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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 27-50 (2. Februar 1902 - 28. Februar 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0370
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Dienstag, 25. Februar 1902.

Aweites Blatt.

44. Jahrgang. — Ar. 47.


^scheint täglich, Sonntags ansgenommen. — Preis mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstellen abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-
^ zogen vierteljährlich 1.35 Mk. ausschließlich Zustellgebnhr.

^zeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bcstimmt
^orgeschriebenen Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen- — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den Plakatsäulen. Fernsprech-Anschlutz Nr. 82.

?rinr Wmichs üesuch in Nsrüamerilra.

. Das Programm der
. such^sahrten des Prin-
^ Heinrich innerhalb
Er Vereinigten Staaten
offiziell festgestellt.
>ir geben an der°Hand

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^ "Eistehend eine Karte, in

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die Reiseroute des
?rinzen durch eine starke
Hlvarze Linie markiert
Das Progranim
Met wie folgt:

- 22.—28. Februar:
chlfenthalt in New-Iork
s'ld Washington, ein-
Wießlich eines zwei-
Andigen Besuches der
^arineakademie in Anna-
Mis und eineS solchen
?n 20 Minnten in
altimore.

. l. März: Pittsburg
Minuten, Cincinatti
Abend 20 Minuten.

2. März: Chattanoogo
" sr Stunden. Nashville
o Minuten, Louisville

Abend 10 Minuten,

Mianapolis in der Nacht
Minuten.

3. März: St. Louis
^orgens 4 Stunden,

-hicago abends und am nächsten Morgen.

4. März: Milwaukce nachrnittags 6 Stunden.

5. März: Buffalo 15 Minuten, Niagara 2 Stunden 15 Minuten, Rochester am
bend 20 Minuten, Syrakuse in der Nacht 10 Minuten.

6. März: Boston.

,7. März: Albany am Morgen zwei Stunden, Westpoint nachmittags 2 Stunden.
Ukunft in New-Dork abends.

10. März: Philadelphia vormittags 5 Stunden 10 Minuten, Rückkehr nach New-Aork
Abcnd.

Doch hat dies Pro-
gramm die Nordamerika-
ner noch nicht zufriedeii-
gestellt. Eine Anzahl
Kongreßmitglieder von
Virginia machte eine Ein-
gabe an den Prüsidenten,
die Reise des Prinzen
Heinrich derart zu be-
einflussen, das auch
Virginia, beide Karolina,
Georgia und Tenessee
berührt würdcn. Hoffent-
lich hat der Präsident
ein Einsehen!

Prinz Heinrich wird
also weite Strecken der
Union im Fluge ver-
mittelst Expreßzuges
durcheilen. Der für den
Prinzen von der Regiernng
bestimmte Zug wird von
der Pennsylvania-Bahn
gestellt. Er wird der
größte nnd „luxuriöseste
Fliegerzug" sein, den
Amerika je gesehen hat.
Er wird aus sechs Pull-
mann-Wagcn bestehen,
die mit allem nur erdenk-
lichen Komfort ausgc-
stattek sein. Jn dem 7.
Wagen, dem Schluß-
wagen, soll das Gefolge Platz nehmen. Es ist der bekannte Wagen „Olympia", in dem
sich seiner Zeit Präfident Mac Kinley zu seinem zweiten Amtsantritt nach Washington
begab. Die Reise des Prinzen wird neun Tage dauern und sich über 5000 Meilen
durch 13 reich bevölkerte Staaten und 14 der größten Städte erstrecken. Jn dem Pro-
gramm ist auf große Schnelligkeit, Sicherheit und Komfort, sowie darauf Rücksicht ge-
nommen, daß dem Prinzen die schönsten Szenerien vor Auge kommen, soweit das die
Umstände gestatten.

Wir empfehlen unsern Lesern, das vorstehende Bildchen auszuschneiden und aufzuheben,
damit sie die Eisenbahnreisen des Prinzen Heinrich auf der Karte verfolgen können.

Iff-ick

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 25. Febrnar.

, Experimentalvortrag. Es war ein nngemeiri interessanter,
Nrreicher Vortrag, den Sonntag Abend iu der Harmonie auf
^eranlassung des Kaufmännischen Vereins Direktor Professor
Zidwig Münch aus Darmstadt Lber „die Verflüssigimg der
5Uft" hielt. Redner begann mit der Crklärung der drei
Ugregatznstände dcr Körper und entwickelte die Theorie des
ihermometers, mit dem Schmelz- nnd Siedepunkt, respektive
ivridensations- und Gefrierpnnkt. Wie man Wasserdampf in
M oder Schnee vcrwandeln kann, ist es auch gelungen, gas-
jvrmige Kohlensäure in flüssige umzusehen. Eine grotze
istasche solcher Kohlensäure führt Redner vor. Sie hat oben
Mts eine Schicht gasförmiger Luft, mit der man rasch jedwedcs
«ner löschen kann. Jn dieser Eigenschaft steht ihr noch eine
^otze Zuknnst bevor. Durch Anwendung von Druck kann aus

