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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0659
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und Stuttgart so auch hier die Beratungen zwischen dem
Staatssekretär Grafen Posadowsky und dem Staats-
minister v. Brauer sowie den beteiligten Ressortministern
in der Zolltarifv orlage völlige Ueberein-
stimmung der badischen Regierung mit der
Reich Sregierung ergaben.

Wadischer Landtag.

L.O. Karlsruhe, 7. April. (58. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Am Regierungstisch: Staatsminister
v. Brauer, Geh. Rat Zittel. Präsident Gönner eröffnet
die Sitzung um Uhr-

Eingcgangen: Eine BovsteUung Ver Handelstammer Äinnn-
heim gegcn den Ennvurf eines Fahrnisversichernngsgesetzes,
eine Eingabe bad. Bahnmeister um Besserstellung, eine Peiitivn
von Gemeindeu deS Taubergrundes nin Foriführung dci Bahn
bou Hartheim nach Tauberbischofsheiin, von Gemeiuden aus
dem Bezirk Ettlingen betr. die Errichtung eine s Elektrizitäts-
tverks im Albthal, eiue Eingabe der Gemcinde Dorf-stehl um
Ucbernahme der Bcleuchtungskosteu der Rheiubrücke auf
Staatskosten.

Zur Beratuug stcht zuuächft der Gesetzentwurf^bcrr. die
Erbauung cincr schmalspurigen Nebenbahn Pon Mosbach
uach Mudau, den Berichtersratter Greiff snatl.) namens
der Budgetommissiou zur Annahme empfiehlt.

Abg. Obkirch e r (Natlib.) schildert die Bemuhnugen der
Ödenwaldbcvölkerung nm das Zustaudekommen dieses Projekts
und giebt der .Hoffnung Nusdruck, das; dasselbe möglichst cin-
stimmig angcnommen ivird. Die Mosbacher anerkennen mit
Dank das Eutgegenkommen der Rcgiernng, der sie wciter den
Wunsch unterbrciteu, es möge die Eiumiindung der Bahn auf
der Ostseite des Bahnhofs erfolgcn.

Abg. Schmid (natl'.) protesticrt gegen die au lleberstür-
zung grenzende Raschheit, mit der von Seiten der Rcgierung
über den Notschrci des Bezirks Eberbach hinweggegaugeu ivurde.
Das cinseitigc Vorgchen, wie hier dcr Odenwaldbcvölkerung
geholfeu werden soll, könne er unmöglich billigeu. Nicht durch
cine kleine Sekundürbahn, sondern nur durch eine Vollbahn,
die den ganzcn Odenwald durchquert, iverde den Wiinschen
der Bevölkerung cntsprochen. (Abg. Friihauf: Sehr richtigl)
Er mistgönnc dem Mosbacher Bezirk die Bahu gewitz mcht;
allein er miisse Protest dagcgen einlegen, dah die Iveitaus be-
diirftiqeren Gemcinden auf der audcren Seite des Oden-
waldcs zurückgesctzt werden. Nur eine Bähn, die in Eberbach,
das den Verkehrszcntrcn näher liegt, einmündet, könne der
Odenwaldbevölkcrung aufhelfen. Die Produkte des Odenwalds
gehen von jeher nach Eberbach; speziell der Holztransport, der
jährlich yegen 80 000 Festmeter beträgt, geht vorwiegcnd über
Eberbach. Techuische nnd finanzielle Schwierigkeitcn dürfeä
nicht allein ausschlaggebend sein, wenn es gilt, eiuer wirtschaft-
lich darniederlicgenden Gegend aufzuhelfen, Er werde gegen
den Entwurf stimmen.

Präs. Gönncr teilt mit, dah ein Antrag, unterzeichnet
von den Abgeordneten Schmid und Genossen, eingegangcn ist.
die Kammcr wolle dem Entwnrf vorerst dic Zustimmung nicht
erteilcn, vielmehr die Petition betreffend die Erbauung einer
Bahn von Eberbach nach Buchen dcr Regierung zur Kenutnis-
nahme überweisen.

