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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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Samslag, 22. Februar 1902.

Deittes Blatt.

44. Jahrgang — 8r. 45.



^rscheint täglich, Sonntags

^Uzcigenpreis: 20 Pfg. die .. ^ „

vorgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen.

Anschlag der Jnserate auf den Plakattaseln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. — Fernsprech-Änschluß Nr. 82.

Deutsches Reich.

— Der Generalleutnant v. Bock und Pollach hat
kicht das I. Armeecorps, sondern die erste Division
tthalten.

Baver».

— Der bayerische Minister des Jnnern Freiherr
°on Feilitzsch wandte sich in der vorgestrigen Sitz-
bng der Kammer gegen einige Ausführungen, die der
dreußische Landwirtschaftsminister v. Podbielski
kürzlich im Landtage über die Einschleppung der Vie h-
seuchen gemacht hatte. Wie dem Berliner „Lokal-
Anzeiger" aus München telegraphiert wird, betonte der
Mnister, daß, während am 15. Januar noch 58 Gehöste
br Bayern verseucht waren, dies am 31. Januar nur noch
vei 31 Gehöften der Fall gewesen, daß also die Seuche
pahezu erloschen sei. Er sei dem preußischen Landwirt-
schaftsminister dasür dankbar, daß er unumwunden an-
erkannt habe, daß von seiten Bayerns alles geschehe,
Urn die Seuchengefahr zu beseitigen. Die bayerische
Negierung wolle keinem Bundesstaate einen Vorwurf
brachen, daß er lässiger in der Bekämpfung der Seuchen-
Zefahr sei als ein anderer; es gebe ein gemeinsames
Neichsseuchengesetz, und man müsse von der Voraussetzung
ausgehen, daß jeder BuNdesstaat in dieser Hinsicht voll
Und ganz seine Pflicht thue. Die Regierung warne
auch niemand davor, trotz im Norden vorgekommener
Seuchenfälle, dort Vieh anzukaufen. Sie verlange aber
hierin Reciprozität und stehe im übrigen auf viel zu
bundesfreundlichem Standpunkte, als daß sie zu Gunsten
Bayerns irgend eine Warnung gegen andere Bundes-
staaten erlassen wollte. Sie schätze die Käufer aus
Norddeutschland sehr hoch, denn auf Grund dieser Käufe
lei Bayern imstande, hübschen Gewinn zu erzielen, wie
andererseits Bayern allerdings wieder Norddeutschland
Zumal durch seine Schweinankäufe daselbst, schönen Ver-
v.ienst zuführe. Man möge gemeinsam die reichsgesetz-
uchen Vorschriften beobachten und so dem Vorwurfe be-
Segnen, als ob etwas versäumt werde.

Heffen.

— Nach der „Eisenacher Tagespost" schweben
ichon seit längerer Zeit zwischen den in Frage
kornmenden Regierungen V e r h a n d l u n g e n, die
vuf eine Verschmelzung der thüringisch anhaltischen
Nrit der hessischen Staatslotterie abzielcn und bereits dem
Apschluß nahe seien. Der Sitz der neuen Lotterie,
ivelche unter der Firma „Mtteldeutsche Staatslotterie"
segeln werde, werde wahrscheinlich von Gotha nach
Darmstadt verlegt werden. Die Grundzüge der Ver-
vinbarung dürften schon in Kürze publiziert werden.

Ausland.

Italien.

Rom, 20. Februar. Der König eröffnete
"ie neue Saison mit einer langen, optimistisch ge-
haltenen Thronrede, die gut aufgenommen wurde.
Die Einleitung spielt an auf den Patriotismus der Kam-
vier und weift hin auf die Beruhigung des Landes nach
vem Tode Umbertos, dank der Verbindung von Gesetz
Und Freiheit. Es wird dann die finanzielle Lage ge-
kennzeichnet, auf die eingeführten Reformen hingewiesen
Und zugleich werden der Gesetzentwnrf über die Ermäßi-
8ung des Salzpreises sowie soziale Gesetze angekündigt.

...

30)

Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.
(Fortsetzung.)

