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Heidelberger Zeitung (44) — 1902 (Januar bis Juni)

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Nr. 75-100 (1. April 1902 - 30. April 1902)
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Deutsches Reich.

— Dre Vorlage zur Bezahlung der l t g l i c d e r
der Z o 11 t a r i f k o m m i s s i o u ist denl Reichstag
Zugegaugeu. Sie lautet: „Den Mitgliedern der vom
Reichstage zur Vorberatung des Eutwurfes eines Zoll-
tarifgesetzes eingesctzten Kommission wird für die Teil-
nahme an den Sitznngen der Äommisfion, welche wäh-
rend der Unterbrechung der Plenarverhandlungen dcs
Reichstages stattfinden, ein Betrag von je zweitausend
Ntark aus der Neichskasse gewährt. Die hiezu im Ge-
samtbetrage vou Ü7 200 Mark erforderlichen Mittel siud
bei dem Etat des Reichstages auszeretatsmäszig zu ver-
ausgabeu.

— Das Reutersche Bureau berichtigt eine Meldimg
des Wolsfscheu Telegraphenbureaus, das; der Präsident
des Oraujefreistaates, Steijn, dem Berliner Magistrat
500 Mark für die Opfer des dortigen Unwetters über-
sandt habe, dahin, dasj diese Gabe vom Präsidenten
Krüger ausgegangen sei.

— Als DePutation des Bundesrats er-
scheinen in KarlSruhe zum Jubiläum des Ofrojjherzogs:
Reichskanzler Graf von B ü l o w, königlich bayerischer
Gesandter uud Bundesratsbevollmächtigter Graf vou
L e r ch e u f e l d - K ö f e r i n g, großh. hessischer Ge-
sandter und Buudesratsbevollmächtigtcr Dr. v. N e i d-
hardt uud groszh. sächsischer Buudesratsbevollmäch-
tigter, Geh. Legationsrat Dr. P a u l sz e u.

— Ter „ReichSauzeiger" schreibt zum 25. April:
5 0 Iahre sind seit dem R e g i e r u n g s a n t r i t t
d e s G r o ß h e r z o g s v o n B a d e n verflossen. Die-
ser Iübeltag eines reichgesegneten Herrscherlebens, der
in allen badischen Gauen mit treucr Dankbarkeit gefeiert
wird, wendet auch im weitereu deutscheu Lande die
Herzen der Patrioten aufs ueue der ritterlicheu Erschei-
nung des edlen Großherzogs zu. Gleich verehrungs-
würdig als Meusch, als Landesherr nnd als Bundesfiirst
crwarb sich der erlauchtc Oheim des Kaisers und Köni.gs
unvergängliche Verdienste um die Verwirklichuug der
natioualeu Einheitsbestrebungeu. Eine Z'ülle bereit-
williger Huldignngen legt Zeugnis dafür ab, wie tief in
den Zeitgenosseu das Gefühl der Erkenntlichkeit lebt für
dieses halbe Iahrhnudcrt echteu Iürsteudienstes au Laud
und Volk, au Kaiscr und Reich. Dem Groszherzog
Friedrich seieu anch au dieser Stelle die ehrerbietigsten
und herzlichsten Wünsche dargebracht zu der Gedcnkfeier
des 2l. April uud für eine noch längere Dauer seiner
weisen, eriolgreichen Regierung.

— Dic Z o l l t a r i f k o mi m i s s i o n des Reichs-
tages uahm gesteru die Zölle für Eier, Eigelb, und Ei-
weisz unter Äblehnnng allcr Anträge uach der Regie-
rungsvorlage an. Auch die Zölle für Honig und Bie-
nenwachs wnrden nach der Regierungsvorlage geneh-
migt: ebenso der Zoll für Hausenblasc, Schafwolle.
Tierhaare, Pferdehare bleiben der Vorlage entsprcchend
zollfrei, die Zölle für Federn nnd Vogelbälge werden
nach der Vorlage genehmigt.

