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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23860#0663
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Ausland.

Frankreich.

— Oberst Stc> ffel, ber vor bem 70er Krieg
französischcrseits Militärattachee in Berlin war und von
dort eine Warnung nach der anderen an seine Regierung
fchickre.— aber vergeblich — hat kürzlich eine Unterredung
mit einem Mtarbeiter des „Temps" gehabt. Aus deM
Bericht darüber sei Folgeudes wiedcrgegeben: Ob wir
heule stärker sinch als unter dem Kaiserreich? . . . .
Seit nreiner Abreise von Berliu im Jahre 1870 habe
ich keinen Flis; wieder auf deutschen Boden gesetzt. Gleich-
wohk kenne ich den Zustand dcs delitsck)en Heerwesens
so gut wie den des unseren .... Jch glaube, das;
unser Heer dem deutsck)en nicht vergleichbar ist. Sicher-
lich ist unser Kriegszeug — Gewehre und Geschiitze —
ausgezeichnet, aber die Äusrüstungen der einzelnen gro-
ßcn Völker stehen gegenwärtig so zicmlich auf der uäm-
licheir Stuse. Was die Ueberlegenheit des deutsck)en
Heeres ausmachü das ist die Beschaffenheit seines OffU
zierSkorps und seiner Oberbefehlshaberschaft.

Rußland.

Petersbu r g , 7. April. „Dailp Expreß" wird
pon hier berichtet: In Rußland herrscht seit einigen Ta-
geir eine wahre Schreckensherrschast infolge der zahlrei-
chen Attentate gegen höhcre Beamte. Jn
amtlichen Kreisen verschlvcigt man diese Attentate voll-
ständig. Die Zeitungen dürfen nichts darÄer bringen.
Taglich finden zahlreiche Verhastungen statt. Gegen den
Gouvernenr von Finnland, General B o b r i k a w,
wurden in einer Woche drei Attentate vcrübt, wobei er
das einemal leicht verletzt wnrde.

Staatswinister v. Wrauer üöer die deutsche
Wluttersprache.

Die Leitung der Karlsnrher Abteilnng des Allgcmei-
nen Deutschen Sprachvcreins schreibt der „Bad. Landes-
zcitung": Die vaterländischen Bestrebungen des Sprach-
vereins finden erfreulicherweise iu immer weiteren Krei-
sen unserer Stadt Unterstützung. Jn jüngster Zeit sind
namentlich zahlreiche Beamte und Kaufleute dem Verein
beigetreten; vecschiedene hohe Behörden haben ihre volle
Uebereinstimmung mit den airf Reinheit und Richigkcit
des Sprack)gebrauchs gerichteten Zielen erklärt. Mit
besondercr F-rende nnd Genugthunng dürfen wir eine
Kundgeb'ung Sr. Exzellenz des Herrn
M i n i st ers v. B r a u e r begrüßen, zu deren Veröf-
fentlichung wir in erfreulichster Weise crmächtigt worden
sind. Das an den Voi-sitzenden des hiesigen Zwcigvereins,
Herrn Archivassessor Dr. Brunner gerichtete Schreiben
vom 29. März lautet:

Eucr Hochwohlgeboren bitte ich für die mir unterm
15. d. Mts. namens des Vereinsvorstandes gemachten
Mikteilungen meinen verbindlichsten Dank cntgegen-
nehmen zu wollen. Die auf Verbesserung des deut-
schen Sprachengebrauchs gerichteten Bestrebungen habe
ich stets mit einer ivarmen Teilnahme versolgt. Ich
verkenne nicht, wie sehr gerade die staatlichcn Behörden
in der Lage sind, dnrch Anwendung reiner nnd rich-
tiger Sprachformen, sowie klare und bündige Aus-
drucksweise nützlich zu wirken. Fm amtliäM Verkehr
dürfen wir noch weniger als im Privatverkehr die
Rücksichten außer Acht lassen, die wir unserer Muttcr-
sprache schnlden. Dem viclfach überbürdeten Beamten
werden freilich bei Flüchtigkeitssehlern mildernde llm-
srände oft nicht abzusprechen sein. Fch crhoffe von den
in gleicher Richtung liegeudcn Bestrebungen des Ver-
eins und desscn eifrigcr Thätigkeit noch manches Gnte
nnd freue mich, diesen Anlaß bennlzen zu können, nm
deni Verein meine Anerkennung für sein nationales
Wirken auszusprechen. Fch bin persönlich gcrne be-
reit, Jhrcm Vereine als Mitglied beizntreten.

