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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-74 (1. März 1902 - 29.März 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0463
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tveris bisher an den Tag gelegt haben, dann werde das Hand-
werk Nneder den goldenen Boden gewinnen, den es einstens
besessen hat. Hinstchtlich dcs Submissionsverfahrens seien die
vom Minister hervorgehobenen Gesichtspunkte als richtig anzu-
sehen. Den anerkennendcn Worten, die dem Gewerbeinspi-
zienten gewidmet worden sind, schließe er sich gerne an. Eine
Entlastung wäre ihm wohl zu gönnen; cr finde überhaupt,
daß dic obersten Staatsstellen mit Geschäften zu sehr überhäuft
sind.

Geh. Obcrregierungsrat Braun betont, daß die Mehr-
zahl der Lehrlinge bei den Meistern untergcbracht ist; allerdings
lasse die Aufsicht über die Lehrlinge immcr noch zu wünschen
übrig. Das Jnstitut der Prämiierung der Lehrlings-
arberten werde zunächst beibehaltcrr, wenn auch in etwas ge-
änderter Form. Die Handwerkskammern werden nach seincr
Ueberzeugung Ersprieszliches leisten, wenn sie mit dcm bis-
herigen Eifer fortfahren. Dem Landcsvcrband der Gärtner
Ivurdc bereits zugcsagt, daß die vom Verband ausgehendcn
Wünsche ebenso Berücksichtigung finden werdcn, wie wenn die
Gärtnerinnungen in den Kammern vertreten wären, Leider
mache das Genossenschastswesen in Handwerkcrkreisen nur ge-
ringe Fortschriite, trotzdem die Regierung zu jedcr Unter-
stützung gerne bercit sei. Der Regierungsvertreter stellt sodann
die Errichtung ciner Hcizerschulc in Freiburg in Aussicht.

Abg. Drcesbach (Soz.) begrützt die Errichtung einer
Heizerschule in Mannheim und tritt für die Errichtung einer
Landcsgcwcrbehalle cin. Darüber, daß das Mittelpreisver-
fähren an allen Enden krankt, sci kein Zweifcl. Die Hand-
wcrksmcister suchen ebcn, namcntlich in Zeiten wirtschafrlicher
Depressionen, um jedcn Preis Arbciten zu erhalten, ohne zu
bedcnkcn, daß sie dadurch ruinicrt werden. Der Staat have
aber dic Pflicht, die Bürger steuersähig zu erhalten; aus die-
scm Grunde müsse das Submissionsunwcscn möglichst bald be-
seitigt wcrden. Jn Mannheim habc man mit dcm Mittelprcis-
verfahrcn einen Versuch nnternommen, der aber leider wieder
aufgegcben wurde, was viellcicht nicht geschchcn wäre, wenn
der Urhcücr kein Sozialdemokrat wäre. Wohl passe die
schcmatische Behandlung beim Mittclprcisverfahren Niemauden,
indessen lassc sich auch hier leicht eine Auswahl treffen. Gcgen-
über dcm Voranschlag wurde immer noch cine Ersparnis cr-
zjclt. Auch er erblicke im Miitelpreisverfahrcn nvch lange kein
Jdcal, immcrhin aber sei es weit bcsser, als das jetzt üblichc.
Die Hauptsache sei, datz der wirklich leiftungsfähigc. Handwcrkcr
anständig bezahlt wird, damit er auch seine Arbeiter anständig
entlohncn kann. Jn kcinem Fall sollten, wie cs bei der Ge-
neraldircktion vorgekommen sci, auf die polirische Stellung
cincs Submittcntcn Rücksicht genominen wcrden. Wcnn der
kleine Geschäftsman nicht von vmnehcrein ausgeschlosscn blci-
ben soll, müsscn die Loose klciner gemacht nnd die Ausschreibcn
frühzcitig crlasscn wcrdcn.

Abg. Hofmann (dem.) betont, daß cr das Mittelpreis-
vcrfahrcn dem jchigen vorziehe. Zn tadeln sci, daß Bau-
marerialicn, namcntlich Dachdeckungen häufig nicht von inlän-
dischen Produzcnten, nmdern durch ftaatlichr Architcktcn vom
Ausland bezogcn werden.