. „Man mützte an Ort und Stellc nachforschen", bemerkte
uriedrichsen. „Jch spreche auch spanisch. Wie wäre es, wenn
Ä einmal nach dem spanischen Kloster mit dcm ellenlangen
^amen hinunter dampfte?"

„Hören Sie —- das ist ein riesiger Einfalll" rief Gerard.
"Das wollen wir machcn, aber später. Erst müsscn wir etwas
vnderes erledigen. Jch habe da Briefe bekommen, die mich fast
"crrückt gemacht haben. Da lesen Sie einmal diesen."

Der Brief, den Friedrichsen jetzt in die Hand bekam, war
Toulouse vom Januar 1858 datiert und lautete:

. „Mein lieber Freund, neunzehn Jahre sind verflossen, seit-
ich zuletzt an Sie geschrieben habe ..."

, Friedrichsen sah auf und sagte: „Neunzehn Jahre —
mo . . .

. „Also", nickte Gerard eifrig, „war der Brief vom Jahre
)839 richtig datiert. Nun bleibt mir nur noch übrig, meinen
vllkommenen geistigen Bankerott bei unserem lieben Herrgott
Azumclden, wenn er mir nicht mit seiner Allwissenheit zu
^äfe kommen will. Aber lesen Sie nur weiter."

Friedrichsen las:

^ „Damals richtete ich vor Antritt einer sehr gewagten Unter-
^hmung im Vertrauen auf Jhre Herzensgüte und in Erinne-
v»g an den kleinen Dienst, den ich Jhnen einmal leisten konnte,
Ll Sie die Bitte, sich meiner kleinen Juanita anzunehmen.

haben es jedenfalls gethan, denn cine Anfrage im Kloster
^Vestra Senhora da Punta Marroqui hat mir von den guten
^vwestern die Antwort eingebracht, datz sie seit dem Jahre
nichts mehr von Juanita gesehen haben."
r, Friedrichsen fatzte sich an den Kopf und sah Gerard an,
Ev fast grimmig lachte:

Uebergehend zur Kirchenpolitik wird die feste Scheidung
von Staat und Kirche betont und das Ehescheidungs-
gesetz versprochen. Schließlich wird noch die Festhaltung
an den Bündnissen ohne allzu großen Schwung Prokla-
miert. Die Thronrede endet mit eineyr Hinweis auf
die Chinaexpedition, sowie mit einem warmen Gruß an
Heer und Flotte.

Heidelberger Vereinsangelegenheiten.