der durch ticfe Temperatur iu Schnee verwandclten Kohlensäure
festes Eis verfertigt werdcn. Bringt man auf dieses etwa einen
Schlüssel mit der gewöhnlichen Temperatur, dann entsteheu
Wundervolle Töne, die ein Schlachtfest dem hungrigen Zuhörer
vorzauberu. Lange hat man daruack»- gestrebt, Sauer- und
Stickstofs, die beiden andercn Bcstandteile der Luft, zu ver-
flüssigen, was abcr fehlschlug, weil man nicht die erforderliche
niedrige Tempcratur erzeugen koimte. So glaubte man schlietz-
lich, das; manche Gasc sich überhaupt nicht verflüssigeu lictzen.
Nachdem Andrews die sogenaimtc kritische Temperatur gefunden
hatte, d. h. die Thatsache,, datz bei einem gewisseu Grad, der
Aggregatznstand für jeden Körper wechselt, dieser nur noch gasförmig
ist, war es für Cailletel imd Pictetmöglich, durch Teniperaturerniedri-
gung flüssigen Sauer- und Stickstoff herzustellcn. Jn grötzeren
Mengen aber gelang dies erst dcm Münchener Phpsiker Linde,
zimächst unter Anwcndung des gcwöhnlichen Druckes. Die Luft

besitzt eine kritische Temperatur von —140 Grad, sobald
man eine noch niedrigere erzeugen kann, ist die Verslüssigung
gegeben. Linde ersaun nun einen Apparat, der auf zwei Prin-
zipien beruht. Einmal auf dem des Entspannens der Lust,
wodurch die Temperatur kälter wird, und dann dem des
Gegenstroms. So besteht dcnn der Apparat aus einem Kom-
pressor, wie ihn unsere Torpedos haben, der die Luft auf
200 Atmosphären zusammendrückt, und dem Gegenstromapparat,
der bie Temperatur weiter erniedrigt. Nachdem die Lnft
zweimal den ganzcn Apparat durchlaufen hat, sammelt sich
im Gegenstromapparat flüssige Luft an, die man dann ab-
zapfen kann. Redner zeigte eine Flasche solcher bläulich
schimmernden flüssigen Luft vor und machte eine Reihe inter-
essantcr Experimente. Gummi, Blumeii, Kartoffeln usw. in
sie getaucht, gefrieren sofort. Da die flüssige Luft ein sauer-
stoffreiches Gemenge bildet, kann man sie zur Herstellung von

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Sneewittchen.

Roman von A. I. Mordtmann.
(Fortsetzung.)

„O, das macht nichts", versetzte Josephine treuherzig. „Wir
md solche Fragen schon gewohnt. Ah, Monsieur, man stumpft
gegen das Unglück ab. Jch habe meinen armen Vater fast
stcht anders gekannt. Als das Unglück eintrat, war ich etwa
"eben Jahre alt und hatte von meinem Vater, der meistenteils
^jif Reisen war, noch nicht viel gesehen. Dann, als ich eincs
övges aus der Schule nach Hause kam, war mein armer Papa
m — er hatte bei seiner Ankunft viel wirres Zeug geredet
bnd ivar gleich darauf in wilde Phantasien versallen, die am
nachMsttage in ein Gehirnfieber ausarteten, Er schwebte lange
>eit am Rande des Grabes, und als er endlich genas, war sein
Aeist zerstört. Er spricht sast nie, ist aber freundlich und ge-
.Agig wie ein Kind. Als er mich zum ersten Male anredete,
^uhen wir, datz er nicht einmal mich kannte. Er fragte mich:
"Hast Du Dich noch gerettet, Juanita?"

„Juanital" rief Rudolf und ihm war, als schlüge vor ihm

Blitz ein. Er wutzte jetzt, wem Fräulein Josephine
?°essoudre ähnlich /sah — Gerards Pflegetochter Juanital Sie
Aar nicht so schön wie jene, aber sie hatte dieselben blauen
Mgen, dieselbe Gesichtsform, dieselbe graziöse Anmut in allen
^eivegungen.

^ „Nicht wahr, das ist seltsam?" sragte Josephine ohne
Unung von der tollen Gedankenverbindung, die in Rudolfs
^vpfe ein vcrwirrendes Spiel tricb.

„Sehr merkwürdig", antwortete er. „Uiid haben Sie nicht
Nksfindig machen können, aus welchem Grunde er Jhuen diesen
mmen beilegt?"

^ „Nein. Bis zur Stunde wissen wir nicht einmal, welche
Vkeignisse so furchtbar mif ihn eingewirkt haben. Manchmal,
'iknientlich bei hestigem Sturmwetter, wird er gesprächiger,
°er er mnrmelt so undeutlich und phantasiert so unverständ-

lich, datz wir niemals einen rechten Zusammenhang hinein-
bringen. Nur so viel scheint gewitz, datz die Schrecknisse einer
Stnrmnacht auf dem Meere mit seinem Wahnsinn einen Zu-
sammenhang haben."