Münsterialpräsident Schenkel bestreiret, daß in diescr
Hinsicht crhebliche Mißftände üejte.hcn. V.m einer vollstän-
digen Umgcjtaltung dcs Snbm'ssn-nsocrsahrens könue ieine
Rede sein? Würdc man dasselüe dcn Körpcrschasten über-
tragcn, so wiirde man dadurch nur cin Monovol jchaffcn nnd
bcwirkcn, daß die Arbeiten möglichst schle.ht und teucr ausge-
sührt wcrden. Der freie Wettbewc cü dars nickst ausgeschlossen
werden. Jm großen Ganzen sei bei uns das Submissionsver-
fahren zweckenisprcchend gcregelt. Dcr Vorwurs, dag auch die
politische Rickstung cine Rolle spicle, müsse er energg'ch zurück-
weisen.

Abg. Gießler (Centr.) bestreitet, daß das Mittclpreis-
vcrfahrcn in Mannhcim aus politischen Rücksichten abgcschafsi
wurdc. Von den iechnischen Acmtern sei die Frage, ob gegen
früher weseutlich bcsscre Arbeiten geleistct wurdcn, welckzc den
llkehranfwand rechtfertigcn, verneint tvorden.

Abg. Drecsbach (Soz.) betoni, daß er mit eincm sche-
niatiscktcn Vcrfahren auch nicht einverstanden sei. Der aus-
schließlichcn Vcrwcndung von Landesangehörigen bci Staats-
bautcn habe er nickst das Wort geredct, aber es sei doch nicht
angebracbt, z. B. am Bau dcs Bezirksamts in Mannheim
lautcr Ansländcr zu bcschäftigen. Seine Behauptung bezüg-
lich dcr Gcneraldircktion halte cr aufrccht; auch beim Mim-
sterium dcs Jnnern spiclen politische Rücksicksten eine großc
Rolle; cr werde dics ein andermal bewcisen.

Ministcrialpräsidcnt Schenkel sieht der weitercn Auf-
klärnng Dreesbachs cntgegen; so lange dicse nicht erfolgt sei,
müssc cr dic Behanptung als ungehörig zurückweisen. Je
frühcr das Finanzgesctz verabschicdet wcrdc, dcsto frnhcr kon-
nen die Arbcitcn vergcbcn werdcn.

Abg. Eichhorn (Soz.) fragt an, wie cs nut der Reorga-
nisalion der Arbeitsnachweise stehc.

Minister Schcntel hält einc mdividuelle Regelung
riicht für zweckmäßig, zumal der Reichstag sich bereits mit der
Frage der paritälischen Verwaltnng befaßt hat. Man sollte
mindcstens daö Schicksal des bctr. Antrags im Reichstag ab-

^^Abg. Eichhorn (Soz.) meint, ein sclbstäiidigcs Vor-
gehen Badcns könnte auf alle Fälle nichts schaden.

Abg. Mampel (Antis.) konstatiert, daß die Arbeits-
nachweise, namentlich der Heidetberger. sich als seaensreiche
Jnstitute bewährt haben.

Die einzelnen Positionen werden genehmigt.

, Schluß der Sitzung: 141 Uhr. NLchste Sitzung: Dienstag
1410 Uhr. Tagesordnung: Ministerium des Jnnern.

Württembcrg.

Stuttgart, 8. März. Laut „Schwäb. Merkur"
wurde der kommandiercnde Gencral des 13 (württem-
bergischen) Armeekorps General dcr Jnfanterie Frhr.
v. Falkenhausen, uniec Ver.'eihung des Großkceuzes
des Kronenordens seiner Stellung enthoben.

Preusse«.

Berlin, 8. März. Jn dcr gestrigen Sitzung der
Kommission dcs Abgeordnetcnhauses für die Neuord-
nung dcs juristischen Studiums teilte die Re-
gierung mit, daß der Gesetzentwurf über die Ausbildung
der höheren Verwaltungsbeamten scrtiggestellt sei und noch
dcr Zustimmung des Staatsministeriums bedürfe und dem
Abgeordnetenhause demnächst zngehen werde. Die erste
juristische Prüfung soll auch als crste Piüfung für die
Verwaltungskarriöre dienen und der praktische Vorbe-
reitungsdienst auf 3'/, Jahre rcduziert werden.