P. Brauer.

Auch die G r o ß h. 0) e n c r a l d i r e k t i o n de r
B a d. S t a a t s e i s e n b a h n en äußerte sich in voüem
Einklang mit den Vereinsgrnndsätzen folgendermaßen:
„Wir siird schon seit längerer Zeit bcstrebt und werden
uns auch fernerhin bemühen, in nnserem lZeschäftsver-
kehr Fremdwörter thunlichst durch deutsche Ausdriicke zn
ersetzen, sowie sprachwidrige, unschöne oder veraltete Wen-
dungen zu vcrmeiden nnd überhaupt auf Reinheit nnd
Richtigkeit des Sprachgebrauchs hinzuwirken."

Aus Stadt und Land.

Vo. Kaiscrpanorama. „Der Papst lebt herrlich in der
Wclt". Dieser Liedervers fällt einem unlvillkürlich ein, wenn
man den Palast des Papstes, den Vatikan nnd Rom, bewun-
dern kann. Allcr Prunk dcs Vatikans lnird uns in dicser
Wochc in dem Kaiserpanorama vor Augen geführt. Wir
sehen darin die „Sixiinische Kapclle", die neue Bibliothek, die
Gemälde im Jmmacolatasaal und Verschicdcnes mehr. Aber
auch die Altertümer von Rom selbst bleibcn uns nicht oorent-
halten, wir sehen zuerst die Petcrskirchc mit all ihrem Schmuck,
sodann das Panthcon, das Kolosseum, das Scptinus-Severus-
Thor, die Ruincn von Forum - Romanum, sowie die Engels-
burg. Es würde zu wcit fiihren, wollte man hier alle Sehens-
würdigkcilen von Rom aufzählen, dic uns im Kaiserpanorama
gczeigt wcrden, jcdoch können wir cinen Besuch cmpfehlen, da
diesc Serie zu einer der schönsten gercchnet wcrden darf, wclche
das Kaiserpanorama je ausgestcllt hat.

8L. Lahr, 6. April. (D e u t s cher Schulverei n.)
Hcutc fand hicr im Hotcl Krause dic diesjährige Hauptvcr-
sammlung des Badischen Landcsverbandcs des Deutschen Schul--
vercins zur Erhaltung des Dcutschtums im Auslande statt.
Dcr Vorstand der Ortsgruppe Lahr, Dr. Sütterlin, begrützie
die Vercinsmitglicder mit hcrzlichcn Worten, worauf dcr Vor-
sitzende, Prof. v. Rohland aus Hamburg, danktc und vor Ein-
tritt in die Tagesordnung die Betcilignng des Laudesverbands
am Rcgicrungsjubilnnm zur Sprachc brachte. Es wurde be-
schlossen, an den Iubilar cine Adressc zn richtcn. Den Kassen-
bericht crstattetc Dr. Wahl-Freiburg. Zu dcn Ausgabcn gab
Prof. v. Rohland Erläutcrungen. Der Landcsvcrband wird
auch fcrncr den belicbtcn nationalen Reiseführer herausgeben.
Nach dcn Berichten der Ortsgruppen Badcn, Bruchsal, Em-
mcndingcn, Freiburg, Heidclberg, Karlsruhe, Lahr, Mauu-
heim, Pforzheim, llebcrlingcn, ist der Verein im allgcmeinen
in erfreulichcr Eutwicklung bcgriffcn. Einc lcbhafte Debatte
cntspann sich über die Unterstützung der deutschen Schulc in
Johannisburg. Es wurdc schlictzlich cin Bctrag von 3—üOO
Mark genehmigt, doch sollen wcgen der Unsicherhcit der Justände
in Trausvaal crst Erkundigungen cingezogen werdcu. Weitere
Untcrstützungcn wurden bcwilligi für die Schulen in Süd-
brasilicn, Südtirol, Bohmen, Mährcn und in der Südmark.
Bezüglich der von der Hauptleitung geplaiüen Satzungsändc-
rung ging die allgemcine Ansicht dähin, cs bei den bisherigen
Satzungcn bewenden zu lassen. Zum Vorort wurdc Lähr (bis-
her Freiburg) gcwählt. An dem auf dic Verhandlungen fol-
gendcn Mittagcsscn bctciligtcn sich zahlreichc Mitglieder und
dic Ortsgruppe Lahr.

Kleine Zeitung.

— Niirnbcrg, 8. April. Schlvß A b c n b e r g bck
Roth, bas von neneren Forschern vielfach für bie «tamni-
bnrg der Hobcnzollern angesehen wird, ist znm Verkanf
ausgeschrieben. Vor mehreren Jahren hatte dar Kaiser
die Absichk, das vor cinigen Fahrzehnten reskanriertc
Schloß zu erwerben, doch haben sich die Verhandlnngen
zerschlagcn.