i. Berein gegen den Mißbranch geistiger Getränke. Ein

weiteres Zeugnis seines erfreulichen Wirkeus legte vorgestern
Abend wiederum der Verein gegen Mitzbrauch
geistiger Getränke ab mit dem von Prof. Dr. v. Hippel
gehaltenen Bortrag über Blindheit, ihre Ursachen und
ihre Verhütung. Diese allmonatlich stattfindenden hhgienischen
Vorträge des Vereins verdienen weitgehende Beachtung, ünd
das dankbare Thema des vorgestrigen Abends trug sehr dazu
bei, die Bestrebungen des Vereins zu fördern. Aus dem Schatze
seiner Erfahrungen schöpfend, sprach Professor Dr. v. Hippel
in fesselnden Worten über die Hhgiene des Auges, vou der
Blindheit, die keinen Unterschied zwischen hell uud dunkel
kennt, und die die betr. Person ganz unselbftändig macht, von
der doppelseitigen und unheilbaren Erblindung und von dem
sog. grauen und grünen Star. Zur Erforschung der Ursachen
dieser Erscheinungen führte Redner 3 Wege an. Einmal durch
Untersuchung sämtlicher Jnsassen der Blindenanftalten, weiter
durch Prüfmrg der Erkrcmkten in den Augenkliniken und schlietz-
lich durch Feststellung an einzelnen Fällen. Das ftatiftische
Material, das hierdurch gewonnen ist, zeigt leider kein er-
freuliches Bild. Gab es doch 1899 im Deutschen Reich nicht
weniger als 37 799 Fälle von doppelseitiger Erblindung. Für
Preutzen stellt sich das Resultat aber immer noch ungünstiger
als für Baden. Während hier 1898 auf 10 000 Seelen 5,4
Proz. Erblindungen fielen, kamen in Preutzen auf 10 000
6,7 Proz. Wenn man nun bedenkt, dah die 37 700 Blinden
jährlich eine Unterstützung von 13?L Millionen Mark erfordern,
so ist das gewih kein Grund, den mannigfachen Augen-
erkrankungen allzu optimistisch oder gar gleichgültig gegenüber-
zustehen. Die Erbliudung tritt überwiegend im ersten Lebens-
alter in Erscheinung, mit der gefährlichen Augenkrankheit, die
Bleunorrhöe. Ueber angeborene Bindheit, die meistens auf
erbliche Einflüsse zurückzuführen ist, ist weuiger zu sagen. Es
stellt sich der Prozentsatz hier auf 16 Proz. Lei 3000 Unter-
suchungen, während die Mennorrhöe 1901 noch 20 Proz. gleich
428 Erblindungen auf 3000 stellte. Und diese letzteren Fälle
hätten, wie Redner betonte, sämtlich vermieden werden können,
wenn immer rechtzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch genommen
wäre. Professor v. Hippel kennzeichnete die Blennorrhöe mit
dem Anschwellen und Eitern der Augapfel und führte zu deren
wirksamen Verhütung die Crede'sche Erfindung, dem Kinde
gleich nach der Geburt einen Tropfen konzentrieter Silberlösung
ins Auge zu flöhen, an. Leider ist dies Verfahren mit staat-
licher Unterstützung aus mancherlei Gründeu zur Zeit nicht
durchführbar, vornehmlich, weil ihre Anwenduug nicht kon-
trollierbar, doch befürwortete Redner dessen Anwendung und
wies dabei auf die durch die obligatorische Jmpfung gezeitigten
Erfolge hin. Ueber die mancherlei auderen Augenkrankheiten
als Folgeerscheinuugen von Masern, Keuchhusten usw. ging
Professor v. Hippcl kurz hinweg und bezeichnete auch eine Er-
blindung infolge Kurzsichtigkeit als ausgeschlossen. Den Er-
blindungen im späteren Lebensalter wtdmete er dagegen wieder
eine längere Besprechnng und sei es hier neben der Syphilis
der Mitzbrauch des Alkohols, der eincn grohen Kontingent von
Erblindungen stelle. Anschaulich wies er auf die Mittel zu
deren Verbütung hin wie auch bei direkten Verletzungen des
Augapfels durch Spielerei mit Zündhütchen, infolge Schlägc-
rei usw. Als recht folgenschwer bekämpfte Redner im Weitsren
die irrige Anschauung, Entzündung des Augapfels im späte-
ren Lebensalter gar lcicht zn nehmen nnd sie nnf Erkältnng
zurückführen zu wollen. Nur duSH operativcn Eingriff und

„Ja, nicht wahr? — die uoch gar nicht geborcne Jucmita —
das ist lustig — doch lesen Sie weiter."

„Was meine bisherigen Schicksale betrifft", so hieh es wei-
ter in dem Schreiben, „so umfassen sie zwar lange Jahre der
schlimmsten Leiden, sind aber doch mit wenig Worten erzählt.
Das oben erwähnte Unternehmen war cin Flibusticrzug nach
Kuba, auf dem ich meine etwas in Verfall gcratenen Ver-
mögensverhältnisse wieder in die Höhe zu bringen gedachte.
Das Untcrnehmen war von Florida aus geplant, und keiner
von uns zweifelte an dcm Gelingcn, da es weder an Geld noch
an Waffen fehlte und unsere Mannschaften eine Rotte ver-
wegener Kerle waren, mit denen man alles wagen konnte. Aber
es kam anders. Die Geschichte war dcn Spaniern berraten
worden, und unser Schiff wurde nach kurzem Gefecht von einer
spanischen Fregatte weggenommen.

„Ein Teil von uns wurde sogleich gehängt oder erschosseu,
der Rest zu lebenslänglicher Galeerenstrafe vcrurteilt. Zu den
Letzteren gehörte ich — aber ich weitz wahrlich uicht, ob ich
uicht dieser Gefangenschaft den Tod vorgezogen hätte. Nur die
Hoffnung, dah ich vielleicht doch noch einmal entkommen könnte,
hielt mich unter den furchtbaren Leiden dieser Zeit aufrecht.
Nicht einmal der Verkehr mit unseren Familien wurdc ims ge-
stattet.