— Die „Berliner Korrcspondenz" tellt mit: Das
Kammergericht hat entschied.n, daß iu Preußen der
obligatorische Schulunterricht dcn Kindern in
einer preußischen Schule zuteil werden muß, sofern
nicht, wie mit den cinz lucn Bundesstaaten, besondere Ver-
träge über die Regelung der Schulpflicht geschlossen sind.
Eltern, welche dem entgegen ihrc Kinder in ausländischen
Schulen und Erziehungsanstaltcn unierbringcn, sind stras-
fällig.

Aus der Karlsruher Zeiturrg.

Karlsruhe, 8. März. Der Großherzog nahm
heute Vormittag vcn 10 Uhr an dcn Vortrag des Präsidenten
Dr. N colai cntgegen und empfing um 12 Uhr den Prästdenten
des Eoangelischcn Oberkirchenrats Geheimerat Dr. Wielandt
zur Vortragserstattung. Gegen 4 Uhr höite Seine König-
üche Hoheit den Vortrag des Generalleutnants nnd General-
adjutanten von Müllcr. Um halb 5 Uhr emvfing Seine
Königliche Hoheit den Professor Dr. Kossll, Direktor dcs
physiologischen Jnstituts an der Universitäl Heidelberg, welcher
dann vor den höchsten Herrschaflen und einer zahlreichen
Gesellschaft cinen Vortrag über „die Atmung" hielt. Nach
dem Vortrog besuchte die Großherzogin cin Konzert im
Museumsaal, während der Großhcrzog den Vortrag des
Legationsrats Dr. Siyb hörte.

— Von Jnteresse für die künstlerischen und wissen-
schaftlichen Kreise Badens dürfte es sein, daß auch in die-
sem Jahre ans der Schwestern Fröhlich-Stistung in Wien
L-tiPendien und Pensionen zur Verteilung gelangen.
Es werden verliehen:

1. Litipendien an Künstler oder Gelehrte zur Vollen-
dung ihrer Ausbildnng oder zur Ausführung eineS
bestimmten Werkes, oder zur Veröffentlichung eines
solchen, oder ini Falle plötzüch eintretender Arbeitsun-
fähigkeit.

2. Pensivnen an Künstler nnd Gelehrte, welche dnrch
Alter, Krankheit oder Unglücksfälle in Mittellosigkeit
geratcn sind.

Zur Erlangung eincs Stipendiums muß der Be-
wcrber in seinem, an das Kuratorium zu richteuden Ge-
suche folgende Belege beibringen: 1. den Tauf- imd
Geburtsschein, 2. Studien- und Prüsungszeugnisse, >3.
glaubwürdige Zeugnisse über seine wissenschaftlichen oder
künstlerischeu Leistungen, 4. ein behördliches Zeugnis
über seine Mittellosigkeit.

Mit dem Gesuche um eine Pension ist beizubrin-
gen: 1. der Taus- und Geburtsschein, 2. chme glaub-
würdige Bescheinigimg über die Krankheit oder den Un-
glücksfall, wodurch der Bewerber in Mittellosigkeit ge-
raten ist, 3. ein Aiislyc'is über die Verdienste des Be-
werbers um Wissenschaft und Kunst.

Die vorschriftsmäßig belegten Gesuche samt eventnellen
Kunstproben sind bis 31. März 1902 ini Präsidial-
bureau des Wiener Gemeinderats, 1, Lichtenfelsgasse 2,

1. Stock zu überreichen, woselbst auch die StiftungsM^
ten behoben werden können.


Nicht entsprechend instruierte Gesuche werden
in Betracht gezogen.

Ausland.

Türkei.

Konstantinopel, 7. März. Dcr Konak Fev"'.
Paschas, des neuen Chefs der geheimen Palast-Poü^'
ist durch bis jetzt unbekannt gebliebene Personen, welwsi
mit Petroleum getränkte Gegeustände in das Haus warstu
in Brand gesetzt wordeu.

daß

Amerika.

Newyork, 8. März. Die unmittelbare Ursache, - .
Frl. Roos evel t nicht zur Krönung nach Engla« d
war, daß auch eine Einladung des deutschen Kais^
paares miterwegs war und daß die Engländer ihr
sondere Aufmerksamkeiteii zugedacht hatten. Der Präsid^^
als Familienvater dachte inm, daß die Auszeichnunge» ^
viel für ein sicbzehnjühriges Mädcheu seien und sie
leicht den Kopf verdrehen könnten. Mithin schickt er w
jetzt zum Besuch nach Knba zum Generalgouverneur.