— Frnnksiirt, 7. April. Der Magislrat hat sich
in einer letzten Sitznng mit der Fügelschen Stistnng be-
schäftigt. Viele Kreise werden, so meldet die „Kleine
Presse," überrascht scin über den Gebrauch. den das
Stistnngsknratorium von der Stiftnng machen will.
Es soll nämlich die Absicht bestehen, eine Akademie für
Geschichtc, Philologie, Litteratur und ncne Sprachen
zn errichteir. Zn diesem Zwecke wärc geplant. das
Bürgerhospital känflich zn erwerben, das dann seinen
Platz an der Nibelnngen-Allee im Nordend finden soll.
Die „Kleine Presse" berichtet dann noch, daß das Vor-
habcn im Kuratorium anf Widerstand gestoßen sei, jedoch
die Mehrheit des Fünfmänner-Kollegiums gefnnden habe.
Wie sich der Magistrat dazn stelle, nnd ob städtische
Mittel in Ansprnch genommen würden, sei noch nicht
bekannt.

— Am Grnbc Bismarcks. Ans Friedrichs-
ruh. 1. April, wird dcn „Hamb. Nachr." berichtet: Von
nah nnd fern trafen anch hente wieder Zeichen der Ver-
ehrung nnd Liebe ein, prachtvolle Kränzo nnd Blumen-
gaben, nm am Sarge des Fürsten Bismarck niedergelegt
zn werden. Tnrch die farbigen Fensterscheibcn der
Grabkapelle fällt gedämpftes Licht herein, den stillen
Ranm mit mattem, goldig-rosigem Schein übergießend.
Die Fran Gräfin Rantzan hat an dcn beiden Sarkopha-
gen im Namen dcr Fürstlich Bismarckschen Familie
Kränze aus roten und weißen Nelkcn niederlegen lassen.
Franz von Lenbach snndte in altcr Trene und Verehrung
cinen kostbaren Lorbeerkranz mit Palmenwedeln und
weißer Schleife, die in goldcner Schrift den Namen des
Stifters trägt. D« weitans größte Teil der verschie-
denen Kränze aber war von den verschiedenen OrtsgruP-
Pen des Alldeutschen Verbandes aus Ost und Süd, aus
Nord nnd West des Vaterlandes, in erster Linie ans
Hambnrg eingetroffen nnd mehrere andere nationalge-

sinnte Vereinigungen hatten sich dem.Alldeutschen Ver-
bande angeschlossen. Während die vorerwöhnten KräiiZ^
schon vormittags eingetroffen und in dig Kapelle gebracht
worden waren, langte nachnnttags eine Anzahl Herreü
aus Hambnrg an, um als Vertreter ihrer Vereine inü
Kränzen als Gaben dankbaren nnd treuen Gedenkcn-'
die Ruhestätte des größten Deutschen zu schmücken.

— London, 7. April. 22 Personen haben bis iew
beim Glasgowcr Unglück ihr Leben vcrloren, 165 Ver-
letzte befindcn sich in den Hospitälern. Von den Ves'°
wnndeten ist ein halbcs Dutzend schwer verletzt und diese
sind noch immer bewußtlos, so daß jederzeit dcr Too
eintreten kann. 50 weitere Verletztc haben in ihrc Woo'
nnngen gcbracht werden können.

— Dic erstc drutschc Lrhrcrfahrt nach Acghpkc"'
Palästina findet vom 5. August bis 10. Ssptember statt-
Das reich illustrierte, mit Karten nnd Plänen versehon.^
Handbuch erscheint im Lause des April und ist vom Lei"
ter der Reise, Herrn Jul. Bolthanscn in Solingen, gegk"
Einsendung von 50 Pf. in Marken zu beziehen.

— Einc dnftige Stilblütc leistet sich der altc Rockst'
fort wieder einmal anläßlich der Auflösnng des sE
zösischen Parlanients. Wo die anderen Blatter schlicke
nnd einfach melden: „Die Tepnticrten sind abgercist '
da läßt sich Rochefort, der den bilderreichen Stil, dcn ver-
schwenderifchen Ucberflnß im Ansdruck über alles liebt-
folgendcrmaßen aus: „Die Gorillas dcs Palais Boick'
bon sind aus ihrem Käfig entwichen, nm sich zn ilst^
betreffenden Savannen zn begeben. Ihrc' Abreise wiZ
von dem gewöhnlichen Publiknm dieses Akklimatisatioi^'
gartens sicherlich bedanert werden. Diese in Frciheit odst
vielmehr in der Sklaverci drcssierten Affen überlicßoü
sich seit einigen Wockien wirklich lnsügen Purzelbäniisttt-
Sie verschlangen Gesetzentwürfe, wie sie Säbel ver'
schlnngen habcn würdcn, eigneten sich sechsjährige Mav'
date an, wie nian sich mit einem dcn Appctit reizciideH
Likör znfriedeii giebt, und gingen dnrch die nützlicheü
Reformen, besonders die des Gaspreises, wie die ClowH-
von Barnum dnrch Papierreiscn springen . . ."

