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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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E rscheint täglich, Soimtcigs ansgciionmien. Preis mit Familieiiblättern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei dcr Expedition und den Zweigstellcn abgeholt 40 Pfg. Durch die Post be-

zogen vierteljährlich 1,85 Mk. ausfchließlich Zustellgebühr.

^ nz ei g en pr ci s: L0 Pfg. sür die Ispaltige Petitzcile oder deren Raum. Rellamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen an bestimmt
vorgeschriebeneu Tagen wird keine Veranlwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf dcn Plakattafeln der Heidelberger Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprech-Anschluß Nr. 82.

Freilüg, U. April 1902.


44. JMMg. — . 84.

Aus Äer AMariMommWon des MeichsLags

Berli n , 9. April. Die Llommtssiau bewährte auch
Uu zweiten Teile ihrer Leutigeu Tagessitzuug ihre Lei-
Ituugsfähigteir, sie ist heute im ganzen um 25 Positionen
weitergekommen. Die Beratuug begaun uüt deu Zöllen
tür zllotouiatwaren; Ler Äbgeorbuete Dr. Beumer hatte
die Berichterstattung über bie zahtreich eingegangeuen
Petitioueu übernommeu uub sührte sie iu vortresslicher
Teise burch. Beim Katfeezoll, deu die Regierung für
Pohkasfee auf 50 Mark belasseu will, während sie für
stebraunte und gerösteto.Kassees eine Erhohuug bou öO
aus 60 Mark vorschlägt, hatte Wgeordneter Müller-
Ateiuingeu beantragt, 30 uud 50 Mark ciuzusetzeu, wäh-
rend die L-ozialdemokraten auch hier sich die L-ache sehr
^eicht.machteu uud einfach Zollfreiheit verlangten. Der
^nterstaatssekretär von Fischer wies darauf hiu, datz der
Kafseezoll mit 65 Millioneu Mark Einnahme einer der
wichtigsten Finanzzölle sei, daß der Kaffoe als Genutz-
ustttel.ebeuso, wie die Nahrnugsmittel besteuert iverden
köune uud begriindete danu die von der Regiernug vor-
geschlageue großcre Spaunuug zwischeue rohem und
steröstebem Kassee damit, datz ueuerdiugs im Nuslande
I'ielsach.Methodeu augewendet würüeu, gerösteteu Kassee^
öaltbarer zu ^uacheu, so datz die Gesahr vorliege, dast
i>ie Eiusrthr Mrösteten.Kafsees später wachson könne. Die
Pegierrmgsvorlage wurde schließlich mit 16 Stimmeu an-
üeuomimm. Auch die von der Regieruug vorgeschlageneu
^vhöhten .Zölle sür cCichorieukasfee wurden trotz des
Mderspruches ider Abgovrdueien BNiller-MeiniugkN rmd
Molkeubuhr iu der Forni, wie sie die Regierung vor-
ichlug, augenommen.

Bei Eacao, Eacaoschaleu, Eacaobutter und gcbranu-
E>u Cacao ccrgab sich sogar die in der ZoUtarifkommissiou
.?isher noch micht vorgekommeue Thatsache, daß man ein-
^imiriig v:e von sreisinniger u. touservativer Seite gleich-
^aßjg gestellten Auträge aus Herabsetzung amiahm. Die
''wgierungsvarlnge wollte die bisherigeu Zollsätze für
^hen uud gebraunten Cacao vou 35 und 45 Mark.bei-
^hatten, währeud Abg. von Waugenheim ebrmso wie
^iiller-Meinrngen beautragteu. jtatt dessen 20 und 35
E^ark zu setzen. Für Cacaobutter hatte der Führer des
Aündes dcr Laüdwirte eine HerMetzung des Zolles auf
' ^ Mark, sür gLröste'eii Cacao von 80 auf 35 Mark
^rgeschlageu uüo auch das wurde migeuommeu. Die
üeifiuuigen Redner ebenso wie der Abgeorduete Zlntrick
'vieseu daraus hin, däß der Cacaogenutz schuell zuuehme.
Ztaatssekretär v. Thielmann gab zu, daß in den letzten
st'bn Fahren der Berbrauch von Cncao sich sast vervierfacht
Me, metnte, daß deswegen auch eine weitere Ver-
I ^Üigung eigentlich uicht uotwWidig sei und daß man
Zü Interesse tzer Fnianzen des Reiches die oisherigeu
- M Millionen.Emnahme aus dem Cacaozoll uicht cnt-
Mreu -köune. Trotzdem fiunmte, wie oben gssagt. vie
».."inmission eiustimmig für die Herabsetzuug ber ZoA-

„nsl genehnügte anch die Auträge vcm Waugenheim
Rr. 166 und L01.