Aus Stadt uud Land.

i. Vortrag von Gch. Rat Schröder. Der erste in danke»^

iverter Weise für jedermann zugängliche Vortrag dcs ^
Rats Prof. Dr. Schröder über den K a u f m a n n und da
H a n d e I s g e s ch ä f t nach dem alten und neue
Handelsrecht im Lotäl des kaufmännischen Vereins "
Freitag Abend war ziemlich gut besucht. Redner leitete o

interestanten Vortrag' mit einer Erklärung über Begriff, lws



fang, Geltung und Bedeiitung des alten Handelsrechts ein Usi
besprach dann wciter dessen Umgestaltung zum Reichsg^t,

dem ncuen Handelsrecht. Die alten Bestimmungen umfav^
alles, was auf den Handel Bczug hatte, die neueu dagegen o^
schränkeu sich nur auf das, was direkt den Kaufmann angcv.
und haben alle übrigen Handelsangelegenheiten ausgefchicd^ '
diese sind mit dem bürgerlichen Gesetzbuch vereinigt. Mana^
wird nun wohl fragen: Wer ist denn eigentlich KaufmaiM w

welche Bedingungen machen ihn dazu?"Der Äufschluß duck, .
nicht uninteressant sein, umsomehr, da das alte Handelsrs^
in Bczug auf die Handwerker sehr weitherzig war, uitd ist?.
einmal zu Kaufleuten, dann wieder zu Hanowerkern stemMsii
je nachdem ihr Beruf Einkaus oder Arbeit erforderte. §
dem neuen Handelsgesetz ist derjenige Kaufmann, der

eingekausten Waren wieder umsetzt, sei es in unvei-

- . - - - . . . „ . Das tzE

änderter Form oder nach erfolgter Verarbeitung. L,us
untcrscheidet abcr ncbcn solchen, die kraft Berufs Käuflcute
solche, dic es Iraft Eintragung in das Haudelsregister wcrtzsi.
und die Aktien- und Kommanditgescllschaften, die zwar vielfaui
nichts mit dem Kaufmannsstande zu thun haben, abcr du^
ihren ganzen Bctrieb, Buchführung rc. zum Kaufmannsstw'si
gerechnet werden. Die Merkmale diescr drei Klassen sütz.,,

Prof. Schrödcr auf und gab vom Wesen des Kaufmanns FÜ^


eingehende Schilderung. Die erste Abteilung der Beruf---- ^
leute zerfällt in Voll- und Minderkaufmann. Der HaustVs
und Höcker z. B. ist auch Kaufmann, aber nur mindercn Gi

des, weil er eben nicht eingetragen wcrden kann und brauck^

Vollkausleute sind die Warenhäudlcr, Fabrikantcu und " ^
Handwerker, insoferne diese Dinge cinkausen und sie lvied>.
weiter gcben. Zum Kaufmann gehört stets der llmsuv'
Der Schuhmacher, Müllcr, Schneider und Uhrmacher werd«
Käuflcute, wenn sie mit ihren Erzeugnissen oder Waren Hst'Z
del treiben: die Landwirte, Ziegelei- und Hüttenbesitzer st's,
cs dagcgen nicht, weil sie meistens nicht einzukaufen brauw^
und hier der Umsatz fehlt. Käufleute kraft Berufs sind s?V'Z-
noch die Versicherungsunternehmungen, Bankiers, Frachtfuh
inhaber, (bei Personentransport nur im Grotzbetrieb), Hl.Ä
delsmakler, Buch- und Kunsthändler. Bei Wäschereien, 3^7,
bereien und Druckereien kann man dagegcn nur dann vo
Kaufleuten reden, wenn sie im Großen betrieben werdÄj
Jur zweiten Kategorie der Kaufleute kraft Eintragung.ö
man z. B. die Bauunternehmer, Jmmobilienmakler, Anzcigvv.,
Stellen- und Heiratsvermittler, wcnn sie ihr Geschäft ^