Abg. Köhler (Zentr.) begrüudet diesen Antrag. Der
Odenwaldbevölkerung könne nur durch eine normalspurigeDurch-
gangsbahn von Eberbach nach Buchen aufgeholfen werden. Die
Errichtung einer Sekundärbahn hcitze: Die Gegend den Juden
ausliefern! Von dem vorliegenden Projekt verspreche er sich
für die wirtschaftliche Hebung jener Gegend uichts: er stimme
daher für dcn Antrag Schmid.

Abg. W e p g o l d lnatlib.) würde den Eberbachern gcrn
die Bahn gönnen, angesiebts der Schwierigkeitcn aber, die sich
dem Bau entgegenstcllen, bleibe nichts anderes übrig, als dem
vorliegenden Projckt zuzustimmen. Er hoffe aber, dah die
Bahn Eberbach-Buchen-Tauberbischofsheim mit der Zeit doch
noch ausgeführt wird.

Abg. Eichhor n (Soz.) wünscht erneute Prüfiing beider
Projekte in der Kommission: soll aber die Entscheidung heute
nocki fallen, so stimmen die Sozialdemokraten für den Entwurf,
weil sie den Mosbachern eine Bahn gönnen. Redner wendet
sich gegen die Privatbahnpolitik.

Äbg. Zehnter (Zentr.) ist ebenfalls kein Anhänger des
'Privatbahnsystems. Das Projekt Mosbach-Mudau wäre besser
als normalspurige Bähn gebaut worden; doch stimme er auch
für das vorliegende Projekt, damit jene Gegend endlich eine
Bahn bekommt. Die Angelegenheit sei durchaus nicht über-
hastet worden; jedcnfalls habe die Kommission beide Projekte
aufs sorgfältigste geprüft. Redner bitter, die Anträge Eich-
horn und Schmid abzulehnen, weil damit der Odeuwaldbe-
bölkcrung wenig gedient werde: Mit der Annahme des Ent-
wurfs bctrachte er das Projekt Eberbach-BUchen nicht als ab-
gethan.

Abg. H e i m b li r g c r (Dem.) steht bezüglich der Privat-
bahnen auf dem Standpuukt des Abg. Eichhorn. Dem Ent-
wurf kann Redner nicht zuftimmen, weil diese Bahn den wirk-
lichen Bediirfnissen der Odenwaldbevölkerung uichr cntgegen-
kommt. Er werde daher dem Antrag Schmid üeitreten.

Abg. Hcrgt (entr.) glaubt, man sollte tein Hindcrnis
in den Weg legen, wenigstens eiuen Teil des Odenwalds die
Wohlthat einer Bahn zukommen zu lassen. Dadurch werdc das
Projekt einer Bahn Eberbach-Buchen nicht vereitelt.