> Aehnkich ging os bei der folgevden Position, beim
vgn dem gegenwärtig etwa 30 000 Doppelzsutner
t^äi Verbruuch cinMhen, üie bei einem Zollsatz von 100
sZP't nicht gauze drei Millionen jährlich au die Sraats-
7) iie^ Libliestrn, dic Sozialdcmokraten hatteu auch hier
^"Ilfiviheit verlangt. Dr. Paasche verlangte Herabsetz-
^^^esZoll^vonEiOauf25^Rürk^^r

war mit 50 Ptark zus.rieden. Jn der Begründuug dcr
Herabsetzung wareu alle Redner eiuig. Der Abgeordnete
Bebel hob hervor, daß der Thee das anregeudste, weil
die Nerven nicht aufregendes Getränk sei, das kalt
von Land- und Jndustnearbeitern als durst-
stillendes und anregendes Geträuk gewiß geru geuom-
men werden würde. .Der Ausfall am Theezoll würde,
da man den Thee nicht ohue Zucker triuke, durch den
erhöhten Zuckerverbrauch reichlich ausgegtichen werden.
Dr. Paasche stimmte dem Grundgedanken zu, wollte aber
eineu geringen Zoll von 25 Biark bestehen tassen, iu der
sesteu Ueberzeugung, üaß durch deu schuell wachsenden
Verbrauch von Thee daduvch baldigst ein Ausgleich für
den Zollausfall an Thee eintreten würde. Auch er
legte aus den wachseudeu Konsiim an Zucker uaturgemäß
großes Gewicht. selbst Freiherr vou Thielmann kounte
dem kaum widersprechen, weil er zugab, daß die erhöhtcn
Zuckersteueru den Zollausfall bcim Thee wahrscheinlich
dccken würden; nur solle man bedeuken, daß bei wachsen-
dem Theeverbauch die Kafseezölle au Ergebnis einbüßeu
mützten. Bei der Abstimmung wurde der Antrag des Dr.
Paasche mit grotzer Mehrheit augeuommeu.

Für Paprika und Würzen wurde trotz einer kurzeu
Befürwortiing der Zollfreiheit durch deu Abgeordneten
Stadthagen die Zollsätze der verbüudeten Regierungen
angenommen, die für Paprika eine Ermätzigung von 60
auf zehu Mark vorschtugen, für Würzen den Zoll bei
50 Mark belassen. Die Mimmern 67 bis 71, die
nach der Regieruugsvovlage pflanzliche Erzeugnisse zum
Gewerbe- und Herlgebrauch zollfrei lassen, wurden ohne
Erörterung genehmigt. Bei Pslanzeuwachs, das die
Regierung von 15 auf 10 Mark herabsetzen will, wünschte
Abgeordneter Müllcr-Sngan im Jnteresse der Bunt-
papiersabritätion, datz Karnaubawachs zollfrei bleibe, an-
deres Wachs mit fünf Mark belastet werde: er begründete
das mit der Konkurrenz unserer Papicciiidnstrie dem
Auslande gegenüber. Tie Kommission nahm jedoch die
Regiernngsvorlage an, nachdem Gcheimcat Blan nnd
Oiraf Posadowsky anf die technischcn Schwierigksiten,
die Wachsartcn zu nnterschetden, iind die Konknrrenz mit
dem Menenwachs hingKwiefen hatten.

B e r l i n, 10. Astril. Die Zolltarist'ommission des
Rcichstsgs hat in ihrer hcutigen Vormittagssitznng die
Positionen 73 bis 79, we.Ick-e dic H o lzzölte umsassen,
nach den Vorschlägen der Regierungsvorage ange- ,
nommen. Vor der Sitzung fand eine vertranliche Be-
sprechung der tari.sfreundlichen Mitglieder der Kommis-
sion statt. Die Abgeordneten.GamP, Herold, Graf Schwe-
rin nnd Sieg haben sich nunauf folgende Abänderung der
Viehzölle geeinigt: Der Zoll sür Pserde im Werte ;
Dis M. 1000 soll von M. 76 auf 90, im Werte von Mark !
'4.000 bis M. 2500 von M. 150 aüf 180^ und im Werte I
van über M. 2500 von M. 800 auf 360 erhöht werdcn. I
Pferde im Werte bis M. 300 und Mit weniger als 140 «
Snockmaß fvüen M. 30 das Stück zahlen. Diese Zoll- i
scch- sollen dnrch vertagAmätziW Abniachung nicht nm I
mehr als 20-Prozent ermäßigt werden. Rindvieh, sür
das in der Porlage em Stückzsll vorgcsehen ist, soll
M. Ü8 fnr den Doppelzentner Lcbendgcwicht zahlen. Auch
E dicse.Sätze fo'ÜM durch Berträge H'öchsiens nm Bk. 20
i ecmätzigt werden. Für Schase und Schweine sollen M.