— Wi« Heu. Junger Ehemanu: „Na,aber bei Jhnen bin iH
schön retnqefallen! Mein Schwieaervater tst j-i ein qanz arwes
Teuscl und mir baben Sie vorgeflunkett. er hat Geld wie HeiU

— Vermittler: ,Nu. hat er denn öeu?" „

— Kurz und bündig. Herr: .Mctn Fräulein, ich ltebe Siel

— Dame: .Danke — aleicbsallsl"

— Jn der ersten Freude. Onkel (scine Geburtstagsg^
schenke bcwundcrnd): „Nein, sieh' mnl — das ist abcr praü
tisch! .... Wozu gehört's deun?"

VerantworlUH wr ven reoatiionelleu LeN F. Montna sur oea

Fnseratenteil Th. Berkenbusch. beide in Heidelderg

Gegen Sclinupfen: Forman Aether-Watte fDose 3» A.

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Spiegeln u. dergl. Bleichen oon Kupferstichen, Herrichte« vo»
Oelgemälden.

Karl Küstner, Bergolder, Sviegellager-

fallcnd austarrtc, vorübcr. Doch ehc sic uoch den Flur cr-
reichtc, war cr ihr uachgceilt und rief mit crregter Stimmc:

„Mcin Fräulcinl — Verzeiheu Sie mir mcine Dreistig-
tcit — cs' ist ja möglich, daß eine flüchtige Aehnlichkeit mich
täuscht, abcr ich mcine bestimmt, wir sind uns schon eimnal
begegnet. Es ist laugc her; wir wareu beidc noch Kinder —"

Dahla hatte erst mit ciner sehr frostig abweisendcu Micne
zugehört; nuii crhelltcn sich plötzlich ihrc Ziige und mit
freudiger llcberraschung strcckte sie dem jungen Manu die Hand
entgegen:

„Sic 'siud der kleine Hans, der mir die Mandeln schcnkte,
der so viel Schlüge bckam," rief sie mit aufleuchtenden Augen.
„Sind Sie's wirklichl Wer wie Sie sich bcrändert haben!"

„Ja — ich bin aus eincm Bauernjnngen ein Großstädter
geworden. Das ist allerdings eine ziemlichc Umwandlung.
Jn der That, mir ist so viel Gutes und Schönes zu tcil
gewordcn, seitdcm ich im Hause meines Vormundes aufge-
nommen wnrdc wie cin cigenes Kind, das; mir meine traurige
Jugend bci dem Sticfbatcr auf der Mühlc vor der Stadt
schon !vie ein halbcs Märchen erscheint. Wer das kleine
Sciltänzcrkind habc ich nie bergessen. Wic ein helllichtes
Wunder hat diesc Gestalt bor meiner Erinnerung geschwebt.
Jch hoffe, Fränlein Dahla, datz anch Jhr Leben seitdem cine
frohcre Wendnng genommcn hat."

Das Mädchen schüttelte finster das schöne Haupt mit dem
reichen, dnnklen Haar, das in seiner Uebcrfüllc förmlich einen
düsteren Schatten auf Stirne nnd Wangen warf.

„Mein Dasein hat sich nicht so schön gefügt, wie das Jhre;
biellcicht lvar auch ich nicht so fügsani wie Sie. Jch inar
unglücklich unb unzufriedcn im Jnstitut, besonders in den letz-
tcn Jahren. Als man mich eines Tages in die Bodcnkammer
cinsperrcn lietz, böllig nngercchterweise, hauptsächlich weil meine
Mitschüleimmen sich feige Pon mir lossagten — bin ich über die
Dächer hinwcg bäbongclanfen. Ach, damals war ich erst
sechszehn Jahre alt. Jch meinte, autzerhalb der Jnstituts-
maucrn ivärc das Glück, dic Jrciheit. Jch habe viel gelcrnt,

in den vielcn Jahrcn, viel Bitterkcit erfahren. Jch mcinete,
es wärc so leicht eine berühmte Schauspielcrin zu wcrden.
Du liebcr Gottl Dazn brancht man nicht blos Talent. Man
brancht anch Protektion. Ein armcs Mädchen, ohne Freunde
!mc ich, das zu stolz ist zur Jntriguc, das bringt es eben
nicht ivciter als bis zu Kammerkatzcnrollen gnd hat zu schwci-
gen !vie eine Statistin."