„Vor einigen Monaten nun scheint in Spanien irgend ein
freudiges Ereignis eingetreten zu sein — die Königin hat
bielleicht zum fünf und siebenzigsteii Male ihre Haartracht
verändert, oder etwas Aehnliches — und bei diesem Anlah
hat man allen wcgen politischer Vergehcn Verurteilten den Rest
ihrer Strafzeit erlassen. An dieser Gnadc habe auch ich teil-
gerwmmen. Nur wurde mir die Bedingung gestellt, unverzüg-
lich dcu gesegneten spcmischen Boden zu verlassen.

„So sah ich mich denn bald darauf, abgerissen, um fünfzig
Jahre gealtert und mit 10 Francs in der Taschc, jenseits der
Pyrenäen. Der englische Koiksul in Bahonne sorgte für mein
Weiterkommen nach Toulouse, wo, wte ich wuhte, einer der
Veranstalter jenes mihlungenen Putsches wohnte. Der war

rechtzeitige Entfernung des erkrankten Auges sei Hilfe möglich,
da sonst durch die sogenannte sympathische Entzündung auch das
andere Auge in Mitleidenschaft gezogen werde. Zwei Arten
von Krankheiten des sogenannten grüncn Stars sind es, die
hier unterschieden werden müssen, die eine offenbart sich in
heftiger Entzündung, bei der anderen tritt ein allmählichcs
Schwinden des einen Augenlichts ein, unbemerkt oft von der
betreffenden Person. 40 Prozent aller Erblindungen hätten
wie Professor von Hippel zum Schlutz noch betonte, bei sachge-
gemäher rechtzeitiger Hilfe vermiedeu werden können und
das bedeute, dah auf diesem Gebiete noch sehr viel erreicht
werden könne. Was hat nun aber zu geschehen, wenn die un-
heilbare Erblindung einmal eingetreten ist? Nicht Geld macht
diese Bedauernswerten glücklich, Arbeit allein ist es, die sre
mit ihrem Schicksal versöhnen kann, wie Professor von Hippel
im Anschluh cm seinen Vortrag des näheren noch ausführte.
Er wies dabei auf die segensreiche Einrichtung der Blinden-
anstalten, den Blindenunterricht, das Leben und Treiben dort
hin und empfahl lebhaft, den badischen Verein der Blinden-
fürsorge wo immer nur möglich, zu unterstützen. Zu diesem
Thema ergriff Blindenlehrer Kornmann, Jlvesheim, eben-
falls das Wort. Jn gewandter beredter Form schilderte er, der
selbst das Unglück hatte, das Augenlicht zu verlieren, die heitere
Stimmung in den Blindeiicmstalten und wie die Jnsassen durch
das Bewutztsein, in der Arbeit einen Lebenszweck gefunden zu
haben, glücklich seien. Der Blinde könne sich aber auch nur in
solchen Anstalten wohl fühlen, wie er ebenso steter Fürsorge
bedürfe, durch Schaffung reichlicher Arbeitsgelegenheit und
durch Stiftung von Geldmitteln, um eine Bibliothek zu er-
werben. Cr appellierte an die Anwesenden, alle möchten doch
dieses Programm mit Rat und That fördern und den Blinden
ihr Schicksal erleichtern. Mit einer Kollekte zu Gunsten des
Verems für badische Blinde, einer fleihig benutzten Diskussion
zum Vortrag, einer Empfehlung der Gutkarten des Vereines
und mit dcm Dank des Vorsitzenden Medizinalrat Dr. Kürz
an die Redner wurde der lehrreiche und cmregend verlaufcne
Abend beschlossen.

Kleiue Zeiluug.