18 sür dcn Dopp.ilzcntner LebMidgewicht'begahIt werdcn.

- Der Flcischzoll wird von M. 30 auf 45 erhöht. Der

» Zoll für einfach zubereitetes Fleisch vou Mk. 35 anf 60,
! für den seineren Taselgennß bestimmles von M. 75 auf
i 120. Frisches und einfach zubereitetes knochenfreies
I Fleisch nnd Schweineschinken erfährt antzerdem einen
Zuschlag von 20 Prozent, Schweinespeck einen solchen von
M. 36 für den Doppelzentner.

Aie Dorgänge in Mekgien.

B r ü sse1, 10. April. Die Klassen 1898 und 1899
der MiIiz von 14 Linienregimentern sowie von zwei
Jägerregimcntern zn Fnß und die Klasse 1898 der Cara-
biniers nnd Grdnadiere wurden vom Kriegsminister
unter die Waffen gerusen. Es wird nach einenr Bericht
der „Frankfurter Zeitung" immer deutticher, daß die
Regiernng einen Aufruhr im Lande wünscht, nm die
.gesamte Bourgeoisie nm sich zu scharen und damit die wan-
kende klerikäle Herrschaft aufrecht zu erhalten. Die Un-
ruhen des gestrigen Abends und der heutigen Nacht-zei-
gen eine merkliche Erhitzung der Situation gegenüber
vorgestern. Besonders in der Hauptstadt und in Lüttich
krachten Revolverschüsse zu hunderten. Jn Lüttich wurde
der sozialistische Abgeordnete Troclet dnrch den Säbelhieb
eines Polizisten am Bein verwundet. Jn Gent niußten
einige hundert Polizisten die am Bahnhof eintreffenden
klerikalen Depntierten gegen die Bcenge schützen. Jn
Brüssel zogen nach einem Meting im Caf6 des Bolks-
hauses einige Tciusend Demonstranten vor die Redaktion
des klerikalen „22. Siecle" nnd vor die Wohnung des
klerikalen Abgeordneten Hoyois und zertrüimnerten hier,
wie anch bei mehrercn Klöstern, die Fensterscheiben. Fn
verschiedenen Gegenden Schaerbeeks, besonders vor denk
Nordbahnhos, gab cs heftige Zusammenstöße mit der
Polizei, die vom Säbel und schließlich sogar vom Nevolver
Gebranch machte. Drei Polizisten, die sich verschossen
hatten, wnrden von der Menge in ein Casä verfolgt.
Ein durchs Fenster fliegender Stein tras eine Petroleum-
lampe und es entstand einc Feuersbrunst, die aber ge-
löscht wurde. Die Polizisten wurden entdeckt, mißhandelt
nnd einer von ihnen. naniens Hoffelt, tötlich verwnndet.
Zn schweren Zusammenstößen kam es schließtich vor dem
Nordbahnhof, wo auch cin Teil der Manifestanten mit
Revolvern schvß. Ein Polizeileutnant wnrde am Halse
verwnndet. Von einem Balkon wurde in die Menge ge-
schössen. Bei alledem ist es erstaunlich, daß die Zahl
der Verwnndeten nicht allzu beträchtlich zu sein scheinü
Für hente Abend werden neue Ruhestöriingcn erwarteü
Als heutc früh nm 9 llhr ein Zng mit den unter
die Wassen gernfenen Neserven aus Mons hier
cinlief, begrüßten die Soldaten die sie am Bahnhof er-
'wartenden llnteroffiziere mit den Rufen: Vive la re-
vision! (nämlich die Revision dec Verfassung, wodurch
das allgemine Stimmrecht eingesührt werden soll) und
sogar: „Vive la revolntion!" Es sollen Zusammenstöße
zwischen den Reservcn nnd Polizisten vor dem Bahnhof
vorgekomnien sein.

Deutsches Reich.