Aeulscher Weichslag.

Berlin, 23. Apr l. Auf der Tagesordnung steht
der Gesetzentwurf betreffend die Ktnderarbeit in
gewerblichen Bctrieben.

Abg. Dr. Hitzc (Zentr.) begrützt den Entwnrf als cr-
freulichen Fortschritt nnd wünscht Ausdchnung des Gcsctzes
auf die Familienarbcit, da viele llindcr gcradc von ihren Eltcrn
am mcistcn ansgcbcutct würden. Mit dcm Vcrbot der Be-
schäftigung von Äindcru bei theatralischcn Vorstellungen siud
wir vorläufig cinvcrstanden. Rcdner bcantragt sodann dic
Ucbcrweisung an cine 21gliedrigc jkommission.

Abg. Pachnikc (freis. Ver.) führt ans, man könnc in
dcr Vorlage cincn Veweis für das Jntcrcssc dcs Reichsamts
des Jnncrn an dcr sozialpolitischcn Gcsctzgcbung erblicken,
vielleicht auch au dcm Zolliarif. Rcdncr verliest sodanu
eine VcröffcnUichnng dcs Vcrcins für Sozialpolitik, worin
die traurige Lagc dcr in der Spiclwaren-, Tabakindustrie uud
Zimmcrmalcrci bcschäftigtcn Kindcr gcschildcrt wird. Rcdncr
ist mit Einsctzung ciner 21gliedrigcn Kommission einverstandcn.

Abg. Frcihcrr von R i ch t h o f c n (7ons.) führt aus:
Er wollc dic drci grvtzcu Aufgabcn, sozialc Rcform, Finanz-
fragen und Zolltarif im Zusammcnhaug löscn. Da dic
Kinderarbcit iu dcrLaudwirtschaft imGegensatz zu dcr gewcrb-
lichen Ktndcrarbcil oci'ind ist, wnrdcn wir jcdcn Versuch, dcn
Gcsetzcntwurf alff dicsc anszudchncn, bckämpfcn. (Hört, hortl
bei dmi Sozialdcmokrarcn.) Er könne noch nicht sagen, ob die
ganze- Partci fiir dcn Antrng srimmcn werdc. Er wcrde
jcdcufalls dafür stimnieu.

Äbg. Wurm (Soz.): Dcr Entwurf mache sich auf dcm
Papier bcsscr als cr sich in Wirklichkeit gcstaltcn wcrde; das
bcwcise schon dic Zustimmung dcrjcnigcn Partcicn, dic
nur dnrch dic Sozialdcmokratic gczwungcn, Sozialpolitik
trciben. (Hcitcrkcit.) ^ Redner bcmängclt sodann den Schul-
unterricht auf dcm Landc.

Staatssekrctär Dr. Graf v. Posadowskp: Man habc
cs hier mit cinem ersten Vcrsuch zu thun, für dcn nicht
alle bctciligtcn Krcisc zu haben scicn. Die vorausgcgangene

