaulicht'wird. Recht gutst'e'
es, wenn die Volksmärchen die ihnen zukömmende Beachtung
und Würdigung bei uns fänden.

* Freie national-soziale Vereinigung. Vorgestern fa"d
im Badischen Hof eine der regelmätzigen Diskussionsabende der'
Freien national-sozialen Vereinigung statt. Der Referent be^
sprach im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Prosi
Rathgen auf dcm letzten national-sozialen Parteitag die ÄW
sordcrimgen an die dcutsche K o l o n i a l p o l i t i k. Dic K"'
lonialpolitik sei nicht ein Produkt willkürlicher Launen »nd
nnklarer Jdeen, sondern ein von der Entwickelung der moderne»
Staaten sich ergebendes Erfordcrnis, um den heimischen JW
dustrieprodnkten Absatz zu verschaffen und dem Unternehmungs^
geist wciter Schichten die Möglichkcit zur Bethätigung zu bieteN>
Grotze Teile unseres Volkes könnten der Heimat nur erhalteN
blciben, falls cine energische Kolonialpolitik günstige Existenz^
bedingungen für die Bevölkerung unseres Vaterlandes garan'-
ticre. Kölouialpolitik sei also Vorbedingung gesunder EnO
wickclung unseres Wirtschaftslebens. Die Diskussron erga»

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Sc> war die Augelegeuheit perhältuiSmäßig weit gediehen,
als Anfang Ianuar vorigen Jahres Großherzog Karl
Alexauder dahiuschied. Mit ihni 'ist naturgemäß die
hauptsächlichste Stühe für die Errichtung der Akademie iü
Weiniar fortgefallen. Denn uusere Schriststellerwell
hatte zu ihm iu erster Liuie das Nertrausn, datz er ber
dcr ersteu Ernennung der Akademiker sich von alleu rein
höfischeu Rücksichteu feru halten imd zu ersten Mitglie-
deru der Akademie uur solche berufeu würde, die voN
ihreu Berufsgeuosseu als hervorragendste und würdigB
auerkannt werden, gleichgültig, welche besoudere Geistes'
richtuug sie vertreten. Dazu kam, datz sich immer melll
die lleberzeuguug durchrang, datz Weimar, trotz seiiier
stolzeu Vergaugenheit, doch wohl nicht der richtige Si^
sür eine moderne Akademie für deutsche Litteratur se'-
Die Mehrzahl der hervorragendsteu deutschen Lchrifü
steller lebt außerhalb Weimars; die Mitglieder der Atw
demie würdeu also zu ihreu Sihuugen uicht unbedeuteude
Reiseu zurücklegeu müsseu und der AkademieMürde da-
durch leicht der Charatter einer Wauderversammlullg
aufgedrück't werden, was sür die Erlediguug der in deU
Satzungeu vorgeseheneu Aufgabeu unmöglich förderliH
sein dürfte. Schließlich habeu auch unter deu hervor'
ragenden Schriftstellern, die sich ursprünglich für die
Schafsung eiuer solcheu Slkademie erwärmt hattew
manche ihre Ausicht geändert. Sie siud heute der Uebek'
zeuguug, datz eine solche Akademie der Förderung der
deutscheu Litteratur nicht uützlich und wahrscheinlral
überflüssig sein werde. So ist heute die Sachlage. E'ü
Beschlutz. die Errichtung der Akademie aufzugeben, O'
überhaupt uoch uicht gefatzt und von keiner Seite beaw
tragt. Das Privatkomitee, das bisher das Unteruehnieü
gefördert hat, wird zunächst weitere Beschlüsse zu jassrll
habeu und niemand kanu voraussagen, wie sie aus^allen
werden. Dafür, daß das Reich oder irgeud ein BuudeS'
staat die Errichtung eiuer solcheu Akademie in die Han?
zu nehmen beabsichtige, fshlt jede Uuterlage. Dem Reiw
würde sogar nach der jetzigen Reichsverfassung uicht eiw
mal die Ziiständigkeit dazu innewohnen.




K


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