Es glühte in ihren Augen von vcrhaltencr Leidenschaft
nnd !vie sie den stolzen Kops in heftiger Ungeduld zurückwarf,
sagte sich Hans in warmer Bcwnndernng, daß diese Züge
fiir die tragische Müse wie geschaffen seieii.

Sie waren plandcrnd weiter geschritten, wie damals in
den Kindertagen, ohne des Weges zu achten; wie damals
fühltcn sie beide einen tiefen, unsagbaren Reiz in diesem Zu-
saimncnsein.

„Werden Sic oftmals Frau Wildenau besuchen und dabei
in nnser Haus kommen, Fräulein Dahla?"

„Jhr Haus? Das Haus von Stcilacker u. Co.?" fragte
Dahla Verivundert.

„Ja, das „Comp." bin ich," entgcgnete Hans lachend.

„O, ich gratifliere. Aber ich werde wohl nnr selten zu
Frau Wildenau gehen. Jch glaube, ich bin nicht nach ihrem
Gcschmack. Wozu also? Besuchen Sie lieber mich. Wollen
Sie?"

Hans versprach's nnd kam schon am nächsten Tage in die
Pension, in der Dahla wohntc. Nach kurzer Begrütznng
zog er cin Schmncketui aus der Tasche. Dahla erschrack.
Wollte er mit seinem Reichtum vor ihr vrunkcn, die arme
Schanspielerin beleidigcn durch ein Geschenk?

Er begegnete einem düsteren Blick, aber er sagte bittend
mit leiser Verlcgcnheit: Er habe sich lange besonnen, in
welcher Form cr seine alte Schuld zurückzahlen könnte und
nun dicses Armband gewählt, das er sie als Beweis seiner
Dankbarkcit anzunehmen bitte, als Andenken an die retterrde
Hand, die ihm einst das kleine Mädchen geboten.

Es war cin schmaler Goldreif, an dem ein Goldsttrck hing,

daneben eine kleine, zierlich ausgearbeitete Münze mit dc>§

daranf gravierten Worte: Dank. ..

Eine Flammcnröte bedeckte Dahlas Wmigen. Es groü
ihr jedesmal, wcnn sie an ihre verwahrloste Kindheit daE
Der kleinen Sciltänzerin war eine Lüge so leicht über H
Lippcn geglitten; sie hattc keinen Begriff gehabt von
und Dein. Nun vcrabscheute sic jedc Urttoahrheit, jedc lich '
scheue Handlung.

Sie wutztc nun auch, daß sich das Herz ihrer Bcschützcs'
damals von ihr abgewendet hatte, wcil sie dic Korallenkct^
die sie geschenkt bekommen, im nächstbesten Laden verkauft
dann behauptet hatte, sie habe sie berloren.

Seir jenem Tage stand sie einsam in der Welt. ^

Doch wie nun Hans sie mit seincn treuherzigen Augen ^
warm, so innig anblickte, empfand sie cine Regung der Frcü> '
daß sie seinetwillcn ein Unrecht gethan, ihm cin Opftr. ^
bracht hattc, das ihm zum Heile geworden war. Sie tftv
geschehen, datz er ihr den goldenen Reif um den Arin "w '
Als seine Finger ihre Hant berührten, durchfuhr beide
wonniges Erschrccken. O, sic waren keine 5ttnder niehr
ehedem, nnd doch zog es sic mächtig zu einander, datz ^
ihnen einen Kampf kostete, dic Händc, die sich genähert hatr
wieder zu lösen.

Sie waren kcine Kinder mehr wie ehedem und doch >r>n ,
cs ihnen schwer, das warme „Du" zu bannen, das ihncn
den Lippen schwebte.

Sie hatten beide heitze Wangcn und brennende ?lN!)
obwohl sie sich manche Minnte lang schweigend grgcnn^^
satzcn, manchmal nur zerstreut, nnr um die bange, schstz^
Stille zu unterörechen, ein Wort einfügten, um sich
plötzlich, hastig in irgend ein Thema zu stürzcn, das sir ^
Lebhaftigkeit behandelten, obwohl sie kaum wutzten, tvrw
sprachen.

(Fortsetzmig folgt.)
 
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