Paris wird dem „Peuen Wiencr Iourual" berichtet:
Die Abschwörungsforiuel, die von Köuigiu Natalie
von Serbien bei ihrem jüugst iu Berck-sur-Mer erfolgteu
Uebertritt zum katholischen Glaubeu gesprocheu wurde,
hatte folgeudcu Wortlaut: „Jch, Natalie, die Augeu
auf die vor mir liegenden heiligen Evangeüen gerichtet,
die ich mit meinen eigenen Händen berühre, erkenne,
daß niemaud gerettet werden könne als durch den Glau-
beu, dcn die kathoüsche, apostoüsche und römische Kirche
Lskennt, auertennt uud lehrt. Jch bedaure lebhaft, gegeu
dieseu Glaubeu geicrt zu haben, weil ich, außerhalb der
katholischen K'irche geboren, Doktrinen aufgenommen und
anerkamit habe, die ihrer Lehre entgegenstehen. Jetzt
aber, crleuchtet durch die göttüche Gnade, bekenne ich,
zu glaubeu, daß „. . . . (folgt das lateinisch von der
Königin gesprochene Credo). Die Königin schloß die
Formel mit den Worten: „Mit aufrichtigem Herzen und
festem Glaubeu verachte ich und schwöre jeden Jrrtum
ab, jede Ketzerei und jedes Schisma, die dieser heiligen
katholischen, apostolischen und rönüschen Kirche entgegen-
gesetzt siud. So wahr mir Gott und die heiligen
Evangelien helfeu, die ich mit meincn eigenen Händen
Lerühre!" Es verlautet, die Königin habe deu Glaubens-
wechsel vollzogen, um sich nüt einem französischen Edel-
mann zu veriNählen, nüt dem sie sich im Vorjahre iu aller
Stille iu Biarritz verlobte.

tlntcrsuchuiig bietc geuügcudc Uuterlagcu für dcu Entwurf.
Die Kinderabcit habe ciucu hohen erzicherischcn Wert, sie
halte die Kinder vom Mütziggang ab und bildc sic für den
Bcruf vor; doch dürfe sie nicht auf Kostcn der Gesundheit
ausgedchnt werden. Die Beschäftigung in theatralischcn Vor-
stcllungeii wolle er am licbsten ganz bcseitigt wisscn. Das
Gesetz wcrde eine Vcrmchrung der gewerblichcn Auffichtsbe-
amtcn nötig machen.

Dic Abgeordnctcn Frciherr v. Hchl (natlib.). Zwick
(frcis. Volksp.) und R ö s i ck e - Dessau (wild-lib.) begrüßen
dcn Entwurf als Fortschritt auf fozialcm Gcbicte.

Fortsetzung morgcn 1 Uhr, ferner Sccmannsordnung.

Wadischer Landtug.

L.6. Karlsruhe, 23. April. (70. Sitzung der
Zweiten Kammer.) Am Regierungstisch: Finanz-
minister Buchenberger und Miiüsterialrat Nicolai.

Präsident Gönner eröffnet die Sitzung um V^IO Uhr.
Eingegangen ist rin Antrag, umerzcichnet von Milgliedern
allcr Parteien, die Rigierung möge die Berechtigung der
Realschulen, Oberrealschulen unb Realgymnasten erweitern.

Zur Bcratung steht dic W, o h n u n g s g e l d v o r l a g e.

Berichterstattev Abg. F c h r c n b a ch (Zcutr.) spricht der
Rcgicrung Dank uiid Aiicrtciiuuiig für dic Vorlage aus, wclche
dcu Bcamten eiuc Aufbcsserung des Wohuuiigsgcldcs vou
durchschiiittlich 68 Prozent, cinzeliicn Klasscn sogar von 80
Prozcnt bringe. Da dic frühercn Gchalwvrlagen fast aus-
schlichlich den uiitercu uud mittlcreu Beamteu zugutc kameu,
Ivar dic Kommissioii dcr Ansicht, datz bei küuftigcn Gchalts-
rcgulicrungen in crster Linic die höhercn Beamren bcrück-
sichtigt werden müssen. Die Minimalsätze sür dic Beamtcn
von der Kategoric D an aufwärts seicn dnrchaiis ungcnllgcnd
nud müssen erheblich crhöht werdcn. Für dic Junggesellen
habe man keine Ausnahmc gemacht; obgleich cinc solchc vicl-
lcicht die Heiratslust gcsteigcrt hättc, cin Bcwcis, dah die
Kommission mit größter Objektivitüt verfahren sci. Dic Matz-
nahmc, dah dic Bcamtcn dcr Klasse D nach zurückgelegtcm
15. Drenstjahre in die Wohniingsgeldklassc dcr D-Abteilung
nufrücken, sci besondcrs im Jnteresse der Amtsrichter und
Professoren zu begrützen. Nedncr legt cingehend die Grund-
sätzc dar, die für die Einteilung der Ortsklasse» matzgcbend
Ivaren, und betont, datz dic Vertrcter dcr Städtc, von dcnen
Pctitioncn eingclaufcn sind, sich dic redliche Mühc gcgcben
habcn, ctwas zu crrcichcn. Es konnten aber nur wcnige Städte
Bcrücksichtigung finden, weil sonst dcc ganzc Entlvurf gcfährdct
worden wäre. Dcr Mchraufwand gegcuübcr dcr Rcgierungs-
vorlagc bctaufe sich nur auf ctwa 9000 Mark. Die Partcicu
seieu übcrcingekommcii, nur eiucn Rcdncr von jcdcr Fraktion
zum Wortc kommeu zu lassen, damit eiu Koiikurrenzkampf
vcrmicdcu lvird. An die Vorarbeitcii zur Gchaltsrevision
solltc die Rcgicruug jetzt schou heraiitretcii. (Bravo!)