Sraatsminister von Brauer: Sonst sei eS für ihu
eiu Tag eirler Kreude, weun er dem Hause eine Eiseuvahnvor-
lage unrerbreite; von allen Seileu ernte er iu solchen Fällen
Lobsprüche. Heure erlebe er dagegen das seltene Schauspiel,
datz eiu Entwurf von einem Abgeordneren heflig bckämpft
wird. Und doch sprechen alle Gründe für die Linie Ntosbach-
Mudau! Abg. Schmid, der sehr gut und wirksam für Lie
Bahn Eberbach-Buchen eingetreten sei, habe wohl uicinand über-
zeugt; es wäre dies wohl auch dem seligen Demosthenes nicht
gelungen, wenu er die Sache vertreten hätte. Niemals sei ihm
die Entscheidung leichter geworden, als bei dem vorliegendeu
Projekte, das in finanzieller, volkswirtschaftlicher und technischer
Hinsicht den Vorzug vor dem anderen verdiene. Für den
Techniker gebe es allerdings keine Unüberwindlichkeit, aber
man könnte die Steigung zwischen Eberbach und Buchen nur
mittels langen Serpcntinen oder mit einer Zahnradbahn über-
winden. Eine normalspurige Bahu wäre anstatt auf 2, 4, auf
4 Mill. M. zu stchen gekommeu. Hinsichtlich der Frage, ob der
Staat allc Bahneu selbst bauen soll, halte er das gemischte
Siistcm für das richlige. Das Gros der Bahnen mvtz allerdings
im Besitze des Staates sein; doch könuen nicht alle Seiteubahnen
vom Staate erstellt werden, weil soust die Eisenbahnschuld enorm
anwachscn und dic Selbständigkcit des Bahnnetzes autzer-
ordentlich gefährdet würde. Sachsen sei dadurch in eine sehr
prekäre Lage gekommen und auch in Bahern zeige sich immer
mehr das Bestreben, die Nebenbahnen dem Privatbetrieb zu
überlassen. Das Publikum sei übrigens mit den Nebenbahnen
stets unzufrieden, auch wenn sie vom Staat betrieben werden.
Unsere Privatbahnen crfüllen ihre Pflichten im allgemeinen
ordentlich und suchcn den Wünschcii des Publikums gerecht
zu werden.

Abg. Birkeumeher (Zentr.) tritt ftir den Antrag
Schmid, Frühauf (Freis.) siir die Regierungsvorlage eiu.
Lehterer stellt mit Befriedigung fest, datz sich sämtliche Parteien

gegen das gemischte Bahusiistem uud für das reiue Staats-
bahusystcm ausgesprochcn halien und weist auf die Zustäude der
Albtbalbahn hin, die jeder Beschreibung spotten.

Abg. A r m b r u st e r (Zcmr. > verteidigl die Kommission
gegeu deu Vorwurf, datz sie das Projekt nichr reiflich geprüfr
habe.

Abg. Wacker (Zeutr.) empfiehlt Frühauf eiuc grötzere
Zuriickhaltung bci der Kritik unsercr Eiseubahnpolitik. Vor dcu
ungcheuren Fortschritteü iu den letzteu Jahrzehuten sollte
mau Halt machen und sich etwas Zuriickhaltung auferlegen.
Fiir jetzt uimmt Reduer die Rcgierungsvorlage gerne an,
weun die Odenwälder später auch noch die Bahn Eberbach-
Buchen bekommen, hätte er auch nichts dagegen einzuwenden.

Nach eiucm Schlustwort des Abgeordneten Schmid wucde
desseii Autrag mit alleu gegen acht Stimmen abgelehut und
sodanu in nameutlicher Abstimmung die Regierungs-
vorlage mit alleu gegen die Stimmcu der Abg. Birken-
mayer, Heimburger, Hofmann, Köhler, Mampel, Miiller,
Schmid und Vorderer angcnommcu.

Schlutz der Sitzuug: hatb 8 llhr. Nächste Sitzuug: morgen
halb 10 Uhr. Tagesordnung: Staatsvertrag, betrefscnd dic
Maiu-Neckarbahn, Eisenbahnbetriebsbudget.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seiue Könjgliche Hoheit der Grotzherzog habcu
dem frühercn Kommandcmtcn des 1. Gendarmeriedistrikts,
Oberst Ferdiuaud Horchler in Badcn, das Kommandeur-
krcuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Ordens bom Zährin-
gcr Löweu verliehen, und den Kanzleisekretär Hermann S ch ä-
fer beim Lcmdgericht Freiburg zum Sekretär ernaunt. —
Expeditionsassistcnt August Schlageterin Bühl wurde nach
Waldshm, Buchhalter Josef Köhler bei der Grotzherzoglichen
Steucrdirektion iu gleicher Eigeuschaft zum Hauptsteucramt
Karlsruhe, Hauptamtsassisteut Anton Raucki bcim Finanz-
amt Schwetzingeu iu gleicher Eigenschaft zum Hauptzollamt
Mannheim versctzt.