— Stadtrai Gnstav Kanssmann hat aus der
Heilanstalt in Schöneberg der Berliner Stadtverordnc-
tenversainmlnng schristlich mitgeteilt, daß ec anf scine
Wahl zum Bertinec Bürgermeister verzichte. Es be-

SLadttyeurer.

H e i d e-l b e r g, 1t. Apcil.

hy Sarlsr«her Gastspiel. Znm -ersterimale „Ros me rs-
", Schauspiel vvn Henrik Jbsen.
i,L^ebetkas frciwllliger Tod isl Rosmcr dcr Pewcis dafüx,
i>K "ie Menschen sich durch reinc' Licbc adcln lasscn. Dadurch

Rebekka freiwstlig diesen letzten Weg gchl, üadurch

^l dieser Beweis üer Liebe und üer ärast crbracht

- ist dcr Sieg dcr Rosmcrsholmer Lebeusauschau-
Htzx cntschiedcn. Der Weg der Rebekka ist der
^ aus den dnnklen Tiefen eines wildeii, ungebrochencn
»ix-^üwillens zu Len Höhen stiiler, von mildem Geist bcsonntcr
«Z'üuation.. Sie hat imf ihm dic Wahrhcit einer elvigcn
NqK llnnen geleritt: genietze, wcr nicht glanben kaim, wcr
tann, entbxhre. Ausgelöscht ist aller Zweiscl. in

st Prs Seele; er hat die Krast gehabt, eine Menscheusccle
„i -in. tritt nls Sicger vom Schauplatz ab, auf ücm
flchwohl ferner nicht zu wirtcn vcrmag. Dcnn stcckt >n
dchPn iiia Uebermatz an Lcbensencrgie, so in ihm ein Zu-
Die t'leinen Kiuder auf Rosmershvlm schrcicn niemals.
>°ii,' ^>ei,u sic grötzcr wcrden, lachen sic niemals. Sie sind
^kst snrt, vornehm, edel. Die Lcbensanschauung dcr Rosmcrs
ssq-'chbcr sie tötet daS' Glück. Jn Nosmcrsholm sollte Rcbekka
ä>, datz man niemals eiucn Sicg crringcn kann für
'Hi^^acho, die ihrcn Ursprung im Perbrcchcn hat. Wicviel
st,, üchc Empörungen mussen die Seele dcr rcizendcn Mecr-
Mtz veZ Meergcistcs, wic Rcbckkas Namcn sind, er-

« habcn, bis iii ihr der Mcnsch entstehen konnte, der
USe, ^ Masse mit den rohen Linncn nud dcn nncdlcii
'Surückstötzt und abweist. — Das Eigcntüiiilichc in Rebek-
stc "unvandlnng erklärt sich aus dcm Wescn Rosmcrs.
Vw' uialigc Pfarrcr Johaimes Rosmer Ivnrzclt rief in
Ä ^G>'schlccht. Hier satzeu sic auf Rosmersholm, Pricster
AkMttiziere, die Rosmers, hockigestellte Bcamtr, torrekte
chäinuu,- alle zusammen, ein Geschlccht, das iiim bajd scit