Abg. Wi l ck e ii s (natlib.) ist dcr Ausicht, datz dic Ein-
kommciisverhältirisse uuscrer Beamtcn driugend deü Tuf-
besseruug bedürfen. Durch dic Wohmingsgcldvorlage iverde
dic Zwischcnzcit bis znr nllgemcincn Gchaltsrcvision für dic
Beamtcn wcnigstcns crträglich gemacht. Ob dic Rcvision
sckion aus dcm nächstcn Lnndkage vorgcnommcn werden könnc,
schcinc ihm fraglich; um dcn Preis eiucr Steucrerhöhung
möchte er sie jedcnfalls nicht bcschleunigt wisscn, wenn er auch
wünschc, datz sic möglichst rasch gefördert tvird. Dic Beamtcn
haben allen Grnnd. dic Wohnungsgeldvorlagc mit Freuden
zu bcgrutzen. Wo Abhilfc geboten crschicn, sei Abhilfe cingc-
tretcn. Es konnten allcrdings iiicht alle Wünschc bcrücksichtigt
ivcrdcn. Die omtkiche» Erhcbnngcn botcn immcrhin eincn
znverlässlgcrcn Matzstab, als private. Hättc die Kommission
anf allen Wünsche» bcstanden, so wäre das glcichbedeutcnd
gewescn mit dcm Schcitern des Gesetzes. Damit hättc man aber
dcn Bcamatcn cincn schlcchtcn Dicnst crwicscn. Durch dcn
Kompromitz bezuglich der Kkasscn D nnd C sei cin grotzer
Stcin dcs Anstotzcs ans dcm Wcge gcräumt wordcn. Redncr
hofft, datz dic Bcriifsfrendigkeit unscres ehrcnwcrien Beamten-
standes infolge dicser Vorlage sich steigcri und daß es bald
gelingeu wird, auch die bercchtigteii Wüuschc dcr Bcamtcn be-
züglich dcr Gchaltsrcvision zu crfülleii. (Bravol)

Abg. Hcnnig (Zcntr.) erklärt, datz anch das Zcntrum
dcr Vorlage zustimmeu wcrdc, wcil diesclbc uach alleu Seiten
hin gercchtfcrtigt erscheine. Es sci zu bcgrützen, datz die
Rcgicrnng ihrem vor zwci Jahren abgegcbeiicn Vcrsprechen
nachkomme, obwohl nicht allc Voraussetzungen vorliegcn. Sym-
pathisch habe ihn die Art und Wcisc berührt, wic die Regic-
rung dic Erhcbungcn vorgenommen hat; wohlwollendcr und
billiger konnte mau uicht verfahren. Er glaubc, datz die
Beamtcnwelt das Wohlwollcn zu würdigen wisse und datz die
Vorlagc vicl zum Frieden bcitragen wird. (Bcifall.j