K arls r u h e, 7. April. Am Sonntag Bormittag
10 Uhr nahmen die höchsten Herrschaften an dem Gottes-
dienst in der Schlotzkirche teil, wobei Hofpreviger F-ischer
die Predrgt hielt. Danach wurden mehrere Andienzen er-
teilt. Um halb l l Uhr begaben sich der Grotzherzog nnd
die Großherzogin zum Hanptbabnhos, wo alsbald der
Grotzherzog von Hessen sowie Prinz und Prinzessin Hein-
rich von Prenße» ans Darmstadt eintrafen. Die Grotz-
herzoglichen Herrschaften geleiteten den hohen Besncb zum
grotzherzogtichen Schlotz. Hier wurde derselbe von dem
Erbgroßherzog nnd der Erbgroßherzogin begrüßt und
dann in die Wolmnng gesülirt. Zn der hierans sraltsin-
denden F-rühstnckstafel erschienen die Prinzessin Wilhelm,
der Prinz und die Prinzessin Map. Dcachmittags besnch-
ten die höchsten Herrschasten die Pslanzenhäuser im bo-
tanischen Garten, von wo der Grotzherzog von Hessen,
sowie der Prinz nnd die Prinzessin Heinrich von Prentzen
ihre Besuche bei der Prinzessin Wilhelm, dem Äöniglich
Prentzischen Gesandten Geheftnerat von Eisendecher nnd
Gema!,lin sowie dem Prinzen und der Prinzessin Map
abstatteten. Bei Prinz nnd Prinzessin Plar versammel-
ten ssch die höchsten Herrschaften alle zum Thee. Gegen
6 Uhr begleiteten der Großherzog und die Grotzherzogin
die hohen Gäste zum Bahnhof nnd es ersolgte die Abreise
derselben nach Darmstadt. Um halb 8 Uhr empsing der
Großherzog den Staatssekretär des Reichsamts des I-n-
nern Grafen Posadowsky, welcher vormittags hier ein-
getroffen nnd beim Staatsniinister von Brauer zur sFrüh-
stückstafel eingeladen war. Na-ch 8 .Uhr fand bei den
grotzherzoglichen Herrschaften größere Tase! statt, an
welcher der Erbgrotzherzog und die Erbgroßherzogin,
Jhre großh. Hoheit die Fürstin Lippe, die Mitglieder
des Staatsministerinms nnd viele andere Personen ein-
geladen ivaren. Hente früh hörte Se. Kgl. Hoh. der
Großherzog verschiedene Vorträge nnd nahm von 11 Uhr
an den Vortrag des Staatsrats Freiherrn von Dnsch ent-
gegen. Hiernach nieldeten sich der Chilenische Oberleut-
nant llrrudia, koimnandiert zunt 2. thüringischen Feld-
Artillerie-Regiment Nr. 65 nnd abkommandiert zur Pa-
tronenfabrik KarlSrnhe und der Militär - Jntendantur-
Assessor Münch bei der Fntendantur des 14. Armeekorps,
InÄier bei der 86. Division. Hente Nachmittag 2 Uhr
verließen der Erbgrotzherzog nnd die Erbgroßherzogin die
grotzherzoglichen Herrschaften nnd kehrten nach Coblenz
znrück. Von 6 Uhr nahm der Großherzog die Vorträge
des Generallenftiants nnd Generaladjutanten von Mül-
ler, des Geh. Legationsrats Tr. Freiherrn von Babo nnd
des Legntionsrats Dr. Seyb entgegen.

Ausland.

Frankreich.