ein paar Jahrhunderten als das erste hier im Distrilr ansüssig
gewesen ist, dessc» Tradition es war, das zu schützen, was
seüher in der Gesellschalt als gm cmerkmmt war. Rosmersholm
ist seit imdcnklichen Zestcn cin Ausgangspuukt für Zucht und
Ordnung gewesen, fur ftietätvolle Achtung vor den hmservatwen
Mächten im Volksleben. Dlan spricht von einrm Rosmcrschen
Familiengedaiken. Die.ganze Gcgeud hat ihr Geprägc vou
Rosmersholm bctommen. .Hier lebte dcr Pfarrer mit Bcate
strll rmd eingrzogen. Kücherscgen blieü ihnen versagi, Die
Frall rreigte zum Lrübsinn. Den Pfarrcr macht cine gewisse
Schüchternheit der Seele liebenswürdig. Ueber alles geht ihm
das Gefühl einer süllen freudigen Schuldlosigkeit. Da wutzte
sich Rebekka West in Rosmersholm fcstzusetzen. Sic hatte
Bellten im. Hause des Rcktors Kroll kennen gelcrm nnd auf
si'e, wie auf allc, dje ihr nähc tmuen, eincn berückenden Zauber
ausgeübt. Bcate ruhte nicht cher, bis Rebekka zum Hause
gehörtr. Und das kam dieser selbst crwünscht. Sie roollte
wirken und thätig sein, der Pfarrer sah danach aus, datz man
mit ihm. so manches oon all dem Keuen, das damals in die
Wclt kam, würde durchsetzen könen. Drescr Ehrgeiz in Rcbekkas
Seele ivar erklärlich dnrch ihre Hcrkunst und Erziehung. Wahr-
scheinlich als uneheliches Kind ciner Hcbcammc und eines Be-
zirksarzrcs geboren, wahrscheinlich von ebcn diescm Bezirks-
arzt, da ste herangewachscn ist, zugleich adoptiert und schauder-
bollcr Weise verführt, kommt sie, cinc Tochter dunklcr Gewalten,
in das helle, reinliche Herrenhaus. Sic brachte damals die
Bücherkiste des Dr. West mit, dic er ihr hinterlassen, und alle
neucn Jdecn fingcn an, sich langsam in Rosmcrsholm festzu-
sctzen. Es gab mit Rosmer eiu schöncs und rcines Ver-
hültnis. Cr, dcr in seiner Ehe so vicl Düsteres hatte, wurdc
glück'lich von dem Tage an, da sie ins Haus kam. Sie lasen
dicselbcn Büchcr. Sie suchten einander und sprachen von
nll den neuen Dingcn. Er wolltc in das lebcndigc Lcbcn dcs
Tages eingreifcn, wic ein bcsrciendcr Gast wolltc cr von
cincm Hcrd zum anderen gehen, die Willcn dcr Mcnschen für
sich erobcrn nnd frohe Adelsmcnschcn schafscn rnnd umhe> in

weiteren nnd immer weitcren Kreisen. Er war entschlossen, alle
Lebenskräfre sür dics Eine einzusetzen, das wahre Volks-
urteil im Lande zu bcgründen. Das war dic schönste Zcit in
Rosmersholm. Licht wurde es in der Seele Rosmcrs und
Lichi blicü cs, wcnn auch schwere Sorgen kamen. Beatens
Gcist bcgann sich zu vcrwirrcn. Sie sctzte cs sich in den
Kops, daß sie, dic kinderlose Gattin, kcin Rechr habc, im
Hause zu bleibeu. Daun bilöetc sie sich ein, datz es Pflicht
gcgcn Rosmcr sci, vom Platzc zu wcichcn. Sic nahm sich
schlicßlich das Lebcn, indcm sie sich im Mühlbach crtränktci
Beatens Tvd war, üas Werk dcr Rebekka. sic wutzte das
unglückliche Weib in den kühlen Tod zu hetzen. Rcbekka üvcrlcgte
damals nicht; von all dem, das in ihr brauste, war nur eincs
klar: zuerst dic Einsicht, datz Rosmcr in dieser Che dahin-
siechen mutzte und dann der Wunsch, ihn für sich selbst zum
Gatteu zu gcwinnen. Und dieser mächtigc Wille wutzte sich
durchzusetzcn. Und so fcgtc es dic arme Beatc in den Mühlbach.
Da, als cndlich das Hindcrnis zu ihrcm Glück fort war, was
war gcschehen, datz sie nicht mit bciden Händcu nach ihm griff?
„Als ich allein," so beichtct sie Rosmer, „mit dir zurückgc-
bliebcn war, als ich dann hier zusammen mit dir leben durfte
in Zurückgczogenhcir, in Einsamkeit, als du mir ohne Rück-
halt alle deine Gedankcn gabst, jcde Stimmung so zart und
weich, ivie du sic cmpfandest, üa ging dic großc Ver-
ändernng mit mir vor. Ganz allmählich begreifst du. Bei-
nahc unmcrkbar, aber so übermächtig zum Schluh. Bis auf
den Grund mcincs Herzens. All das andere — das häßlichc,
sinnliche Bcgchren, es blicb sowcit, soweit hinter mir zurück.
Äll diese toücndcn Mächtc vcrsankcii in Ruhe iind Schweigen.
Einc Gcistesruhe tam übcr mich, einc Rnhe wie auf einem
Vogelberg dort oben bei uns nnter dcr Mitrcrnachtssonne.
Die Liebe crstand in mir, die grotze, cntsagcndc Liebe, die
zufrieden ist mit dem Zusammenseiu, so wic es zwischen uns
gcwcscn ist. Du und das Zusammeiilcben mit dir haben
mcinen Sinii gcndelr." Und bei diesem Zusammenlebcn wäre
cs ans Rosmersholm geblieben, wemi Rcbekkas Schuld nicht
 
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