Nbg. Geck (Soz.) entwickclt Nic Gründc, wclche der
Sozialdcmokratic dic Annahmc der Borlagc crmöglichcn.
Scinc Partci crblickc in dicscm Gesctzcntwnrfc den Anfang
zur Lösung der Wohnungsfragc übcrhaupt. Dic Regierung
mvge im Bundesrat darauf hinwirkcn, datz auch dic Reichs-
bcamtcn in Badcn dcn badischen Bcamten hinsichtlich des
Wohnungsgeldes gleich gestellt wcrdcn. Seinc Fraktion habc
dic anfäiiglichen Bedcnken gegcn dcn Entwurf fallen gelassen,
nachdcm die Rcgicrung crklärt hat, datz die allgemcinc Gehalts-
revision dad^'rch nicht vcrzögert wird. Dcr Grnndsatz, datz
nach dem 16. Dicnstjahrc die Beamten der Klassc D in die
Klasse C aufrückcn, hätte für allc Klassen durchgeführt wcrdcn
sollen; mit Rücksicht darauf.'datz cventuell das Gesetz geschei-
tcrt wäre, habe jedoch scine Fraktion von einem entsprechen-
den Antrag abgeschen. Dcn Ausdruck „standcsgemäße Woh-
iiiingcn" halte cr für einc dcplazierten Begriff; untcr „stan-
desgcmätz" verstehe er eine Wohnung, die cin gesundes Wöh-
ncn gcstattet. Für die Heilmittel der bürgerlichen Wohnungs-
rcform könne sich seine Partei nicht bcgeistern, in dcm vor-
licgcnden Entwurfe erblicke sie jcdoch cine Vor- und Ueber-
gangsarbcit für die endgiltige Lösung dcr Wohnungsfrage;
dahcr stimme sie dcmselben zu.

Abg. Muser (Dcm.) bcdauert, daß es nicht gelungen
ist, für Offciwurg cine^Acnderung hcrbeizuführen und lcgt
im Namen seincs Kollegen Hofman feicrlich dagegcn Protest
ein, daß der Berichterstatter die Stadt Bruchsal cine „Ort-
schaft" gcnannt hat. (Heiterkeit.) Um zu vcrhindern, datz
die Wohlthatcn/der Vorlagc den Hausbesitzern zu gute kom-
me», sollrc'i die Beamtcn die Mieter- und Bauvereine uach
Kräficn fördcrn. Die Gehaltsrevision, bci der auch die
HLHereu Beamlen gcbührende Berücksichtigung finden müssen,
dürfe nuter keinen Umständen hinausgeschoben wcrden. Den
Bemnten solltc man jeht keine höhere Rcpräscntationspflichten
nach preutzischcm Muster zumutcn. Redncr bittet schließlich,
auch die nicht etatmäßigen Beamten möglichst bald bejser
zu stcllcn.

Finanzminister Buchenberger dankt für die wohl-
ivöllende Anfnahme der Vorlage, die eine wcsentliche ökono-
misckic Aufbcsserung unserer Beamten involvicre. Alle Wünsche
konnten frcilich nicht crfüllt werden, dics sei aber gewöhnkich
anch bci andcrcn Vorlagcn der Fall. Er hoffc, daß die Wohl-
thaten der Vorlage auch wirklich dcn Beamten und nicht den
Hausbcsitzcrn zugnte kommcn. Die Rcbision dcs Gehalts-
tarifs sei, wie er früher schon bctont habc, notwendig;; aber
so unverschiebbar erschcine sie nicht, daß ihrctwegen alle Regeln
cincr gesunden Finanzwirtschaft über Bord gcworfen werden
sollcn. Angesichts der Thatsache, daß die wichtigsten Steuer-