— Clemenceau vom Departement Var ist in den
Senat gewählt worden. Mit ihm kehrt ein Politiker in
die parlamentarische Arena zurück, der als radikaler Partei-
führer in fast allen bedeutsamen Ereigniffen der französi-
schen Politik der letzten 30 Jahre eine hervorragendc
Rolle gespielt hat, so namentlich 1870 als Bürgermeister
von Montmartre während der Herrschaft der Kommune,
1885 beim Sturze Ferrys, dann erst als Anhänger, spä-
ter als Gegner Boulangers, darauf im Panamaskandal
und schließlich im Dreyfushandel. Obwohl selbst nicht
thatsächlich bloßgestellt, hatte er sich durch seine Beziehungen
zu den Panamaleuten, namentlich zu Reinach und Cornel.
Herz, politifch so geschadet, daß er kei den Wahlen von
1893 in seinem Departement Var unterlag. Jnfolgedessen
zog er sich von der Politik zurück, aber der Drcyfus-
handel trieb ihn wieder hinein, und seine Rolle als Verteidiger
Zolas, als Begründer der Aurore und als der glänzendste
Polemist des Tages wider die Generalstabspartei ist noch
in frischer Erinnerung. Als Abgeordneter war Clemenceau
der gefürchteste Ministerstürzer, den das Palais Bonrbon
gekannt hat. Jetzt zieht er in den Senat ein, dessen
Dasein er seinerzett selbst aufs schärfste bekämpft hat. Auf
den curulischen Sesseln sttzt es sich dort aber ruhiger, bequemer
und sicherer, als auf den harten plebejischen Bänkcn der Kam-
mer, und so ist der Eintritt Clemenceaus in den Senat
an sich schon ein Zeichen dafür, daß es trotz seiner Rück-
kehr in die Politik doch mit seiner Rolle und Spezialität
als Ministerstürzer vorbet sein wird. Die radikalen Blät-
ter stnd der Meinung, daß Clemenceau alsbald die
Führung des Senats in seiner Hand haben werde.

Rußland.

Moskau, 5. April. Gestern Abend trat ein Mann

mit einem Anliegen in das Empfangszimmer des Ober-
polizeimeisters Trepow. Der dienstthuende Beamte Za'
remba sagte dem Bittsteller Michalewski, daß er währen»
der Empfangsstunden wiederkommen möge. Der BittsteUer
stürzte sich darauf mit etnem Dolch auf Zaremba,
wurde aber entwaffnet und verhaflet.

Aus Stadt und Land.

Heiüclb erg, 8. Äpnl.