Großen und kaufmäunisch Zictreiben; auch ein Theaterdircü^

ist Kaufmann, wcil sein Streben doch borzugsweise auf
werb gerichtet ist. Diese Geschäfte müssen eingetragen tverdr^

rsi^

was dagegen bei Land- und Forstwirtschaft nicht erfordcA ^
ist, auch dann nicht, wenn Nekenbetriebe, wo Molkerei, BrauP^
odcr Holzmühlen damit verbunden sind. Jn solchem o
kann dagegen die Eintragung erfolgen, ebenso bei den KuU ,
gärtnercien, nicht dagegen bei der Samengärtnerei, die ötz.
landwirtschaftlichen Betrieb gehört. Zum Schlutz noch ciwö
Worte über die Aktiengesellschaften, die vielfach wie schon "Ä
geführt, in ihrem Wesen nichts mit dem Kaufmannsstuw.§
gemein haben, z. B. unsere Museumsgesellschaft. Der ga^

setzcn, um den Bergelohn zuj verdienen. So geschah es.
Der Stcuermann ging mit denselben Leutcn an Bord des
Schooners, mit dencn er zuerst darauf gew'esen war. Sie setzten
Segel und folgten dem anderen Schiffe, so lange es Tag war.
Jn der Nacht aber kamen sich die beiden Fahrzeuge aus den
Augen und von dem Schooner hat man niemals wieder etwas
gehört."

„Er ist untergegangcn?" fragte Zarnow.

„So meinte man in Europa. Abcr sie kamen glücklich nach
Macoris auf St. Domingo hinüber, wenn man das glücklich
nennen kann, daß oon den sechs Mann an Bord nur noch
zwei übrig waren, der Steuermann und einer von den
Mätrosen. Der Zimmermann fiel ins Wasser und
crtrank, als er auf einer Stellage beschäftigt war, den Namcn
des Schiffes zu übermalen. ' Zwei Matrosen wurden eines
Nachts von einer schwcren See über Bord gewaschen. Einer
wurdc bon dcn ausgestandcncn Strapazen vor Angst und
Reue wie unsinnig, er meinte, an dem Golde klebe ein Fluch,
und wollte nichts mehr davon sehen und hören. Als Barbadoes
in Sicht kam, wollte er die ganze Geschichte den Behörden
anzeigen. Darübcr kam er mit dem Steuermann in Streit und
als dieser ihm durchaus das Boot nicht geben wollte, um
ans Land zu fahren, sprang er ins Meer, um hinüber zu
schwimmen. Das gelang ihm natürlich nickit — da oben
sind zu vicl Haifische."

„Entseßlich'I" rief Zarnow. Er kanntc die Geschichte dcr
„Donna Loisa'', soweit sie mit Juanitas Rettung zusammcn-
hing, sehr gcnau aus dcm, was man ihm in Gerards Hause
erzählt hatte. Er zweifclte nicht, daß er soeben das Enbe
jener merkivüMgcn Begebenheit gehört habe, und nur ein
Punkt schien ihni noch der Aufklärung bedürftig.

„Wic kam cs," fragte er, „ daß der Schooner in Macoris
einlies, und Vabon in Europa nichts bekannt wurde?"

„Der Name am Heck war ja, wre ich Jhnen gesagt habe,
übermalt wordcn und allcs, was der Steuermann an Papicrcn
vorfand, hatte er vernichtet. Jn St. Domingo war man ab-
sichtlich gelandet, weil, wcnn man nicht bis in die Südseee
sahren wollte, der vcrlotterte Negerstaat das einzige Land
war, ivo man hoffen dnrfte, ungestört die Früchte des Ver-
brechens geiiicheii zu kümicn. Keiu Mensch sragte den merk-

würdigen Schicksalen des von Mannschaft fast ganz ent-
blößten Schiffes nach, und der Steuermann konnte ohne Sorge
die Ladung verschleudern und schließlich das Schiff aufbreche»
lassen."

„Und dann?"

„Dann nahm der Steuermann mit seinem letzten Kame-
raden Passage auf einem Schiff nach Bahia; da bekam der
Matrose das gelbe Fieber und starb. Der Steuermann ging
darauf nach Rio, wo er von seinen Reichtümern leben wollte.
Cine Zeit lang ging das auch ganz gut. Wer dann kam
plohlich ein Tag, wo ihn ein großer Ucberdruß an allen diesen
Dingen ergriff und zugleich ein Abscheu uud Widerwillen gegen
alle Menschen, daß ihm deren Gesellschaft zum G'reuel und
zur Last wurde. Das war aber gerade zu der Zeit, da er
den Erlös aus Schiff unt« Ladung durchgebracht hatte und
nun an das baare Geld und die Diamanten hätte gehen
müssen, die in der Kajüte gefunden wurden. Damit war
es jedoch eine eigene Sache. Sie werden es lächerlich, dumm
und widersinnig finden, aber es war so: er empfand cine
große Scheu, an diese Schätze zu rühren. Es war das Erbe
des klcinen Mädchcns, das er damals mit hatte retten helfen
und das ihm zutraulich die Hand gcgeben. Es wollte ihm
nicht aus bem Gedanken kommen und er fühlte eine unüber-
windlichc Abneigung, das anzutasten, was dem Kinde gehörte.