auschlägc eincn ftarken Rückschlag ausweiscn, crachtc er die
Möglichkeit, öatz schon auf dem nächsten Landtage eine
Rcvision dcs Gchaltstarifes, dic etiva 214 bis 3 Millionen
erfordert vorgenommen wird, für ausgeschlosscn. VicUeicht
wcrdc der Landtag 1906—1907 in die Lage kommen, sich da-
mit zu bcschäftigen. Bis dahin müssen sich die Beamten
gcduldcn; sie müssen und können warten, angesichts dessen,
was bis jetzt für sie gcschehen ist. Hat sich doch der Aufwand
für Gehälter und Wohnungsgcld in dcn Jahren 1889—1902
vcrdoppelt, während die Zahl dcr Beamten nur in bescheidenem
Matze gcstiegen ist. Dic Gefühlc des Wohlwollens gegen
dic Bcamten dürfen nicht allctn matzgebcnö sein, andere Be-
dürfnisse des Staatcs dürfcn nicht autzer Acht gclassen iverden.
Es würde eine Umkchrung dcr Situation bedcuten, tvenn eine
Ncgicrung, die bewiesen hat, datz sic dcn Beamten gegenüber
nicht kargr, von der Volksvertrctung zur Rcvision gcdrängt
würdc. Die Volksvertretung würde sich nichts vcrgebcn, wcnn
sic in dicser Frage die Führung dcr Rcgicrung übcrlätzt. (Leb-
haftcr Beifall.) Nach kurzcn Bcmcrkungen dcs Abgcordneten
Muscr und ciucm Schlutzwort dcs Berichtcrstattcrs tritt
das Haus in die Spezialbcratung ciu, wobci Ministerialrai
Nicolai erklärt, datz im Nachtrag eine Position zur Auf-
bessermig des nichrctatsmätzigcu Pcrsonals aufgcuommcn wird,
die sich uatürlich angesichts dcr Fiiiauzlage in mätzigcn Grcn-
zcn bewegcn wcrdc, nm so mchr, als bci der Gchaltsrcvision
auch das nichtctatmäßigc Pcrsonal Bcrücksichtigung findcn
wcrdc.

Dcr Gesctzentwurf wird sodann einstimmig angenommen.

Schluß bcr Sitzung 12 Uhr. Morgen: Pctitioncn.

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Aus der Karlsruher Zeitung.

Wcrkmcrsterprüfung. Nachgcnannte Kandidatcn haben
die in diesem Jahre abgchaltene Wcrkmeistcrprüfung für den
Bahn- und licfbautechilischeu Dicnst orduuiigsmäßig bestanden
und hierdurch gemäß Paragraph 8 der landcsherrlichcn Verord-
iiiuig vom 4. September 1896 üas Prädikat „Werkmcifter" er-
kangi: Äark Preiser von Schwaningen, Friedrich Sassie von
Dicrsheim, Heinrich Hcrniann Bcnz von Mannhcim, Christian
König voii Attenheim, Hubcri Wciugärtner von Oos, Johann
Wipflcr von Schöllbronn.

K n r l s r u h e, 23. Äpril. Der Großherzog
erlebigte deu heutigen Vormittog zahlreiche gcschäftliche
Angelegenheit und einpfing den Präsidenten Tr. Ni-
colai zn längerer Berichterstattung. Hieranf hörte
Se. Kgl. Hoh. den Vortrag des Generalleutnants und
Generaladjntanten von t>Nüller und gewährte dein Bi-
schof Freiherrn Zorn von Bulach in Straßbnrg Audienz.
Danach ineldete sich der Rittineister im Ulanen-Negiment
von Katzler (Schlesischen) Nr. 2 Freiherr von Rotberg-
Zur Frühstiickstasel erschienen außer der Kronprinzessin
Viktoria und dem Prinzen Gnstav von Schweden die
Prinzessin Wilhelm, der Prinz und die Prinzessin Max
nnd die Erbprinzessin von Anhalt. Im Lanfe des Nach-
mittags hörte Se. Kgl. Hoh. den Vortrag des Geh.
Legationsrats Dr. Freiherrn von Babo, besnchte den
Oberststallmeistcr Freiherrn von Holzing-Berstett und
fuhr dann zum Bahnhof, wo um 5 Ilhr 29 Min. der
Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin aus Eoblenz
eintrasen. Am Bahnhof befanden sich noch die Groß-
herzogin, die Kronprinzessin Viktoria und Prinz Gustav
von Schweden, sowie das Gefolge. Die höchsten Herr-
schasten suhren gemeinsam zum Schloß, wo dic Erb-
großberzoglichen Herrschaften ihre srühere Wohnung bei
der Schloßkirche bezogen. Dcr Großhsrzog hörte dantt
noch den Vortrag dcs Legationsrats Dr. Seyb.