i. Freie uational soziale Bereinigung. Das inreressaine
Thema „?( r b e i l s i o s i g k e i t und Ä r v e i t S l o s c u ^
versicheruug " gab gestern Abeud im Priuz Äiax deM
Redatteur Weiuha u s e n aus Berlin Gelegeuheir gu ciner
zeilgcmästen Berrachinng. Ilftchl als ov jich oer Vorrrag u>
ersrer Linie mir den Ursachen der Arbeirslosigleir beschäsriist
hürre, Redner srützre sich hier nur auf öas srarisnsche Mareriatt
um aus Gruud desseu die eminente Bedeurung der Arbcirs-
losenversicheruiig hervorzuhebeu. Ueber die ArbeirslosigreU,
ihre beste Festftelluiig durch die Gewerkschaftstarrelle uud LU
ZentralarbeitSiiachweisstelle in Berlin, ihre Ausdehuung, öie i»
diesem Wiuter nichr so grotz war, wie mil Unrechr allgeinciu
aiigeuommen wird, über Lie svzialpvlilische Bedeuruug der
Arveirslosigkeir, über den Werr von Notstaudsarbeiren usw-
brachtc Herr Weinhansen in gewandren AuSftihrungen viel
Wissenswertes und Beherzigendes. Wenn nun rrotz allew
für die Arbeitslosen verhältnismätzig noch rccht wenig geschehc»
ist, fuhr Redner fort, so beruhr das ans den unendliche»
Schwierigkeiten, die sich den besten Absichten für eiue ArbeirS-
losenuiirerstützuiig entgegenstellen. Erfolgreicher als sra»r
und Gemeinde sind hier die Gewerkschaften und Gewerrschafrs-
kartelle rhätig gewesen. Jhre Einrichttingcu zur ArbeirSlose»-
unterstützung, respettivc -Versicherung sind vorüildlich. Wa^
die Buchdrucker, die Merallarbeiter, der DerUschuationale Hand-
lungSgehilfen-Verband uud jetzt auch der Holzarbeiterverba»^
ihreu Mirgliedern in Zeireu der Not, der Arbcitslosigkeir bierc»
und wie sich deren Kasseu bewühren, kaun nur den Gedauke»
einer allgemeinen Arbeitsversicherung fördern. Das Problei»
der Durchführung ist aber leider noch nicht gelöst. Soll dic
Versicherung freiwillig, soll sie zwangsweise sein, solleu dw
Beiträge ciuseitig, oder von Sraar oder Genieinde und Arbcisi
geber mitentrichtet werden, darüber geheu die Ansickstcn weit
auseinander. Eine Menge Vorschläge uud Versuche, theoretisch
wie praktisch, sind auf diesem Gebiete schon gemachr worden,
keiner aber erscheiur ganz einwandfrei. Die Versuche in dcr
Schwciz berr. Arbeitsloscnverficherung mit behördlicher Verwal-
tuug (bei uus iu Köln) haben sich uicht bewährr. Die Vorschlägc
des Sozialpolirikers Sonnemann, Fraukfurt a. M., des Prof-
Schanz, Würzburg, des Redatteurs Dr. Buschmann, Heidel-
berg, usw. laffen immer uoch Zweifel au der wirksamen Durckll
führung von Arbeitsversicherungen, auf welchem Wege cs a»ckl
ist, Raum. Bis qer Staat die Aufgabe der Arbeitslosenversickic-
ruug selbständig durchführen kann, wird es noch eine Wcilc
daueru. Solange äber seien die Gewerkschaftcn am berufenstc»,
den Gedanken der Arbeitslosenversicherung zu Pflegen u»»
wach zu halren und ihre Bestrebuugen müstteu allseitigc lluter-
stützung finden. llebcr die Verwaltung dcr Versicherungsain
stalten durch die Krankenkaffen und noch manches andere g»»
Redner wertvollen Aufschlutz. An dcr au dcn Vortrag auschlic^
hendeu Diskuffion betciligten sich die Herrc» L>chneider, Da»^
ner, Schoch, Stadtvikar Stern, Dr. Munzinger, Jäger, Galst
und Motteck. Einc Wiedergabe ihrer Auslaffungen würd/
zu weit führen, wir beschränken uns darauf, zu erwähnen, datz
Redakteur Weinhausen im Schlustworte nochmals die grostc
Bedeutuug der Arbeitsloscnversicherung hcrvorhob und dic
Hoffming aussprach, dast in Bethätiguug dieser wichtigen Fragc
noch oft Zusammenkünfte in der national-sozialen Vereinigung-
auf deren Programm er schon vorher zu sprechen gekomnre»
war, stattfinden möchten. Die Versammluug, in der Profeffo>
Dr. Deistmaun den Vorsitz führte, konnte erst um 12 Uh'-
geschlossen werden.

§ WohlthätigkeitSveranstaltung. Die Loge „Zur Walst'l
heit und Treue" veranstaltet nächsten Sountag, den 13. Apr»'
11 llhr vormittags, in den Räumen der Logc (Friedrichstrasto
814) eine musikalische Matinee, zu der hervorragende K-räft/
(u. a. Herr Konzertmeistcr Schuster^ Herr Operusänger Kroruc/'
uud Herr Hofschauspieler Kallcnberger von Mannheim) iüff
gürige Mitwirttmg zugesagt haben. Der Ertrag ist für d»'
notleidcnden Burenfrauen und Kinder bestimmt. Die
trittskartcn sind bei Herrn Buchhändler Hönicke (Ll Mc-"^
Nachfolger), Hauptstrahe 88, zu haben.