Rudolf war durch diese Mitteilungen, die ihm seine Ge-
fährtin harmlos plaudernd machte, fieberhaft erregt. Jo-
sephinens Vater mutzte den Schlüssel zu dem Geheimuis haben,
das Juanita umgab. Wenn dieser Schlüssel nur nicht in der
Grabesnacht unheilbaren Wahnsinns für immer versteckt blieb!

Der Sprühregen, der mit längeren und kürzeren Unter-
Lrechungen den ganzen Nachmittag angehalten hatte, fing au,
stärker zu werden. Dichter und dunkler wurden die Wolken,
die von der Biscayischen Bucht, der Heimat der Stürme, herauf-
Zogeu. Ab und zu hemmte ein heftiger Windstotz die Wan-
dernden. Als sie in den letzten Teil der Stratze eintraten,
brach eine heulende Windsbraut über sie herein, die von strö-
menden Regenfluten begleitet war. Sie legteu die letzte Strecke
üis zum Hause Dessoudres laufend zurück und waren froh,
eudlich unter der Veranda Schutz zu finden.

Es war kcine vornehme Veranda, die ihnen diesen Schutz
gewährte, sondern cine bescheidene Gallerie, zu der von autzen
eine alte hölzerne Treppe hinaufführte, war der Eingang zur
Wohnuug, während das untere Erdgeschotz Küche und Vor-
ratskammer zu enthaltcn schieu. Es war eine Wohnung, Ivie
man sie noch heutigen Tages als Heimstätte besserer Arbeiter-
und ärmerer Bürgerssamilien vielfach in den Vororten grö-
tzerer und kleinerer französischer Städte findei.

„Gute Nacht, Fräulein Dessoudre", sagte hier Ru-
dols. „Auf Wiederseheu morgen."

„Nein, Monsieur Friedericks — Sie können doch in dem
schrecklichen llnwetter nicht nach Hause geheu! Kommen Sie
mit hinein — es ist ja sehr bescheiden bei uns — aber trocken.
Lassen Sie nur erst den schlimmsten Regen vorüberziehenl"

Rudolf wollte protestieren, aber in diesem Augeublick öffnete
sich oben die Thür und eine dünne Stimme rief in den brau-
sendeu Wind und den strömenden Regen hinaus:

„Bist Du das, Josephine?"

„Ja, Onkel, und — so kommen Sie doch, Monsieurl"

Nun koiinte Rudolf nicht mehr zurück. Er folgte dem
juiigen Mädchen, das leichtfützig die morscheu uud ausgetretenen
Stufen hinaussprang. Als er oben ankam, mutzte Josephine
ihrem Onkel schon alles erklärt habeu, dcnn Herr Dessoudre
empfing ihn mit herzlichcm Händedruck und drängte ihn zur
Thür hincin.

Man kam von der Gallerie unmittelbar in das Wohn-
zimmer; rcchts davon war eine gröhere Kammer, links lagen
zwei kleinere Räume, die der Familie als Schlafzimmer dien-
tcn. Das Mobiliar war ärmlich und auf das Notwendigste
beschränkt: ein Tisch, einige Stühle, ein mit Kattun über-
zogenes Sosa, einfache weitze, schon viel geflickte Gardinen,
das war Alles. Einige schlcchtc Kupferstiche nach Malern der
napoleonischen Zeit und ein halbblinder Spiegel bildeten den
Schmuck der Wände.

Josephine eilte in die grötzere Kammer zur Rechteu, aus
dcren halbgeöffneter Thür ein leises Stöhnen hervordrang.

„Sie dürfen jetzt nicht hinein, mein Herr , sagte Dessoudre,
indem er Rudolf einen Stuhl anbot. „Jch bedaure, datz Sie
vergebens gekommen sind, aber fremdcr Besuch, wäre es auch
der des besten Freundes, würde den Kranken zu sehr aufregen,"

„Jch bin nur durch den sonderbarsten aller Zufälle schon
hente Abend hier", antwortete Rudolf, indem er sich setzte. „Das
giug so zu." Ilnd er erzählte von den Umständen, unter denen
er Aosephine augetroffen hatte.

Der alte Dessoudre, der in seinem schäbigen Schlafrock
cine lebendige Jllustration der zurückgekommenen Umstände
der Familie war, schüttelte Rudolf unter lebhaften Dankes-
bczeugungen noch einmal die Hand. Er war abgemagert, und
seine eingefallenen Züge trugen ersichtliche Spuren überstande-
ucr Drangsale und Entbehrungen, ohne datz dadurch der Aus-
druck groher Güte, der seiu Gesicht überaus anziehend machte,
verwischt worden wäre. Obgleich er erst in der Mitte der
Vierziger sein mochte, war sein Haar doch schon vollständig er-
grant.

Während sie sprachen, erschütterte ein autzergewöhnlich
 
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