Damals war die Stelle eines Leuchtturmwärters auf den
Abrolhos vakant. Der Steuermann bewarb sich darum. Als
er sie bekam, schlcppte er das Gold und die Diamanten des
jungen Mädchens mit herüber und vergrub sie in der Mitte des
Fclsenriffs, auf dem der Leuchtturm stand."

,.AH, so hängt es also zusammen," sprach Zarnow, als
Jürgen Perstummte. „Nun begreife ich, woher Sie wissen,
daß anf dieser Jnsel Schätze vergraben sind, und warum Sie
sich nicht die Mühe geben, danach zu suchen. Nun möchte ich
aber noch Eins bon Jhnen wissen: was treibt Sie, gerade mir
Jhr Vertrauen zu schenken, mir" — er betonte nachdrücklich
die folgenden Worte — „die Geschichte der „Dona Loisa" und
der lVelder von Juanita Mitena zu erzählen?"

Die Nennung der beiden Namen machte anf den ehemaligen
Stcuermann bei Weitem nicht den Eindruck, den sich Zarnow
davon versprochen hatte.

Jürgen zuckte nur die Achseln und sagte:

Jch habe bei Jhnen ein Kouvert gesehcn, das den Stervp,

Mauvillon u. Comp. trug. Das lvaren nnsere Rheder, und..?^
die Herrcn war auch ein Brkef gerichtet, den wir tn der KE,,
der „Donna Loisa" fanden. Da meinte ich nun, Sie moällisi

Aie

etwa die kleine Juanita Mitena kennen gelernt habcn

sehen, ich irrte mich nicht. Und wären nicht Sie gerade ^
rechte Mann, um dem Kinde die Nachricht bon dem zu ül>e
bringen, ivas ihm gehört?"

Ein plötzlicher Zweifel schoß Zarnow plötzlich in den
Alles, was Jürgen erzählt hatte, mochte wahr scin, und d» .
konnte — man hatte Beispiele von solchen Jllusionen
angeblich vergrabene Schatz nur in der Einbildung dcs Ma ^
nes existieren. Wenn man nachgrnb, fand man vielleicht "
leere Beutel und wertlose Papierschnitzel.

„Würden Sie mir den Schatz zeigen, wenn ich Sie dv
um bäte?" fragte er.

Ohne ein Wort zu sagen, stand Jürgen auf, holle aus ds
untersten Geschoß des Leuchtturms einen Spaten und
Hacke und schritt nach dem kleinen Sandflecken, den rings"
zackigcr Korallenfelsen umgab.

Hier fing er an zu graben, nachdem er zuvor den gaUs
Horizont mit dem Fernrohr abgesucht und sich überzeugt ha>
daß keine unliebsame Störung drohe. Der Sand, bis
eine Ticfe von wenigen Fuß naß von den bei schlechl^.
Wctter Lber ihn wegflutendcn Meereswellen, war in grötzer
Tiefe ganz trocken, und hicr stieß der Spaten bald auf
eisernc Platte. Nach dcren Wegnahme gewahrte man ztvei
einander stehende hölzerne Kisten. Mit einer Gleichgültrgsr ,
als hole er Kartoffeln oder Rüben heraus, griff
in die eine und zog einen Beutel hervor, der ber v
Qeffnung blanke englische Goldstücke zeigte, aus einem "b st

ren Beutel irahm er mit derselben Jndifferenz eine

tvasserheller Steine, die im Sonnenlichte ein Meer von
len nach allen Seiten schosscn. ..

Jürgen hatte Recht; was hier lag, war ein Verriwgb ^
Das Loch wurde wieder zugeschü,ttct und jede Spur
cben vorgenommenen Arbeit behutsam verwischt.

(Fortsetzung folgt.)
 
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