— Landau (Pfalz), 19. Februar. Wegen Wein-
faIschung, beziehungsweise Nahrungsmittelfälschung
war der 31 Jahre alte Wirt und Weinhändler Michael
Wambsgantz aus Rhodt am 19. März vorigen
Jahres von der hiesigen Straflammer zu einer Gefängnis-
strafe von drei Monaten und zu einer Geldstrafe von
1000 Mark verurteilt wsrden, weil er Wein unter Ver-
wendung eiues Aufgusses von Zuckerwasser auf ausge-
preßte Trauben und auf Weinhefe, ferner unter Ver-
bmdung mit Säuren, namentlich Klee- und Oxalsäure,
hergestellt und in den Handel gebracht hatte. Gegen
dieses Urteil hatte der Angeklagte Revision an das Reichs-
gericht eingelegt, da das Nrteil auf einer unrichtigen
Beweisführung beruhe, zudem auch der Paragraph 74
des R.-St.-G. unrichtig angewendet worden sei. Den
Ausführungen in letzter Hinsicht schloß sich das Reichs-
gericht in seinem Nrteil an, hob aus diesem Grunde das
landgerichtliche Urteil anf und verwies die Sache zur
nochmaligen Verhandlung an das hiesige Landgericht
znrück. Durch die heutige HauPtverhandlung, zu der
46 Zeugen erschienen und als Sachverstündige Doktor
Halenke-Speyer, Dr. Möslinger-Neustadt, Dr. Lampert-
Edenkoben und Dr. Roos-Karlsruhe geladen waren,
wurde Folgendes erwiesen: Wambsganß, der den Wein-
handel seit 1890 betreibt, herbstete im Jahre 1899 9 bis
10 Fuder Wein. Jn demselben Jahre kaufte er 40 Fu-
der reinen Naturwein, sowie 100 Fuder kleinere Weine
von Bauern in Rhodt und Nmgebung. Von diesen klei-
nen Weinen verkaufte er 33 Fuder an einen Nenstadter
Weinhändler, der Proben hiervon zwecks Nntersuchung

früher ein sehr reicher Mcmn gewesen, und bei ihm hoffte ich
eine gute Auftiahme zu finden.

„Jn dieser letzteren Erwartung sah ich mich auch nicht be-
trogen. Monsieur Dessoudre nahm mich mit offenen Armen
auf; aber leider war er vollständig berarmt und konnte weiter
nichrs thun, als mir eine bescheidene Gastfreundschaft anbieten,
die ihm schwere Opfer auferlegte. Zum Glück käm Hilfe von
anderer Seite; ein Brief des schon erwähnteii englischen Kon-
suls an meine Verwandten, die sich als starre Protestanten seit
mciner Verheiratuiig mit einer Katholikin gänzlich bon mir
losgesagt hatten ,blieb nicht ohne Wirkung; sie haben mir ein
kleines Gehalt cmsgesetzt, wodurch es mir ermöglicht wird, Kost
imd Logis bei dcn selbst verarmten Dessoudres zu bezahlen.
Jch bin augenblicklich schwach und krank und zu jeder Arbeit
imfähig, hoffe abcr, nach meiner Genesung Beschäftigung und
Lcbcnsunterhalt als englischer Lehrer am hiesigen Orte zu ver-
dienen.

„Mein lürperlicher Zustand hält mich hier fcst —. ich kann
kaum die Treppe hinunter gehen. An Reisen ist für lange Zeit
iioch nicht zu denken. Also, lieber Freund, schreiben Sie mir
bon mciner Juanita, die sich wohl noch unter ihrem Schutze
befindet, den Sie ihr eiristweileii noch angedeihen lassen müssen.
Lellt sie noch? Jst sre gesund? Gedenkt sie meiner? Jch
zittere bei jedcr emzelnen dieser Fragen, indem ich sie nieder-
schreibe. Erlosen Sie mich bald von dieser folternden Ungewih-
heit. John Williams."

„John Williams!" schalt Gerard. „Das ist so ein Name»
dcr gar kein Name ist. Warnm schreibt er nicht gleich: ein
Dreidutzendmeiisch?"

„Was haben Sie gecmtwortet?" fragte Friedrichsen, denr
der Brief ganz eigentümliche Gedanken gemacht hatte.

„Jch habe nicht geschrieben, fondern telegraphiert, und
zwar ganz einfach: Juanita lebt, ist gesund nnd gedenkt Jhrer.
Näheres folgt brieflich."

(Fortsetzung folgt.)
 
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