(?) Beim gegenwnrtigen Nmbnu der Fahrbahn der HaupO
strasie sind viele fleitzige Hände beschäftigt, es giebt aber a»»
eiue Menge Arbeit, bis die auf das solideste durchzuführc»^^
llmwaudluiig der Straste beendet sein wird. Die StrastcP
strecke vom Amthause bis zum Ludwigsplatz ist gegenwärt^
iu Bearbeitung, so dast also augenblicklich die Pferdc^
bahnwagen auf der Hauptstraste nur nach vom Bahnhof öst'
zum Ludwigsplatz verkehren. Wcm cs irgendwie möglicki
der vermeide das Passieren der genanutcn Strahenstreckc. Eff
grötzercr Menschenstrom auf den Trottoirs führt leicht zu
zuträglichkeiten, besonders ältere Personen können lcickst
den nnn bochliegenden, an einzelnen Stellen sehr schmal
meffenen Gehwegen in das ansgegrabenc Fahrbahnbett hi>»!/s
tergedrückt werden nnd zu Schaden kommen. Manchmal blcst
ben Müstiggänger stehen, halten Manlaffen feil oder bcttsft
ben sich die Zeit damit, zu sehen, wie sich andere bemühen, -»/! .
dürfen sich aber nicht wundern, wenn sie von mastgebend^
Scitc in inckst gerade höflickier Weisc znm Wcitergehen aiisill"
fordert werden. ' .

Ausgestellt. Jm Tapetenladengeschäfr von Engelha»'
Hauptstratze 38, ist ein künstlerisches Transparent mit d>' ,
wohlgelungenen Bildnis Seiner Kgl. Hoheit des Grostherz»»-
ausgestcllt, anf das wir hiermit hinweisen wollcn. Der Ent>v»
nnd Ausführung stammcn von Willi Volz, einem sehr tasc»
tierten Knnstakademiker in Karlsruhe, wo es allseitige güm»^
Beurteilung gefunden und auch bereiis für die bevorstebci»
Jnbelfeicr vielfach angekauft wnrde.

O Schöffengerichtsfitzung vom 7. April. 1) Georg
von Evvelheim wurde von der Anklage wegen KörperverleL-

2) OSkar Knecht hier von der Anklage weaen Unterschlaa»»L

3) Georg Streib von Letmen und MathäuS Pfeffer von Nuw»

von der Anklage weaen Körperverletzung und 4) AndreaS M-'-
ger hier von der Anklage weaen Sachbeschädiqung und .
quälerei freigesprochen; 5) Wilhelm Erhard hier erhielt

Bcdrohung 10 Tage Gefängnis, während Karl Iosef Erb" ,
von der gleichen Anklage freigesprochen wurde; in den An'w^
sachen 6) gegen Anton Förster und Johann Gärtner von EPP° ^
heim wegen Körperverletzung und 7) gegen Konrad Grübel » .
Ravensburg wegen BetrugS erfolgte ebensalls Freisprech»"^
8) Friedrich Schlicksupp hter erhielt wegen Beleidigung 10
GefänaniS; 9) Egidius Schwab von Gaiberg wegen Widersta»

4 Wochen Gefängnls; 10) Sebafiian Ehrle hier wegen Kos» st
verletzung 8 Mk. Geldstrafe oder 2 Tage Haft; 1l)

Hilbert von Sandhausen wegen Ruhestörung und Beletdtg»

8 Taae Gefängnis.

-s- Polizeibericht. Drei Arbeiter wurden wegen Bct»'
ein Zcmentierer wegen fortgesetzter Ruhestörung und ein Kc» ^
zur Straferstehung verhaftet. Wegen Unfugs kamen >
Personen zur Anzeige. . <)

Mannheim, 7. April. (Wegen einer O h r f e i
stürzte sicki gestern in der Neckarvorstadt die 18jährige 4?»^
des Steindrnckers Petzold vom vierten Stockiverk ci»l
 
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