Ausland.

Holland.

Schloß Loo, 23. April. Der heute fcüh ausgegebene
Krankenbericht besagt, die Königin Wilhelmina hasie
eine ruhige Nacht. Die am Morgen festgestellte Herab^
minderung der Körperwärmc bält an. Die Königin
selbst fühlt sich besser. Die Nahrungsaufnahme ist
genügend.

Schloß Loo, 23. April. Das Bcfinden dek
Königin war im Laufe des Tagcs audauernd
befriedigend.

Bclgicn.

Brüsscl, 23. April. Noch fortwährend werdeN
von liberalen Provinzialräten und Stadträten Tele/
gramme an den K önig gesandt, in welchen die Aust
lösimg der Kammer oder Gcwährung des allgemeineU
Stimmrechts als die einzigen Mittel zur dauernden Be"
ruhigung des Landes gefordert werden. Viel bemer^
wird ein von sehr zahlreichen Großindustriellen aus deps
erzkleritälen Eecloo nnterzeichnetes Schreibcn an deö
Monarchen, welches im Jnteresse der Jndustrie dasselbe
fordert.

England.

London, 23. April. Das Unterhaus bestätigV
nach erregter Debatte, in deren Verlauf Harcourt e^
klärte, die Opposition sci entschlossen, sich dem KofU)
zoll energisch zu widersetzen, mit 283 gegen 197 SüM
men die Resolution, durch welche die Erhebung de-
Kornzolles hestimmt wird.

Rnßland. „

Petersburg, 22. April. Die Untersuchung grg^'
den Mörder des Ministers Ssipjagin, dcn chemalig^
Studenten an der Kiewer Universitäl Balmaschow "j'
so lautet der wirkliche Name — geht erfolgreich von statÜA
Es ist festgestellt worden, daß der Mörder am 9.
aus Saratow in Wiborg eingetroffen und von dort av
fast täglich nach Petersburg gefahren ist. Der ger>^
fügige Umstand, der zur Entdeckung cines Komplots
Wtborg führte, war cine Oblate, welche Mittel g^ j
Kopfschmerzen enthielt. Die anfängliche Annahmc, es >
vielleicht Gift, stellte sich als irrig heraus. Auf der L>vt^
befand sich der Stempel ciner Apotheke in Wiborg. Sot^
nahm man die umfassendste Untersuchung in Wiborg ^
wobei die Photographie des Mörders von einem dorbg
Gendarm des Bahnhofs erkannt wurde. Derselbe wurde
dem Mörder konfrontirt, ebenso verschiedene andere Persöp!!„,
keiten, was auf Balmaschow einen solchen Eindruck waw^
daß er ohnmächtig zusammenbrach und fast zwei Stuna
ohne Bestnnung blieb. Nachdem er durch ärztliche Belebaaü^
versuche wieder vernehmuiigsfähig gemacht worden,
er fortgesetzt hartnäckig. Einem Teil seiner Compliceb
die Untersuchung bereits auf der Spur. Der Mördcr v x,
von seinem Revolver die Nummer abgefeilt, um
 
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